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Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 16/19
Die Familie A der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCRs) bildet die größte und vielfältigste aller Transmembranrezeptorfamilien. Ihre Mitglieder spielen eine wesentliche Rolle in fast allen (patho)physiologischen Prozessen. Nach Agonistenbindung aktivieren GPCRs, wie ihr Name andeutet, heterotrimere G-Proteine aber auch G-Protein-unabhängige Signalwege. Die verschiedenen aktiven G-Proteinuntereinheiten (Gα-GTP und βγ) induzieren nach Dissoziation vom Rezeptor entsprechende Signalkaskaden z.B. über Phospholipase A und Cβ. Um eine Fehlregulation zellulärer Prozesse z.B. durch „Überstimulation“ zu verhindern, unterliegen GPCRs strengen Regulationsmechanismen, die ihre Fähigkeit zur Signaltransduktion und ihre Verfügbarkeit an der Zelloberfläche bestimmen. Die Bradykininrezeptoren B1 und B2 (B1R, B2R) gehören zur Familie A der GPCRs, also zu den Rhodopsin-ähnlichen GPCRs, und werden durch die pro-inflammatorischen Peptide desArg9-Bradykinin/desArg10-Kallidin (DABK/DAK) bzw. Bradykinin (BK)/Kallidin aktiviert. Im Gegensatz zum konstitutiv exprimierten B2R, der nach Stimulation schnell desensitisiert und internalisiert wird, erfolgt eine B1R-Expression fast ausschließlich unter pathophysiologischen Bedingungen über Induktion durch Zytokine. Nach Stimulation wird der B1R nicht internalisiert, sondern verbleibt an der Zelloberfläche. Beide Rezeptoren koppeln sowohl an Gαq/11 als auch an Gαi und aktivieren somit weitgehend identische Signalwege [vor allem Phospholipase Cβ (PLCβ) und „mitogen activated protein kinase“ (MAPK)-Kaskaden]. Durch ihre - besonders im Hinblick auf ihre Internalisierungs-eigenschaften - konträre Regulation, stellen die Bradykininrezeptoren ein interessantes Modell zur Untersuchung regulatorischer Mechanismen und deren Einflüsse auf die Signalübertragung von GPCRs dar. Beide Bradykininrezeptoren spielen bei inflammatorischen Prozessen eine Rolle. Sie fördern die Ausschüttung pro-inflammatorischer Zytokine und rekrutieren Immunzellen. Während entzündlicher Ereignisse kommt es zu erhöhter Zytokinfreisetzung z.B. von Interleukin-1β (IL-1β) und dadurch zur de novo Synthese von B1R. Pro-inflammatorische Zytokine wie IL-1β, die zur B1R-Expression führen, induzieren unter anderem aber auch einen Anstieg der Körpertemperatur (Fieber), eine häufige Begleiterscheinung inflammatorischer Vorgänge. Trotz des bekannten Zusammenhangs zwischen Inflammation und erhöhter Temperatur war über den Einfluss eines Temperaturanstiegs auf Membranrezeptoren und ihre Signalvermittlung auf zellulärer Ebene bisher nur sehr wenig bekannt. In dieser Arbeit wurde - unseres Wissens nach - erstmals auf die Temperatur als regulatorische Komponente für GPCR-vermittelte Signalübertragung eingegangen. Am Beispiel der Bradykininrezeptoren wurde gezeigt, dass die Stärke der Signalübertragung von GPCRs signifikant durch eine Temperaturerhöhung von 37°C auf 41°C beeinflusst werden kann. Hierbei war jedoch zwischen einer Temperaturabhängigkeit des Signalwegs selbst und einer rezeptorspezifischen Temperatursensitivität zu unterscheiden. So wurde die Aktivierung von ERK1/2 unter pathophysiologisch erhöhter Temperatur (41°C; normale Körpertemperatur: 37°C) signifikant gesteigert, unabhängig davon ob sie durch B1 oder B2 Rezeptoren stimuliert wurde. Die gesteigerte Aktivität PLCβ-vermittelter Signalkaskaden bei 41°C konnte hingegen auf eine nur für den B1R spezifische Temperaturabhängigkeit zurückgeführt werden. Diese Beobachtung zusammen mit der Tatsache, dass die B1R-Expression unter pathophysiologischen Bedingungen besonders induziert wird, deutet darauf hin, dass der B1R in Kombination mit Fieber eine verstärkte Wirkung im Organismus haben könnte. Ob diese Heilungs-fördernd oder -abträglich wirkt, müsste noch genauer untersucht werden. Neben dem Einfluss der Temperatur wird die Signalübertragung der GPCRs durch die jeweiligen Rezeptorkonformationen und die sich daraus ergebenden Funktionsunterschiede bestimmt. Die Familie A der GPCRs wird durch einige hoch konservierte Strukturmerkmale wie die E/DRY-Sequenz mit R3.50 in der dritten Transmembrandomäne (TM) oder die NPXXY-Sequenz am Ende der siebten TM charakterisiert. Publizierte Ergebnisse deuten darauf hin, dass bovines Rhodopsin durch eine Salzbrücke zwischen R3.50135 (TM3) und E6.30247 (TM6), auch „ionic lock“ genannt, im inaktiven Zustand gehalten wird. Der B2R ist einer der wenigen Peptid-GPCRs, der ein Glutamat an Position 6.30 (E6.30238) trägt, und eignete sich daher zur Untersuchung der Anwesenheit und Funktion eines möglichen „ionic lock“ auch in „nicht-Rhodopsin“-GPCRs. Für alle bisher entsprechend untersuchten GPCRs ist bekannt, dass R3.50 für eine effiziente G-Protein-Aktivierung unabdingbar ist (selbiges wurde in der vorliegenden Arbeit auch für den B2R bestätigt). Die funktionelle Analyse eines „ionic lock“ anhand einer R3.50 Mutation und G-Protein-abhängiger Kaskaden ist deshalb nicht möglich. Die Rolle eines „ionic lock“ im Hinblick auf G-Protein-unabhängige Mechanismen wie die Rezeptorinternalisierung, einem wichtigen Regulationsschritt für die meisten GPCRs, wurde bisher jedoch noch nicht untersucht. In der vorliegenden Arbeit wurde erstmals gezeigt, dass die Rezeptorendozytose durch Mutation von R3.50128 zu Alanin (R3.50128A), im Gegensatz zur G-Protein-Aktivierung, nicht zum Erliegen kommt. Die mutierten Rezeptorkonstrukte wiesen sogar ein konstitutives Internalisierungsverhalten auf. Dies verwies auf unterschiedliche Funktionen dieser Aminosäure bei der G-Protein-vermittelten Signaltransduktion und bei der Rezeptorinternalisierung. Ein Aufbrechen des möglichen „ionic lock“ durch Mutation von E6.30238 zu Alanin oder Arginin resultierte ebenfalls in konstitutiv internalisierenden Rezeptorkonstrukten. Im Gegensatz zur Endozytose zeigten diese Mutanten zwar keine konstitutive Signalübertragung, wurden aber auch durch prinzipiell als Antagonisten klassifizierte Verbindungen effizient aktiviert. Diese Ergebnisse legen einen mehrstufigen Aktivierungsprozess nahe, dessen Stufen sich durch verschiedene Rezeptorkonformationen mit unterschiedlichen Interaktionsmöglichkeiten für die G-Protein-Rekrutierung/Aktivierung oder mit der Internalisierungsmaschinerie [GPCR-Kinasen (GRKs), Arrestine] auszeichnen. Der wechselseitige Austausch der beiden hoch konservierten Aminosäuren R3.50128 und E6.30238 ermöglichte wahrscheinlich die Bildung eines inversen „ionic lock“, wodurch normales B2R-Verhalten wieder hergestellt wurde. Diese Arbeit zeigt somit erstmals, dass ein Aufbrechen eines möglichen „ionic lock“ in einem Peptidrezeptor unterschiedliche Auswirkungen für die Prozesse der G-Protein-Aktivierung und der Rezeptorendozytose haben kann. Dadurch wird die Annahme bestärkt, dass es bei einem GPCR mehrere aktive Konformationen geben kann, die unterschiedliche Affinitäten gegenüber regulatorischen Proteinen (GRKs, Arrestinen) oder Effektoren (G-Proteinen, Arrestinen) aufweisen und dadurch differenziert zelluläre Signale auslösen können. Die Aufklärung der unterschiedlichen Aktivierungsmechanismen von GPCRs in Kombination mit der Herstellung von Verbindungen z.B. sogenannten „small molecule compounds“, die bestimmte Rezeptorkonformationen mit ihren signalspezifischen Eigenschaften stabilisieren können, wäre möglicherweise für die Entwicklung von Agonisten oder Antagonisten, die nur ganz bestimmte Signalwege modulieren und so eine optimierte therapeutische Anwendung erlauben, hilfreich.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 06/19
Bradykinin – ein früher Entzündungsmediator – ist ein aktiver Metabolit des Kallikrein-Kinin Systems, der seine Funktion in erster Linie über den konstitutiv exprimierten Kinin B2 Rezeptor vermittelt. Sämtliche Komponenten dieses Systems sind im Gehirn nachgewiesen worden. Pharmakologische Studien mit Kinin B2 Rezeptor Antagonisten lassen vermuten, dass Bradykinin an der Entwicklung des sekundären Hirnschadens nach zerebraler Ischämie beteiligt ist. Ferner gibt es sehr starke Hinweise darauf, dass Bradykinin durch Öffnung der Blut-Hirn Schranke maßgeblich an der Entstehung des Hirnödems nach Ischämie beteiligt ist. Dennoch ist der zeitliche Verlauf der Produktion von Bradykinin und der Expression der Kinin Rezeptoren sowie die Rolle des Kinin B2 Rezeptors für die Entwicklung des Hirnschadens nach experimentellem Schlaganfall bisher nicht weiter beleuchtet worden. Aufgrund der sehr starken Hinweise auf eine pathophysiologische Relevanz des Kallikrein-Kinin Systems bei der zerebralen Ischämie, wollten wir dessen Beteiligung an der Entstehung des sekundären Hirnschadens nach transienter fokaler zerebraler Ischämie genauer untersuchen. Hierfür unterzogen wir Mäuse des Stammes C57/Bl6 einer 45minütigen Okklusion der A. cerebri media (MCA) mittels eines intraluminalen Fadens, was zu einem standardisierten ischämischen Infarkt im MCA-Versorgungsgebiet führte. Zunächst bestimmten wir die Konzentration an Bradykinin mit einem Radioimmunoassay, sowie die Expression der Kinin Rezeptoren auf mRNA- und Protein-Ebene mit Real-Time PCR bzw. Immunhistochemie zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach Ischämie. Nachdem wir die zeitlichen Verläufe der Produktion von Bradykinin und der Expression der Kinin Rezeptoren ermittelt hatten, interessierten wir uns besonders für die funktionelle Bedeutung des B2 Rezeptors, über den vermutlich die pathologischen Mechanismen in Gang gesetzt werden. Um dessen Bedeutung beurteilen zu können, ermittelten wir 24 Stunden nach Ischämie bei B2 Rezeptor knockout Mäusen (B2-/-) gravimetrisch durch Messung von Feucht- und Trockengewicht das Hirnödem, histomorphometrisch das Infarktvolumen, die motorische Funktion mit Hilfe eines Neuroscores und die Mortalität während der ersten Woche nach experimentellem Schlaganfall. Die B2-/- und C57/Bl6 Mäuse waren zuvor ausführlich hinsichtlich der für unsere Versuche relevanten Parameter charakterisiert und verglichen worden, wobei wir die C57/Bl6 Mäuse als geeignete Kontrollen evaluierten. Die Konzentration an Bradykinin im Hirngewebe war 12 Stunden nach Ischämie maximal angestiegen (3-fach), während die Hochregulation der mRNA der Kinin B1 und B2 Rezeptoren nach 24 Stunden ihr Maximum hatte (5-fach bzw. 17-fach). Die Immunhistochemie zeigte, dass die Kinin B1 und B2 Rezeptoren konstitutiv über das gesamte Mäusegehirn verteilt exprimiert wurden, bereits 2 Stunden nach Ischämie in Neuronen, die morphologische Zeichen ischämischer Schädigung zeigten, hochreguliert wurden und über 24 Stunden hochreguliert blieben. Bei der Untersuchung der funktionellen Bedeutung des Kinin B2 Rezeptors für die Entwicklung des sekundären Hirnschadens nach transienter fokaler zerebraler Ischämie zeigte sich, dass die B2 Rezeptor knockout Mäuse verglichen mit ihren wildtyp Kontrollen signifikant vor den Folgen der MCA-Okklusion geschützt waren. Sie hatten verglichen mit ihren Kontrollen eine bessere motorische Funktion (p
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 04/19
Der Zweck dieser Untersuchung war die Mediatorenfunktion des aktiven Peptids des Kallikrein- Kinin Systems Bradykinin bei der traumatischen Hirnschwellung als Grundlage einer spezifischen, besser wirksamen Therapie weiter abzuklären. Die Hemmung des Bradykinin B2- Rezeptors durch einen neuartigen Rezeptorantagonisten (LF 160687MS) erschien hiefür geeignet. Im Vergleich zu bisher verfügbaren Antagonisten hat LF 160687MS den Vorzug kein Peptid zu sein. Die Hemmung des Bradykinin B2- Rezeptors mit dieser Substanz wurde daraufhin geprüft, ob sie sich zur Behandlung oder Prävention des vasogenen Hirnödems beim akuten traumatischen Insult des Gehirns eignet. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Durch die kompetitive Bradykinin B2- Rezeptorblockade mit dem selektiven B2- Rezeptorantagonisten LF 160687MS wird das vasogene Hirnödem nach einer fokalen Kälteläsion des Gehirns signifikant abgeschwächt - wenn die Behandlung vor dem Trauma begonnen wird. Der Erfolg der Rezeptorblockade ist an der Abschwächung der Hemisphärenschwellung des Gehirns nach Insult (um ungefähr 1/3 gegenüber der bei unbehandelten Versuchstieren mit Trauma) erkennbar. Eine Abnahme der Hirnschwellung in dieser Größenordnung wäre bei Patienten mit schweren Schädel- Hirntrauma ein vielversprechender therapeutischer Fortschritt mit Chancen das Outcome bei einem geringeren neurologischen Defizit zu verbessern. Nach den eigenen Befunden sieht es allerdings so aus, dass die Hemmung der Kininwirkung durch B2- Rezeptorblockade sehr früh erfolgen muss, was mit einem erfolgreichen klinischen Einsatz kaum vereinbar erscheint. Davon unabhängig bestätigen die Ergebnisse das aktive Peptid des Kallikrein- Kininsystems Bradykinin als wichtigen Mediator des traumatischen Hirnödems, dessen pathopysiologische Wirkung durch B2- Rezeptoren vermittelt wird. Es erscheint deshalb sinnvoll, weitere Studien durchzuführen, um die bisher unwirksame Behandlung mit dem B2- Rezeptorblocker nach akuten Insulten des ZNS zu optimieren. Ansätze hierfür bieten eine Veränderung der Dosis als auch die Beantwortung nach dem Ausmaß des therapeutischen Fensters nach Insult. Abschließend kann festgestellt werden, dass die selektive Bradykinin B2- Rezeptorblockade ein kausales Therapiekonzept beim vasogenen Hirnödems nach einem akuten Insult darstellt und das Kallikrein- Kininsystem eine zentrale Rolle als Mediator für den traumatischen Sekundärschaden des Gehirns spielt.