Die bekannteste Kritikerin Deutschlands erkundet für Bremen Zwei Autoren und ihre Bücher als Teil einer literarischen Welt.
Mit seinen 76 Jahren gilt Richard Ford heute als der regierende "All American Author". Das gute Dutzend von Romanen und Erzählungsbänden, die er in den letzten fast fünfzig Jahren veröffentlicht hat, bestätigt ihn als den wichtigsten Chronisten der weißen amerikanischen Mittelschicht und legitimen Erben John Updikes. Fords Romanfiguren haben in Lebensweise und Lebensalter immer mit ihrem Schöpfer Schritt gehalten, wie Fords jüngster Erzählungsband "Irische Passagiere" aufs Neue zeigt. (Hanser Verlag, 22 Euro)
Ein Roman über den Schriftsteller und bildenden Künstler Kurt Schwitters während seiner letzten elf Lebensjahre, die er im Exil verbrachte. Ulrike Draesner zeigt dessen Weltneugier, Witz, Charme und unbezwingbare Schaffenslust, die er trotz vieler Entbehrungen und gesundheitlichen Problemen stets bewahrte. (Penguin Verlag, 25 Euro)
Der Roman spielt auf mehren Zeitebenen und Erzählsträngen. Es geht um das Kriegsende 1945 in Demmin, wo es zu einem Massensuizid kam. Die Romanheldin Larry wächst in dieser Kleinstadt in Vorpommern auf und wird mit der grausamen Vergangenheit des Ortes konfrontiert. (Hanser Verlag, 22 Euro)
Ulrike Almut Sandig ist in erster Linie Lyrikerin, Klang- und Performancekünstlerin und war in dieser Eigenschaft auch schon einmal bei dem Literaturfestival "Poetry on the road" in Bremen. Nach einigen Erzählungen, hat sie nun ihren Debütroman herausgebracht. In "Monster wie wir" geht es um die Traumata, die die Protagonisten durch die häusliche Gewalt in ihrer Familie in der DDR erlebt haben. (Schöffling Verlag, 22 Euro)
Ein Roman, in dem ein Haus der eigentliche Held ist: Andreas Schäfer erzählt in erster Linie die wechselvolle Geschichte des "Haus Rosen", und erst in zweiter Linie die Geschicke seiner Bewohner, die von der Aura dieses Hauses massiv beeinflusst werden. Das Haus macht nicht glücklich: Die Dominanz seines vehementen Kunstanspruchs erlaubt es seinen Bewohnern nicht, darin heimisch zu werden. Ehepaare trennen sich, Familien zerfallen, Bewohner flüchten, Untaten müssen weggesperrt werden. (DuMont Verlag, 22 Euro)
Warum konnte der weiße Mann den Rest der Welt unterwerfen? Diese Frage stellt Klaus Theweleit -dessen Bücher allesamt Beiträge zur Gewaltforschung sind - in seinem neuen Buch. Theweleit betrachtet 14.000 Jahre Menschheitsgeschichte, vom Beginn der Haustierzucht und des Ackerbaus, über die Erfindung der Metallschmelze bis zum griechischen Vokalalphabet. Eine spannende, aufklärende aber auch erschöpfende Lektüre. (Klaus Theweleit: Warum Cortés wirklich siegte, Verlag Matthes & Seitz, 38 Euro)
Iris Hanika kombiniert ein Doppelporträt von New York und Berlin – mit einem Liebesroman. Der Roman handelt von Spiegelungen. Es geht um die Geschichte der beiden Frauen Roxana und Sophonisbe. Beide sind um die 50, Single und hochneurotisch. Die Autorin erzählt eine moderne Variation des antiken Mythos von Narziss und Echo. Ein vielschichtiges, leichfüßiges Buch. (Droschl Verlag, 22 Euro)
12 Kurzgeschichten zu den Themen Rassismus, Konsumverhalten und Gewalt. Der afroamerikanische Autor Nana Kwame Adjei-Brenyah, 1990 in New York geboren, erzählt realistisch, fantasievoll, drastisch und überspitzt über den Rassismus im heutigen Amerika. Ein bemerkenswertes Debüt, aktuell, brisant und lesenswert. (Aus dem Englischen von Thomas Gunkel, Penguin Verlag, 20 Euro)
Anita Brookners Roman "Hotel du Lac" wurde 1984 mit dem Booker Prize ausgezeichnet, in der deutschen Übersetzung erschien es vier Jahre später. Jetzt wurde es neu wieder aufgelegt. Brookner ist eine sehr lesenswerte, elegante Autorin, meint Sigrid Löffler.
Es geht um das Thema Krieg, Flucht und Exil, aber auch um Identität, Herkunft und Lebenslügen. Nava Ebrahimi beschreibt das Leben ehemaliger Kindersoldaten aus dem Iran. Ein sorgfältig ausgetüfteltes und spannend zu lesender Roman. (Btb, 20 Euro)
Den Grundstoff für die Romane des us-amerikanischen Erzählers liefert seit jeher seine eigene katastrophale Familie. David Vann imaginiert die letzten Tage vor dem Selbstmord des Vaters Jim aus dessen eigener Sicht. Es geht dem Autor aber nicht nur um die Innenperspektive auf einen Untergeher, der sich in einer unaufhaltsamen Abwärtsspirale auf die Selbstzerstörung zubewegt, sondern auch um die Erkundung eines bestimmten Milieus in der us-amerikanischen Provinz. Der Roman bietet eine Mentalitätsstudie des wohlhabenden, nicht-urbanen, weißen Mittelstands-Amerika im Hinterland der großen Städte. (Hanser Berlin Verlag, 24 Euro)
Neue Krypto-Währungen, eine Chinareise, Betrug... Der belgische Autor Jean-Philippe Toussaint gilt als eine der originellsten Stimmen der französisch-sprachigen Gegenwartsliteratur. Sein Roman führt in das Labyrinth der hohen EU-Bürokratie in Brüssel. Toussaints Held Jean Detrez deckt einen horrenden Betrugsplan auf, an dem korrupte osteuropäische Politiker ebenso beteiligt sind wie chinesische Cyber-Kriminelle. Dabei spielt ein USB Stick mit brisanten Inhalt eine Rolle. (Frankfurter Verlagsanstalt, Übersetzung von Joachim Unseld, 22 Euro)
Das Seebad Brighton in den 1950er Jahren: Ein Zauberer und ein Entertainer verlieben sich in dieselbe Frau und aus den Freunden werden Rivalen. Der englische Romancier erzählt eine Dreiecksgeschichte voller Zaubertricks, Magie, Illusionen und Träume in einem ganz besonderen Sprachstil. (Aus dem Englischen von Susanne Höbel, dtv, 20 Euro)
Es ist der dritte Band der Tudor-Trilogie um den Staatsmann Thomas Cromwell. Hilary Mantel schreibt nicht einfach Historienromane. Sie lässt uns unmittelbar eintauchen in die Welt der englischen Renaissance, einer farbenprächtigen und faszinierenden Epoche. Die gesamte Trilogie spielt während der Regierungszeit Heinrichs des Achten: seine dynastische Obsession, seine Heiratspolitik und die Folgen. Hilary Mantel erzählt diese 500 Jahre alten Geschehnisse in einem atemberaubend rasanten Präsens, reich durchsprenkelt mit schneidigen, schlagfertigen und oft sehr witzigen Dialogen. "Ein großes Lesevergnügen", schwärmt Sigrid Löffler. (DuMont Verlag, 1100 Seiten, 32 Euro).
Vor sechs Jahren hat Lutz Seiler, Lyriker, Essayist und Erzähler, im Alter von 51 Jahren seinen ersten Roman veröffentlicht, "Kruso". Dafür wurde er 2014 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Seilers neuer Roman "Stern 111" ist nun eine Art Fortsetzung dieses Debütromans – und dafür erhielt Seiler jetzt den Preis der Leipziger Buchmesse.
Auch ihrem dritten Roman legte Anna Burns eigene Jugenderfahrungen zugrunde: Sie erzählt aus der Perspektive eines 18-jährigen Mädchens, vom Aufwachsen in einem katholischen Belfaster Viertel der 1970er Jahre, als der Bürgerkrieg in Nordirland am blutigsten tobte und alteingesessene Nachbarn einander mit Attentaten, Autobomben, Geiselnahmen und willkürlichen Morden bekämpften. (Tropen Verlag, 25 Euro)
Der griechische Atriden-Mythos ist einer der Ur-Texte der lesenden Menschheit. Kaum ein griechischer Mythos ist so oft bearbeitet, neu erzählt und immer wieder anders gewendet und modernisiert worden wie diese blutige Geschichte von Agamemnon und seiner schrecklichen Familie. Jetzt hat der irische Autor Colm Tóibín, der wohl bekannteste und erfolgreichste Gegenwartsautor der Republik Irland, mit "Haus der Namen" seine Version der antiken Rache-Geschichte vorgelegt. (Hanser, 24 Euro)
Mit dem Roman "Der Tod Jesu" hat der südafrikanische Nobelpreisträger und zweimalige Booker-Preis-Gewinner J. M. Coetzee seine Jesus-Trilogie abgeschlossen, die 2013 mit "Die Kindheit Jesu" begann und 2016 mit "Die Schulzeit Jesu" fortgesetzt wurde. Alle drei Bände sind täuschend leicht zu lesen, denn sie sind in einer nüchternen, direkten, schmuck- und metaphernlosen Sprache in der Gegenwartsform erzählt. (S. Fischer, 24 Euro)
Der Berliner Autor Sherko Fatah gilt als Spezialist für den Nahen Osten. In seinen fünf Romanen war bisher vor allem der Irak sein Thema. In seinem jüngsten Roman wechselt Sherko Fatah zwar den Schauplatz, bleibt aber bei seinem Lebensthema – auch hier geht es wieder um Ursprünge und Auswirkungen des Terrorismus im Nahen Osten, diesmal am Beispiel des Terrors der Palästinenser. (Luchterhand Verlag, 22 Euro)
1944. Der Krieg ist verloren, wütet aber weiter. Die Menschen sind erschöpft und abgestumpft vom täglichen Kampf ums Überleben. Hauptschauplatz des Romans ist der Ort Mondsee im österreichischen Salzkammergut, an der Drachenwand. Hier trifft ein verwundeter junger Soldat auf zwei Frauen, die seine Hoffnung teilen, dass irgendwann wieder das Leben beginnt ...