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Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 14/19
Das Mantelzell-Lymphom ist ein aggressives B-NHL, das durch die Expression des Zell-zyklus-regulierenden Proteins Cyclin D1 charakterisiert ist. Diese Expression wird in den meisten Fällen durch eine chromosomale Translokation t(11;14)(q13;q32) ausgelöst. Klinisch weist das MCL mit einem medianen Überleben von nur drei bis vier Jahren eine der schlechtesten Langzeitprognosen aller Lymphomsubtypen auf. In fortgeschrittenen Stadien kommt es zu frühzeitigen Rezidiven nach der Behandlung mit konventionellen Chemotherapeutika. Es besteht daher ein dringender Bedarf an neuen, effektiveren, mo-lekular ausgerichteten Therapieformen, die zu einer Verbesserung der Prognose und der Lebensqualität der Patienten führen. In dieser Arbeit wurde hierfür das Proliferationsverhalten und die Viabilität von sechs humanen MCL-Zelllinien nach der Behandlung mit dem mTOR-Inhibitor RAD001 und dem Purin-Nukleosid-Phosphorylase-Inhibitor Forodesin in Gegenwart von 2'-Desoxyguanosin (dGuo) untersucht. Im Vordergrund stand zum einen die Charakterisierung der Wirkung von RAD001 und Forodesin+dGuo als Monosubstanzen. Zum anderen war es auch Ziel, die Antitumorwirkung zytotoxischer Kombinationen mit etablierten Substanzen der Chemotherapie, dem Proteasom-Inhibitor Bortezomib sowie dem PKCß-Inhibitor Enzastaurin bezüglich Wachstumshemmung, Zelltod und Apoptose zu untersuchen und diese Kombinationen auf antagonistische, additive oder synergistische Interaktionen hin zu analysieren. Die behandelten Zellen wurden hierzu einem Viabilitäts-Trypanblau-Test unterzogen, der hier als Screeningverfahren diente, um die Empfindlichkeit der Zellen auf unterschiedliche Dosen in Einzel- und Kombinationstherapien zu quantifizieren. Im Anschluss wurden die Resultate mit Hilfe der Zellzyklusanalyse durch Propidiumiodid-Färbung und Apoptose-Assays verifiziert und der Wirkmechanismus der Kombinationen differenziert. Als Ergebnis dieser Arbeit erzielte der mTOR-Inhibitor RAD001 als Monosubstanz bereits in subtoxischen Konzentrationen vor allem nach 48- und 72-stündiger Expositionsdauer eine antiproliferative Wirkung auf die MCL-Zelllinien. Außerdem zeigte RAD001 bei allen in dieser Arbeit untersuchten Zelllinien eine potente Inhibition des Zellzyklus, mit einer Zunahme der G0/G1- und einer Abnahme der S-Phase. Nach 48-stündiger Behandlung mit RAD001 in Kombination mit Fludarabin, Cytarabin, Bendamustin sowie Enzastaurin und Bortezomib zeigte sich bei einer Zelllinie ein Syner-gismus, die im Viabilitäts-Trypanblau-Test besonders empfindlich auf RAD001 war. Additive Effekte konnten bei vier von fünf untersuchten MCL-Zelllinien durch die Kombination von RAD001 und Bendamustin nachgewiesen werden. Bei zwei von fünf Zelllinien konnten diese Effekte auch mit Fludarabin erzielt werden. Vier von fünf MCL-Zelllinien zeigten nach 48-stündiger Behandlung bei der Kombination von RAD001 plus Cytarabin eine antagonistische Wirkung. Die Behandlung mit der Kombination von RAD001 plus Bortezomib oder Enzastaurin führte in einigen MCL-Zelllinien ebenso zu additiven Effekten. Die Kombinationen RAD001 plus Forodesine+dGuo und RAD001 plus Bortezomib wiesen in drei von fünf MCL-Zelllinien dagegen eine antagonistische Wirkung auf. Nach der Behandlung mit Forodesin unter Beigabe von dGuo konnte ebenfalls eine anti-proliferative Wirkung in allen untersuchten MCL-Zelllinien induziert werden. Die weiteren Untersuchungen mithilfe von Zellzyklus- und Apoptose-Analysen zeigten jedoch keine wesentlichen Veränderungen im Vergleich zu der jeweiligen unbehandelten Kontrolle. Ganz anders stellte sich die Zellzyklus-Analyse der T-ALL-Kontrollzelllinie Jurkat dar. Hier zeigte sich eine deutliche T-Zelllinien-spezifische Wirkung des PNP-Inhibitors Forodesin unter Zugabe von 2'-Desoxyguanosin. Die Kombination von Forodesin+dGuo und Bendamustin wies bei vier von fünf MCL-Zelllinien nach 72 Stunden Expositionszeit ebenso eine additive Wirkung auf. Ein synergistischer Effekt war nach 48 Stunden dagegen lediglich bei einer MCL-Zelllinie zu erkennen. Die Kombination von Forodesin und Fludarabin zeigte schließlich nach 72 Stunden Expositionszeit bei vier MCL-Zelllinien und der T-ALL-Zelllinie Jurkat eine antagonistische Wirkung, was letztendlich auf das Konkurrieren der Phosphorylierung von dGuo und Fludarabin zurückzuführen ist. Bei vier von fünf untersuchten MCL-Zelllinien wies die Kombination von Forodesin+dGuo und Bortezomib ebenfalls eine antagonistische Wirkung auf, da die beiden Kombinationspartner um DNA-Bindungsstellen konkurrieren. Eine additive Wirkung ließ sich am Ende auch bei drei von fünf MCL-Zelllinien mit der Kombination von Forodesin+dGuo plus Enzastaurin nachweisen. Zusammenfassend wäre somit ein Einsatz des mTOR-Inhibitors RAD001 und des Purin-Nukleosid-Phosphorylase-Hemmstoffs Forodesin in Gegenwart von 2’-Desoxyguanosin additiv zu anderen Chemotherapeutika im Rahmen der Mantelzell-Lymphom-Therapie durchaus vielversprechend. Allerdings sind bei der Entwicklung dieser und weiterer, in-novativer Kombinationen die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen zu beachten, um mögliche antagonistische Wirkungen zu vermeiden.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 14/19
Das Mantelzelllyphom wird analog zu den indolenten NHL als nicht kurabel eingestuft, weist jedoch ein signifikant verkürztes medianes Gesamtüberleben auf und stellt somit für die Klinik eine Kombination aus den negativen Eigenschaften von indolenten und aggressiven Lymphomen dar. Das MCL stellt trotz intensiver Therapie aufgrund seiner frühzeitigen Rezidive eine große Herausforderung an die Medizin. Eine große Anzahl neuer Substanzen werden z.Z. auf ihre Wirksamkeit beim MCL geprüft. Zwei dieser Stoffe sind Flavopiridol, ein molekularer Serin/Threonin-Kinase-Inhibitor, und Bendamustin, ein bereits in der Klinik etabliertes Zytostatikum. Gegenstand dieser Arbeit ist zum einen die bessere Charakterisierung der Wirkung beider Substanzen auf MCL-Zelllinien in vitro, sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit anderen Medikamenten. Hauptziel ist es, einen potentiellen Synergismus der untersuchten Medikamente aufzudecken und den genaueren Effekt auf die Tumorzellen zu charakterisieren. Die in vitro Untersuchungen der vorliegenden Arbeit weisen eine dosis- und zeitabhängige zytotoxische Aktivität von Bendamustin nach, und spiegeln somit die hohe klinische Effektivität bei der Behandlung des MCL wieder. Ebenso konnte anhand der hier gezeigten Versuchsreihen demonstriert werden,dass der Cyclin-abhängige-Kinasen-Inhibitor Flavopiridol als Monosubstanz hochwirksam gegen MCL-Zelllinien in vitro ist. Nach Behandlung mit Flavopiridol konnte in allen untersuchten Zelllinien in klinisch realisierbaren Dosierungen Apoptose induziert werden, Verringerungen der CDK-Expression nachgewiesen, und darüber hinaus eine potente Inhibition des Zellzyklus im Sinne eines G1/S und G2/M Arrest demonstriert werden. Die selektive Hemmung der CDKs stellt somit einen attraktiven, zielgerichteten Ansatz in der Tumortherapie dar, denn diese Enzyme sind in den meisten malignen Zellen zur Aufrechthaltung einer unbegrenzten Proliferation notwendig. Für die Kombination von Flavopiridol mit Enzastaurin und Rad001 konnte, ins besonders in resistenten Zellreihen, ein mehr als additiver Effekt gezeigt werden; diese Erkenntnis spricht für eine Komplementarität in der antineoplastischen Wirkung dieser Substanzen bei zeitgleicher Inhibition der jeweiligen zellulären Zielstrukturen. Andererseits konnte für Kombinationen von Flavopiridol mit antimetabolischwirkenden Chemotherapeutika und Bendamustin, bei gleichzeitiger Anwendung, nur antagonistische Effekte beobachtet werden. Hier scheint der durch Flavopiridol verursachte potente Zyklusarrest am G1/SÜbergang der Grund für die verminderte Wirksamkeit der verwendeten phasenspezifischen Medikamente zu sein. Diese Resultate untersteichen die enorme Bedeutung der Sequenz bei der Verabreichung von zytostatisch wirkenden Stoffen in der Therapie von Malignomen. Die Erkenntnisse über edikamentenwirkungen aus in vitro Experimenten lassen sich allerdings nicht ohne weiteres auf komplexe Systeme in vivo übertragen und müssen deshalb berücksichtigt werden. Folgende Gründe sind hierfür ursächlich: Zum einen sind viele wichtige antineoplastische Mechanismen in der Zellkultur nicht messbar bzw. quantifizierbar, etwa eine Hemmung der Angioneogenese, Veränderungen des Mikromilieus der Tumorzellen oder zelluläre Immunantworten. Zum anderen sind die Biodistribution, die Pharmakodynamik und die Pharmakokinetik in vivo entscheidend, ob überhaupt eine Wirkung des Medikaments an der Tumorzelle entfaltet werden kann. Die Auswirkungen dieser Faktoren in komplexen biologische Systemen sind jedoch in vitro nicht einwandfrei zu beurteilen und können, am Beispiel von Flavopiridol, zu falschen Rückschlüssen bei der klinischen Anwendung eines Medikaments führen.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 13/19
Ungefähr die Hälfte aller Lymphomerkrankungen sind der Gruppe der indolenten Lymphome zuzuordnen. In dieser Deutschland weiten, retrospektiven, bevölkerungsbasierten Studie wurden repräsentative hämato-onkologische Behandlungszentren bezüglich ihrer diagnostischen und therapeutischen Strategien in der Behandlung indolenter Lymphome befragt um einen Überblick über die verwendenten diagnostischen und therapeutischen Verfahrensweisen und somit über die Therapierealität in Deutschland Ende 2006 zu erhalten und mit den aktuell gültigen Standards zu vergleichen. Dabei ist es bemerkenswert, dass die Patienten in dieser Untersuchung älter und in einem schlechteren Allgemeinzustandes waren als die Patientenkollektive der großen Phase III-Studien zur Therapieoptimierung indolenter Lymphome. In diesem Zusammenhang wirft der geringe Anteil an Patienten in klinischen Studien, die Frage auf, ob ältere Patienten und Patienten mit schlechterem Allgemeinzustand und/oder Begleiterkrankungen in diesen Studien unterrepräsentiert sind und dementsprechend die Studiendaten für dieses Patientenkollektiv nicht aussagekräftig sind. Genau für diese bei den indolenten Lymphomen große Patientengruppe werden daher spezielle Studien benötigt, um eine Fehlinterpretation der momentanen Datenlage zu vermeiden. Auffällig bei der Analyse der Daten sind die deutlich unterschiedlichen Therapiezielen in den behandelten Entitäten. Die behandelnden Ärzte scheinen im Gegensatz zur CLL nodale und Mantelzelllymphome für häufig heilbare Erkrankungen zu halten. Trotz der Tatsache, dass die meisten Patienten in fortgeschrittenem Stadium diagnostiziert wurden, für die es bis auf die allogene Transplantation bis heute keine eindeutig kurative Behandlungsoption gibt, waren die behandelnden Ärzte in 35% der Behandlungsfälle der Meinung, kurativ zu therapieren. Trotz der großen Bandbreite an unterschiedlichen Institutionen wurde die Erstlinien-Therapie in Deutschland vergleichsweise einheitlich durchgeführt. Die kombinierte Immunochemotherapie war die am meisten verwendete Therapiemodalität bei nodalen indolenten Lymphomen und Mantelzelllymphomen. Bei der CLL wurde Rituximab Ende 2006 noch zögerlich verwendet. Es wird interessant sein, ob die Daten der CLL-8 und der REACH-Studie in der Zwischenzeit zu einem Umdenken geführt haben. Gleiches gilt für die Daten der StiL-Studiengruppe zum Bendamustin, welches 2006 in der Erstlinien-Therapie nur vereinzelt angewendet wurde. Die Ansprechraten in der Erstlinien-Behandlung lagen im Gesamtkollektiv bei 83% (nodale indolente Lymphome 97%, CLL 74%, MCL 95%) mit 43% kompletten Remissionen. Im ersten Rezidiv lag die Gesamtansprechrate immer noch bei 76%. Interessanterweise erreichten die universitären Einrichtungen die besten Therapieergebnisse sowohl in der Erstlinientherapie als auch im Rezidiv, allerdings war das Patientenkollektiv der universitären Einrichtungen tendenziell jünger und wies weniger Risikofaktoren in Hinsicht auf den FLIPI-Index auf. Da die Beteiligung an klinischen Studien in den Universitätskliniken häufiger war als an den anderen Einrichtungen, lässt sich auch hier ein Selektions-Bias erkennen, der die Forderung nach großen Therapieoptimierungsstudien speziell für das Patientenkollektiv der onkologischen Praxen, untermauert.