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Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 07/19
Übergewicht hat in den letzten Jahrzehnten weltweit epidemischen Charakter erreicht. In Europa sind bereits 43% der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig und 17% fettleibig. Die Adipositas ist eine multifaktorielle Erkrankung und führt über ein erhöhtes Risiko für Diabetes, Krebs oder Herz-Kreislauferkrankungen bis hin zu einer deutlichen Herabsetzung der Lebenserwartung. Durch das Versagen konventioneller Therapien wie Diät oder Sport, treten medikamentöse Behandlungsmethoden immer mehr in den Vordergrund. Bisher sind zwei Kategorien etabliert, die Appetitzügler und die Lipasehemmer. Zahlreiche Studien erforschen neuerdings Therapiekonzepte zum Angriff an spezifischen Rezeptoren und Veränderungen des Fett- und Energiestoffwechsels auf molekularer Ebene. Diese Arbeit beschäftigte sich mit der Entwicklung neuer Arzneimittel zur Behandlung von Adipositas in verschiedenen Fettsuchtmodellen an Ratten. Alle Studien begannen mit Vorversuchszeiten von 1-2 Wochen zur Stabilisierung des täglichen Körpergewichtzuwachses, der Futter- und der Wasseraufnahme. Die Tiere erhielten in allen Versuchen eine zucker- und fettreiche Diät, deren Zusammensetzung sich an Ernährungsgewohnheiten in westlichen Industrieländern orientierte (Western Diet). Wasser wurde ad libitum bereitgestellt und die Aufnahme täglich bestimmt. Das gleich galt mit Ausnahme von Versuch 1 auch für das Futter. Am letzten Tag der Experimente erfolgten Blutabnahmen an den zuvor nüchtern gesetzten Ratten. Unmittelbar danach wurden die Tiere in einer CO2-Kammer getötet, die Kadaver einzeln in Gefrierbeutel verpackt und anschließend zusammen mit den Blutproben bis zur weiteren Aufarbeitung gruppenweise bei -20 °C eingefroren. Versuch 1: In Versuch 1 wurde an männlichen Wistarratten eine mögliche Wirkungsverstärkung des selektiven CB1-Antagonisten SLV319 in Kombination mit dem Lipasehemmer Orlistat (Xenical®), auf Körpergewichtsentwicklung, Futter- und Wasseraufnahme, Blutwerte und Zusammensetzung der Tierkörper untersucht. Die Tiere wurden über einen Zeitraum von 4 Wochen einmal täglich mit Vehikel 1 (CMC) oder SLV319 (3 oder 10 mg/kg KG) geschlündelt, und zweimal täglich mit Vehikel 2 (Labrasol) oder Orlistat 50 mg/kg KG. Jeweils nach Gabe von entweder Labrasol oder Orlistat erhielten die Ratten für genau 2,5 Stunden Futter ad libitum. Das Körpergewicht der Tiere war in allen Gruppen im Vergleich zur Kontrolle vermindert: Bei Einzelbehandlung mit SLV319-3 um 50%, mit SLV319-10 um 42% und mit Orlistat um 52%, bei der Kombination tendenziell aber nicht signifikant stärker durch SLV319-3+Orlistat um 76% und durch SLV319-10+Orlistat um 59%. Die Futteraufnahme in Relation zum Körpergewicht wurde im Vergleich zur Kontrolle durch die niedrige und die hohe SLV319-Dosis um 8 bzw. 10% vermindert und durch Orlistat um 18% erhöht. In der Kombination erhöhte sich Futteraufnahme ebenfalls um 11% bzw. 13%. Zusätzlich erniedrigte sowohl SLV319 als auch Orlistat die Triglyzeride, NEFA-Level, das freie Cholesterin, und hatte einen positiven Effekt auf die HDL-Werte im Serum. SLV319 erniedrigte die Insulinspiegel und verbesserte die Insulinsensitivität. In der Carcass-Analyse konnte in allen Gruppen der Körpergewichtsverlust überproportional auf eine Verminderung an Körperfett zurückgeführt werden. SLV319 hat somit ein mögliches Potenzial für die Therapie der Fettleibigkeit, die durch Kombination mit Orlistat noch verstärkt werden könnte. Versuch 2: Die vorliegende Studie erforscht die Auswirkungen von SLV335, einem neuen Carboanhydrasehemmer, auf Körpergewicht, Futter-, Wasseraufnahme und Blutwerte bei weiblichen Wistarratten im Vergleich zu Topiramat. Die Tiere wurden über einen Zeitraum von 4 Wochen zweimal täglich mit Vehikel, SLV335 oder Topiramat geschlündelt. Die Tagesdosen von jeweils 30, 60 oder 100 mg/kg KG wurden zu einem Drittel am Morgen und zu zwei Dritteln am Abend verabreicht. Sowohl SLV335 als auch Topiramat erniedrigten signifikant und dosisabhängig das Körpergewicht der Tiere im Vergleich zur Kontrolle: Bei den drei SLV335-Dosen um 18%, 52% und 85%, bei Topiramat um 38%, 40% und 58%. Auch die Futteraufnahme relativ zum Körpergewicht reduzierte sich, aber nur bei SLV335 um 9%, 15% und 23%, bei allen Topiramat-behandelten Ratten um 11-13%. Topiramat und SLV335 führten unabhängig von der Dosis zu einer Steigerung der Wasseraufnahme, die sich aber nur bei Topiramat signifikant von der Kontrolle unterschied. Weder Topiramat noch SLV335 zeigten signifikante Änderungen der Blutwerte, doch erniedrigten sie leicht die Triglyzeride und NEFA-Werte im Serum. Der CA-Inhibitor SLV335 hatte einen stark gewichtsreduzierenden Effekt. Somit könnte die Hemmung spezifischer Carboanhydrasen ein Mechanismus für Gewichtsverlust sein, und SLV335 ein therapeutisches Potenzial in der Behandlung der Adipositas besitzen. Versuch 3: In diesem Versuch wurden zwei CB1-Antagonisten, das bereits im Handel befindliche Rimonabant (Acomplia®) und die Prüfsubstanz SLV330 in ihren Wirkungen auf Köpergewicht, Futter-, Wasseraufnahme und die Blutwerte bei männlichen Wistarratten verglichen. Die Tiere wurden einmal täglich 2 Wochen lang entweder mit CMC-PEG-Vehikel oder mit 3 oder 10 mg/kg KG SLV330 bzw. Rimonabant i.p. gespritzt. Sowohl SLV330 als auch Rimonabant erniedrigten das Körpergewicht der Ratten im Vergleich zu Kontrolle: Bei der niedrigen und hohen Dosis von SLV330 um 25% und 70%, bei Rimonabant um 37 und 60%. Die Futter- und Wasseraufnahme wurde in allen Gruppen ebenfalls dosisabhängig erniedrigt. Beide Substanzen erniedrigten die Triglyzeride, NEFA und freies Cholesterin im Serum. Lediglich die hohe Rimonabantdosis erhöhte das HDL, verbesserte die Insulinsensitivität und erniedrigte die Insulinspiegel im Serum. Diese Ergebnisse zeigen, dass SLV330 durchaus Potenzial für die Therapie der Adipositas besitzt. Intraperitoneal verabreicht zeigt es vergleichbare Ergebnisse zu Rimonabant. Versuch 4: Die dosisabhängige Wirkung von Topiramat auf Körpergewicht, Futter-, Wasseraufnahme, Blutwerte und Zusammensetzung der Tierkörper wurde an männlichen Zucker-Ratten untersucht, die erstmals mit einer fettreichen „Western Diet“ gefüttert wurden. Die Tiere wurden zweimal täglich über einen Zeitraum von 4 Wochen entweder mit CMC-PEG-Vehikel oder Topiramat (30 oder 100 mg/kg KG) geschlündelt. Das Körpergewicht der Tiere verminderte sich je in der niedrigen und hohen Topiramatdosis im Vergleich zur Kontrolle um 10% bzw. 32%. Auch die Futteraufnahme wurde dosisabhängig unterdrückt. Die Wasseraufnahme steigerte sich dagegen bei der niedrigeren Dosis stärker als bei der hohen Dosis. Unabhängig von der Dosis erhöhte Topiramat im Serum die Triglyzeride, NEFA und LDL und wirkte sich negativ auf das HDL aus. Das gesamte und freie Cholesterin erhöhte sich, die Insulinsensitivität wurde nicht verändert. Die geringe Gewichtsreduktion nach der niedrigen Topiramatdosis konnte fast vollständig auf den Fettverlust zurückgeführt werden, wohingegen die hohe Dosis eine gleichmäßige nicht-spezifische Erniedrigung an Fett, Wasser und etwas weniger an Proteinen bewirkte. Die gewichtsreduzierenden Eigenschaften von Topiramat wurden bestätigt. Vor allem die niedrigere Dosierung von 30 mg/kg führt möglicherweise zu metabolischen Veränderungen, welche eine Verminderung des Körperfetts bewirken.
Tierärztliche Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/07
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen Überblick über biologische Rhythmen bei den Nutztieren Pferd, Rind, Schwein, Legehennen und Enten zu erstellen. Weiterhin soll dargestellt werden, inwieweit die dem Tier eigenen biologischen Rhythmen unter den derzeit üblichen Haltungsbedingungen ungestört ablaufen können, und welche Änderungen der Haltungs- und Managementbedingungen gegebenenfalls geeignet wären, den natürlichen Ablauf dieser Rhythmen zu fördern. Das Fortpflanzungsgeschehen zeigt bei allen im Rahmen dieser Literaturstudie berücksichtigten Tierarten einen circannualen Rhythmus, dessen primärer Zeitgeber die Photoperiode ist. Während der jährliche Rhythmus der Reproduktionsaktivität beim Pferd, bei der Legehenne und bei der Ente vielfach beschrieben wird, zählen das Rind und das Schwein allgemein zu den Tierarten mit ganzjährigem Reproduktionsgeschehen. Obwohl domestizierte Rinder und Schweine grundsätzlich die Möglichkeit zur ganzjährigen Fortpflanzung besitzen, deutet sich auch bei diesen Tierarten ein zugrunde liegender circannualer Rhythmus der Reproduktionsaktivität an. Das Wach-Schlafverhalten landwirtschaftlicher Nutztiere unterliegt dem Einfluss circadianer und ultradianer biologischer Rhythmen. Der Ablauf dieser Rhythmen ist dabei für jede Tierart charakteristisch. Die Photoperiode ist als wichtiger Zeitgeber für den Wach-Schlafrhythmus anzusprechen. Circadiane und ultradiane Rhythmen prägen die motorische Aktivität der Tierarten Pferd, Rind, Schwein, Legehennen und Enten, wobei auch hier der Verlauf der Rhythmen einem tierartspezifischen Muster folgt. Der gestörte Ablauf des biologischen Rhythmus der motorischen Aktivität, dessen primärer Zeitgeber die Photoperiode ist, wird in Zusammenhang mit dem Auftreten von Stereotypien gebracht. Die Futteraufnahme unterliegt einem tierartspezifischen circadianen Rhythmus, der neben der Photoperiode von der Verfügbarkeit und Beschaffenheit der Nahrung und von sozialen Kontakten beeinflusst wird. Daneben kann die Futteraufnahme selbst als Zeitgeber für den Ablauf anderer Rhythmen dienen. Das Sozial- und Komfortverhalten spielt bei den in größeren Gemeinschaften lebenden Nutztieren Pferd, Rind, Schwein, Legehennen und Enten eine wichtige Rolle. Der Einfluss circadianer Rhythmen deutet sich auch bei diesen Verhaltensweisen, die unter anderem für das Wohlbefinden der Tiere von Bedeutung sind, an. Der Verlauf der Körpertemperatur folgt beim landwirtschaftlichen Nutztier einem circadianen Rhythmus, der allerdings nicht bei allen Tierarten gleich stark ausgeprägt ist. Der Rhythmus der Körpertemperatur ist endogenen Ursprungs, wird jedoch durch andere Rhythmen, wie den Rhythmus der motorischen Aktivität, den Wach-Schlafrhythmus und den Futteraufnahmerhythmus, beeinflusst. Circannuale, circadiane und ultradiane Rhythmen prägen den Verlauf der Corticosteroidkonzentration. Die biologischen Rhythmen unterliegen dem Einfluss der Photoperiode, des Reproduktionsgeschehens und des Alters der Tiere. Der Verlauf des circadianen Rhythmus der Glucocorticoidsekretion kann möglicherweise zur Beurteilung der Haltungsumwelt, insbesondere zum Nachweis von chronischem Stress, herangezogen werden. Der Verlauf einer Reihe weiterer Hormone wird beim landwirtschaftlichen Nutztier durch endogene Steuerungsvorgänge beeinflusst. So unterliegen die Konzentrationen der Schilddrüsenhormone T3 und T4 und einiger Sexualhormone, sowie die Konzentration des Hormons Prolactin, endogenen Rhythmen. Die Funktion des Immunsystems folgt einem circannualen Rhythmus, dessen primärer Zeitgeber die Photoperiode ist. Daneben werden circannuale und circadiane Rhythmen hämatologischer und biochemischer Parameter beobachtet. Obwohl sich eine Vielzahl von Studien mit dem Verlauf bestimmter biologischer Rhythmen beim Nutztier beschäftigt, fehlen Studien unter kontrollierten und standardisierten Bedingungen zu chronobiologischen Fragestellungen beim Nutztier weitgehend. Die Durchführung von Untersuchungen zum Ablauf biologischer Rhythmen unter konstanten Umweltbedingungen, zum Einfluss verschiedener Zeitgeber auf diese Rhythmen und zu Veränderungen dieser biologischen Rhythmen unter den gegenwärtigen Haltungsbedingungen, könnte zur Verbesserung der Tierhaltung beitragen.
Tierärztliche Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/07
Schmerzmedikamente werden beim Rind nicht routinemäßig verabreicht, teils aus medizinischen Gründen, wie der Kontrolle der Belastung und der frühzeitigen Erkennung von Komplikationen, vor allem aber aus ökonomischen Gründen. Ziel der Untersuchung war es zu klären, inwieweit die zusätzliche peri-operative Gabe von Schmerzmitteln bei Kühen mit Klauenerkrankungen die Schmerzäußerungen, den Heilungsverlauf und die spätere Nutzung beeinflusst. Im Rahmen einer vergleichenden Doppelblindstudie wurden 36 laktierende Kühe der Rasse Deutsches Fleckvieh untersucht, dabei wurde die gängige Therapieform ohne Schmerzmittel mit der zusätzlichen Gabe eines Analgetikums verglichen. Auf der Suche nach objektivierbaren Verhaltenweisen der Tiere wurde eine Bewertungstabelle entwickelt. Das Schmerzausdrucksverhalten wurde durch 13 ethologische und einen physiologischen Parameter mit Hilfe von Handprotokollen in drei Beobachtungsintervallen pro Tag über einen sechstägigen Zeitraum quantifiziert. Als geeignete Verhaltensweisen, die sich unter Schmerzmitteleinfluss verändern, können besonders der „Mentale Status“ der Tiere, der Gesichtsausdruck mit Ohrenstellung und der Augenausdruck beurteilt werden. Auch die Belastung der erkrankten Gliedmaße im Stehen erwies sich als sehr hilfreich bei der Einschätzung des Schmerzempfindens der Kühe. Die Futteraufnahme und die Kopfhaltung der Tiere mit Schmerzmittel waren gegenüber den Tieren ohne Schmerzmittel deutlich verbessert. Auch Verhaltensauffälligkeiten und Lautäußerungen wurden bei den Tieren mit Schmerzmittel weniger häufig gemacht. Die Parameter Rückenlinie, Liegeverhalten sowie Sozialverhalten in Anbindehaltung und die Atemfrequenz waren dagegen sehr variabel und daher wenig aussagekräftig. Durch einen telemetrischen Halsbandrecorder wurden über Tagesmittelwerte die Bewegungsaktivitäten Fressen, Wiederkauen, Stehen und Ablegen erfasst. Dabei war der Verlauf der Verhaltensaktivitäten in beiden Therapiegruppen gleichsinnig und parallel, wobei der Aktivitätsmodus der Tiere mit Schmerzmitteltherapie vergleichsweise höher lag. Jedoch bestanden hierin keine signifikanten Unterschiede. Zur Differenzierung, inwieweit die Schmerzbelastung für die Tiere auch Stress bedeutete, wurden die Cortisolkonzentrationen in Milch und Blutserum radioimmunologisch bestimmt. Die Milchcortisolkonzentrationen im Morgen- und Abendgemelk boten eine Möglichkeit die Stressbelastung aufgrund der chronischen und akuten Schmerzen zu messen, sie erwiesen sich als nicht geeignet zwischen den Schmerzarten, akut und chronisch, zu differenzieren. Die Untersuchung zeigte, dass durch den operativen Eingriff mit der Beseitigung des schmerzhaften Prozesses allein das Wohlbefinden der Patienten gesteigert werden kann. Allerdings führt die Gabe eines Schmerzmittels in den ersten Tagen nach der Operation zu einer zusätzlichen Verbesserung des Allgemeinbefindens. Wie die Ergebnisse belegen, sind die frühzeitige Behandlung und die Anwendung eines Schmerzmittels zu empfehlen.