“In eventu” ist lateinisch und bedeutet so viel wie “im Eventualfall”, “subsidiär” oder “hilfsweise”. Im rechtlichen Bereich wird die Phrase “in eventu” sehr häufig verwendet, um Argumente hierarchisch zu verknüpfen. So wird ein Argument für den eigenen Standpunkt vorgebracht und für den Fall, dass…
In Eventu (Florian Prischl/Christian Schöller)
Mit der Gründung der Republik ist seit 1919 der Adel in Österreich aufgehoben. Vorrechte auf Basis der Geburt in eine adelige Familie bestehen nicht mehr. Es ist auch verboten, Adelstitel oder ähnliche Bezeichnungen, die solche Vorrechte suggerieren, zu führen. Im heute besprochenen aktuellen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes beantragte eine österreichisch-französische Doppelstaatsbürgerin die Führung des französischen "de" ("von") im Namen. In letzter Instanz entschied nun der VwGH, dass dies nicht zulässig ist und die zuständige Behörde ihren Antrag richtigerweise ablehnte.
Die COVID-19-Pandemie kann es notwendig machen, auch starke Beschränkungen der persönlichen Freiheit zuzulassen. Nach einem aktuellen Beschluss des Obersten Gerichtshofes kann es auch zulässig sein, Bewohner_innen von Alten- oder Pflegeheimen in Einzelisolierung zu zwingen, auch wenn diese einen negativen COVID-19-Test vorweisen können. In dieser Entscheidung des OGH war das zulässig, weil das Risiko im betroffenen Heim besonders hoch war und der Betroffene schwer dement war. Gelindere Mittel wie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes oder Einhaltung von Abstand waren daher bei diesem Betroffenen nicht möglich. Die Entscheidung macht die persönlichen Schicksale besonders verletzlicher Personen(gruppen) in dieser Pandemie deutlich.
Das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz wurde 2017 in Kraft gesetzt und soll seitdem "Integration fördern". Es zielt dabei auf manche Arten der islamischen Verschleierung für Frauen ab und verbietet diese. Ein aktuelles Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zeigt jedoch, dass das Gesetz noch viel weiter und sehr allgemein ausgelegt werden muss. Wir besprechen das Erkenntnis und die Hintergründe des Anti-Gesichtsverhüllungsgesetzes kritisch.
Was ist das Selbsthilferecht im Zivilrecht und wann kann man es erfolgreich anwenden? In dem Fall, welcher der heute besprochenen Entscheidung zugrunde liegt, ist das dem Kläger nicht gelungen. Warum er den Jugendlichen, der an Halloween die Fensterscheibe des Klägers verschmutzt hat, nicht erfolgreich klagte, und welche Hintergründe die Entscheidung hat, erfahrt ihr heute bei In Eventu.
Wenn jemand durch eine rechtswidrige, hoheitliche Handlung des Staates geschädigt wird, kann sie/er vom Staat den Schaden ersetzt bekommen. Dafür muss man nach dem Amtshaftungsgesetz (AHG) vorgehen, dass einige Besonderheiten im Gegensatz zum normalen Schadenersatz- und Verfahrensrecht hat. Das musste auch der Kläger der besprochenen OGH-Entscheidung erkennen: Sein rein zivilrechtliches Begehren, dass ein Gemeinderat eine angeblich beleidigende Äußerung widerrufe, wurde zurückgewiesen, weil dafür grundsätzlich nach dem AHG vorzugehen sei. Wir besprechen den Hintergrund der Entscheidung und die Besonderheiten des AHG.
Der Verfassungsgerichtshof hat das allgemeine Betretungsverbot der Verordnung BGBl II 98/2020 als gesetzwidrig aufgehoben. Auf diese Verordnung stützten sich tausende Verwaltungsstrafen und viele noch offene Verfahren. Was heißt das, dass der VfGH nur die Verordnung als gesetzwidrig, das Gesetz aber nicht als verfassungswidrig beurteilt? Wir erklären die Begründung und die Hintergründe des Erkenntnisses. Nebenbei besprechen wir die anderen am selben Tag gefällte Erkenntnisse, die sich ebenfalls mit dem Recht der COVID-19-Pandemie beschäftigen und die Maßnahmen des Gesetzgebers bzw der Regierung teilweise als verfassungswidrig und teilweise als verfassungskonform beurteilen.
Der OGH widmete sich der Frage, unter welchen Voraussetzungen oder inwieweit Privatpersonen beim Verkauf bzw Kauf eines Gebrauchtwagens die Gewährleistung, also die Haftung für einen vereinbarten oder gewöhnlich vorausgesetzten Zustand der Ware, ausgeschlossen werden kann. Die umfangreiche Judikatur in diesen Fragen wurde durch die Entscheidung aus dem Februar ergänzt und erweitert; sie widmet sich damit nun mehreren Ebenen an zulässigen bzw unzulässigen Ausschlüssen, Ausnahmen davon und Gegenausnahmen dazu.
Im Gegensatz zum erstinstanzlichen Urteil erzeugte diese aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofes relativ wenig Aufsehen in der Öffentlichkeit - aber immer noch mehr, als für einen Fall dieser Art eigentlich normal wäre. Grund dafür war der leider tragische Ausgangsfall: Eine Frau wurde auf einer Alm von einer Herde Kühen angegriffen und getötet. Das Erstgericht sah die Schuld dafür ausschließlich beim Landwirt, der die Alm bewirtschaftet. Auf dieser Grundlage wurde hastig und unter Medienrummel ein Show-Gesetz verabschiedet, dass angeblich gegen solche Urteile wirken sollte. Tatsächlich kann es das aber kaum leisten, wie auch im Anschluss an das erste Urteil das Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck und die letztinstanzliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zeigen. In Eventu bespricht in dieser Folge die Entstehung des Urteils, warum am Ende der Bauer nur zur Hälfte haften musste und wie die Gerichte mit der öffentlichen Aufmerksamkeit umgingen.
In Österreich müssen die Parteien mancher privater Rechtsgeschäfte - zum Beispiel für manche Mietverträge - Gebühren an den Staat zahlen (Rechtsgeschäftsgebühren). Dabei unterliegen verschiedene Vertragsarten verschieden hohen Gebühren. Der VwGH hatte im vorliegenden Fall zu beurteilen, ob das Bundesfinanzgericht zu Recht einen Bescheid über Rechtsgeschäftsgebühren für einen Vertrag über die Errichtung von Windkraftanlagen aufhob. Wir besprechen den Fall und die verfahrensrechtlich interessanten Aspekte, erklären vor allem aber, was es mit den Rechtsgeschäftsgebühren auf sich hat.
Eine Pandemie schafft ungeahnte juristische Probleme. Viele Personen und Unternehmen können plötzlich ihre vertraglichen Pflichten nicht mehr erfüllen. Welche Möglichkeiten in solchen Situationen mittels des Instituts des "Wegfalls der Geschäftsgrundlage" das österreichische Zivilrecht bietet, erklären wir anhand eines Beschlusses des Obersten Gerichtshofes aus 2005 zur SARS-Pandemie der frühen 2000er-Jahre.
In zwei ähnlichen Fällen hatte der Oberste Gerichtshof zu beurteilen, wie die Formvorschriften des Gesetztes für fremdhändige Testamente auszulegen sind. Dabei legte der OGH fest, dass solche Testamente einen klaren äußeren oder inneren Zusammenhang aufweisen müssen, der es möglich macht, das Testament in seiner unverfälschten Gesamtheit nachzuvollziehen. Wir besprechen die Hintergründe der beiden Beschlüsse und die Funktion strenger Formvorschriften im Recht im Allgemeinen und im Erbrecht im besonderen.
Dank einer im Wahlkampf 2017 kurzfristig eingeführten Vorschrift mussten Banken jene Kosten übernehmen, die ihren Kunden bei Bargeldbehebungen bei Bankomaten von Drittanbietern entstanden. Der Verfassungsgerichtshof erkannte jedoch, dass die Regelung des § 4a Verbraucherzahlungskontogesetz verfassungswidrig ist, denn sie schränkt die Eingetumsrechte der Banken - die ja mit den Bankomat-Drittanbietern keinen Vertrag haben und auch gar nicht beeinflußen können, ob und in welcher Höhe Behebungsgebühren entstehen - unzulässig stark ein. Eine weitere Vorschrift, der § 4 Abs 2 Verbraucherzahlungskontogesetz wurde jedoch für verfassungsgemäß befunden: Banken müssen sich damit abfinden, dass sie ihren Kunden verschieden Gebührenmodelle anbieten müssen, um verschiedene Benutzungsarten von Bankomaten abzudecken.
Der Unterschied zwischen einer "Kündigung" und einer "Entlassung" ist vielen Arbeitnehmer_innen in Österreich nicht bekannt. Er macht jedoch viel aus und kann für die wirtschaftliche Situation und das Fortkommen nach der Beendigung eines Arbeitsvertrages entscheidend sein. Mit einer Entscheidung aus dem Mai 2019 hat der Oberste Gerichtshof ein weiteres Kapitel zur umfangreichen Rechtsprechung zu Entlassungen hinzugefügt und diese Rechtsprechung weiterentwickelt.
Im Fußballstadion schwenkt ein Fan ein "A.C.A.B."-Banner (All Cops Are Bastards). Stellt dies eine strafbare Anstandsverletzung dar oder hat der Fan lediglich seine verfassungsgesetzlich gewährleistete Meinungsäußerungsfreiheit ausgeübt? Während die Landespolizeidirektion Wien und das Verwaltungsgericht Wien den Fußballfan nach dem Wiener Landes-Sicherheitsgesetz bestrafen, stellt sich der Verfassungsgerichtshof dem entgegen. Jedenfalls im Kontext des Fußballstadions und vor dem Hintergrund der angespannten Beziehungen zwischen Ultras und der Polizei und angesichts der Tatsache, dass "A.C.A.B." keine konkrete Beschimpfung ist, darf der Fan dafür nicht bestraft werden. Christian und Florian besprechen und erklären, worauf es bei dieser Entscheidung ankommt und was sie besonders macht.
Wie verhalten sich Politik und Recht zueinander - kann das eine dem anderen folgen? Welche Prozesse laufen dabei ab und wo liegen die Grenzen der Politik? Anhand dreier Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes bereitet Florian die Frage auf, was es bedeutet, wenn der Verfassungsgerichtshof politische Entscheidungen nachprüft.
Diese besondere Folge beschäftigt sich mit der Disseration unseres Co-Autoren Christian Schöller. Darin erforscht Christian die Amtshaftung im Bankenaufsichtsrecht. Anhand zweier Entscheidungen und Christians Dissertation erklären wir, wer von der Bankenaufsicht bei allfälligen Schäden geschützt ist.
Der Oberste Gerichtshof hatte über die Grundrechtsbeschwerde einer Person zu entscheiden, über die die Untersuchungshaft verhängt wurde. Wir erklären, welche Maßstäbe bei der Prüfung der Beschwerde der OGH anlegte und wie er dazu kam. Zusätzlich erläutern wir bestimmte Grundlagen des Strafverfahrens die grundlegenden Rechtsbegriffe "Sachverhalt" und "dringender Tatverdacht".
Ein allgemeines Rauchverbot in Gastronomiebetrieben ist seit langem Thema in Österreich und weltweit. Während viele andere Staaten bereits ein solches Verbot eingeführt haben, um die Gesundheit von Mitarbeiter_innen und Gästinnen und Gästen zu schützen, wurde die geplante Einführung des Verbots von der ÖVP/FPÖ-Koalition im April 2018 kurzfristig gestoppt. Gegen diese Abkehr vom geplanten Verbot erhob das Land Wien Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Dabei unterlag es jedoch. Der VfGH entschied, dass der Gesetzgeber (das Parlament) eine zulässige Entscheidung und Abwägung zwischen verschiedenen Rechten getroffen hat. Wir besprechen diese Entscheidung und anhand ihr auch die Funktion des VfGH in der österreichischen Verfassung.