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Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 15/19
Etwa 25-50% der Frauen im reproduktionsfähigen Alter erleiden in ihrem Leben einen spontanen Abort und 2-3% der Frauen rezidivierende Aborte [1]. Ein Großteil der Aborte bleiben weiterhin ungeklärt [4]. Folglich besteht ein essentieller Forschungsbedarf in der Ursachenerkundung und Prävention von Aborten. Die Rezeptoren Retinoid-X-Rezeptor α (RXRα) und Leptin Rezeptor (ObR) spielen eine Rolle in der plazentaren und fetalen Entwicklung. In vorherigen Studien konnte die Arbeitsgruppe von Toth und Jeschke et al. (2008 und 2009) zeigen, dass die Expression von RXRα und ObR jeweils in villösen- (VT) und extravillösen Trophoblasten (EVT) erhöht ist. In einer weiteren Studie konnte eine vermehrte Anzahl an apoptotischen EVT in Aborten festgestellt werden [191]. Ziel der vorliegenden Arbeit war die Analyse der (patho-) physiologischen Rolle der Rezeptoren RXRα und ObR in Aborten mit speziellem Fokus auf apoptotische Prozesse. Dazu dienten Stimulationsversuche, in denen humane villöse Trophoblasten und Trophoblast-Modellzellen mit Retinsäuren und einem Prostaglandin-Derivat inkubiert wurden und deren Einfluss auf die RXRα und ObR Expression in den Zelllinien untersucht wurde. Des Weiteren wurde die Expression der Rezeptoren zusammen mit einem Marker für Apoptose in Abortplazenten detektiert. Es konnte gezeigt werden, dass die Substanzen zu einer Abnahme der RXRα Expression in Trophoblast- und Trophoblastmodellzellen führen. Da Abortplazenten eine erhöhte RXRα Expression aufweisen und mit einer vermehrten Anzahl an apoptotischen EVT assoziiert werden, dient die Liganden-abhängige Reduktion der RXRα Expression durch die Substanzen vermutlich als Schutz vor einem apoptotischen Zustand bzw. vor einem Abort. RXRα stellt einen potentiellen Zielrezeptor in der Prävention von Aborten dar. Die ObR Expression in Trophoblastmodellzellen wurde durch die Retinsäure erhöht. Die Zunahme der ObR Expression kann als eine potentielle Reaktion auf ein vermindertes Leptin Angebot im Abort gedeutet werden. Weiterhin konnte eine Co-Expression des Apoptosemarkers mit RXRα bzw. ObR in EVT von Abortplazenten beobachtet werden. Als Ergebnis sind die vorliegenden Erkenntnisse nicht nur für das Verständnis über die Regulation der Rezeptoren im Abortprozess, sondern auch für den physiologischen Schwangerschaftsverlauf von zentraler Bedeutung.
Hintergrund Die Schwangerschaft ist ein natürliches, erfolgreiches Modell immunologischer Toleranz [1]. Das Kind, dessen genetisches Material zu 50% allogen ist, wird während der Zeit seiner intrauterinen Entwicklung vom mütterlichen Immunsystem akzeptiert. Ein Zustand, der fundamentalen Regeln der Transplantationsimmunologie (Selbst-Fremd Erkennung) widerspricht. Beim Aufbau der fetomaternalen Grenzfläche wachsen fetale Zellen (sog. Trophoblasten) in die mütterliche Uterusschleimhaut ein, arrodieren mütterliche Blutgefäße und bilden in der reifen Plazenta die Auskleidung eines mütterlichen Blutsees [2]. Dieses trophoblastäre Synzytium ist also gleichermaßen fetales Epithel wie plazentares Endothel und interagiert mit mütterlichen Leukozyten [3]. Die Frage immunologischer Toleranz ist jedoch auch in der Kanzerogenese und in der Etablierung des Tumormikromilieus von entscheidender Bedeutung [4]. Die Entstehung und immunologische Etablierung eines malignen Tumors ist die gemeinsame Endstrecke eines letztendlich ungerichteten Prozesses. Die Charakteristika einer malignen Erkrankung sind daher in hohem Maße individuell. Ausdruck dessen ist die zunehmende Hinwendung zu individualisierten Krebstherapien (sog. targeted therapies) wie sie z.B. auch immuntherapeutische Ansätze darstellen [5]. Der spezifische Aufbau immunologischer Toleranz an der Tumor-Stroma Grenzfläche ist auf Grund der großen interindividuellen Unterschiede im humanen System nur schwer nachzuvollziehen. Demgegenüber verläuft der Aufbau des spezifischen immunologischen Mikromilieus an der fetomaternalen Grenzfläche entlang geordneter Bahnen, deren Erforschung allgemeine Prinzipien der Toleranzentwicklung im humanen System zu Tage fördern könnte. Das vorliegende Habilitationsprojekt widmet sich Mechanismen immunologischer Toleranz und ihrer Durchbrechung am Plazenta- und Tumor-Modell. Bisher bearbeitete Fragestellungen Dendritische Zellen (DC) besetzen eine zentrale Schaltstelle des Immunsystems und können einerseits antigenspezifische cytotoxische T-Zell Immunantworten induzieren, andererseits im steady state für immunologische Toleranz sorgen [6, 7]. Ihre Eigenschaft der spezifischen Immuninduktion prädestinieren DC für eine individualisierten Krebs-Immuntherapie, deren immunogene Eigenschaften wir in Zellkultur-Modellen beurteilen konnten [8]. Apoptose als der physiologische Zelluntergang induziert peripher (d.h. außerhalb lymphatischer Organe) vermittelt über DC immunologische Toleranz. Apoptotisch zu Grunde gegangene Zellen werden dabei von DC aufgenommen und so aufbereitet, dass ihre charakteristische Proteinstruktur von cytotoxischen T-Zellen erkannt wird. Zusätzliche Signale bestimmen nun, ob diesen T-Zellen angezeigt wird, die betreffende Proteinstruktur zu tolerieren oder dagegen eine Immunantwort zu induzieren [9, 10]. Eine solche Immunantwort ist hochspezifisch und bietet sich daher als targeted therapy in der Krebstherapie an [11]. Wir konnten in diesem Zusammenhang den Weg apoptotischen Tumormaterials in Zellkultur-DC genauer verfolgen und als Einflussfaktor der folgenden Immunantwort näher charakterisieren [12]. Neben der Charakteristik des aufgenommen Zellmaterials ist die Eigenart jener zusätzlichen Signale (den von P. Matzinger erstmals so genannten „Gefahrensignalen“) von entscheidender Bedeutung für die Immunantwort. Gefahrensignale sind immunologische Muster, die eine Infektion oder Zellschädigung kennzeichnen und eine pathogen- und gewebsspezifische Immunreaktion nach sich ziehen. So konnten wir mit Adenosin-Triphosphat ein obligat intrazelluläres Molekül als ein solches Gefahrensignal charakterisieren [13]. An die Stelle der klassischen Unterscheidung zwischen Selbst- und Fremd tritt damit die Unterscheidung zwischen Gefahr und Nicht-Gefahr. Der Zustand der Nicht-Gefahr der sog. steady state wird in diesem Modell mit der Induktion einer gewebsspezifischen Toleranz andererseits jede Schädigung durch ein Pathogen durch eine auf Pathogen und Gewebe maßgeschneiderte Immunreaktion beantwortet. Das lokale Gewebe ist in diesem Modell Auslöser und Ziel der Immunantwort während im klassischen Selbst Fremd Modell das Immunsystem der Auslöser und das Gewebe lediglich das Zielorgan darstellt [14]. Bonney und Matzinger konnten im Maus-Modell zeigen, dass diese Unterscheidung zwischen intakter systemischer Immunantwort und lokaler Immuntoleranz auch auf das klassische Paradoxon der Fortpflanzung zutrifft [15]. Hieran anknüpfend konnten wir im humanen in vitro System Glycodelin, ein progesteronabhängiges Glycoprotein der fetomaternalen Grenzfläche, als einen solchen lokalen Faktor im Hinblick auf eine Toleranzinduktion in DC nachweisen [16]. Im Rahmen hypertensiver Schwangerschaftserkrankungen gelang es zudem erstmals, eine Rolle des Aktivierungszustandes dendritischer Zellen am Patientenmaterial zu zeigen [17]. In der Frühschwangerschaft konnten wir außerdem nachweisen, dass eine verminderte Expression von Glycodelin mit einem Abortgeschehen assoziiert ist [18]. Das ansonsten schwangerschaftsspezifische lokal immunsuppressive Glycodelin wird jedoch auch von gynäkologischen Tumoren im Rahmen der Karzinogenese zur lokalen Immunsuppression benutzt. Im Ovarialkarzinom konnten wir Glycodelin-abhängige Immunsupression auf Zellkultur-DC ebenso nachweisen wie eine Korrelation mit dem Östrogen- und Progesteronrezeptorstatus als prädiktivem Faktor in histologischen Schnitten des Mammakarzinoms [19; 21] Eine der zentralen Aufgaben der fetomaternalen Grenzfläche ist die Trennung des mütterlichen und kindlichen Blutkreislaufes. Bei einem Leck dieser Trennung kann es zum Ausbluten des Feten in den Kreislauf der Mutter kommen. Mechanische Belastung wurde lange Zeit als ein Hauptriskofaktor für dieses seltene, jedoch in seinem Verlauf oftmals sehr dramatische Krankheitsbild gesehen. In einer Beobachtungsstudie konnten wir mit einem sehr sensitiven durchflußzytometrischen Testverfahren jedoch eine plazentare Entzündungsreaktion als bislang nicht beschriebenen Risikofaktor etablieren [22]. Ein lange Zeit mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgter Risikofaktor einer fetomaternalen Transfusion Besonderes war die mechanische Belastung im Rahmen der sog. äußeren Wendung, bei der ein Kind am Ende der Schwangerschaft aus Beckenendlage durch Manipulation von außen in eine Schädellage gedreht wird, um eine vaginale Geburt aus Schädellage zu ermöglichen. Die Sicherheit des Kindes steht dabei naturgemäß an oberster Stelle. In einer klinischen Beobachtungs-Studien konnten wir mit einem sehr sensitiven durchflußzytometrischen Testverfahren dazu beitragen die Volumina der fetomaternalen Transfusion im Rahmen einer äußeren Wendung mit o.g. Testverfahren genauer zu quantifizieren und den Einfluss der mechanischen Belastung auf die fetomaternale Transfusion damit zu relativieren [23].
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 10/19
Pemphigoid gestationis ist eine seltene blasenbildende Autoimmundermatose unklarer Ätiologie, die ausschließlich im Zusammenhang mit Schwangerschaften oder schwangerschaftsassoziierten Tumoren beobachtet wird. Als Autoantigen konnte das Transmembranprotein Kollagen-Typ-XVII, ein Strukturelement der Hemidesmosomen der dermoepidermalen Junktionszone, identifiziert werden. Der selbstlimitierende Krankheitsverlauf und die hohe Rezidivneigung bei Folgeschwangerschaften deuten auf eine pathogenetische Rolle schwangerschaftsspezifischer Veränderungen endokriner sowie immunologischer Faktoren hin. Es besteht darüber hinaus eine Assoziation mit den MHC-Klasse-II-Antigenen HLA-DR3 und -DR4 bei den Patientinnen sowie mit dem väterlichen Haplotypen HLA-DR2. HLA-G ist ein nicht-klassisches MHC-Klasse-Ib-Molekül, das hauptsächlich von den extravillösen Trophoblasten der Plazenta exprimiert wird. Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass HLA-G an der fetomaternalen Grenzzone durch Interaktion mit Rezeptoren auf natürlichen Killerzellen, B- und T-Lymphozyten und antigenpräsentierenden Zellen maßgeblich an der Tolerierung des semiallogenen Feten durch die mütterliche Immunabwehr beteiligt ist. Es wird postuliert, dass HLA-G auch an pathologischen Prozessen ausserhalb der Schwangerschaft, wie etwa Autoimmun- und Tumorerkrankungen, beteiligt sein könnte. HLA-G weist im Gegensatz zu den klassischen HLA-Klasse-I-Genen einen stark beschränkten Polymorphismus auf. In dieser Arbeit wurde erstmals eine mögliche Assoziation zwischen Polymorphismen im HLA-G-Gen und in der HLA-G-Promotorregion mit dem Pemphigoid gestationis untersucht. Ein potentiell funktioneller 14-bp-Insertions-Deletions-Polymorphismus in Exon 8 von HLA-G (rs1704) sowie vier Einzelnukleotidpolymorphismen der Promotorregion (rs1736936, rs1632947, rs1632946, rs1233334) wurden in einem Kollektiv, welches 18 Pemphigoid-gestationis-Patientinnen umfasst, genotypisiert und mit einem Kontrollkollektiv bestehend aus 52 gesunden Blutspenderinnen verglichen. Aufgrund der bekannten Assoziation von Pemphigoid gestationis mit dem Haplotyp HLA-DR2 wurden auch Kinder und Partner der Pemphigoid-gestationis- Patientinnen hinsichtlich dieser Polymorphismen typisiert und mit dem Kontrollkollektiv verglichen. Sofern DNA-Proben von kompletten Familien gewonnen werden konnten, wurden die Ergebnisse der Typisierung in Stammbaumdiagrammen dargestellt. Der 14-bp-Insertions-Deletions-Polymorphismus war in früheren Studien bereits mit anderen schwangerschaftsassoziierten Krankheitsbildern sowie mit der blasenbildenden Autoimmundermatose Pemphigus vulgaris in Zusammenhang gebracht worden. In den hier untersuchten Kollektiven der Pemphigoid-gestationis-Patientinnen und ihrer Angehörigen konnte keine statistisch signifikante Assoziation zum Pemphigoid gestationis nachgewiesen werden. Auffällig war jedoch eine sehr deutliche relative Häufung des in der Allgemeinbevölkerung seltener vorkommenden Insertionsallels in der Patientinnengruppe. Zu Grunde liegend könnte ein bekanntes starkes Kopplungsungleichgewicht zwischen dem mütterlichen Risikoallel für Pemphigoid gestationis, HLA-DR3, und einem für die 14-bp-Insertionsvariante kodierenden HLA-G-Allel sein. Die vier untersuchten Einzelnukleotidpolymorphismen der Promotorregion von HLA-G zeichnen sich durch ihre Lage innerhalb oder in der Nähe funktioneller Elemente und/oder eine bereits bekannte klinische Assoziation aus. Drei der untersuchten Polymorphismen (rs1736936, rs1632947, rs1632946) befanden sich in einem nahezu vollständigen Kopplungsungleichgewicht. Beim statistischen Vergleich der untersuchten Kollektive zeigte sich für die drei gekoppelten Einzelnukleotidpolymorphismen eine grenzwertig signifikante Assoziation bzw. eine Tendenz in Richtung einer Assoziation bestimmter väterlicher Allele und Genotypen mit dem Pemphigoiod gestationis (die p-Werte lagen zwischen 0,05 und 0,07). Für den Einzelnukleotidpolymorphismus rs1233334 konnte ebenfalls ein deutlicher Trend hin zu bestimmten väterlichen und kindlichen Genotypenkonstellationen im Vergleich zum Kontrollkollektiv ausgemacht werden (p-Werte zwischen 0,07 und 0,09). Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit deuten auf eine mögliche Assoziation der untersuchten Polymorphismen im HLA-G-Gen bei Vätern und Kindern von Pemphigoid-gestationis-Patientinnen mit dem Erkrankungsrisiko der Frauen im untersuchten Kollektiv hin. Es bleibt weiterführenden Studien überlassen, diese Ergebnisse an einem größeren Patientinnen- und Angehörigenkollektiv zu vergleichen und so möglicherweise zur Klärung der Ätiopathogenese dieser seltenen Autoimmunerkrankung beizutragen.