Götz Steeger seziert und näht wieder zusammen: Er zeigt, wie ausgewählte Popsongs aufgebaut sind. Eine Entdeckungsreise durch Groove, Instrumente und Harmonien.
Goetz Steeger seziert wieder Musik! Im neuen Podcast "Tatort Pop" nimmt er sich nicht nur einzelne Songs vor, sondern erklärt ganze Genres und betrachtet ihre musikalische Beschaffenheit. In der ersten Staffel geht es um die 90er, beginnend mit Britpop, Eurodance und Female Power.
Arabische Streicher treffen auf Kraftwerk-Synthesizer und Twang-Gitarren, dazu Liraz' Gesang auf Farsi über Themen wie Frauenrechte: mittelöstlicher Pop auf der Höhe der Zeit. Die aus dem Iran stammende Sängerin Lira Charhi lebt in Tel Aviv. Auf ihrem Album "Zan" musizieren israelische und iranische Musiker zusammen. Die Sounddateien der einzelnen Instrumente wurden teilweise aus dem Iran per Mail geschickt, die Musiker werden aus Sicherheitsgründen auf dem Cover nicht erwähnt. Die Songs sind, so sagt sie selbst, Transformationen ihres großen Wunsches das Land ihrer Eltern kennenzulernen, in dem sie nie gewesen ist. Herausgekommen sind mitreißende und eingängige Songs, die obschon gesungen auf Farsi, eine universelle musikalische Sprache sprechen.
Mit einer mitreißenden, gekonnten Mixtur aus afroamerikanischer Musik wie Soul, Funk, Hip-Hop oder Jazz positionieren sich Sault gegen Rassismus. Wer steckt hinter Sault? Das beschäftigt mittlerweile diverse Internet-Foren, denn die Band bleibt anonym. Eine Entscheidung, die an sich schon als Statement zu verstehen ist, denn es geht hier nicht um Stardom und Pop-Selbstdarstellung. Zwei kurz hintereinander erschienene Alben haben ein und dieselbe Sache zum Thema: die Ermordung von George Floyd durch einen weißen Polizisten am 25. Mai dieses Jahres. Drei Wochen nach der Tat erschien "Untitled (Black Is)" , das erste der beiden Alben, das zweite "Untitled (Rise)" kam im Oktober hinterher. Sault schöpft aus den Vollen afroamerikanischer Kultur: von den Chants der Black Panther Party bis hin zu geschmeidigen R&B Chören, von Curtis Mayfields softer Groovyness bis hin zu Trap-Beats, von Nile Rodgers' cleanen Single Note-Riffs bis zu kubanischer Percussion. All das kombiniert Sault mit einem Höchstmaß an Expertise und Fingerspitzengefühl.
George Harrisons Ode an die Vergänglichkeit feiert am 27. 11. sein 50 jähriges Jubiläum. Der bombastische Wall Of Sound Hit setzte in den 70er Jahren neue Pop-Maßstäbe. Ein Leben nach den Beatles, ein vergängliches zwar, aber dafür befreit von den Zwängen des Fab Four-Daseins; für George Harrison hätte es nicht besser losgehen können: Liegengebliebenes aus den letzten Jahren, sowie neue Kompositionen, eine davon mit Bob Dylan als Co-Autor, das ganze eingespielt mit seinen guten Freunden aus der damaligen Rock‘n Roll Elite: u.a. Eric Clapton, Dave Mason, Ginger Baker, Gary Brooker, auch Ringo und der 5. Beatle Billy Preston waren dabei. Wall Of Sound- Spezialist Phil Spector war als Produzent angeheuert, eine durchaus heikle Entscheidung, nach dessen umstritten pompöser Inszenierung des "Let It Be"- Albums. "All Things Must Pass" wurde ein voller Erfolg, landete auf Platz Eins der britischen und amerikanischen Charts und sollte Harrison‘s erfolgreichstes Album bleiben.
Einer der vielen Neil Young Songs, die politische Position beziehen: sein traurig wütendes Statement aus dem Jahre 1970, als die Nationalgarde im Bundesstaat Ohio 4 Demonstrant*innen erschoss. Kaum jemand hat mit derartiger Kontinuität in seinen Songs Misstände angeprangert und Stellung bezogen: gegen die Vereinnahmung von Popmusik durch Werbung, gegen den Irakkrieg, gegen Trump und immer wieder gegen Rassismus. Mit seinen Bandmates Crosby, Stills und Nash nahm er im Mai 1970 den Song "Ohio" auf, nachdem er gehört hatte, dass 4 Menschen auf einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg im Campus der Kent State University erschossen worden waren. Seine Empörung brach sich Bahn mit einem monumentalen Riff gespielt von insgesamt drei verzerrten E-Gitarren und einem schweren hypnotischen Groove. Die typischen 4-stimmigen Harmoniegesänge glätten die Wut keineswegs, der Kontrast zu den lauten Gitarren machen den Song umso eindringlicher.
Party-Spirit in 120 BPM aus dem Osten Londons: Orgelsynkopen auf einem straighten Funk-Beat, dazu melancholische Keyboardflächen und lasziv-neckischer Duettgesang. Ex Franz Ferdinand Mitglied Nick McCarthy und Produzent Seb Kellig habe ihr gemeinsames Sausage Studio im hippen Londoner Stadtteil Hackney geöffnet, allerlei Gäste trudelten ein und trugen ihren Part bei. Darunter Laetitia Sadler, KT Tunstall und im Fall von "The Drop" die Sängerin Khloe Anna. Der lässige, unangestrengte Party Spirit ist den Tracks anzuhören, Electrosounds und Dub-Elemente sind meistens die Grundlage, bei "The Drop" kommt noch eine Portion Funk dazu.
Kevin Morby singt als untoter Geist zur Lagerfeuer-Gitarre, während Twang-Gitarren und Percussion mit viel Hall von der Apokalypse künden. Kevin Morby kennt die Requisiten des Schaurigen: in "Brother, Sister" beschwört ein verstorbener Geist seine Schwester, Rache zu nehmen. Die schlichte Lagerfeuer-Gitarre setzt einen attraktiven Kontrast zu den restlichen Sounds, die manisch treibend den Rhythmus der nächtlichen Reisegeschwindigkeit vorgibt, Twang und Feedback-Gitarren sorgen für die dunkle Grundatmosphäre.
Läßiges Folk-Rock Gitarrenpicking, ein gerader Beat und ein Sänger, der von sich selbst die Nase voll hat. Kurt Vile‘s "Pretty Pimpin" ist die ideale Medizin wider den tierischen Ernst.
Polyrhythmik, Taktverschiebungen, Tonartwechsel und andere Komplexitäten, das war der Stoff mit dem die Prog Rock-Band Gentle Giant in den 70er Jahren Geschichte schrieb.
Bruce Soord besingt in "All This Will Be Yours" den desaströsen Zustand der Welt. Verhallte Gitarren und ein federnder Beat sorgen für die nötige Eindringlichkeit.
Sudan Archives kreiert mit ihrer Violine in "Down On Me" ein komplettes Arrangement. Dazu kommt ein Electro-Groove und ihr formidabler Gesang.