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Tierärztliche Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 07/07
Bei Hund und Katze sowie beim Menschen zählen Epilepsien zu den häufigsten chronischen neurologischen Erkrankungen. Im Hinblick auf eine vollständige Prävention der Epilepsieentstehung (Epileptogenese) haben sich bis heute alle therapeutischen Strategien als klinisch unwirksam erwiesen. Ein besseres Verständnis der Mechanismen, die der Epileptogenese zugrunde liegen, stellt die Grundvoraussetzung für die Identifizierung von therapeutischen Zielstrukturen und Biomarkern dar. Differentielle Proteomanalysen könnten wesentlich dazu beitragen die komplexen epileptogenese-assoziierten molekularen Veränderungen zu erforschen. Daher wurde in der vorliegenden Dissertationsstudie eine differentielle Proteomanalyse in einem Tiermodell der Epileptogenese durchgeführt. Die Induktion der Epileptogenese erfolgte in einem elektrischen Post-Status-Epilepticus-(SE)-Modell bei weiblichen Sprague-Dawley-Ratten. Hippocampales (HC) und parahippocampales (PHC) Gehirngewebe von SE- und Kontrolltieren wurde zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten (zwei Tage, zehn Tage und acht Wochen nach SE) entnommen und mittels markierungsfreier Liquid-Chromatographie-Tandem-Massenspektrometrie analysiert. Die Zeitpunkte reflektieren die Post-Insult-Phase, die Latenzphase und die chronische Phase mit spontanen wiederkehrenden Anfällen. Unter Berücksichtigung der besonderen Rolle inflammatorischer Signalwege im Kontext der Epileptogenese, erfolgte neben der unspezifischen Datenanalyse eine fokussierte Auswertung immun- und inflammations-assoziierter Prozesse. Die anschließende immunhistochemische Untersuchung der Gewebe diente sowohl der Validierung der Methodik, als auch der Validierung des differentiellen Expressionsmusters ausgewählter Proteine. Durch die Studie konnte gezeigt werden, dass zu allen untersuchten Zeitpunkten im PHC mehr Proteine reguliert waren als im HC. Des Weiteren ließen sich in beiden Gehirnregionen die umfangreichsten molekularen Veränderungen in der Latenzphase nachweisen. Durch die Pathway-Enrichment-Analyse konnte im HC während der Post-Insult-Phase eine ausgeprägte Neurodegeneration dargestellt werden. Weiterhin zeigte sich in beiden Gehirnregionen eine Regulation Integrin-assoziierter Prozesse während der Latenzphase und der chronischen Phase. Ein signifikantes Enrichment neurodegenerativer und proliferativer Signalwege ließ sich im PHC acht Wochen nach SE darstellen. Im Hinblick auf immun- und inflammations-assoziierte Prozesse konnte eine Überrepräsentation entsprechender Pathways während der Post-Insult-Phase und der Latenzphase nachgewiesen werden. Die regulierten Pathways umfassten unter anderem Toll-like-Rezeptor-(TLR)-vermittelte Signalwege, Synthese und Regulation von Prostaglandinen, leukozytäre transendotheliale Migration und die Signaltransduktion durch transformierenden Wachstumsfaktor-β (TGF beta). Die inflammatorische Antwort während der chronischen Phase zeigte im PHC eine stärkere Regulation als im HC. Im Rahmen der immunhistochemischen Validierung konnte das differentielle Expressionsmuster der Proteine Heat shock 70 kDa protein (Hspa1a), P2Y Purinoceptor 12 (P2ry12) und P2X Purinoceptor 7 (P2rx7) bestätigt werden, die eine bedeutende Rolle bei der Aktivierung von Mikroglia spielen. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie liefern neue Erkenntnisse über die komplexen molekularen Veränderungen der Epileptogenese. Darüber hinaus deuten sie auf eine unterschiedliche Veränderung der molekularen Muster von HC und PHC während dem Zeitverlauf der Epileptogenese hin. Die Daten stellen zudem neue Informationen über das differentielle Expressionsmuster zahlreicher Proteine zur Verfügung, die bei wichtigen inflammatorischen Prozessen und Signalwegen eine Rolle spielen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Regulation TLR-assoziierter Proteine und Purinozeptoren, die zu den essentiellen Modulatoren der inflammatorischen Antwort gezählt werden. Zusammenfassend trägt die vorliegende Arbeit wesentlich zu unserem Verständnis über die molekularen und im Besonderen die inflammatorischen Mechanismen der Epileptogenese bei. Die Ergebnisse liefern eine umfassende Grundlage für die zukünftige Identifikation und Entwicklung von therapeutischen Zielstrukturen und Biomarkern für molekulare Bildgebungsverfahren. Die funktionellen Einflüsse einzelner Proteine sollten in zukünftigen Studien (zum Beispiel in Knock-out-Maus-Modellen) bestätigt und genauer untersucht werden.
Tierärztliche Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 04/07
Epilepsien sind die häufigsten chronischen neurologischen Erkrankungen bei Hund, Katze und Mensch. Die bedeutendste Therapieform von Epilepsien ist die langfristige, kausale Pharmakotherapie mit dem Ziel der Anfallsreduktion bzw. Anfallssuppression. Diese zumeist lebenslang andauernde Behandlung mit Antiepileptika ist häufig mit schweren Nebenwirkungen verbunden. Aus diesen Gründen wäre eine prophylaktische Therapie, die die Entstehung von Epilepsien (Epileptogenese) verhindert, wünschenswert. Die Mehrzahl der Epilepsien wird durch symptomatische Ursachen, wie Schädelhirntraumen oder Schlaganfälle bedingt. Diese initialen Insulte verursachen in der Folge, über nur unzureichend bekannte Mechanismen, die Generierung eines neuronalen Netzwerkes, das die Manifestation einer Epilepsie begünstigt. Verschiedene Untersuchungen der letzten Jahren gaben Hinweise, dass Veränderungen der neuronalen Plastizität insbesondere massive Neuronenverluste sowie eine gestörte Neuronenneubildung eine zentrale Bedeutung im Rahmen der Epileptogenese einnehmen könnten. Bisherige Forschungsarbeiten bestätigen eine Modulatorfunktion des neuronalen Zelladhäsionsmoleküls (NCAM) und des Hormons Erythropoetin (EPO) für die neuronale Plastizität. Auf Grund dessen wurden in dieser Arbeit die Effekte des NCAM-mimetischen Peptids Plannexin sowie der beiden EPO-mimetischen Peptide Epotris und Epobis auf anfallsinduzierte neuronale Veränderungen, insbesondere auf neurodegenerative Vorgänge und auf die Neubildung von Neuronen untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen konnten eine modulierende Funktion des NCAM-mimetischen Peptids Plannexin und des EPO-mimetischen Peptids Epotris auf die neuronale Plastizität insbesondere auf die anfallsinduzierte gestörte Neuronenneubildung demonstrieren. Die dringende Notwendigkeit einer prophylaktischen Therapie ergibt sich vor allem aus der Tatsache, dass ungeachtet einer Vielzahl von Antiepileptika in der Tier- und Humanmedizin etwa ein Drittel aller Veterinär- und Humanpatienten nicht auf eine Pharmakotherapie anspricht. Diese pharmakoresistente Form der Epilepsie stellt ein gravierendes, bisher ungelöstes Problem dar und geht mit einer hohen Morbidität und Mortalität einher. Als eine Ursache für das Auftreten von Pharmakoresistenzen bei Epilepsiepatienten wird eine Überexpression verschiedener sogenannter Multidrug-Transporter diskutiert. Dem Multidrug-Transporter P-Glycoprotein (Pgp) wird im Zusammenhang mit transporterbasierten Pharmakoresistenzen bei Epilepsien eine besondere Bedeutung beigemessen. Im Rahmen dieser Dissertation konnte anhand unterschiedlicher Versuchsansätze erstmals in vivo gezeigt werden, dass eine Reduktion der Pgp-Expression in den Endothelzellen der Blut-Hirn-Schranke mittels RNA-Interferenz möglich ist.
Tierärztliche Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 03/07
In den letzten Jahrhunderten wurde postuliert, dass der komplexen Verarbeitungsleistung des adulten Säugetiergehirns ein stabiles Netzwerkgefüge zugrunde liegen würde. Diese Hypothese wurde kontinuierlich durch die Erkenntnis ersetzt, dass adulte Säugetiergehirne permanent einer massiven strukturellen und synaptischen Plastizität unterliegen. Teil dieser Plastizität ist eine lebenslang in hohem Maße stattfindende Neubildung von Nervenzellen in zwei regional begrenzten Gehirnarealen, den primären neurogenen Zonen. Daneben existieren multipotente neuronale Vorläuferzellen in diversen Bereichen des adulten Säugetiergehirns deren Potential neue Neurone im naiven Gehirn zu bilden, vielfach diskutiert wird. Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit (Publikation 1) wurde das neurogene Potential des piriformen Cortex (PC) adulter Ratten untersucht. Der PC ist der größte Anteil des olfaktorischen Cortex und entscheidend an der Verarbeitung verschiedener Riecheindrücke beteiligt. Es konnte eine Zellneubildung mit neuronalen Charakteristika im PC nachgewiesen werden, die im Vergleich zu den beiden primären neurogenen Zonen jedoch um ein Vielfaches geringer war. Weiterhin konnte die Existenz von neuronalen Vorläuferzellen abgesichert werden, aus denen sich die neugebildeten Neurone direkt bilden könnten. Weiterführende Untersuchungen ergaben, dass die neugebildeten Zellen jedoch nicht über einen langen Zeitraum erhalten bleiben. Im Vergleich zu freilebenden Tieren werden Laborratten unter deprivierten Bedingungen gehalten. Da in der Vergangenheit gezeigt wurde, dass eine Umwelt mit gesteigerten Sinneseindrücken die Überlebensrate von neugebildeten Neuronen in den primären neurogenen Zonen steigert, kann weiterhin vermutet werden, dass die Überlebensdauer der neugebildeten Zellen im PC unter natürlichen Umweltbedingungen ebenfalls gesteigert ist. Im zweiten Teil der Arbeit (Publikation 2) wurden spezifische pathophysiologische Mechanismen neurogeneseabhängiger plastischer Veränderungen im Hippocampus zweier Rattenmodelle mit Epileptogenese charakterisiert. Während ihrer Entwicklung bilden neuronale Vorläuferzellen im adulten Säugetierhippocampus transient kurze basale Dendriten aus. In epileptischen Tieren und in Epilepsiepatienten persistieren diese Dendriten und weisen weitere morphofunktionelle Eigenschaften auf, die als prokonvulsive plastische Netzwerkveränderungen interpretiert werden. Daher wurde die Generierung dieser sog. hilaren oder persistierenden basalen Dendriten direkt mit dem Auftreten von epileptischen Anfällen in Verbindung gebracht. Genauere Untersuchungen, die diese Vermutung stützen, fehlen jedoch. Die Daten der vorliegenden Arbeit belegen, dass persistierende basale Dendriten charakteristisch für ein chronisches epileptogenes, neuronales Netzwerk und nicht unmittelbar eine Folge von epileptischen Anfällen sind. Spontane wiederkehrende Anfälle resultieren jedoch in einer weiteren Steigerung der Anzahl dieser Dendriten. Basierend auf der Hypothese, dass die Persisitenz der Dendriten die Epilepsieprogression und den Erkrankungsgrad steigert, kann weiterhin gefolgert werden, dass auch in Phasen der Anfallsfreiheit diese Form aberranter neurogeneseabhängige Plastizität zu einer Progression der Epilepsie beiträgt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen demonstrieren einheitlich die weit reichende Bedeutung neurogeneseabhängiger plastischer Veränderungen limbischer Strukturen unter physiologischen und pathophysiologischen Bedingungen. Eine weiterführende Aufklärung des regenerativen Potentials der transienten Nervenzellneubildung im PC ist aus Sicht einer möglichen Therapie diverser neurologischer Erkrankungen von Relevanz. Das endogene Reservoir multipotenter Vorläuferzellen in dieser und weiterer Gehirnregionen könnte für den funktionellen Ersatz erkrankungsbedingt untergegangener Neurone verwendet werden. Neben diesem regenerativen Potential existieren Hinweise auf eine pathophysiologische Bedeutung der neurogeneseassoziierten Plastizität bei Epilepsien. Die weiterführende Charakterisierung und die Aufklärung der funktionellen Relevanz dieser permissiven Alterationen sind für die Entwicklung einer kausalen Therapie sowie einer Epilepsieprophylaxe von Bedeutung.