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Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 04/19
Das Akustikusneurinom ist mit ca. 6% der häufigste intrakranielle Tumor und hat eine jährliche Inzidenz von 1:100000. Die durchschnittliche Wachstumsrate beträgt 2 mm pro Jahr, wobei es auch Akustikusneurinome gibt, die sehr viel schneller wachsen können. Bei der Behandlung des Schwannoms stehen uns zwei Modalitäten zur Verfügung. Die konventionelle Chirurgie und die stereotaktische Radiochirurgie, zu der die Gamma-Knife Therapie und der Linearbeschleuniger zählen. Sorgfältig ausgesuchte Patienten können unter regelmäßiger Kontrolle beobachtet werden, das sogenannte „watch and wait“. Im Falle einer Größenprogredienz wäre eine der o.g. Therapiemodalitäten indiziert. Unter stereotaktischer Radiochirurgie versteht man die hochpräzise und punktförmig geführte Strahlenbehandlung mit einer sehr hohen Einzeldosis auf einen bestimmten Punkt, das Isozentrum. Aufgrund der speziellen und hochpräzisen Strahlenführung ist das Risiko der Verletzung gesunder Strukturen trotz Anwendung hoher Strahlendosen gering. Im Gegensatz zur Operation, bei der das Tumorgewebe entfernt wird, wird in der Strahlenchirurgie dosisabhängig Tumorgewebe inaktiviert, nekrotisiert bzw. durch Induktion charakteristischer, molekularer Prozesse, wie z. B. Apoptose eine Inaktivierung bzw. funktionelle Ausschaltung des Tumors erzielt. Als limitierender Faktor gilt ein maximaler Tumordurchmesser von 4 cm. Von 1994 bis 2000 wurden 182 Patienten im Gamma-Knife Zentrum München stereotaktisch behandelt. Das Follow-up endete im Juni 2004. 123 Patienten mit einem einseitigen Akustikusneurinom wurden primär stereotaktisch behandelt (Gruppe A). 59 Patienten waren primär mikrochirurgisch vorbehandelt und erhielten im Verlauf aufgrund eines Rezidives oder aufgrund anderer chirurgischer Umstände eine Gamma-Knife Bestrahlung (Gruppe B). Ziel dieser Arbeit war der Vergleich des Gehörs, der Fazialisfunktion, der Beeinträchtigung des N. trigeminus und des Auftretens von Tinnitus und Schwindel vor und nach einer Gamma-Knife Behandlung und die Auswertung des Verfahrens hinsichtlich der allgemeinen Behandlungsparameter. Patienten mit einer Neurofibromatose Typ II wurden nicht mit in die Auswertung einbezogen. Die Analyse ergab für die Gruppe A, dass sich bei 68,3% der Patienten das Gehör im Hauptsprachbereich durchschnittlich um 6 dBHL verschlechtert hatte. Bei 15 Patienten (23,8%) lag der Hörverlust über 20 dBHL. Patienten mit einem kleinen und intrameatal gelegenen AKN wiesen den größten Hörverlust auf. Bei keinem der Patienten hatte sich die Fazialisfunktion, ermittelt über die House-Brackmann Einteilung, verschlechtert. Sieben Patienten (5,8%) berichteten nach der Gamma-Knife Behandlung über ein neuaufgetretenes Trigeminusreizsymptom. Je größer der Tumor, umso wahrscheinlicher war eine Beteiligung des Nervus trigeminus. 4,2% der untersuchten Personen entwickelten einen Tinnitus nach der Bestrahlung. In 13,3% der Fälle trat ein Schwindel erstmalig nach der Behandlung auf, wobei das Alter der Patienten als Prädispositionsfaktor anzusehen war. Für die Gruppe B ergab die Analyse, dass sowohl im Tiefton-, als auch im Breitbandbereich der größte Hörverlust mit 20 dBHL bzw. 23 dBHL bei den intrameatal gelegenen Akustikusneurinomen lag. Bei zwei Patienten ist nach der Gamma-Knife Therapie eine Einschränkung des Nervus trigeminus beschrieben. Die Größe des Tumors, die Maximaldosis und die Anzahl der Zielpunkte bei diesen beiden Patienten lagen jeweils über dem Median der Gesamtgruppe. Nur bei einer Patienten ist nach der Bestrahlung das Symptom Schwindel neu aufgetreten. Die Funktion des Nervus fazialis hatte sich bei drei Patienten jeweils um eine Stufe nach House Brackmann verschlechtert. Die Operation ist gegenüber der Radiochirurgie wirksamer, da sie unabhängig von der Tumorgröße eingesetzt werden kann, wobei jedoch ein höheres Behandlungsrisiko akzeptiert werden muss. Die Radiochirurgie hat bei kleinen Akustikusneurinomen den Vorteil eines ambulanten, nicht invasiven Verfahrens, bei dem das Risiko von Fazialisparesen und Trigeminusreizsymptomen sehr gering ist. Betrachtet man den ökonomischen Aspekt, so ergeben sich für die Radiochirurgie deutlich niedrigere Kosten und eine schnellere Rückführung in das Berufsleben, als bei der Mikrochirurgie. Die Radiochirurgie bietet ebenso wie die Operation eine Chance, die Hörfähigkeit zu erhalten.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/19
Das Sevesogift 2,3,7,8-Tetrachlorodibenzo-p-dioxin, TCDD, ist das stärkste bisher vom Menschen in die Umwelt gebrachte Gift. Ein großer Anteil seiner toxischen Wirkungen wird auf das hohe Induktionspotential für fremdstoffmetabolisierende Enzyme zurückgeführt. Ziel dieser Arbeit war die Untersuchung der Auswirkung einer nicht letalen TCDD-Belastung auf den Arzneistoffwechsel im Modellversuch an Ratten. Als Pharmakon wurde das gut untersuchte und seit langer Zeit klinisch genutzte Imipramin gewählt. In allen Versuchen wurden die Ratten 48 Stunden vor Untersuchung des Imipraminstoffwechsels mit einer Einzeldosis von 5 µg TCDD/kg Körpergewicht vorbehandelt. Der Imipraminstoffwechsel wurde entweder in vivo durch Bestimmung der Kinetik von Imipramin und seines primären Hauptmetaboliten Desipramin im Plasma der Ratten ermittelt oder in vitro durch Messung des Umsatzes in den Lebermikrosomen bestimmt. Dabei wurden die Konzentrationen von Imipramin und seinen Metaboliten mit einer etablierten HPLC-Methode gemessen. Die Applikation von TCDD und Imipramin in vivo erfolgte bei den Ratten entweder über einen implantierten Duodenal- bzw. Jejunalkatheter oder durch intragastrale Verabreichung mit einer Schlundsonde. Mehrfache Blutproben von Einzeltieren wurden über einen implantierten Carotiskatheter oder aus dem Retroorbitalsinus gewonnen. Der induzierende Effekt der TCDD-Behandlung wurde in den Rattenlebermikrosomen anhand der Deethylierung von Ethoxyresorufin zu Resorufin überprüft. Der Umsatz dieses Substrates der Cytochrom P450-Isoenzyme 1A1 und 1A2 wurde durch die TCDD-Behandlung dreifach gegenüber den Kontrollen erhöht. Dagegen wurde der Abbau von Imipramin durch TCDD weder in den Mikrosomen in vitro, noch bei den Ratten in vivo stimuliert. Im ersten in vivo Versuch mit intraduodenaler Applikation erhöhte TCDD entgegen der Erwartung die Plasmakonzentrationen von Imipramin und Desipramin im Versuchszeitraum von 5 Stunden hoch signifikant um mehr als das Dreifache gegenüber den Kontrollen. Diese Steigerung der Bioverfügbarkeit konnte in weiteren Versuchen mit langsamerer Anflutung nach intragastraler Applikation von Imipramin nicht und auch nach intraajejunaler Gabe nur teilweise reproduziert werden. Die vorliegenden Versuche erlauben keinen Rückschluß auf den Wirkungsmechanismus des paradoxen TCDD-Effekts bei intraduodenaler Imipraminverabreichung. Angesichts der im Vergleich zum Tierversuch wesentlich geringeren TCDD-Belastung ist beim Menschen mit einem solchen Effekt auf den Arzneistoffwechsel jedoch nicht zu rechnen.
Fakultät für Biologie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/06
Die vorliegende Arbeit beschäftigte sich mit verschiedenartigen Aspekten zum Thema Opiatentzug. Dabei wurde die Funktionalität µ-Opioidrezeptor-gekoppelter G-Proteine in der intrazellulären Signaltransduktionskaskade im Entzug und unter chronischer Opiatverabreichung untersucht. Als Ergebnis dieser Studie, die mittels einer in situ [S35]-GTPγSAutoradiographie durchgeführt wurde, konnte die Erkenntnis bestätigt werden, nach der eine Adaption auf extern zugeführte Opioide nicht auf einer Veränderung von Rezeptoren oder deren Interaktion mit G-Proteinen beruht (Kapitel 2). Vielmehr scheinen intrazelluläre, durch Genexpression gesteuerte Mechanismen für eine erfolgreiche Adaption an veränderte Umweltbedingungen ausschlaggebend zu sein. Hierbei spielt eine veränderte Transkription von CREB und somit in Folge eine erhöhte Transkription der Adenylatcyclase eine tragende Rolle. Eine weitere Studie beschäftigte sich mit einem neuartigen Konzept zur Verstärkung von opioidagonistischen Wirkungen durch die Zugabe von Opioidantagonisten in geringer Dosierung (low dose Naloxon-Konzept, Kapitel 3). Hier konnte in verhaltensbiologischen Untersuchungen kein Effekt nachgewiesen werden. Insbesondere konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Koverabreichung von low dose Naloxon während der Abhängigkeitsentwicklung Entzugserscheinungen moduliert. Beide Studien beschäftigen sich direkt und indirekt mit der in der Wissenschaft intensiv diskutierten Frage der Existenz von Gs-Proteingekoppelten Opioidrezeptoren, die neben den bereits bekannten Gi/o-Protein-gekoppelten Opioidrezeptoren in der Zellmembran lokalisiert sind. Ein autoradiographischer Nachweis hierzu steht bislang aus. Abhilfe könnte eine weiterentwickelte [S35]-GTPγSAutoradiographie schaffen, in der durch selektive Blockade der Gi/o-Protein-gekoppelten Opioidrezeptoren durch Pertussistoxin ein Nachweis Gs-Protein-gekoppelter Opioidrezeptoren in situ möglich sein müsste. Ein direkter Nachweis dieser Kopplung eröffnet völlig neuartige Perspektiven in der modernen Opioidpharmakologie, da durch selektive Liganden dieser Gs-Protein-gekoppelten Rezeptoren die Opiatwirkung in der klinischen Anwendung verstärkt werden könnte. Möglicherweise findet dieses Wirkprinzip bereits unbeabsichtigt seit Jahren Anwendung: der Opiatagonist Tilidin (Valoron N) kommt bei der Behandlung mittelschwerer bis schwerer Schmerzen zum Einsatz. Als Besonderheit ist diesem Präparat der Opiatantagonist Naloxon im Verhältnis 1:12,5 (Einzeldosis: 4 mg Naloxon/50 mg Tilidin) beigemischt, um eine missbräuchliche Anwendung zu unterbinden. Bei normaler therapeutischer Dosierung unterliegt der Naloxonanteil einem intensivenhepatischen Abbau, so dass Tilidin voll wirksam ist. Bei missbräuchlicher Einnahme hoher Dosen durch Opiatabhängige wird der Naloxonanteil nicht vollständig metabolisiert; Entzugssymptome werden provoziert oder bereits bestehende werden verstärkt. Tilidin selbst wird in der Leber zu Nortilidin und Binortilidin metabolisiert, wobei Nortilidin als der eigentliche Opiatagonist am Rezeptor angesehen wird (Schulz et al. 1978). Möglicherweise passieren aber geringste Spuren von Naloxon bei normalem therapeutischen Einsatz die Leber und könnten folglich im low dose -Bereich wirksam werden. Über die Wirkungsweise low dose Naloxon-vermittelter Verstärkung der analgetischen Wirkung von Opiaten können nur rein hypothetische Ansätze formuliert werden. Neben den bereits diskutierten Gs-Protein gekoppelten Opioidrezeptoren könnte auch ein Einfluss auf die Internalisierung von Opioidrezeptoren möglich sein. Hier steht, neben dem dringend nötigen Nachweis Gs-Protein gekoppelter Opioidrezeptoren, ein völlig neuartiges Forschungsgebiet der Opioidpharmakologie offen. Im letzten Teil der vorliegenden Arbeit konnte erstmals das Phänomen konditionierter Opiatentzug näher charakterisiert werden (Kapitel 4). Auch wenn es nicht gelang, aus der Vielzahl an Entzugserscheinungen die wichtigsten Kardinalsymptome zu konditionieren, so besteht dennoch kein Zweifel, dass Entzugssymptome ausreichend konditioniert werden können und dass diese konditionierten Symptome mit einer Aktivierung von Stressmechanismen verbunden sind. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass mit der Präsentation des konditionierten Stimulus eine massive neuronale Aktivität im Locus coeruleus ausgelöst wird. Dieses Kerngebiet ist seit Jahren ohne Zweifel für die Ausbildung der meisten körperlichen Entzugssymptome während eines Opiatentzugs verantwortlich (Aghajanian, 1978; Maldonado et al., 1992b). Gerade in den letzten Jahren kommt dem konditionierten Entzug die Aufmerksamkeit zu, die ihm möglicherweise in seiner Bedeutung im Rückfallverhalten zusteht. Neueste Studien (Schulteis et al., 2000) zeigen deutlich, dass konditionierte Entzugserscheinungen mit dem Kerngebiet assoziiert werden, die für die hedonistische Beurteilung eines Ereignisses ausschlaggebend sind. Obwohl in frühen Studien durch Befragung von Abhängigen kein Einfluss konditionierter Entzugserscheinungen auf Rückfallverhalten nachgewiesen werden konnte (McAuliffe, 1982), stellt sich berechtigterweise die Frage, ob von Drogensüchtigen bzw. entzogenen Patienten der Reflexbogen, der zum Rückfall führte, überhaupt als solcher erkannt und benannt werden kann. Gerade das stereotype Ablaufen suchtrelevanter Konditionierungs- und Sensibilisierungsmechanismen entzieht sich oftmals dem Bewusstsein des Suchtkranken (Zieglgänsberger und Spanagel, 1999). In frühen tierexperimentellen Studien waren Versuchstiere nicht in der Lage, die im konditionierten Entzug auftretenden Entzugserscheinungen durch Trinken von opioidagonistischer Lösung zu lindern (Stewart et al., 1984). Dabei stellt gerade die orale Verabreichung von z.B. Morphin auf Grund der schlechten Resorption aus dem Gastrointestinaltrakt eine schlechte Art der Verabreichung von Opiaten dar (Gellert und Holtzman, 1978). In einem konditionierten Entzugsgeschehen kommt daher der schnellen intravenösen Verabreichung von Opiaten tragende Bedeutung zu. Opiatsucht stellt sich als komplexes Krankheitsbild dar, zumal die Patienten nicht nur von einem Opiat abhängig sind, sondern meist Polytoxikomanen sind. Dennoch erscheint gerade der konditionierte Entzug als ein wichtiges Element im Rückfallverhalten, möglicherweise eben nur im Zusammenspiel anderer suchtrelevanter Parameter. Aufschluss inwieweit hier konditionierte Entzugs-erscheinungen eine tragende Rolle spielen, könnte ein Tierexperiment darstellen, in dem auf Entzug konditionierte Versuchstiere gelernt haben, sich über eine intracerebroventriculare Injektion Morphin zuzuführen. Nur ein schneller, unmittelbarer Wirkungseintritt von Morphin greift in den Reflexbogen ein, der von den meisten Patienten im Rückfall nicht kognitiv wahrgenommen wird. Kein anderer Stoff begleitet die Menschheit so lange wie der Saft der Kapseln des Schlafmohns und bei keinem anderen Stoff liegen Wohl und Wehe so eng beisammen. Opium und seine in der modernen Medizin angewandten Derivate stellen nach wie vor die potentesten Schmerzmittel dar. Bis heute gibt es keine vergleichbaren Analgetika. Die erstaunliche Kongruenz zwischen speziellen Rezeptoren im Gehirn und einem sekundären Pflanzenalkaloid bringt die moderne Opioidpharmakologie immer wieder in den Konflikt zwischen maximaler Schmerzlinderung und den fatalen Folgen dieser Therapie, die in Toleranz, Abhängigkeit und Entzug münden kann. Dennoch bemühten sich seit Menschengedenken Ärzte und Wissenschaftler um die Vorteile dieses Prinzips und so sollte es eines Tages gelingen, die schmerzlindernde Komponente der Opiate von den negativen Auswirkungen abzukoppeln.