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Fakultät für Physik - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 05/05
Eine aussagekräftige theoretische Beschreibung des Infrarot (IR)-Schwingungsspektrums eines Biomoleküls in seiner nativen Umgebung durch Molekulardynamik (MD)-Simulationen benötigt hinreichend genaue Modelle sowohl für das Biomolekül, als auch für das umgebende Lösungsmittel. Die quantenmechanische Dichtefunktionaltheorie (DFT) stellt solche genauen Modelle zur Verfügung, zieht aber hohen Rechenaufwand nach sich. Daher ist dieser Ansatz nicht zur Simulation der MD ausgedehnter Biomolekül-Lösungsmittel-Komplexe einsetzbar. Solche Systeme können effizient mit polarisierbaren molekülmechanischen (PMM) Kraftfeldern behandelt werden, die jedoch nicht die zur Berechnung von IR-Spektren nötige Genauigkeit liefern. Einen Ausweg aus dem skizzierten Dilemma bieten Hybridverfahren, die einen relevanten Teil eines Simulationssystems mit DFT, und die ausgedehnte Lösungsmittelumgebung mit einem (P)MM-Kraftfeld beschreiben. Im Rahmen dieser Arbeit wird, ausgehend von einer DFT/MM-Hybridmethode [Eichinger et al., J. Chem. Phys. 110, 10452-10467 (1999)], ein genaues und hocheffizientes DFT/PMM-Rechenverfahren entwickelt, das der wissenschaftlichen Ọ̈ffentlichkeit nun in Form des auf Großrechnern einsetzbaren Programmpakets IPHIGENIE/CPMD zur Verfügung steht. Die neue DFT/PMM-Methode fußt auf der optimalen Integration des DFT-Fragments in die "schnelle strukturadaptierte Multipolmethode" (SAMM) zur effizienten approximativen Berechnung der Wechselwirkungen zwischen den mit gitterbasierter DFT bzw. mit PMM beschriebenen Subsystemen. Dies erlaubt stabile Hamilton'sche MD-Simulationen sowie die Steigerung der Performanz (d.h. dem Produkt aus Genauigkeit und Recheneffizienz) um mehr als eine Größenordnung. Die eingeführte explizite Modellierung der elektronischen Polarisierbarkeit im PMM-Subsystem durch induzierbare Gauß'sche Dipole ermöglicht die Verwendung wesentlich genauerer PMM-Lösungsmittelmodelle. Ein effizientes Abtastens von Peptidkonformationen mit DFT/ PMM-MD kann mit einer generalisierten Ensemblemethode erfolgen. Durch die Entwicklung eines Gauß'schen polarisierbaren Sechspunktmodells (GP6P) für Wasser und die Parametrisierung der Modellpotentiale für van der Waals-Wechselwirkungen zwischen GP6P-Molekülen und der Amidgruppe (AG) von N-Methyl-Acetamid (NMA) wird ein DFT/PMM-Modell für (Poly-)Peptide und Proteine in wässriger Lösung konstruiert. Das neue GP6P-Modell kann die Eigenschaften von flüssigem Wasser mit guter Qualität beschreiben. Ferner können die mit DFT/PMM-MD berechneten IR-Spektren eines in GP6P gelösten DFT-Modells von NMA die experimentelle Evidenz mit hervorragender Genauigkeit reproduzieren. Somit ist nun ein hocheffizientes und ausgereiftes DFT/PMM-MD-Verfahren zur genauen Berechnung der Konformationslandschaften und IR-Schwingungsspektren von in Wasser gelösten Proteinen verfügbar.
Fakultät für Physik - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 03/05
Hybridmethoden, welche eine quantenmechanische Beschreibung eines Moleküls im Rahmen der Dichtefunktionaltheorie (DFT) mit einer molekülmechanischen (MM) Modellierung seiner Umgebung kombinieren, eröffnen einen Zugang zur Berechnung von Lösungsmitteleffekten in molekularen Schwingungsspektren. In der vorliegenden Arbeit wird eine solche DFT/MM-Hybridmethode exemplarisch zur Analyse der Schwingungsspektren von Biomolekülen eingesetzt. Durch Vergleich mit spektroskopischen Daten werden die erzielbare Genauigkeit und der dazu nötige Rechenaufwand ausgelotet. Bei den untersuchten Systemen handelt es sich um den Retinalchromophor der lichtgetriebenen Protonenpumpe Bakteriorhdopsin (BR) und um ein in Methanol gelöstes, lichtschaltbares beta-Hairpinpeptid. Die inhomogen verbreiterten Schwingungsspektren werden mit DFT/MM unter Verwendung der „instantanen Normalmodenanalyse (INMA)“ beschrieben. Dabei wird durch eine MM Molekulardynamik-(MD-)Simulation ein Raumtemperatur-Ensemble von Strukturen des Moleküls in seiner jeweiligen Umgebung generiert und für jeden solchen Strukturschnappschuss das Infrarot-(IR-) Spektrum durch DFT/MM Normalmodenanalyse berechnet. Das inhomogen verbreiterte Raumtemperaturspektrum ergibt sich durch Überlagerung dieser Linienspektren. Für BR ist die Erzeugung eines solchen Ensembles schwierig, da die BR Struktur bei Verwendung der üblichen nicht-polarisierbaren MM-Kraftfelder unter MD „zerfällt“. Einen Ausweg bietet ein mit DFT/MM Methoden berechnetes polarisiertes BR-Kraftfeld, das die BR-Struktur auch bei Langzeit-MD-Simulationen (50 ns) erhält. Mit einem speziell entwickelten Hamiltonschen Replika-Austauschverfahren lässt sich anschließend zeigen, dass die bei den tiefen Temperaturen der Kristallstrukturanalyse homogene BR Struktur bei Raumtemperatur heterogen wird, was eine Vielzahl experimenteller Befunde erklärt. Die INMA Berechnung der Schwingungspektren des BR-Chromophors bei Raumtemperatur in situ, eine systematische Analyse diverser Einflussparameter und Vergleiche mit experimentellen Daten beantworten schließlich die Frage, mit welcher Qualität solche Spektren bei sorgfältiger Modellierung und unter Einsatz der gewgenwärtig verfügbaren DFT/MM Methoden berechnet werden können. Weiterhin werden DFT/MM-Hybridrechnungen dazu eingesetzt, um den strukturellen Gehalt von ps-zeitaufgelöste IR Daten zur Entfaltungsdynamik eines lichtschaltbaren beta-Hairpinpeptids zu dekodieren. Der lichtinduzierte Entfaltungsprozess wird mit MM/MD simuliert. DFT/MM Berechnungen der durch den Entfaltungsprozess ausgelösten Bandenverschiebungen im Amid-I Bereich zeigen dann, dass die spektrospopischen Beobachtungen das sukzessive Aufreissen der ursprünglich geordneten H-Brückenstruktur des Peptids anzeigen.
Fakultät für Physik - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 02/05
Die Absorptionsspektroskopie im mittleren infraroten (MIR, etwa 500-4000 cm-1) Spektralbereich ist ein wichtiges Hilfsmittel in der biomolekularen Forschung. Mit ihrer Hilfe können z.B. strukturelle Eigenschaften von Proteinen und enzymatisch katalysierte Reaktionen sichtbar gemacht werden. Zur Interpretation solcher Spektren benötigt man jedoch Rechenmethoden, vermittels derer MIR Spektren mit hoher Genauigkeit vorhergesagt werden können. Im ersten Teil dieser Arbeit betrachte ich Cyclopyrimindimere (CPD), die durch ultraviolette Strahlung in dem Erbgutmolekül DNS entstehen und potentiell mutagene oder lethale Folgen für die Zelle haben. Um zukünftige Experimente zu leiten, welche die licht-induzierte Reparaturreaktion dieser Defekte durch das Enzym Photolyase mit zeitaufgelöster Spektroskopie verfolgen wollen, habe ich mit Hilfe der Dichtefunktionaltheorie (DFT) die MIR Spektren von Modellstrukturen einzelner Intermediate der CPD Reparatur berechnet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Intermediate der CPD Reparatur anhand der spezifischen MIR Absorption ihrer Carbonylmoden identifiziert werden können und dass der Weg der Spaltung eines CPD in native DNS Basen auf diese Weise aufgeschlüsselt werden kann. Im zweiten Teil dieser Arbeit untersuche ich jene Methoden, die in der Literatur zur Berechnung von MIR Spektren aus Molekulardyamik (MD) Simulationen, bei denen eine DFT Beschreibung eines Moleküls mit einer molekülmechanischen (MM) Beschreibung der Umgebung kombiniert wird, vorgeschlagen worden sind. Dazu leite ich die Vorschriften der verschiedenen Methoden für den Fall eines einzelnen Moleküls in einem polaren Lösungsmittel aus der linearen, quantenmechanischen Störungstheorie her. Anhand dieser Herleitung und der Ergebnisse einer exemplarischen Anwendung der Methoden auf eine DFT/MM-MD Simulation eines Formaldehydmoleküls in Wasser diskutiere ich die den jeweiligen Methoden zugrundeliegenden Annahmen und Näherungen sowie mögliche neue Verfahren zur Korrektur der durch die Näherungen induzierten Fehler bei der Berechnung von MIR Spektren. Ferner entwickle ich aus dieser Analyse ein neues Verfahren zur Berechnung von MIR Spektren kleiner Moleküle in polaren Lösungsmitteln, mit dessen Hilfe sich die Frequenzfluktuationen des gelösten Moleküls, die durch die Wechselwirkung mit der fluktuierenden Lösungsmittelumgebung entstehen, mit einer Auflösung von etwa 10-30 fs berechnen lassen. Anhand einer exemplarischen Anwendung zeige ich, dass es diese Methode erlaubt, die Ursachen der Frequenzfluktuationen im Detail zu untersuchen und deren Beiträge zu MIR Linienbreiten zu ermitteln.
Fakultät für Physik - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/05
Quantenmechanische (QM) Grundzustandsrechnungen auf Basis der Dichtefunktionaltheorie (DFT) erlauben bei der derzeitigen Leistungsfähigkeit von Supercomputern die Molekulardynamik- Simulation (MD-Simulation) von molekularen Systemen mit bis zu 100 Atomen. Verwendet man nicht-lokale Austausch-Korrelations-Funktionale, so werden Elektronen-Korrelationseffekte erfaßt. Damit kann insbesondere das Kraftfeld von Farbstoffmolekülen mit ausgedehnten konjugierten p-Elektronensystemen richtig beschrieben werden. Ein prominentes Beispiel für ein solches Farbstoffmolekül ist die Schiffsche Base von Retinal, die in dem lichtgetriebenen Protonenpumpzyklus des Proteins Bacteriorhodopsin (BR) eine führende Rolle spielt. Die elektrostatischen Felder und die sterischen Bedingungen in der Chromophorbindungstasche im Inneren des Proteins steuern die Eigenschaften und Reaktionen des Farbstoffes auf eine hochspezifische Weise. Eine für das Verständnis dieser Protein- Chromophor-Wechselwirkung nötige quantenmechanische Behandlung des gesamten Protein- Chromophor-Komplexes ist nicht durchführbar, da Proteine in der Regel aus mehreren tausend Atomen bestehen und dies einen immensen Rechenaufwand zur Folge hätte. Nur molekülmechanische (MM) Proteinmodelle, bei denen molekulare Kraftfelder durch semiempirisch bestimmte Energiefunktionen approximiert werden, lassen sich numerisch hinreichend effizient auswerten und gestatten so eine mikroskopische Beschreibung der Dynamik von Proteinen. Aufgrund der vielen Vereinfachungen, die MM-Modellen anhaften, können jedoch keine chemischen Reaktionen oder Eigenschaften von Farbstoffmolekülen erfaßt werden. Aus diesem Grund wurde in dieser Arbeit ein QM/MM-Hybridverfahren entwickelt, mit dessen Hilfe ein kleiner Teil eines Proteinsystems, etwa ein gebundenes Substrat oder ein eingelagerter Farbstoff, mit einem DFT-Verfahren quantenmechanisch (QM-Fragment) und die nicht vernachlässigbare Proteinumgebung molekülmechanisch (MM-Fragment) behandelt werden kann. Zu diesem Zweck wurde ein geeignetes Wechselwirkungsschema zwischen QM- und MMFragment entwickelt, das in dem EGO/CPMD-Programmpaket implementiert wurde. Für die Berechnung der elektrostatischen Wechselwirkung zwischen den Fragmenten war es nötig, die sogenannte FAMUSAMM-Methode (fast multiple-time-step structure adapted multipole method) weiter zu entwickeln, so daß auch sehr große Hybridsysteme, bei denen die MM-Fragmente aus mehreren tausend Atomen bestehen, ohne Verlust an Genauigkeit behandelt werden können. Die bei kovalent aneinander gebundenen Fragmenten im QM-Fragment auftretende freie Valenz an einer Fragmentschnittstelle erfordert eine spezielle Behandlung. Hierfür werden vielfach sogenannte Link-Atom-Verfahren eingesetzt, bei denen das QM-Fragment durch ein zusätzlich eingeführtes Wasserstoffatom, das Link-Atom, abgesättigt wird. Wie in der vorliegenden Arbeit erstmals gezeigt werden konnte, lassen sich die dynamischen Freiheitsgrade, die in einem QM/MM-Hybridsystem durch ein Link-Atom zusätzlich auftreten und die Dynamik nachweislich verfälschen, vollständig eliminieren. Hierzu wurde ein neues Link-Atom-Verfahren SPLAM (scaled position link atom method) entwickelt, bei dem alle störenden Effekte, die von dem Link-Atom ausgehen, beseitigt werden, so daß das Kraftfeld an der Fragmentschnittstelle korrekt wiedergegeben wird. In ausführlichen Testrechnungen wurde die Qualität der in dieser Arbeit entwickelten QM/MM-Hybridmethode untersucht. Dabei wurden insbesondere berechnete Schwingungsspektren eingesetzt, da diese eine sehr empfindliche Probe für die Qualität eines molekularen Kraftfeldes sind. Es konnte durch MD-Simulation eines Wasserclusters demonstriert werden, daß in QM/MM-Hybridmodellen das TIP3P-Wassermolekülmodell, bei dem die Elektrostatik eines Wassermoleküls durch drei Punktladungen beschrieben wird, den Lösungsmitteleinfluß von Wasser richtig modelliert. Bei der Untersuchung eines Wasserdimers hat sich herausgestellt, daß die wohlbekannte Schwäche der LDA-Näherung, die Stärke von Wasserstoffbrückenbindungen zu überschätzen, sich bei Hybridmodellen nicht auf die Wechselwirkung zwischen QM- und MM-Fragment überträgt. Anhand des Schwingungsspektrums von Äthan wurde demonstriert, daß im SPLAM-Verfahren – im Gegensatz zu den üblichen in der Literatur verwendeten Link-Atom-Verfahren – Schwingungsmoden, die über beide Fragmenthälften delokalisiert sind, durch die Fragmentierung nicht verfälscht werden. Außerdem wurde gezeigt, daß das SPLAM-Verfahren auch für im QM-Fragment lokalisierte p-Elektronensysteme geeignet ist, wenn zur Vermeidung von Substituenteneffekten eine CH2-Gruppe als „elektronische Isolierung“ zwischen QM-Fragment und MM-Fragment in die quantenmechanische Beschreibung aufgenommen wird. Im letzten Kapitel wurde als erste Anwendung für eine kleine Schiffsche Base in wäßriger Lösung ein ensemblegemitteltes IR-Spektrum berechnet. Als zweite Anwendung wurde die Retinal- Schiff-Base quantenmechanisch in der Bindungstasche von BR untersucht. Durch Vergleich von berechneten IR-Spektren mit experimentellen Daten konnte gezeigte werden, daß das im Jahre 1996 von Grigorieff et al. vorgeschlagene BR-Modell einen guten Ausgangspunkt für Strukturverfeinerungen der BR-Bindungstasche darstellt. Insbesondere legen die QM/MMHybridrechnungen nahe, daß in BR568 das Proton der Schiffschen Base in Richtung von Asp85 orientiert ist. Mit der letzten Anwendung wurde demonstriert, wie berechnete IR-Spektren von QM/MMHybridmodellen ein Beitrag zur Strukturaufklärung von Proteinen wie BR leisten können. Ferner wird es mit Hilfe der in dieser Arbeit entwickelten QM/MM-Hybridmethode möglich sein, den Ablauf von enzymatischen Reaktionen bei Proteinen, für die hinreichend genaue Strukturinformationen bekannt sind, zu studieren.