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Fakultät für Biologie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 02/06
Zusammenfassung In der vorliegenden Arbeit wurde die Phylogenie der kurzzungigen Bienengattung Andrena, sowie die der langzungigen Bienentribus Anthophorini unter besonderer Berücksichtigung der Gattung Habropoda untersucht. Mit ca. 1500 gültig beschriebenen Arten weltweit stellt die holarktische Bienengattung Andrena (Sandbienen) die größte Bienengattung überhaupt dar. Die Phylogenie dieser Gattung ist bislang nur unzureichend erforscht worden. So beschränkten sich frühere Untersuchungen nur auf einige wenige Untergattungen oder bestimmte regionale Vertreter von Andrena, aber berücksichtigten niemals die gesamte Gattung und all ihre verschiedenen Untergattungen. Im Rahmen dieser Untersuchung, welche 84 Vertreter der 99 gegenwärtig bekannten Andrena-Untergattungen einschließt, wurde eine kladistische Analyse, basierend auf 162 morphologischen Merkmalen durchgeführt. Eine mögliche Merkmalsentwicklung im Hinblick auf die verwendete Polarität wurde diskutiert. Insgesamt wurden 107 Taxa kodiert, von denen fünf je einen Verterter aller anderen Gattungen der Unterfamilie Andreninae representierten. Aufgrund der ebenfalls ungeklärten Verwandschaftsverhältnisse innerhalb der Andreninae wurde ein hypothetischer Vorfahre als Außengruppe verwendet. Eine heuristische Analyse ohne Merkmalsgewichtung ergab insgesamt sechs maximal sparsame Kladogramme (MPTs) mit einer Länge von 1875 Schritten. Das strikte Konsensus-Kladogramm dieser sechs Bäume ließ sieben Großgruppen innerhalb der Gattung Andrena erkennen. Die Monophylie von Andrena wurde durch fünf, nicht-homoplastische Synapomorphien begründet. Cubiandrena stellte sich als nicht zu Andrena gehörig heraus und wird als eigene Gattung betrachtet. Eine zweite Analyse unter Verwendung iterativer Mermalsgewichtung (a posteriori Gewichtung) resultierte in einem einzigen Kladogramm. Dieses stimmte in einigen Teilen mit den Ergebnissen der ungewichteten Analyse überein, zeigte aber auch deutliche Unterschiede zu diesen. In beiden Analysen wurden 14 Gruppen festgestellt, die die gleichen Taxa zusammenfassten, elf davon wiesen eine identische Baumtopologie auf. In beiden Analysen erwies sich Andrena als die am stärksten abgeleitete Gattung innerhalb der Andreninae, während Euherbstia den ursprünglichsten Vertreter darstellte. Die holarktisch verbreiteten Untergattungen Larandrena, Micrandrena und Ptilandrena erwiesen sich sowohl in der ungewichteten als auch in der gewichteten Anlyse als polyphyletische Taxa. Amerika wird als Ursprungsort der Andreninae angesehen, während die Gattung Andrena, wahrscheinlich altweltlichen Ursprungs (Mittelmeergebiet oder Zentralasien) ist, da die meisten ursprünglichen Untergattungen eine ausschließlich paläarktische Verbreitung aufweisen. Während sich die holarktische Verbreitung von Andrena wahrscheinlich auf Ausbreitungsvorgänge am Ende der Kreidezeit und im frühen Tertiär zurückführen läßt, scheint die Entstehung rein nearktischer und paläarktischer Untergattungen auf Vikarianzereignissen, verursacht durch die beginnende Ausdehnung des Atlantiks und die damit einhergehende Trennung der nordamerikanischen und europäischen Landmassen seit dem mittleren Eozän, zu beruhen. Die vorliegende Studie beinhaltet außerdem eine molekulare Analyse eines 758 basenpaarlangen DNA Abschnittes der mitochondrialen Cytochrom Oxidase I für 27 zentraleuropäische Andrena-Arten. Die untersuchten Arten repräsentieren 21 verschiedene Untergattungen, sowie sieben Vertereter der Untergattung Micrandrena. Als Außengruppe wurde Panurgus verwendet. Die Parsimonie-Analyse der ungewichteten COI-Daten ergab ein einzelnes MPT mit einer Länge von 1724 Schritten, in welchem fünf Großgruppen unterschieden wurden. Die Untergattung Micrandrena, welche einen Schwerpunkt der Analyse bildete, erwies sich als eindeutig polyphyletisch. Folgende Taxa der Gattung Andrena wurden als neu für die Wissenschaft beschrieben: Calcarandrena subgen. n., Hamandrena subgen. n., Platygalandrena subgen. n.; A. (Carandrena) planti sp. n., A. (Euandrena) yangi sp. n., A. (Habromelissa) nantouensis sp. n., A. (Larandrena) susanneae sp. n., A. (Leucandrena) cheni sp. n., A. (Micrandrena) taiwanensis Dubitzky 2002, A. (Pallandrena) christineae sp. n., A. (Pallandrena) scheuchli sp. n., A. (Simandrena) heinzi sp. n. and A. lehmanni Schönitzer & Dubitzky 2002. Die folgenden zwei Taxa wurden in den Status einer Art erhoben: A. eburnea Warncke, 1975 stat. n. and A. impasta Warncke, 1975 stat. n. Die folgende Untergattung wurde zur Gattung erhoben: Cubiandrena Warncke, 1968 stat. n. Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde die Phylogenie der Anthophorini untersucht. Die Anthophorini stellen eine der größten Triben von mittelgroßen bis großen, nestbauenden Bienen der Unterfamilie Apinae dar, und umfassen etwa 710 Arten aus sieben Gattungen. Die kladistische Analyse der Anthophorini basierte auf 51 morphologischen Merkmalen und umfasste 26 Innengruppen-Taxa, welche alle bekannten Gattungen und die wichtigsten Untergattungen der Tribus repräsentierten. Als Außengruppe wurde Centris verwendet. Die Analyse resultierte in zwei MPTs mit einer Länge von 132 Schritten. Die folgende Baumtopologie auf Gattungsebene konnte festgestellt werden: ((Habrophorula, Elaphropoda) (Habropoda (Deltoptila (Pachymelus (Amegilla, Anthophora))))). Eine zweite, von manchen Autoren vertretene Tribus, die Habropodini, konnte nicht bestätigt werden, da diese ein paraphyletisches Taxon bildet. Die Monophylie der Anthophorini sowie all ihrer Gattungen wurde bestätigt. Basierend auf den Ergebnissen der kladistischen Analyse und den biogeographischen Daten der Anthophorini wurde eine mögliche Hypothese zur Evolution der Anthophorini entwickelt. Demnach entwickelten sich alle Anthophorini-Gattungen, abgesehen von Anthophora und Amegilla, die frühestens im Oligozän entstanden sein dürften, wahrscheinlich bereits in der späten Kreidezeit. Der nordliche Teil Südostasiens (Indien bis Südost China) kann als wahrscheinlichster Ursprungsort und als Radiationszentrum der Anthophorini angesehen werden, da in dieser Region die meisten Gattungen sowie die ursprünglichsten Vertreter dieser Tribus vorkommen. Amerika wurde wahrscheinlich dreimal unabhängig von Vertretern der Anthophorini besiedelt: Von Habropoda (Obere Kreide bis Tertiär), von einem Deltoptila-ähnlichen Vorfahren (Obere Kreide bis Tertiär) und von Anthophora (Tertiär bis Quartär). Die rezente Verbreitung von Deltoptila und Pachymelus impliziert, daß die Evolution dieser Gattungen höchstwahrscheinlich auf Vikarianzereignisse zurückzuführen ist, während die Verbreitung aller anderen Gattungen auf einfachen verbreitungsdynamischen Prozessen wie Ausbreitung (Habropoda, Anthophora, Amegilla) oder Isolation (Elaphropoda, Habrophorula) aufgrund ökologischer oder abiotischer (klimatischer) Faktoren beruhen dürfte. Darüber hinaus wurde die Phylogenie der Gattung Habropoda, welche weltweit etwa 60 Arten umfasst, näher untersucht. Eine durchgeführte kladistische Analyse 25 paläarktischer und orientalischer Habropoda-Arten, welche alle wichtigen altweltlichen Gruppen dieser Gattung repräsentieren, basierte auf 41 morphologischen Merkmalen und ergab 3 MPTs mit einer Länge von 96 Schritten. Basierend auf dem Konsensus-Baum ergab sich folgende Baumtopologie auf Untergattungsebene: (Fulvohabropoda ((Oculhabropoda, Phyllohabropoda) (Zonhabropoda, Habropoda s. str.))). Wahrscheinlich entwickelten sich die Hauptlinien von Habropoda bereits in der Oberen Kreide im nördlichen Teil Südostasiens. Die beginnende Auffaltung des Himalayas im Eozän hat dann möglicherweise eine Trennung der Gattung in eine paläarktische (Habropoda s. str., Zonhabropoda) und eine orientalische (alle anderen Untergattungen sowie isoliert stehende Arten) Entwicklungslinie bewirkt und wahrscheinlich eine verstärkte Radiation innerhalb der Untergattung Fulvohabropoda ausgelöst. Das Vorkommen von Zonhabropoda in Ostasien scheint sekundär zu sein und ist höchstwahrscheinlich auf jüngere Ausbreitungsprozesse entlang der asiatischen Steppen nordlich des Himalayas zurückzuführen. Während der Isolation entstandene klimatische Anpassungen verhinderten möglicherweise die Ausbreitung von Zonhabropoda in Richtung Südostasien. Im Rahmen einer Revision der taiwanesischen Habropoda-Arten und ihrer parasitoiden Kuckucksbienen aus der Gattung Tetralonioidella wurde außerdem die Koevolution zwischen den Vertretern dieser beiden Bienengattungen anhand ihrer jahreszeitlichen und höhenabhängigen Verbreitungsmuster untersucht. Die folgenden Taxa aus den Gattungen Habropoda und Tetralonioidella wurden als neu für die Wissenschaft beschrieben: Fulvohabropoda subgen. n., Oculhabropoda subgen. n., Phyllohabropoda subgen. n., Zonhabropoda subgen. n.; Habropoda (Phyllohabropoda) christineae sp. n., Habropoda (Phyllohabropoda) sinensis taiwana ssp. n. and Tetralonioidella heinzi sp. n.. Tetralonioidella himalayana formosana stat. n. wurde in den Rang einer Unterart gestuft und für Habropoda tainanicola tainanicola Strand, 1913 wurde ein Lectotypus designiert.
Fakultät für Biologie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/06
Die Pflanzenzelle enthält ein integriertes, kompartimentiertes genetisches System, mit den Subgenomen im Zellkern, in den Mitochondrien und den Plastiden, das aus Endocytobioseereignissen mit prokaryotischen Zellen hervorgegangen ist. Im Laufe der Evolution der eukaryotischen Zelle wurden die genetischen Potentiale der symbiontischen Partnerzellen vermischt. Dabei ging ein Teil genetischer Information verloren, ein anderer wurde aus den Organellen in den Kern transferiert, und außerdem wurde neue Information hinzugewonnen. Dies ging einher mit der Einbettung von Mitochondrien und Plastiden in die Signaltransduktionsketten und Regelkreise der Wirtszelle. Heute interagieren die Subgenome auf vielen Ebenen; ihre Expression wird in der Pflanzenzelle koordiniert in Raum, Zeit und Quantität reguliert. Die Interdependenz der Subgenome hatte ihre Koevolution zur Folge, so daß die genetischen Kompartimente der Zelle nicht mehr ohne weiteres zwischen Arten ausgetauscht werden können. Kombinationen von artfremden Organellen können zu Entwicklungsstörungen führen, wie sie sowohl von "kompartimentellen" (Genom/Plastom-) Hybriden als auch von Cybriden beschrieben worden sind (Bastardbleichheit, Bastardscheckung). In dieser Arbeit wurden reziproke Cybriden der Arten Atropa belladonna und Nicotiana tabacum auf molekulare Determinanten von Genom/Plastom-Inkompatibilität untersucht. Die Cybriden sind je nach Kombination elterlicher Organellen entweder albinotisch [Kern von Atropa, Plastide vom Tabak; Ab(Nt)-Cybride] oder gleichen dem Wildtyp [Kern von Tabak; Plastide von Atropa, Nt(Ab)-Cybride]. 1. Als Voraussetzung für einen Sequenzvergleich der plastidären Chromosomen beider Solanaceen-Arten wurde das Plastidenchromosom von Atropa komplett sequenziert. Der Vergleich der (Atropa)-Sequenz mit der bekannten des Chromosoms aus dem Tabak und anschließende molekularbiologische Untersuchungen führten zur Identifizierung von zwei potenziellen Ursachen für die Defekte im albinotischen Material. 2. Die Ab(Nt)-Cybride zeigt eine gestörte Akkumulation von Transkripten für eine Reihe von Operonen. Das resultierende aberrante Transkriptmuster ähnelte verblüffend dem von Tabakpflanzen mit Defizienz der plastidenkodierten RNA-Polymerase (PEP). Möglicherweise ist in der Cybride die Interaktion des PEP-Apoenzyms mit einem oder mehreren der kernkodierten Sigmafaktoren gestört. Tatsächlich unterscheiden sich die für eine Untereinheit der PEP kodierenden (plastidären) rpoC2-Gene von Tabak und Atropa durch eine Insertion/Deletion an einer Stelle im Molekül, die mit Sigmafaktoren interagieren kann. Transformation der Plastiden der Ab(Nt)-Cybride mit dem rpoC2-Gen aus Tabak führte in der Tat zu einer partiellen Reversion zum WT und macht Transkriptionsdefekte als eines von offenbar mehreren Determinanten für die Genom/Plastom-Inkompatibilität in Artbastarden wahrscheinlich. 3. Neben der Transkription ist im albinotischen Material auch die RNA-Edierung gestört. Die plastidären Editotypen beider Solanaceen ähneln einander, doch gibt es für beide Arten spezifische Edierungsstellen. Von den fünf tabakspezifischen Stellen in der Ab(Nt)-Cybride werden vier nicht ediert. Offensichtlich besitzt der Atropa-Kern nicht die notwendigen Kernfaktoren zur Prozessierung dieser Stellen. Da Edierung generell hochkonservierte und funktionell wichtige Aminosäurepositionen betrifft, trägt der Ausfall der Edierung sehr wahrscheinlich ebenfalls zum beobachteten Defekt in der Plastidenentwicklung bei. 4. Auf der anderen Seite werden die Stellen der grünen Nt(Ab)-Cybride, bemerkenswerterweise auch Atropa-spezifische, heterolog vom Tabakkern ediert. Der erstmalige Befund von heterologem Edieren stellte sich als Folge der Allotetraploidie von Tabak heraus. Untersuchungen dieser Stellen in den diploiden Eltern des allotetraploiden Tabaks, N. tomentosiformis als Nachkomme des Vaters und N. sylvestris als Nachkomme der Mutter, zeigten, daß der Tabak die Fähigkeit zur heterologen Edierung von Atropa-spezifischen Stellen wohl vom Vater ererbt hat. Dies wurde auch durch einen transplastomischen Ansatz bestätigt. In diesen Experimenten wurde die intronnahe ndhA-Edierungsstelle aus Spinat, die es auch in N. tomentosiformis gibt, nicht aber in N. sylvestris, in Tabak über ballistische Transformation eingebracht. 5. Über Konstruktionen, die entweder der gespleißen oder ungespleißten ndhA-mRNA inklusive der Edierungsstelle entsprachen, konnte gezeigt werden, daß die Edierung an dieser Stelle immer erst nach dem Spleißen erfolgt. Dies ist der erste Nachweis einer strikten kinetischen Verknüpfung von RNA-Edierung mit einem anderen mRNA-Reifungsschritt in Plastiden. Er zeigt an, daß das ndhA-Intron phylogenetisch älter als die ndhA-Edierungsstelle ist. Mechanistische Implikationen dieses Befundes werden diskutiert.
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Salmonellosen gehören weltweit zu den drei häufigsten registrierten, lebensmittelbedingten bakteriellen Darmerkrankungen. Dabei sind bestimmte S. enterica-Subspezies-I-Serovare an einen speziellen Wirt adaptiert, andere Serovare zeigen hingegen ein breites Wirtsspektrum. Der Krankheitsverlauf einer Salmonellose wird aber auch von der Spezies des infizierten Wir- tes bestimmt. Je nach infiziertem Wirt können beispielsweise milde bis akute Enterocolitis, aber auch schwere systemische Infektionen beobachtet werden. Um sich im Laufe ihrer Evolution optimal an ihre Wirte anzupassen, haben Salmonella spp. nach der Abspaltung vom kommensalen E. coli schrittweise neue Virulenzeigenschaften er- worben. Dies geschah vor allem über horizontalen Gentransfer (Ochman und Moran, 2001). Im ersten Schritt wurde die Salmonella-Pathogenitätsinsel 1 (SPI1), später SPI2 erworben. Beide Inseln kodieren jeweils einen Typ-III-Translokationsapparat und dazu gehörende trans- lozierte Effektorproteine, welche die Wirtszellreaktionen zum Vorteil des Pathogens modulie- ren. Die Inseln sind zu unterschiedlichen Phasen der Salmonellosen aktiv. Das für die Wirts- zellinvasion verantwortliche Typ-III-Translokationssystem von SPI1 kann auch Effektoren in die Wirtszellen schleusen, die außerhalb der SPI1 kodiert sind. Der in SPI1 kodierte Translo- kationsapparat ist in Salmonella spp. hoch konserviert (Li et al., 1995). In der vorliegenden Arbeit wurde die Rolle der translozierten Effektorproteine bei der Evolu- tion von Salmonella spp. hin zu tierpathogenen Erregern untersucht. Es konnte gezeigt wer- den, daß die meisten SPI1-abhängig translozierten Effektoren (SipA, SipB, SipC, SptP, SopB, SopD und SopE2), ob innerhalb oder außerhalb von SPI1 kodiert, ebenfalls hoch konserviert vorliegen. Phylogenetische Analysen zeigten, daß diese konservierten Effektoren früh in der Salmonella-Entwicklung, nämlich zwischen 50 und 160 Millionen Jahren (im Zeitrahmen der SPI1-Aufnahme), akquiriert wurden. So handelt es sich hierbei um Faktoren mit einer basalen bzw. zentralen Virulenzfunktion, die Salmonella spp. von kommensalen Escherichia spp. unterscheiden. Es konnte gezeigt, daß die konservierten Effektorproteine SopE2 und SopB maßgeblich an der Wirtszellinvasion beteiligt sind (Mirold et al., 2001). Diese Invasion-vermittelnden Effek- toren sind weit entfernt von SPI1, in separaten chromosomalen Loci, kodiert. Diese Beobach- tung steht in gewissem Widerspruch zur klassischen Definition der Pathogenitätsinsel. Die invasionsrelevanten Effektoren SopB und SopE2 bilden zusammen mit dem SPI1- Translokationsapparat eine funktionelle Einheit (ein sogenanntes „Invasionsvirulon“), obwohl sie nicht -wie für Pathogenitätsinseln postuliert- auf demselben chromosomalen Element ko- diert sind. Zusammen mit den phylogenetischen Daten aus dieser Arbeit, deuten diese Ergeb- nisse daraufhin, daß der letzte gemeinsame Vorfahre aller heutigen Salmonella spp. bereits sämtliche für die Wirtszellinvasion benötigten Effektorproteine kodierte und daß die Modula- tion der Signaltransduktionswege in der Wirtszelle in S. bongori und in sämtlichen S. enteri- ca-Subspezies konserviert sind. Es wird vielmehr ein Translokationsmodul durch die SPI1 bereitgestellt, durch das sowohl konservierte als auch variabel vorkommende Effektorproteine in die Wirtszelle geschleust werden können. Es konnten jedoch auch Variationen festgestellt werden. Die beiden für die Effektorproteine SopE- und AvrA-kodierenden Gene sind variabel in der Salmonella-Population verteilt. AvrA ist am Rande der SPI1 kodiert und es wird vermutet, daß es nicht zum Kern der SPI1 gehört. Das variable SopE ist bei Zentisom 60 des Salmonella-Chromosoms, abgetrennt von SPI1 (Zentisom 63), kodiert. Das variable Effektorprotein SopE und wahrscheinlich auch AvrA tragen vermutlich als „Adaptationsproteine“ zur Feinmodulation der Wechselwirkung mit dem Wirt bei. Vermutlich existieren noch wesentlich mehr variable Effektorproteine, die zu dieser Feinanpassung beitragen. In dieser Arbeit wurde weiterhin der horizontale Transfer von sopE detailliert untersucht. SopE ist in Typhimurium auf SopEΦ, einem Bakteriophagen der P2-Familie, kodiert. SopE ist das erste Effektorproteingen, bei dem die horizontale Übertragung über den Mechanismus der lysogenen Konversion nachgewiesen werden konnte. Bisher war bei Salmonella spp. nur der Phagen-vermittelte horizontale Transfer durch Transduktion bekannt. Die spezifische Integra- tionsstelle von SopEΦ in das Salmonella-Chromosom wurde näher charakterisiert. Es konnte gezeigt werden, daß SopEФ in der attL-Region eines bereits integrierten kryptischen Propha- gen (CP4-57) integriert ist, der seinerseits in ssrA, dem Gen für die kleine stabile tmRNS, integriert ist. Epidemiologische Untersuchungen wiesen zudem darauf hin, daß der Erwerb des sopE-Gens durch lysogene Konversion mit SopEФ einen selektiven Vorteil gegenüber sopE-negativen Typhimurium-Stämmen darstellen. SopE-tragende S. enterica-Subspezies-I-Serovar Typhi- murium-Stämme lösten in den siebziger und achtziger Jahren verstärkt Epidemien aus. Darü- berhinaus konnte gezeigt werden, daß SopEФ-Lysogene eine gesteigerte Virulenz aufweisen. Dies wurde sowohl in Zellkulturversuchen (diese Arbeit) als auch in Rinderinfektionsversu- chen (Zhang, zur Publikation eingereicht) experimentell nachgewiesen. Schließlich wurde in dieser Arbeit auf die Koevolution von Salmonella spp. und Virulenzfak- tor-tragenden Bakteriophagen untersucht. Es wurde festgestellt, daß die genetischen Mecha- nismen, welche den Modulaustausch zwischen Bakteriophagen vermitteln, auch dazu führen, die Flexibilität der Salmonella spp. bezüglich der Wirtsanpassung zu steigern. Dieser Mecha- nismus stellt möglicherweise für die Bakterien und damit auch für die assoziierten Bakteri- ophagen einen Selektionsvorteil dar. Es wurde beobachtet, daß der Virulenzfaktor SopE in einigen Serovaren der S. enterica-Subspezies-I nicht auf einem P2-ähnlichen sondern auf ei- nem lambdoiden Bakteriophagen kodiert ist. Es konnte demzufolge zum ersten Mal beobach- tet werden, daß ein Virulenz-vermittelndes Effektorproteingen in dem Genom zweier ver- schiedener Phagenfamilien kodiert ist und durch diese Phagen möglicherweise horizontal transferiert werden kann. Die ermittelten DNS-Sequenzen um sopE lassen vermuten, daß eine konservierte sopE-tragende Kassette (oder „Moron“) durch homologe Rekombination zwi- schen den zwei verschiedenen Bakteriophagenfamilien (P2- und lambdoid) transferiert wor- den ist. Diese Art des Transfers von Virulenzgen-Modulen zwischen verschiedenen Phagen- Familien erlaubt die flexible Neukombination von Phagen-kodierten Effektorproteinen. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß variabel vorkommende translozierte Effektorpro- teine die Pathogen-Wirt-Beziehung optimieren können. Neukombinationen dieser Effektoren können über horizontalen Transfer hergestellt werden und somit die optimale Anpassung an die jeweiligen Wirte gewährleisten. Dabei spielt der horizontale Transfer von Virulenzgenen über konvertierende Bakteriophagen eine wesentliche Rolle. Günstige Kombinationen von variablen Effektorproteinen sind wahrscheinlich entscheidend an der Entstehung neuer Epi- demiestämme beteiligt. Die effizienten horizontalen Transfermechanismen zwischen ver- schiedenen Salmonella spp. als auch zwischen verschiedenen Phagenfamilien tragen so dazu bei, daß Salmonella spp. ein äußerst breites Spektrum von Wirten infizieren können und daß neue Epidemieklone mit höherer Frequenz entstehen können.