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Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 15/19
Ein bislang nur wenig verstandenes chemo¬sensorisches Zellsystem stellen Spermien dar, die im weib¬lichen Genital¬trakt komplexe Gemische ganz verschiedener Liganden wahr-nehmen müssen, um ihre für eine erfolgreiche Befruchtung essentiellen Aufgaben erfüllen zu können. Dazu gehören u. a. ein sekundärer Reifungsprozess (Kapazitierung), die Weg¬findung zur Eizelle im Eileiter und die Akrosom¬reaktion zur enzymatischen Auflösung der Glyko¬protein¬matrix (Zona pellucida) der Oocyte. Die Sensor¬moleküle auf der Oberfläche des Spermiums, die eine Erkennung bestehender Konzentrations-gradienten von Amino¬säuren, Kohlen¬hydraten, Hormonen, von verschiedensten Ionen und Protonen im luminalen Milieu des weiblichen Genital¬trakts sowie der Kohlenhydrat-reichen Zona pellucida ermöglichen, sind jedoch trotz ihrer Bedeutung für eine erfolgreiche Fertilisation weitgehend unbekannt. Geschmacks¬rezeptoren repräsentieren spezialisierte Erkennungs¬moleküle, die in Sinnes-zellen der Zunge die präzise Detektion eines breiten Spektrums chemisch sehr diverser Geschmacks¬stoffe ermöglichen, welche auffällige Ähnlichkeiten mit den potentiellen Liganden in der wässrigen Umgebung von Spermien im weiblichen Genital¬trakt aufweisen. Interessanterweise werden diese Rezeptorproteine aber nicht nur in Geschmacks¬sinneszellen, sondern auch in chemosensorischen Zellen einer Vielzahl extra-oraler Gewebe exprimiert. In der vorliegenden Arbeit wurde deshalb mit Hilfe biochemischer, molekular- und zell-biologischer Techniken sowie mit reproduktions¬biologischen Methoden und unter Verwendung Geschmacks¬rezeptor-defizienter Mäuse der Frage nachgegangen, ob Rezeptor¬moleküle des Geschmacks¬systems als Kandidaten für chemische Sensor-moleküle von Spermien in Betracht kommen. Dabei wurde ein Detektions¬molekül für saure Geschmacksstoffe, der PKD2L1, immun-cyto¬chemisch im Hoden der Maus und in reifen murinen Spermien nach¬gewiesen. Funktionell könnte dieser im Flagellum von Spermien exprimierte Ionenkanal an der Registrierung der verschiedenen Protonen¬konzentrationen im Milieu des weib¬lichen Genital¬trakts beteiligt sein. Weiterhin konnte eine Expression von gustatorischen GPCRs der Tas1r-Familie (süß/umami) und Tas2r-Familie (bitter), in männ¬lichen Reproduktions¬organen und in reifen Spermien gezeigt werden. Zudem wurden Hinweise auf die Expression der gustatorischen G Protein α Untereinheit Gustducin, die in Geschmacks¬sinnes¬zellen an der Signal¬transduktion dieser beiden Rezeptor¬familien beteiligt ist, im männlichen Reproduktions¬system erbracht. Im Einzelnen konnten mit der RT-PCR-Technik Transkripte von 28 der insgesamt 35 Mitglieder der großen Familie der murinen Bitter¬rezeptoren (Tas2rs) aus Hoden-gewebe amplifiziert werden. Die Bedeutung der Expression von Bitter¬rezeptoren für die Reproduktion wurde exemplarisch anhand einer Gen-defizienten Maus für den Tas2r131 unter¬sucht. Bei dieser Knockin-Maus¬linie war die kodierende Rezeptor¬sequenz durch eine GFP-Expressions¬kassette ersetzt worden, so dass das Maus¬modell gleich-zeitig auch eine Bestätigung der Expression des Tas2r131 in späten Keim¬zell¬stadien der Spermato¬genese ermöglichte. Bei der Fertilitätsanalyse Tas2r131-defizienter Tiere waren unter Labor-Zucht¬bedingungen keine Veränderungen in der Anzahl der Nach¬kommen pro Wurf oder der Zeitspanne zwischen den Würfen feststellbar. Allerdings wiesen Tas2r131-defiziente Männ¬chen signifikant mehr epididymale Spermien auf als Wildtyp-Tiere. Darüber hinaus war bei Verpaarungs¬studien mit hetero¬zygoten Männchen eine Genotyp-Verschiebung zugunsten des Tas2r131 [-] Allels zu registrieren. Dieser Phänotyp könnte darauf hindeuten, dass der Tas2r131 eine funktionelle Rolle bei Tas2r-abhängigen Auswahlprozessen verschiedener Spermien¬populationen spielt, bei denen sich z. B. durch eine Regulation der Apoptose im Verlauf der Keimzell¬bildung (Spermatogenese) oder auch durch eine Beeinflussung z. B. der Weg¬findung im weiblichen Genitaltrakt ein Selektions¬vorteil für Tas2r131-defiziente Spermien ergeben könnte. Aus der Familie der Tas1-Rezeptoren, deren drei Mitglieder als Heterodimere für die Erkennung von süßen Stimuli und dem Geschmack von Mononatrium¬glutamat („umami“) verant¬wort¬lich sind, konnten in RT-PCR-Experimenten die beiden Unter-einheiten des Umami-Rezeptors, der Tas1r1 und Tas1r3, aus Hodengewebe der Maus amplifiziert werden. Mit Hilfe Subtyp- und Spezies-spezifischer Antikörper konnte gezeigt werden, dass beide Rezeptor¬proteine im Akrosom und in distinkten Abschnitten des Flagellums von murinen und humanen Spermien exprimiert werden. Die funktionelle Rolle des Umami-Rezeptors wurde mit Hilfe einer Tas1r1-defizienten mCherry Reportermauslinie unter¬sucht, die unter optimalen Zuchtbedingungen ebenfalls keine Fertilitäts¬einschränkungen erkennen ließ. Im Hoden dieser Tas1r1-defizienten Tiere waren jedoch morpho¬logische Veränderungen des Keim¬epithels und eine signifikant erhöhte Apoptose¬rate zu registrieren, die allerdings keine verminderte Anzahl reifer Spermien oder Störungen der Morphologie oder Motilität dieser Zellen zur Folge hatte. Stimulierungsexperimente mit isolierter Zona pellucida, dem physiologischen Auslöser der Akrosomreaktion, haben zudem gezeigt, dass keine Ein¬schränkungen bei Spermien Tas1r1-defizienter Tiere fest¬zustellen waren. Allerdings wiesen Tas1r1-defiziente Spermien eine signifikant höhere Rate an spontaner Akrosom¬reaktion auf, die in unkapazitierten Zellen mit signifikant erhöhten basalen Konzentrationen der second messenger cAMP und Ca2+ einherging. Durch eine Reduzierung der intra¬zellulären Konzentrationen dieser Botenstoffe, die elementare Aufgaben des Spermiums im Verlauf des sequentiellen Prozesses der Fertilisation regulieren, könnten Tas1-Rezeptoren somit durch eine basale Rezeptor-aktivität oder durch eine Liganden-induzierte Rezeptor¬stimulation sicherstellen, dass Spermien im weiblichen Genitaltrakt in einem Ruhezustand erhalten werden, bevor sie in Kontakt mit der Eizelle kommen können. Insgesamt kann dieser Nachweis einer funktionellen Expression von Geschmacks-rezeptoren in Spermien zu einem besseren Verständnis der Regulations¬mechanismen zentraler Spermien¬funktionen beitragen und langfristig möglicherweise auch repro-duktions¬medizinische Perspektiven zur gezielten positiven bzw. negativen Manipulation von Spermien und damit zur Behandlung männlicher Infertilität bzw. zur Entwicklung nicht-hormoneller Verhütungsmittel für den Mann eröffnen.
Fakultät für Biologie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 03/06
Die in dieser Dissertation präsentierten Ergebnisse tragen aus dem Blickwinkel der Evolutionsbiologie zu unserem Verständnis der Regulation von Genexpression bei. Ich verwende einen bestens bekannten Modellorganismus, die Fruchtfliege Drosophila melanogaster, nicht nur als Objekt der Beobachtung, sondern auch als ein genetisches Manipulationswerkzeug, und untersuche drei verschiedene Aspekte des Prozesses, durch den die in der DNA gespeicherte Information förmlich „entfesselt“ oder umgesetzt wird zu biologischem Sinn, letztlich also zu Form und Funktion. In Kapitel 1 zeige ich zunächst, dass eine Inaktivierung des X-Chromosomes (und somit Genregulation auf chromosomaler Ebene) in der männlichen Keimbahn von D. melanogaster stattfindet. Im Gegensatz zur X-Inaktivierung in weiblichen Säugetieren, wo dies in den somatischen Zellen als Mechanismus zur Dosiskompensation auftritt, ist diese Art der Inaktivierung auf die Spermatogenese beschränkt und wurde wahrscheinlich während der Genomevolution als eine Möglichkeit etabliert, schädliche Auswirkungen in Zusammenhang mit Sexualantagonismus zu umgehen. Durch P-Element-vermittelte Keimbahntransformation erhielt ich fast 50 unabhängige Insertionen eines testisspezifischen Reportergenkonstrukts und untersuchte die dazugehörigen Reportergenaktivitäten durch Messung der Enzymaktivität und durch quantitative RT-PCR. Autosomale Insertionen dieses Konstrukts zeigten das erwartete Muster hoher männchen- und testisspezifischer Expression. Insertionen auf dem X-Chromosom zeigten dagegen wenig bzw. gar keine Expression des Transgens. Da die X-chromosomalen Insertionen die euchromatischen Abschnitte des Chromosoms abdeckten (bestimmt durch inverse PCR), konnte eine systematische Bevorzugung bestimmter Regionen bei Insertionen, die ein Fehlen von Expression auf dem X-Chromosom hätte erklären können, ausgeschlossen werden. Der Effekt scheint eine globale Eigenschaft des X-Chromosomes zu sein. Lediglich die Testisspezifität des transgenen Konstrukts ist für das Erscheinen des Effekts erforderlich, was somit eine Selektionshypothese für die X-Inaktivierung erhärtet sowie einige Beobachtungen erklären könnte, die im Zusammenhang mit der Verteilung von im Männchen und Testis exprimierten Genen im Drosophila-Genom gemacht wurden. In Kapitel 2 untersuche ich dann mutmaßliche cis-regulatorische Sequenzen und ihr Vermögen, allelspezifische Genexpression zu steuern. Nachdem Microarray-Studien umfangreiche Variabilität im Primärmerkmal Genexpression in unterschiedlichsten Taxa aufgedeckt haben, ist eine naheliegende Frage, mit der sich Evolutionsbiologen konfrontiert sehen, die nach der dieser Variabilität zugrunde liegenden genetischen Quelle. Neben epigenetischen Mechanismen gibt es einen Disput darüber, ob regulatorische Sequenzen nahe des exprimierten Gens (cis-Faktoren) und anderswo im Genom kodierte Faktoren (trans-Faktoren) einen qualitativ und quantitativ unterschiedlichen Beitrag zur Variabilität der Genexpression liefern. Hierzu wählte ich ein Gen von D. melanogaster, das nachweislich konsistente Expressionsunterschiede zwischen afrikanischen und nicht-afrikanischen („kosmopolitischen“) Stämmen zeigt, und klonierte die entsprechenden stromaufwärts flankierend gelegenen Teile jeweils in ein bakterielles Reportergenkonstrukt, um – nach erfolgreicher Integration ins Fruchtfliegengenom – direkt die von ihnen gesteuerte Auswirkung auf die Genexpression zu vergleichen. Der beobachtete Effekt war klein, jedoch signifikant, und zeigte sich nur in transgenen Fliegen, die ein X-Chromosom des afrikanischen Ausgangsstammes besaßen. Dies legt den Schluss nahe, dass zusätzlich zu den cis-regulatorischen Faktoren auch noch trans-Faktoren (vor allem auf dem X-Chromosom) zu dem zwischen den Stämmen beobachteten Expressionsunterschied beitragen. Letztendlich untersuche ich in Kapitel 3 das Phänomen des Codon bias durch seinen Zusammenhang mit Genexpression. Aufgrund der Redundanz des genetischen Codes werden viele der proteinogenen Aminosäuren durch mehr als ein Codon kodiert. Dies ermöglicht es, synonyme Codons in einer kodierenden Gensequenz auszutauschen, ohne dabei die Aminosäurensequenz des kodierten Polypeptids zu verändern. Ob dies Konsequenzen für die produzierte Proteinmenge hat (Translationseffizienz) ist Gegenstand dieses Kapitels. Ich verglich dabei die von zwei Allelen des Gens Alkoholdehydogenase (Adh) (von D. melanogaster) vermittelte Enzymaktivität direkt miteinander, welche sich in sieben Leucin-Codons unterschieden. Es ergab sich nahezu kein Unterschied in der ADH-Enzymaktivität, obwohl eines der Allele aus gänzlich optimalen Leucin-Codons bestand und das andere sieben suboptimale Leucin-Codons enthielt. Da Letzteres die Wildtypform von Adh war, legen die Ergebnisse den Schluss nahe, dass das Adh-Gen in seiner Leucin-Codonzusammensetzung (und vielleicht auch in seiner Codonzusammensetzung allgemein) bereits ausreichend optimiert ist. Weitere Versuche, die Zahl der optimalen Leucin-Codons zu erhöhen, können sogar einen Negativeffekt hinsichtlich der Enzymproduktion haben; dies möglicherweise aufgrund einer Sättigung des tRNA-Pools und/oder der Konsequenzen veränderter mRNA-Sekundärstrukturen.
Tierärztliche Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/07
Die zyklischen Aktivitäten in Ovar und Hoden der Maus sind von einer Reihe von proliferativen und apoptotischen Ereignissen gekennzeichnet. Dadurch werden diese Organe zu interessanten Studienobjekten wenn es gilt, eine Proteinexpression mit Funktionen zu verknüpfen. Corpora lutea z. B., vorübergehende endokrine Drüsen, die aus den Resten ovulierter Follikel entstehen, zeigen hohe Zellproliferationsraten und während der Regression eine ausgedehnte Apoptose. Im Hoden zeigt der Zyklus der Spermatogenese und der Tubuli seminiferi contorti ein System von dynamischen Wachstumsprozessen aber auch von Apoptose, beeinflusst von den Sertoli- und Leydig-Zellen. Die Epithelzellen im Nebenhoden durchlaufen im Rahmen der postnatalen Entwicklung eine rasche Proliferation und Ausbreitung. Von Galektinen glaubt man, dass sie an diesen zellulären Prozessen beteiligt sind. Um die Anwesenheit von Galektinen in diesen Organen zu überprüfen, wurden RT-PCR Analysen mit verschiedenen Galektin-spezifischen Primerpaaren durchgeführt. Dabei erhielten wir Signale von Galektin-1 und -3, bemerkenswerterweise aber auch von Galektin-2, -4, -6, -7, -8, -9 und -12. Zur Entschlüsselung der in vivo Funktion(en) eines bestimmten Galektins verglichen wir normale (C57BL/6NCrl, Gal-3 +/+) und Galektin-3 Knock-out Mäuse (C57BL/6NCrl, Gal-3 -/-). Als nächstes überprüften wir mit polyklonalen Antikörpern gegen Galektin-1, -3 und -7 die Proteinexpression im Western Blotting. Es zeigten sich verschiedene Ergebnisse für Galektin-1 und -3, und im Falle des Ovars ein sehr schwaches Signal für Galektin-7. In der im Folgenden durchgeführten Immunhistochemie zur Darstellung der zellulären Lokalisation ergaben sich verschiedene Färbemuster für die Galektine. Wie erwartet führte Anti-Galektin-3 IgG zu keinerlei Färbung beim Knock-out Tier (C57BL/6NCrl, Gal-3 -/-). Im Einzelnen zeigte sich eine diffuse Verteilung von Galektin-1 im ovariellen Stroma, daneben war es noch zusammen mit Galektin-7 im „ovarian surface epithelium“ zu finden. Galektin-3 hingegen fand sich v. a. in den Corpora lutea. Vermutlich wurde die Galektin-3-positive Reaktion durch Gewebemakrophagen verursacht, die positiv für Galektin-3 sind. Diese Zellen sollen eine Rolle bei der lutealen Regression haben, indem sie apoptotische Zellen phagozytieren, um eine entzündliche Reaktion zu verhindern. Im Hoden wurde Galektin-1 v. a. in den Sertoli- und Leydig-Zellen gefunden, Galektin-3 fand sich nur bei den Makrophagen in der Nähe der Leydig-Zellen. Während Galektin-1 eine Rolle als immunsuppressives Lektin beim spermatogenen Zyklus haben könnte, könnte Galektin-3 für die Funktion der Makrophagen im Hoden nötig sein, die die Entwicklung der Leydig-Zellen beeinflussen. Das spatiotemporale Expressionsmuster von Galektin-3 im Nebenhoden, v. a. im Nebenhodenkörper, könnte für die resorptiven und sekretorischen Prozesse von Bedeutung sein, die für eine optimale Umgebung zur Reifung und Lagerung der Spermien sorgen.