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Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 15/19
Desoxyribonuklerinsäure (DNA), die Erbinformation, definiert die Struktur und Funktion jeder Zelle. In Eukaryoten ist sie um Oktamere aus den Histonen H2A, H2B, H3 und H4 gewunden. Sie bilden mit der DNA höhere Strukturen, das sog. Chromatin. Die Struktur des Chromatins beeinflusst direkt die Aktivität der gebundenen DNA. Eukaryoten besitzen daher viele molekulare Mechanismen zu ihrer Veränderung, z.B. posttranslationale Modifizierungen (PTMs) von Histonproteinen oder den Austausch von kanonischen Histonen mit Histonvarianten (z.B. H3.1, H3.2, H3.3, u.a.). Für einige Varianten sind ihnen eigene, charakteristische PTMs beschrieben, z.B. die Phosphorylierung des Serins 31 der Variante H3.3 (H3.3S31ph). Die Histone Code Hypothesis postuliert, dass PTMs von Histonen in festen Mustern vorliegen können. Die Switch Hypothesis beschreibt die Regulation von Bindemolekülen an Histone durch benachbarte PTMs. Auf ihrer Grundlage wurde die These der Doppelmodifizierung einer bekannten Trimethylierung der Aminosäure (AS) Lysin 79 mit einer mutmaßlichen Phosphorylierung der AS Threonin 80 auf Histon H3 aufgestellt (H3K79me3T80ph). Neben der Etablierung eines einfachen Systems zur Identifizierung bisher unbeschriebener Phosphorylierungen bestand ein zweites Ziel dieser Arbeit im Nachweis der Phosphorylierung von H3 Threonin 80 in vivo. Eine weitere Zielsetzung lag in der genaueren Charakterisierung der bereits beschriebenen Varianten-spezifischen PTM H3.3S31ph, deren Expression zwar eng umschrieben ist, über deren spezifische Funktionen, Kinase und mögliche Effektorproteine aber wenig bekannt ist. Um einen Überblick über Phosphorylierungen verschiedener Histonroteine zu gewinnen, wurden unterschiedliche Polyacrylamidgel-Elektrophoresen Verfahren (PAGE) etabliert. Zum Einsatz kamen A/U-, T/A/U- und 2D-T/A/U-PAGE Verfahren. Sie ermöglichten in Übereinstimmung mit der Literatur die Auftrennung bekannter PTM und stehen nun für weiterführende Studien zur Verfügung. Der massenspektrometrische Nachweis der putativen PTM H3K79me3T80ph in vivo gelang nicht. Trotz optimierter Versuchsbedingungen konnte die Phosphorylierung weder in der MALDI-ToF, noch in der Orbitrap MS/MS nachgewiesen werden. Initiale Antikörperdaten wurde aufgrund einer aufgedeckten Kreuzreaktivität in Frage gestellt. Obgleich nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden kann, dass H3K79me3T80ph in vivo nicht existiert, wurde die These letztlich verworfen. Die molekularbiologische Untersuchung der Varianten-spezifischen PTM H3.3S31ph ergab bei verifizierter Überexpression und Chromatin-Integration punktmutierter Histone übereinstimmend Hinweise auf einen Effekt der PTM auf die Zellteilung. Es konnte gezeigt werden, dass Serin 31 bzw. ihre PTM H3.3S31ph sowohl Zellzyklus, als auch Wachstums- und Proliferationsgeschwindigkeiten von HeLa Zellen beeinflusst. Dies argumentiert für eine aktivierende Funktion von H3.3S31ph in der Mitose. Weiter konnten mithilfe eines ELISAs fünf potentielle Proteinkinasen für H3.3S31ph identifiziert werden. Vorrangig kommt dabei die nukleäre Kinase PIM1 in Betracht. Zur weiteren Untersuchung potentieller Effektorproteine wurde in vitro ein molekularbiologisches Modellsystem etabliert. Es steht nun für weiterführende Studien zur Verfügung. Erste Vorarbeiten konnten bereits zeigen, dass hier evtl. Interaktionen mit dem Linkerhiston H1 eine wichtige Rolle spielen.
Fakultät für Biologie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 02/06
Erkenntnisse zur funktionalen Zellkernarchitektur wurden bisher überwiegend an fixierten Zellen durch in situ Methoden erlangt. Durch Etablierung eines Lebendzell-Systems sollte überprüft werden, ob es möglich ist, ein einzelnes Transgen auf DNA-Ebene zu visualisieren und es bei seiner transkriptionellen Aktivierung zu beobachten. Das hier entwickelte „Gene Positioning System“ (GePS) nutzt das Lac-Operator/Lac-Repressor-GFP-System („Gene Tag“) als visualisierende Komponente, um das Indikatorgen auf DNA-Ebene sichtbar zu machen. Das Indikatorgen selbst basiert auf der induzierbaren Transkriptionseinheit von HIV-1, die spezifisch durch das virale Protein Tat aktiviert werden kann und die Transkription eines Reportergens (DsRed) kontrolliert. Im transient transfizierten Status konnte das Indikatorgen als Episom durch Bindung des „Gene Tags“ als punktförmiges Signal im Kern detektiert werden. In den etablierten und charakterisierten Zelllinien HeLa-Indi war dies durch Bindung des „Gene Tags“ an 64 Lac-Repressor-Bindungsstellen eines einzelnen Transgens nicht möglich. Die Etablierung der stabilen Zelllinien und die transiente Expression ermöglichten einen direkten Vergleich der Transkription von der integrierten und episomalen HIV-1 LTR. In beiden Fällen konnte eine spezifische Transkriptionsaktivierung durch Tat auf Protein- und RNA-Ebene beobachtet werden. Auch eine Tat-unabhängige Basisaktivität in Form von Volllänge-Transkripten konnte immer nachgewiesen werden, die in verschiedenen Zelllinien und dem episomalen Indikatorgen aber zu keiner nachweisbaren Proteinexpression führte. Die induzierte Expression des Indikatorgens des „GePS“ konnte darüber hinaus in wichtigen HIV-1 Zielzellen (CD4 positive Lymphozyten) gezeigt werden. Des Weiteren konnten Erkenntnisse über die Tat-induzierte, von der HIV-1 LTR ausgehenden Transkription und der Zusammenhang zum Spleißen gewonnen werden. Durch quantitative PCR wurde deutlich, dass sowohl im epsiomalen als auch integrierten Status erst durch die gesteigerte Transkription das Spleißen der Indikatorgen-RNA induziert wird, das Spleißen also co-transkriptionell stattfindet. Tat selbst spielt bei der Rekrutierung von Spleißfaktoren nur eine indirekte Rolle, da durch die transkriptionsdefiziente Mutante Tat(K41A) kein Spleißen initiiert wird. Durch verschiedene methodische Ansätze wurde versucht, die Frage der Chromatinzusammensetzung von nicht replizierenden Episomen in menschlichen Zellen zu beantworten. Weder durch eine Colokalisations-Untersuchung noch eine Chromatin IP konnte jedoch eine spezifische Assoziation des episomalen Indikatorgens mit dem Histon H3 nachgewiesen werden. Eine Bindung von Proteinen an die Episomen konnte am Beispiel von p50, einer Untereinheit des Transkriptionsfaktors NFκB, gezeigt werden. Für die produktive Replikation der Retroviren ist die Integration der proviralen DNA ins Genom der Wirtszelle nötig, jedoch konnte für HIV gezeigt werden, dass nicht integrierte zirkuläre HIV-DNA in sich nicht teilenden Zellen persistiert. Die Ergebnisse dieser Arbeit unterstützen die Vermutung, dass nicht integrierte retrovirale DNA transkribiert werden kann und dadurch die exprimierten Proteine Bedeutung für den Lebenszyklus von HIV und durch ihre Persistenz Einfluss auf die Wirtszellen haben können.
Fakultät für Chemie und Pharmazie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 02/06
In der vorliegenden Arbeit wurden die beiden Histon-Methyltransferasen Su(var)3-9 und E(Z) aus Drosophila melanogaster charakterisiert. Die Histonmethylierung als Modifikation war schon länger bekannt gewesen, bis zum Jahr 2000 war jedoch vor allem die Acetylierung etwas genauer untersucht worden. Su(var)3-9 war die einzige bekannte Histon-Lysin-Methyltransferase, als diese Arbeit begonnen wurde. Zur Charakterisierung wurde das myc-getagte Enzym aus Drosophila-Kernextrakt durch Affinitätschromatographie aufgereinigt und zunächst die Substratspezifität festgestellt. Wie das humane Enzym Suv39H1 methyliert es ebenfalls spezifisch H3-K9 (Lysin 9 im Histon H3). Das aus den Kernextrakten aufgereinigte Enzym besitzt aber auch die Fähigkeit, ein an H3-K9 präacetyliertes Substrat zu methylieren. Die Vermutung, dass Su(var)3-9 mit einer Histondeacetylase assoziiert ist, konnte durch Verwendung von TSA als HDAC-Inhibitor bestätigt werden. Es stellte sich heraus, dass HDAC1 (Rpd3) mit Su(var)3-9 assoziiert ist. Um das Enzym besser untersuchen zu können, wurde es als Volllängenprotein und als Deletionsmutante in E. coli exprimiert. Die Aufreinigung des rekombinanten Enzyms sowie seine Lagerbedingungen wurden optimiert. Das Volllängenprotein Su(var)3-9 liegt – wie durch Gelfiltration festgestellt - als Dimer vor, die Interaktion mit sich selbst ist über den N-Terminus vermittelt. Su(var)3-9 bindet an sein eigenes, bereits methyliertes Substrat. Dies wurde an Peptiden untersucht, die den ersten 20 Aminosäuren des Histons H3 entsprechen, und entweder an Lysin 9 dimethyliert oder unmodifiziert waren. Die Interaktion mit dem methylierten Substrat ist auf die Chromodomäne von Su(var)3-9 zurückzuführen, ist jedoch schwächer als die Wechselwirkung von HP1 mit methyliertem H3-K9. Des weiteren wurde eine Drosophila-Zelllinie stabil mit Su(var)3-9 transfiziert. Das überexprimierte Protein ist jedoch nur schwach aktiv. Die Tatsachen, dass Su(var)3-9 mit HDAC1 interagiert sowie mit seinem eigenen Substrat assoziiert, ermöglichen die Aufstellung von Hypothesen über die bis jetzt kaum erhellte Ausbreitung von Heterochromatin in euchromatische Bereiche. Durch die Wechselwirkung mit der Deacetylase könnte Su(var)3-9 auch in aktiv transkribierte Bereiche vordringen und diese methylieren. Die Acetylierung, Zeichen für aktive Transkription, würde durch die Methylierung ersetzt werden. Die Interaktion mit seinem umgesetzten Substrat könnte verhindern, dass das Enzym sich nach der Reaktion entfernt, vielmehr könnte Su(var)3-9 entlang eines DNA-Stranges sukzessive alle Nukleosomen methylieren. Die darauffolgende Bindung von HP1 an methyliertes H3-K9 könnte den heterochromatischen Charakter des Chromatins verstärken und für längere Zeit festlegen. Aus Drosophila-Kernextrakten gelang es weiterhin, den E(Z)/ESC-Komplex über Säulenchromatographie aufzureinigen. Dieser enthält neben E(Z), ESC, p55 und Rpd3 auch Su(z)12. E(Z), ESC und Su(z)12 gehören der Polycomb-Gruppe an. Deren Funktion ist die dauerhafte Repression der homöotischen Gene. Sie spielen daher eine wichtige Rolle im „Zellgedächtnis“ während der frühen Entwicklung von Drosophila. Es konnte gezeigt werden, dass der E(Z)/ESC-Komplex Lysin 9 sowie Lysin 27 im Histon H3 methyliert. Außerdem wurde in vitro ein Teilkomplex aus rekombinantem E(Z), p55 und ESC rekonstituiert, der das Histon H3 methylieren kann. Ein Teilkomplex, der E(Z) mit mutierter SET-Domäne enthält, ist nicht in der Lage, H3 zu methylieren. Die Vorhersage, dass E(Z) aufgrund seiner SET-Domäne eine Methyltransferase sein müsse, konnte durch vorliegende Untersuchungen bestätigt werden. Polycomb ist ein weiteres Protein aus der Polycomb-Gruppe. In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass dieses Protein spezifisch an das Histon H3 bindet, das an K27 trimethyliert ist. Polycomb besitzt wie HP1 eine Chromodomäne. Aus den vorliegenden Daten kann folgendes Modell aufgestellt werden: Nach der Methylierung von H3-K9 sowie H3-K27 durch den E(Z)/ESC-Komplex in homöotischen Genen, die schon abgeschaltet sind und weiterhin reprimiert werden müssen, bindet Polycomb an dieses Methylierungsmuster. Polycomb befindet sich in einem großen Komplex mit weiteren Polycomb-Gruppen-Proteinen. Die Bindung dieses Komplexes an Chromatin könnte ein denkbarer Mechanismus sein, wie die dauerhafte Repression der homöotischen Gene vermittelt wird. Um den E(Z)/ESC-Komplex genauer untersuchen zu können, wurden Viren für das Baculosystem hergestellt, so dass eine Einzel- oder auch Coexpression der Proteine möglich ist. Die Aktivität von E(Z), das im Baculosystem exprimiert wurde, ist nicht besonders hoch. Es bindet unter den in dieser Arbeit verwendeten Bedingungen weder an DNA, noch an Histone noch an H3-Peptide, die methyliert sind. Innerhalb des E(Z)/ESC-Komplexes bindet E(Z) an p55, Rpd3, ESC sowie Su(z)12. Su(z)12 interagiert mit p55, Rpd3 und E(Z). Die weiteren Interaktionen werden am besten durch eine bildliche Darstellung (siehe Abb. 86) vermittelt. In einem Luciferase-Assay wurde eine repressive Wirkung von E(Z) festgestellt. Dieses Experiment bedarf allerdings eines aktivierten Systems. Ferner muss durch Mutationsanalysen sichergestellt werden, dass die repressive Wirkung auf die Methyltransferase-Aktivität von E(Z) zurückzuführen ist. Kürzlich wurde entdeckt, dass E(Z) sowie Su(z)12 in verschiedenen Tumoren überexprimiert sind. Noch ist weder deren Funktion in den Tumorzellen klar, noch weiss man, ob die Überexpression der Grund oder eine Folge der Tumorbildung ist, noch kennt man alle Zielgene, die durch eine Überexpression von E(Z) und Su(z)12 beeinflusst werden. In nächster Zeit sind hier Einsichten in die Wirkungsweise von E(Z), Su(z)12 und anderen Polycomb-Gruppen-Proteinen zu erwarten.