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Die SPÖ ringt um ihre Zukunft – im Moment vor allem mit sich selbst. Die Partei taumelt durch eine kontroverse Mitgliederbefragung, die darüber entscheiden soll, wer sie in die nächste Wahl führt. Zeit, grundsätzlich nachzufragen, was eine Sozialdemokratie im Jahr 2023 überhaupt noch ausmacht. Georg Renner spricht mit Maria Maltschnig, Direktorin der roten Parteiakademie, des Karl-Renner-Instituts, darüber ob die SPÖ nicht primär darunter leidet, ihre historischen Ziele längst erreicht zu haben – oder ob es noch immer sinnvolle Betätigungsfelder für sie gibt.Links zur FolgePodcast "Rotfunk"
Eva Maltschnig ist Vorsitzende der vermutlich kritischsten SPÖ-Fraktion, der Sektion 8. Wie balanciert sie Zustimmung und Kritik? Warum arbeitet sie trotz des starken Gegenwinds aus der eigenen Partei an einer Verbesserung der SPÖ? Im Gespräch mit Philipp Weritz über Leidensfähigkeit, innerparteiliches Feilschen und wie die Coups der Sektion 8 entstanden. NGO in der Partei „Es bringt nichts, wenn alle kritischen Leute sich aus der SPÖ entfernen. Man muss sich wo sammeln“, sagt Maltschnig. Es geht um die Möglichkeit, Frust und manchmal auch Wut zu bündeln und konstruktiv zu nutzen. Das war der Gründergedanken im Jahr 2007, den auch der ehemalige Vorsitzende Niki Kowall hatte: Mehr Mitbestimmung an Strukturen und Inhalten durch die Basis. Ihre Arbeit beschreibt Maltschnig als „sozialdemokratische NGO“: Ein klassischer Teil der Partei als Sektion, im Denken und Handeln aber eine NGO. Die SPÖ ist nach wie vor eine der wenigen sozialdemokratischen Parteien, die ihre Parteivorsitzenden nicht direkt wählt, sondern über einen Parteitag. „Das muss nicht so sein. Wenn Parteivorsitzende in Urwahlen durch die Mitglieder gewählt werden, ist klar, wie viel Rückhalt eine Person wirklich hat“, meint Maltschnig. Ein Grund, warum Personaldebatten in der SPÖ nach Wahlverlusten immer nach dem gleichen Muster ablaufen. „Beim Inhalt bin ich immer wieder erstaunt, wie viel sich da gestalten lässt. Aber an den Strukturen beißen wir uns die Zähne aus“. Freundschaft! Mit Widerstand Wie können es sich die Mitglieder der Sektion Acht leisten, immer wieder gegen die Parteilinie zu stimmen? Oder sogar aktiv gegen die Parteispitze zu arbeiten? Ein Coup gelang vor ein paar Jahren mit dem Verbot des kleinen Glücksspiels. „Wir können uns das leisten, weil wir alle normale Jobs haben. Wir verdienen unser Geld nicht mit Mandaten und bewerben uns auch gar nicht dafür, denn damit starten die Abhängigkeiten“. Einmal die Woche trifft man sich und nach dem „gemeinsamen Schimpfen“ werde inhaltlich diskutiert. Ehrenamtliches Arbeiten befreie von Packeleien und für die eigenen Kampagnen findet sich immer Geld, sagt sie. „Schwieriger zu finden sind eher die Ideen“. Warum widmet sich Eva Maltschnig sich trotz dem starken Gegenwind, trotz dem Widerstand der Parteispitze und Kollegen immer noch dem Projekt SPÖ reformieren? „Jeder braucht ein Hobby“. Trocken formuliert, merkt man Maltschnig die zutiefst überzeugte Sozialdemokratin an. Trotz, oder vielleicht gerade wegen der Kritik, die sie mal lauter, mal leiser übt: „Ich glaube nicht, dass die SPÖ für alle das Richtige ist. Da braucht man eine gewisse Leidensfähigkeit“. Mehr Größenwahn wagen Was würde sie anders machen, wenn sie heute von Null starten würde? „Ein bisschen mehr Größenwahn. Wir bereiten uns immer sehr gut vor, weil wir uns manchmal auch fürchten, vor dem was als Antwort kommen könnte“. Die Erfahrung habe aber gezeigt, dass die Furcht ein wichtiger Indikator ist: „Vor den Projekten wo ich mich am meisten gefürchtet habe, meistens die lustigsten und im Nachhinein auch die wichtigsten sind“. Das reicht von einer Fake-Kampagne für eine echt demokratische Vorsitzwahl bis zu „Nein heißt Nein“ Aktion zur Reform des Sexualstrafrechts. Auch der Gedanke, als SPÖ-Thinktank die 130 Jahre alte Partei von innen zu reformieren, kann in die Kategorie Größenwahn gesteckt werden. Woher der Glaube daran? Bei der Gründung 2007 habe es geheißen „in zehn Jahren wissen wir, ob es möglich ist. Jetzt weiß ich immer noch nicht ob das möglich ist“, sagt Maltschnig. „Manchmal habe ich den Verdacht, dass es uns gelingt, mit der SPÖ was zu bewegen. Manchmal sieht es wieder irrsinnig trist aus“.
In der neuesten Folge von Wie jetzt? sprechen die Führungskräfte zweier Parteiakademien, Maria Maltschnig (SPÖ) und Josef Lentsch (NEOS). Wie verändert man Parteien in der heutigen Zeit? Schafft man das noch oder ist es einfacher neu zu gründen? Über die Vor- und Nachteile von 130 und 5 Jahren Parteigeschichte und was das Selbstverständnis einer Partei heute ist. Hier lesen Sie drei Auszüge aus dem Gespräch. Was ist das Selbstverständnis einer Partei? Die SPÖ ist eng mit der Geschichte Österreichs verwoben und hält auch alle 20 Jahre inne. „Wir erneuern in diesem Rhythmus unser Parteiprogramm. Was ist in den letzten 20 Jahren passiert? Wie können wir die Lehren daraus ins nächste Programm einbauen?“. Das taugt nicht zum Wahlprogramm, sondern es geht um das Grundsätzliche: Zum Beispiel um Werte, oder wie die Partei zum Kapitalismus steht. Lentsch zeigt hier das Gegenteil auf, das Programm der NEOS ist in einem permanenten Beta-Zustand, wird also laufend angepasst. Dabei gerate man natürlich auch in Gefahr, sich konstant in Details zu verlieren. Alte Werte in neuen Schläuchen? Tesselaar entgegnet, dass Menschen sich nicht um einen Inhalt gruppieren, das wäre zu klein. Es geht immer um ein größeres Anliegen und Ansinnen. Gerade Volksparteien haben viele ihre Erfolge in der Vergangenheit gefeiert, wie können diese Anliegen erfolgreich aktualisiert werden? Wie setzt sich eine Partei zusammen? Maltschnig sieht zwei Möglichkeiten: „Das eine ist ein Zweckbündnis wie in der ÖVP. Bei Bauern und Wirtschaftstreibenden ist das Wertesystem nicht das primäre, was diese Partei zusammenhält. Das sei in ihrer Partei und auch bei den NEOS anders. „Der entscheidende Erfolgsfaktor für die NEOS war das gemeinsame politische Ziel“, sagt Maltschnig. Das Wertegerüst sei heute wichtiger als vor Jahrzehnten noch. „Früher kamen Menschen wegen Jobs und Wohnungen zur SPÖ, das können wir heute natürlich nicht mehr bieten. Alle die heute beitreten, einen die gemeinsamen Werte“.
Wir leben auf einem begrenzten Planeten mit begrenzten Ressourcen – und nicht nur auf, sondern von diesem Planeten, sagt die renommierte Forscherin Helga Kromp-Kolb. Der Mensch ist auf die Ökologie angewiesen, Ökologie und Soziales sind eng verschränkt, das sieht man nicht nur am Beispiel jener Klima-Flüchtlinge, die dann in Europa gerne einfach als „Wirtschaftsflüchtlinge“ bezeichnet werden. Kromp-Kolb plädiert für ein gesamthaftes Denken, um besser zu verstehen, was man gegen den Klimawandel unternehmen kann. Sie erklärt Maßnahmen zur Minderung von Emissionen und zur Anpassung an neue Lebensbedingungen. Und sie blickt in die Zukunft: Das gute Leben für alle – innerhalb der ökologischen Grenzen – sei dann möglich, wenn Industrieländer mit gutem Beispiel für die Entwicklungsländer vorangehen würden.
Sigrid Stagl lehrt als Professorin Umweltökonomie an der WU. Ihr Blick richtet sich auf die wirtschaftliche Entwicklung im Kontext von Klima- und Umweltfragen. Sie erklärt, warum Klimaveränderungen global alle Menschen betreffen, aber arme Menschen mit weniger Ressourcen noch mehr Probleme mit den Folgen von Klimaveränderung und Umweltverschmutzung haben als wohlhabende Menschen mit guter Absicherung. Denn notwendige Anpassungen, um sich vor Hitze, Unwetter oder Luftverschmutzung zu schützen, kosten immer Aufwand, Zeit, Geld. Umweltschädliches Verhalten mitdenken, Kostenwahrheit nach dem Verursacherprinzip herstellen, eine sozialökologische Steuerreform umsetzen – das wären Maßnahmen gegen den Klimawandel, die Entscheidungsträger und Politik nach Stagls Analyse angehen sollten.