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Fakultät für Physik - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 04/05
In den zellulären Stoffwechsel- und Signalnetzwerken existiert eine Vielzahl von logischen Abhängigkeiten, die auf Prozesse auf molekularer Ebene zurückzuführen sind. So lässt sich beispielsweise die Effizienz einer biochemischen Reaktion über Enzyme regulieren, deren Aktivitätsgrad von äußeren Parametern abhängt. Kraft stellt eine dieser Einflussgrößen dar. Diese Arbeit befasst sich damit, das Verhalten mehrerer, logisch verknüpfter, molekularer Domänen unter Krafteinwirkung zu studieren und sich deren Eigenschaften für nanotechnologische Verfahren zu Nutze zu machen. Neben der Untersuchung von in der Natur vorkommenden Proteinen mit multiplen Domänen wurden artifizielle DNA- und proteinbasierte Systeme mit verschiedener Bindungsstärke konstruiert. Dies ermöglicht den gerichteten Transport einzelner, molekularer Bausteine mit der Präzision eines Rasterkraftmikroskopes im Nanometer-Bereich. Mithilfe dieser Single-Molecule Cut-and-Paste (SMCP) Technik können auf der Basis gerichteter, molekularer Erkennung räumliche Arrangements funktioneller Bausteine geschaffen werden. Diese lassen sich mittels Fluoreszenzmikroskopie als isoliertes System betrachten. Die Zielsetzung bei der Untersuchung der natürlichen Systeme war es, deren Abhängigkeiten zu verstehen und herauszufinden, wie sich diese mit ihrer Funktion und den an das Protein gestellten Umgebungsbedingungen in Einklang bringen lassen. Die dabei gewonnene Erkenntnis liefert nicht nur wichtige Beiträge zur biologischen und medizinischen Grundlagenforschung, sondern kann, wie am Beispiel der SMCP-Technik ersichtlich, auch hilfreich bei der Entwicklung neuartiger Messmethoden der molekularen Bio- und Nanotechnologie sein. Mittels Einzelmolekülkraftspektroskopie im „Konstante-Kraft“ (engl. Force-Clamp) Modus wurde die Kooperativität der fünf Proteindomänen des Enzyms Titinkinase untersucht. Dieses Muskelprotein wandelt in der Skelett- und Herzmuskulatur mechanische in biochemische Signale um und regelt dadurch den Umsatz weiterer Proteine und die Expression von Genen. Es wird gezeigt, dass sich die einzelnen mechanisch induzierten Entfaltungsschritte gegenseitig bedingen und dass dies inhärent durch die molekulare Faltung des Proteins vorgegeben wird. Da Kraft zum natürlichen Parameterraum dieses Moleküls gehört, muss seine Struktur an kraftinduzierte konformationelle Änderungen angepasst sein. Durch die Abhängigkeit der Energiebarrieren während der Entfaltung wird gewährleistet, dass stabilisierende und enzymatisch wirksame Domänen nicht vor regulatorischen Domänen entfalten. Myosin-Light-Chain Kinase (MLCK) ist ein weiteres Muskelenzym, bei dem es Hinweise auf eine mechanische Aktivierbarkeit gibt. Einzelmolekülexperimente dieser Dissertation zeigen, dass die Entfaltung der Kinase ebenfalls in mehreren Schritten vonstatten geht und dass einer der Zwischenzustände durch ATP-Bindung stabilisiert wird. Die absoluten Entfaltungskräfte liegen dabei unter denen der Titinkinase, was der Hypothese der mechanischen Aktivierbarkeit entgegenkommt. Als weiteres System wurde das Cellulosom des thermophilen Bakteriums Clostridium Thermocellum auf seine mechanische Stabilität überprüft. Cellulosome sind an der Außenseite von Bakterien und Pilzen verankerte Proteinkomplexe, die in der Lage sind Lignozellulose zu zersetzen. Bei der Prozessierung der Cellulose können im Cellulosom hohe Scherkräfte auftreten, da dieses das gesamte Bakterium mit dem makromolekularen Substrat verknüpft. Mittels AFM-basierter Kraftspektroskopie wurde die Wirkung von Kraft auf einen Verbund verschiedener Konstituenten eines Cellulosoms untersucht. Es wird gezeigt, dass sich der Komplex im Vergleich zu anderen Biomolekülen durch eine extrem hohe mechanische Stabilität auszeichnet. Innerhalb der hohen Entfaltungskräfte besteht eine Hierarchie für die verschiedenen Komponenten. Bei vergleichsweise niedrigen Kräften entfalten die enzymatischen Domänen gefolgt von mittleren Kräften für das Entkoppeln der Enzyme mit dem Bindungspartner Cohesin. Sehr hohen Kräften halten die intramolekularen Wechselwirkungen der Cohesine und der Cellulose bindenden Domänen stand. Die Abstufung hoher Stabilitäten stellt eine sehr gute Anpassung an die natürlichen Anforderungen des Proteinkomplexes dar. Für die durchgeführten Messungen wurde ein modulares Kraftmikroskop (AFM) entwickelt, das sich mit einem einzelmolekülsensitiven Fluoreszenzmikroskop kombinieren lässt. Die spezielle Konstruktion weist eine extrem hohe mechanische Stabilität auf. Mittels einer photothermischen Regelung kann das AFM darüber hinaus für sensitive Bildgebung weicher molekularer Oberflächen oder in einen extrem schnellen kraftspektroskopischen Messmodus mit konstanter Zugkraft verwendet werden. Die akkurate Arbeitsweise des Systems wurde in einem internationalen Vergleichsversuch bestätigt.
Fakultät für Biologie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 02/06
Das Humane-Herpesvirus-8 (HHV-8) gehört zu den Viren, die an der Entstehung von humanen Tumoren beteiligt sind. Die zugrunde liegenden onkogenen molekularen Mechanismen sind weitgehend unbekannt. Mit Hilfe der Arraytransfektion soll eine HHV-8-Expressionsbank auf die Induktion von mit HHV-8 assoziiert bekannten Transkriptionsfaktoren untersucht werden. Dabei wurde ein modulares Reportersystem entwickelt, das die Transkriptionsaktivierung von AP-1, NF?B und p53 in der Arraytransfektion erfassen kann. Durch das Reportersystem konnte mit Hilfe der Arraytransfektion die HHV-8-Thymidinkinase als den Transkriptionsfaktor p53 induzierend ermittelt werden. Die lytisch assoziierte HHV-8-Thymidinkinase konnte in zwei funktionell getrennte Domänen unterteilt werden. Einerseits in die bekannte C-terminale Domäne mit der biochemischen Kinasefunktion und andererseits in eine neu beschriebene N-terminale Domäne. Diese ca. 200 Aminosäuren lange N-terminale Proteindomäne war allein dafür verantwortlich, dass das endogene p53-Proteinlevel erhöht, p53 als Transkriptionsfaktor induziert und p53 an Serin-392 phosphoryliert wurde. Durch das anti-apoptotische HHV-8-Protein "latency-associated nuclear antigen" (LANA) 2 ließ sich die Transkriptionsaktivierung von p53 durch die HHV-8-Thymidinkinase inhibieren, aber nicht vollständig aufheben. Dadurch konnte gezeigt werden, dass die HHV-8-Thymidinkinase-Wirkung durch ein anderes HHV-8-Gen auf molekularer Ebene reguliert wird. Darüber hinaus war die N-terminale Domäne für die Veränderung der Zellmorphologie zu Zellinseln, Verminderung der Zellzahl und wahrscheinlich für die Depolarisation des mitochondrialen Potentials verantwortlich. Zusätzlich konnte in lytisch induzierten BCBL-1-Zellen gezeigt werden, dass das Transkriptionsverhalten der HHV-8-Thymidinkinase durch das viral-replikationsinhibierende Ganciclovir, in Abhängigkeit von der Inkubationsdauer, wahrscheinlich wenig oder gar nicht beeinflusst wird. Es ist daher zu vermuten, dass die HHV-8-Thymidinkinase das durch Ganciclovir nicht transkriptionsinhibierbare HHV-8-Gen ist, das durch die Umgehung viraler und zellulärer anti-apoptotischer molekularer Mechanismen den Zelltod in lytisch induzierten BCBL-1-Zellen auslösen kann. Diese Einflüsse einer Thymidinkinase sind für die humanen Gammaherpesviren einmalig und konnte für das homologe Gen des Epstein-Barr-Virus nicht beobachtet werden. Durch wahrscheinlich unterschiedliche subzelluläre Lokalisierungen wurde die Divergenz in der Funktion zusätzlich aufgezeigt. Die ermittelten Erkenntnisse dieser Arbeit können zur Entwicklung einer anti-viralen Therapie beitragen, die die lytische Vermehrung von HHV-8 begrenzt und somit die Entstehung von HHV-8 abhängigen Tumoren, wie das Kaposi-Sarkom, verhindern könnte. Zusätzlich gibt der Einfluss der HHV-8tk auf die Wirtszelle einen Einblick in die Interaktion des Virus mit dem Wirt und erlaubt wichtige Rückschlüsse auf das Zusammenspiel zellulärer und viraler molekularer Mechanismen für die Grundlagenforschung.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 06/19
Die bemerkenswerte Kapazität spezifischer HOX Proteine, die Selbsterneuerung hämatopoetischer Stammzellen zu verstärken, sorgt für ein hohes Interesse an einer experimentellen Erforschung des molekularen Mechanismus. Von HOXB4 konnte gezeigt werden, dass es in der Lage ist, menschliche Stammzellen des Nabelschnurblutes zu vermehren, ohne deren Differenzierung entlang der hämatopoetischen Differenzierungslinie zu stören. Es ist daher interessant, Proteindomänen von HOXB4 zu definieren, die für den stammzellamplifikatorischen Effekt des Transkriptionsfaktors verantwortlich sind. Wir beschränkten uns darauf, die Funktion des N-terminalen Bereichs von HOXB4 zu untersuchen und können die Aussage treffen, dass ein partieller Funktionsverlust der N-terminalen Domäne (delta P)von HOXB4 zu einer Reduktion der stammzellproliferativen Wirkung des HOXB4 Wildtyps führt.
Fakultät für Biologie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/06
Risp wurde in einer früheren Arbeit in einem Hefesystem als ein neues; mit HIV-1 Rev interagierendes zelluläres Protein beschrieben, das dem C-terminalen Teil eines weitaus größeren Proteins (KIAA0592) zu entsprechen schien. Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit bestand darin, die Organisation des KIAA0592-Gens zu untersuchen und die biochemischen und strukturellen Eigenschaften des KIAA0592-Proteins zu ermitteln.Es gelang erstmals das vollständige, KIAA0592komplett-Protein in verschiedenen Zelllinien zu exprimieren und einem Promotorbereich zuzuordnen. Somit konnten die in silico-Daten über das Vorhandensein dieses Gens inklusive regulatorischer Bereiche experimentell verifiziert werden. Es konnte anhand der verfügbaren Datenbanken gezeigt werden, dass zu KIAA0592 homologe Proteine und genomische Bereiche in den verschiedensten Spezies (H. sapiens, M. musculus, R. norvegicus und C. griseus) konserviert sind. Dies weist auf essentielle zelluläre Funktionen hin. Um mögliche Funktionen des bisher nicht charakterisierten KIAA0592-Proteins zu analysieren, wurden anhand der Aminosäuresequenz spezifische strukturelle und funktionale Eigenschaften vorausgesagt. KIAA0592 enthält Transmembranbereiche, superhelikale „Coiled Coil“-Strukturen und Bereiche für unterschiedlichste posttranslationale Modifikationen. Es konnte durch in silico-Sequenzanalysen und in vitro-Expressionsanalysen gezeigt werden, dass das als Revinteragierend identifizierte Protein Risp ein Teil des KIAA0592-Proteins darstellt. Bei der ursprünglich identifizierten cDNA handelte es sich demnach um einen unvollständigen Sequenzbereich von KIAA0592. Das erstmals in trans exprimierte gesamte KIAA0592komplett-Protein zeigte eine starke zytoplasmatische Lokalisation, wie auch die Risp-Domäne alleine. Es wurde in einem Säugerzellsystem gezeigt, dass Risp Interaktionen mit Rev und Crm1 eingeht und in der Lage ist, zumindest zu dimerisieren. Für Rev ist bekannt, dass es ebenfalls mit dem Kernexportrezeptor Crm1 interagiert, und dass diese Eigenschaften essentiell für die Aktivierungsfunktion von Rev ist. Deswegen wurden die Lokalisations- bzw. Transporteigenschaften der Rev-interagierenden Proteindomäne (=Risp) von KIAA0592 und der Einfluss auf die Aktivierungsfunktion von Rev untersucht. In den verwendeten eukaryotischen Zelllinien lokalisiert Risp hauptsächlich im Zytoplasma, es ist aufgrund der identifizierten Import- und Exportsignale jedoch zum nukleozytoplasmatischen Transport fähig. Diese Transportfähigkeit von Risp ließ sich auf eine C-terminal deletierte Rev-Variante (Rev1-54) übertragen. Trotzdem konnte durch diese Substitution die Funktionalität von Rev nicht wiederhergestellt werden. Eine Crm1-Rekrutierung an Rev ist offensichtlich nicht alleine ausreichend, ein funktionales RRE-mRNA exportierendes Rev-Protein zu konstruieren. Es handelt sich bei KIAA0592/Risp um ein Protein, das nicht nur HIV-1 Rev bindet, sondern ebenso über strukturelle Komponenten verfügt und durch Crm1 mit dem Kernexport verbunden ist.