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Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 07/19
Zahlreiche Befunde deuten auf eine Störung der interhemisphärischen Konnektivität bei Patienten mit Schizophrenie. Funktionell wurden beispielsweise Veränderungen der interhemisphärischen Kohärenz gefunden. Die Kohärenz gilt als ein Indikator für funktionelle Verbindungen zwischen den entsprechenden Hirnregionen und ist in ihrer interhemisphärischen Variante ein Maß für die Synchronisation des EEG zwischen den korrespondierenden bilateralen Regionen. Für die interhemisphärische Kohärenz und die interhemisphärische Konnektivität kommt dem Corpus Callosum (CC) als wichtigster kommissuraler Verbindung der Hemisphären eine entscheidende Bedeutung zu. Gleichzeitig ist bei CC-Pathologien einerseits die Prävalenz der Schizophrenie erhöht und es findet sich andererseits bei Patienten mit Schizophrenie ein erhöhtes Vorkommen von CC-Pathologien. Strukturelle MRT-Befunde deuten auf ein leicht verkleinertes CC bei Patienten mit Schizophrenie. Zusätzlich finden sich pathologische Veränderungen in der Lamina III des präfrontalen Kortex von Patienten mit Schizophrenie, dem Ursprungsort der kallosalen Projektionen. Auch Entwicklungshypothesen finden Bezug zu einer Pathologie des CC bei Patienten mit Schizophrenie: seine Entwicklung, bei der die Elimination von Axonen mit zunehmender Myelinisierung und Vergrößerung einhergeht, zieht sich bis in die dritte Lebensdekade hin und zeigt damit Parallelen zur späten klinischen Manifestation der Erkrankung. Aufgrund der Heterogenität der Befunde ist allerdings nicht klar, welcher Art die Störung der interhemisphärischen Konnektivität bei Patienten mit Schizophrenie ist. Eine Hypokonnektivität würde z.B. die Assoziation zwischen CC-Agenesien und Schizophrenie vermuten lassen, neuro- und psychophysiologische Experimente deuten eher in Richtung einer Hyperkonnektivität. Ziel der Arbeit war die explorative Untersuchung der Frage, ob eine Störung der interhemisphärischen Konnektivität bei Patienten mit Schizophrenie vorliegt und welcher Art diese interhemisphärische Konnektivitätsstörung sein könnte. Methode: Es wurden 27 männliche Patienten mit chronischer Schizophrenie und 25 gematchte Kontrollen untersucht. Anhand des Ruhe-EEGs wurden fünf interhemisphärische Kohärenzen bipolarer Verschaltungen berechnet. Mittels MRT wurde die CC-Größe durch Vermessung der midsagittalen Fläche des CC ermittelt und in fünf Unterabschnitte unterteilt. Neben der Analyse auf Unterschiede bezüglich der Kohärenzen und der CC-Größe, wurden die interhemisphärischen Kohärenzen mit der CC-Größe korreliert, um über die Verbindung von strukturellen und funktionellen Parametern Hinweise über die Integrität der interhemisphärischen Konnektivität zu erhalten. Zusätzlich wurde der Einfluss der neuroleptischen Medikation und die Abhängigkeit der Kohärenzen und der CC-Größe von klinischen Parametern anhand der PANSS-Skala untersucht. Ergebnisse: Die Mittelwerte frontozentraler interhemisphärischer Kohärenzen waren im Beta-Frequenzbereich signifikant bei den Patienten mit Schizophrenie gegenüber den Kontrollpersonen erhöht. Dabei zeigte sich eine negative Korrelation zwischen der Neuroleptika-Dosis und der Höhe der Kohärenzen. Für die CC-Größe zeigten sich keine signifikanten Unterschiede. Klinisch korrelierten frontale und frontotemporale Theta-Kohärenzen mit der Psychopathologischen Globalskala, aber nicht mit der Positiv- oder Negativsymptomatik. Die Pearson-Korrelationen der interhemisphärischen Kohärenzen mit der CC-Größe zeigten bei den Patienten für alle Frequenzbereiche signifikant positive Korrelationen zwischen den interhemisphärischen Kohärenzen besonders in mittleren Segmenten des CC. Nach Berücksichtigung des Neuroleptika-Einflusses waren diese Korrelationen noch deutlicher. Dagegen wiesen die Gesunden negative Korrelationen zwischen allen interhemisphärischen Kohärenzen im Delta- und Beta-Frequenzbereich ebenfalls besonders in mittleren CC-Segmenten auf. Diskussion: Damit bestehen Hinweise für eine interhemisphärische Hyperkonnektivität bei Patienten mit Schizophrenie. Während bei Gesunden mit steigender CC-Größe die interhemisphärische Konnektivität abnimmt, nimmt sie bei den Patienten mit Schizophrenie zu. Im Rahmen einer Entwicklungshypothese mit gestörter kallosaler Entwicklung könnte die in der Literatur gefundene Tendenz einer CC-Verkleinerung für eine vermehrte Anzahl an Axonen, mit verminderter Myelinisierung sprechen, da in der kallosalen Entwicklung die Größenzunahme und zunehmende Myelinisierung mit der massiven Elimination von Axonen einhergeht. Eine verminderte Elimination von Axonen könnte somit die Grundlage einer interhemisphärischen Hyperkonnektivität sein. Verkleinerungen von Pyramidenzellen in Lamina III des präfrontalen Kortex, den Ursprüngen der kallosalen Axone scheinen dies zu bestätigen. Auch psychophysiologische Experimente unterstützen eine interhemisphärische Hyperkonnektivitäts-Hypothese. Ähnlich wird sie durch das Modell einer verminderten Lateralisierung bei Patienten mit Schizophrenie unterstützt, welche mit einer Hyperkonnektivität einhergeht. Ein weiterer Aspekt der interhemisphärischen Hyperkonnektivität ist eine verminderte Inhibition auf kortikaler Ebene, welche durch eine Funktionsabschwächung inhibitorischer GABAerger Interneuronen in Lamina III des präfrontalen Kortex erklärt wird. Die GABAergen Interneuronen werden ihrerseits durch dopaminerge Afferenzen inhibiert, welche bei Patienten mit Schizophrenie pathologisch vermehrt sind. Es resultiert daher eine Disinhibition der Pyramidenzellen, den Ursprungsorten kortikaler Projektionen. Neuroleptika als Dopamin-Antagonisten würden damit diese Hyperkonnektivität reduzieren. Die signifikante Korrelation der Kohärenzen mit der globalen Psychopathologie, aber nicht mit den jeweiligen Positiv- oder Negativ-Skalen spricht eher für die Einheit dieser Symptomkonstellationen, unter dem Vollbild der Schizophrenie.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 05/19
Hintergrund: Diese Studie wurde durchgeführt, um Unterschiede in der zerebralen Aktivierung zwischen zwei Gruppen von einerseits Patienten mit leichten kognitiven Störungen (LKS) und andererseits gesunden Kontrollpersonen (GK) während eines verbalen Arbeitsgedächtnistests zu untersuchen. LKS wird als Vorstufe der Alzheimer Demenz angesehen. Um eine frühe Diagnose der Demenz zu ermöglichen, ist es wichtig, diagnostische Marker für LSK und AD zu etablieren. Methoden: Acht Personen mit LKS und acht GK haben sich einer funktionellen Magnetresonanztomographie unterzogen, während sie einen verbalen Arbeitsgedächtnistest durchführten. Sie bekamen fünf Buchstaben gezeigt, die sie sich nach der Einprägungsphase sechs Sekunden lang merken mussten, währenddessen sie ein Fixierungskreuz sahen. Nach dieser Verzögerung wurde den Probanden ein einzelner Buchstabe gezeigt, und sie mussten entscheiden, ob dieser Buchstabe in der vorher gezeigten Gruppe von Buchstaben enthalten war. Die Antwort erfolgte über Tasten in der rechten und linken Hand. Statistische parametrische Karten des Gehirns, die die Gehirnaktivität für die jeweiligen Gruppen zeigen, und Karten, die die Unterschiede zwischen beiden Gruppen zeigen, wurden für beide Gruppen erstellt. Ziele: Ziele der Studie waren, die Gehirnaktivierung von Patienten mit LKS und einer Gruppe von GK während eines verbalen Arbeitsgedächtnistests zu untersuchen, und Unterschiede in der Aktivierung zwischen den beiden Gruppen zu finden. Ergebnisse: Gehirnaktivierung in der GK-Gruppe wurde in dorsolateral-präfrontalen, parietalen und temporalen Gegenden beobachtet. Diese Aktivierungen wießen linksseitige Lateralisierung auf, was für verbale Aufgaben typisch ist. Trotzdem gab es auch aktive Regionen in der rechten Hemisphäre, was einen gewissen Grad von Delateralisierung bedeutet. Dies wiederum ist ein typischer Prozess der normalen Alterung. Die LKS-Gruppe wies Aktivierung in den gleichen Regionen auf, allerdings mit einem geringeren Grad an Delateralisierung. Es gab sowohl interhemisphärische wie auch interregionale Unterschiede in der Aktivierung zwischen den Gruppen. Die GK-Gruppe zeigte höhere Aktivierung in Regionen des Frontallappens, während die LKS-Gruppe höhere Aktivierung in Regionen des Termporallappens aufwies. In beiden Gruppen fanden sich Regionen, die höhere Aktivierung während der Ruhe-Phase des Tests im Vergleich zu der tatsächlichen Aufgabe zeigten. Diese Regionen werden ‚Default’-Netzwerk genannt. Die LKS-Gruppe hatte eine ausgeprägtere ‚Deaktivierung’ als die GK-Gruppe während der Wiederholungs-Phase des Tests, und eine niedrigere ‚Deaktivierung’ als die GK-Gruppe während der Entscheidungs-Phase. Ausblick: In beiden Gruppen war die Gehirnaktivierung während der verschiedenen Teile der Aufgabe in Gegenden, die während eines verbalen Arbeitsgedächtnistests typischerweise aktiviert werden. Es fanden sich Unterschiede in den Aktivierungsmustern zwischen den beiden Gruppen. Der auffallendste Unterschied war, dass die LKS-Gruppe höhere Aktivierung als die GK-Gruppe hatte, was auf Kompensierung für neurale Degeneration und kognitiven Leistungsabfall zurückgeführt werden kann. Dieser Kompensationsprozess trat während allen Teilen des Arbeitsgedächtnistests auf.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 03/19
Der Gyrus temporalis superior (STG) ist anatomischer Sitz von funktionell relevanten Zentren der Sprachorganisation und der Verarbeitung akustischer Reize. Durch temporo-limbische und die neocorticale Assoziationsfaserbündel ist er eng in das heteromodale (polymodale) assoziative kortikale Netzwerk eingebunden. In der Diskussion über die Ätiologie schizophrener Störungen mit ihren Kernsymptomen akustische Halluzinationen und formale Denkstörungen wurde daher dem STG bereits sehr früh eine zentrale Rolle in der Pathogenese schizophrener Störungen zugeschrieben. Post-mortem-Studien konnten diese Annahmen nicht ausreichend bestätigen. Mit Einführung moderner Bildgebungsverfahren wie der MRT erhärteten sich die Hinweise auf fokale Pathologien bei schizophrenen Störungen: Eine erste Studie von Shenton beschrieb 1992 eine linksseitige Reduktion des posterioren STG, die mit auditorischen Halluzinationen bzw. formalen Denkstörungen in Zusammenhang gestellt werden konnte. Darauf folgende Studien fanden wiederholt Hinweise auf eine linksseitige Volumenreduktion des STG, insbesondere der grauen Substanz, welche invers mit Halluzinationen und Denkstörungen korrelierte. Allerdings gab es auch Ergebnisse, die eine Korrelation nicht bestätigten, so dass Befunde zwischen den Studien nicht konsistent waren, wobei methodische und technische Aspekte sowie die Auswahl und zu geringe Anzahl zu untersuchender Patienten und gesunder Kontrollpersonen für diese Unterschiede ursächlich gewesen sein könnten. Die Ätiologie der beobachteten Veränderungen blieb bisher ungeklärt. Neben einem neurodegenerativen Prozess wurde eine neuronale Entwicklungsstörung diskutiert. Die vorliegenden Studie wirkt diesem mangelhaften Untersuchungsdesign entgegen und untersuchte in einem experimentellen Ansatz mit einer methodisch klar definierten kernspintomographischen Untersuchung unter Anwendung eines etablierten methodischen Verfahrens (BRAINS) mit hoher Spezifität und Sensitivität die Volumina ausgewählter Hirnregionen. Dabei wurde auf eine strenge Auswahl einer männlichen Patientengruppe hoher Fallzahl mit bekannter Schizophrenie und einer nach Alter, Geschlecht und Händigkeit entsprechenden Kontrollgruppe geachtet. Lokale Volumenreduktionen oder veränderte Lateralisierungsverhältnisse des STG sollten verifiziert und ein Zusammenhang zwischen den Symptomen der formalen Denkstörungen mit Reduktionen der grauen Substanz des linken posterioren STG bestätigt werden. Es konnten unter Betrachtung des gesamten STG, seiner anterioren und posterioren Anteile einschließlich der grauen Substanz keine signifikanten Gruppendifferenzen beobachtet werden. Eine für schizophrene Störungen typische strukturelle Pathologie wurde nicht nachgewiesen. Schließlich konnte eine gestörte Lateralisierung in der Region des linken und rechten posterioren STG bei schizophrenen Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden nicht bestätigt werden. Eine inverse Korrelation von Voluminareduktionen des STG zu formalen Denkstörungen konnte ebenfalls nicht hergestellt werden. Somit konnte die weiterführende These einer Diskonnetivitätsstörung bei schizophrenen Störungen nicht bestätigt werden. Die negativen Ergebnisse dieser Studie beruhen wohl im Vergleich zu den bisherigen Studien in erster Linie auf eine unterschiedliche Patientenpopulation bzw. auf einen unterschiedlichen Krankheitsverlauf in der Population. Insbesondere scheinen hierbei die gute Symptomremission während der stationären Behandlung als auch das methodische Auswahlverfahren der zu untersuchen Probanden maßgeblich zu sein. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die hier vorgestellten Ergebnisse an einer großen Patientenstichprobe keine Reduktion der grauen Substanz des linken posterioren STG nachweisen konnten. Darüber hinaus fanden sich in in der untersuchten Region keine Hinweise für gestörte Lateralisierungsverhältnisse bei schizophrenen Patienten. Gleichzeitig weist die fehlende Assoziation von klinischen Daten mit der darunterliegenden anatomischen Makrostruktur des STG darauf hin, dass die Zusammenführung von strukturellen und funktionellen Daten nicht immer einfache Erklärungen für die Schizophrenieforschung liefern kann.