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Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 15/19
Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HPA-Achse) ist ein hierarchisch organisiertes, neuroendokrines System, das unter anderem die Freisetzung des Nebennierenrindenhormons Kortisol, dem zentralen Hormon der Stressantwort und der Homöostase des Organismus in Bezug auf die Anpassung an Umweltanforderungen, regelt. Die HPA-Achse ist in ein komplexes System von Regulationsnetzwerken eingebunden, über die der Organismus die Anpassung an ständig wechselnde Anforderungen erfasst und steuert. Fehlanpassungen der HPA-Achse sind hierbei von großer klinischer Bedeutung, da sie zu psychiatrischen Erkrankungen führen können. Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, HPA-Achsen-regulierende kortikale Netzwerke mithilfe der funktionalen Magnetresonanztomographie (fMRT) in verschiedenen Versuchansätzen zu identifizieren. Der Stand der bisherigen Forschungsergebnisse deutet darauf hin, dass es grundsätzlich einen mit der Methode der fMRT messbaren Zusammenhang zwischen diesen kortikalen Netzwerken im Gehirn und der neuroendokrinologischen Stressregulationsachse (HPA-Achse) gibt. Wichtige Knotenpunkte solcher kortikaler Netzwerke sind dabei insbesondere Kerne der Amygdala, Teile des Hippokampus und des Hypothalamus sowie Bereiche des präfrontalen Kortex. Diese Regionen üben zum einen Einfluss auf die Freisetzung des Corticotropin-releasing-Hormons (CRH) im Hypothalamus aus, zum anderen werden sie durch Kortisol rekursiv in ihrer Funktion durch ein negatives Feedback beeinflusst. Diese beiden Aspekte wurden im Rahmen dieser Arbeit in separaten Analysen bearbeitet: Es wurde zunächst untersucht, ob die Aktivität der kortikalen Netzwerke des Gehirns in Ruhe das Ergebnis des kombinierten Dexamethason-Suppressions-CRH-Stimulations-Tests (Dex/CRH-Test) als sensitiven endokrinologischen Stresstest vorhersagen kann. Ferner wurde untersucht, ob sich die Aktivität der Ruhenetzwerke durch eine experimentelle Modulation des Kortisolspiegels signifikant verändert, wobei sowohl der Effekt einer intravenösen Applikation von Kortisol im Vergleich zu Placebo als auch der Effekt einer durch Dexamethason herbeigeführten Suppression von Kortisol untersucht wurde. Bei der hierfür durchgeführten Studie handelt es sich um ein placebo-kontrolliertes, endokrinologisches fMRT-Experiment im Cross-Over-Design mit kombinierter EEG. Zusätzlich zu den EEG/fMRT-Ruhe-Messungen wurde ein Dex/CRH-Test außerhalb des MRT aufgenommen, um die Funktionalität der HPA-Achse in den Probanden zu quantifizieren. Es wurden 20 gesunde männliche Probanden untersucht. An den Messtagen 1 und 3 wurde je eine knapp einstündige kombinierte EEG/fMRT-Messung durchgeführt, wobei einmal 20 mg Kortisol, gelöst in 10 ml Kochsalzlösung, und einmal 0,9%-ige Kochsalzlösung (10 ml) während der Messung durch eine Bolusinjektion verabreicht wurden. Am Messtag 2 wurden die EEG/fMRT-Ruhe-Daten (~ 15 Minuten) im Status der Kortisolsuppression durch Dexamethason aufgenommen. Die kombinierte EEG-Messung diente hier vor allem der Vigilanzüberwachung der Probanden, da aus verschiedenen Studien bekannt ist, dass sich die Ruhenetzwerke des Gehirns in Abhängigkeit des Vigilanzstatus verändern. An einem zusätzlichen 4. Messtag wurde außerhalb des MRT an einer Teilgruppe der Probanden die Wirkung einer Kortisolbolusinjektion (20 mg) auf Blutdruck, Puls und Sauerstoffsättigung bestimmt und zusätzlich auch die Wirksamkeit des extern zugeführten Kortisols auf die HPA-Achse ermittelt. Die fMRT-Ruhe-Daten wurden mit komplementären Methoden aus dem Bereich der Konnektivitätsanalysen untersucht. Dabei wurden sowohl hypothesengeleitete Analysen von Ruhenetzwerken über die Seed-Methode als auch Kreuzkor-relationsanalysen definierter Regionen, oder - im explorativen Ansatz - des gesamten Gehirns einschließlich voxelbasierter Verfahren, angewandt. Die Analysen zur Modulierung des Kortisolmilieus insgesamt betrachtet lassen den Schluss zu, dass sich die funktionelle Konnektivität des Gehirns in Ruhe durch die Änderung des Kortisolmilieus ändert, sei es durch direkte exogene Kortisolgabe, oder indirekten Kortisolentzug durch die Dexamethasonsuppression. Der Schwerpunkt dieser kortisolabhängigen Modulation lag dabei in präfrontal basierten Ruhenetzwerken. In den Analysen, in denen die drei Zustände der Kortisolmilieuänderungen (Kortisol, Placebo, Kortisolsuppression) verglichen wurden, zeigten sich stärkere Effekte durch die Kortisolsuppression als durch das exogen zugeführte Kortisol. Diese Effekte hatten ihren regionalen Schwerpunkt für die hypothesenbasierte Seedanalyse im medialen präfrontalen Kortex/anterioren cingulären Kortex (ACC), und in der explorativen Analyse im dorsolateralen präfrontalen Kortex. Effekte auf den Hippokampus und die Amygdala waren dabei relativ schwach ausgeprägt. Die Analysen der dynamischen Änderung nach Kortisolgabe im Vergleich zu Placebo zeigten Effekte im subcallosalen/ subgenualen ACC und im dorsalen ACC, sowohl im hypothesengesteuerten als auch im explorativen Ansatz. Da der Analyseschwerpunkt bisheriger Arbeiten auf der Hippokampus/Amygdala-Region lag wird neu postuliert, dass Akuteffekte nach 20 mg Kortisol möglicherweise auf ACC-Regionen stärker wirken als auf den Hippokampus. Ebenfalls hergestellt werden konnte ein prädiktiver Zusammenhang zwischen der Stärke der funktionellen Konnektivität in limbischen und paralimbischen Regionen in Ruhe, insbesondere hippokampaler Netzwerke, und dem Ergebnis des Dex/CRH-Tests. Da der Dex/CRH-Test das gesamte zerebrale Feedbacksystem belastet, kann hieraus abgeleitet werden, dass spezifische Netzwerke in beiden Korrelationsrichtungen einen Einfluss auf das Ergebnis des Dex/CRH-Tests haben. Damit wurde erstmals indirekt das Regulationssystem sichtbar gemacht, das durch den Dex/CRH-Test belastet wird. In zukünftigen Studien können die konzentrations- und zeitabhängige Sensitivität der Ruhenetzwerke gegenüber Kortisol, zusammen mit der funktionellen Konnektivität, die die individuelle Regulation der HPA-Achse vorhersagt, als Grundlage zur Etablierung eines Stressbiomarkes verwendet werden.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 08/19
Die depressive Störung gehört den affektiven Störungen, die durch eine krankhafte Veränderung der Stimmung (Affektivität) gekennzeichnet ist. Die Punktprävalenz von Depressionen beträgt 5-10%. Das Lebenszeitrisiko an einer Depression zu erkranken beträgt ca. 15-17%. Unter den affektiven Störungen kommt den depressiven Erkrankungen bei weiten die größte Bedeutung zu. Sie gehören heute zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Nur 25% der Depressionen verlaufen einphasig, 75% der Erkrankungen rezidivieren. Bei unipolaren Depressionen muss im Mittel mit vier Episoden im Laufe eines Lebens gerechnet werden. Als eine biologische Ursache für eine depressive Störung werden Dysregulationen der HPA-Achse verantwortlich gemacht. Mit dem DEX/CRH-Test steht ein Verfahren zur Verfügung, mit dem sich die Veränderungen der HPA-Achse gut darstellen lassen. Ein deutlicher Anstieg des Cortisol- bzw. ACTH-Spiegels im DEX/CRH-Test wird als pathologisch gewertet. In der vorliegenden Arbeit wurde die Rolle des DEX/CRH-Tests in der Verlaufsbeobachtung bei 18 Patienten mit einer depressiven Störung erstmals über einen Zeitraum von drei Jahren untersucht. Anhand der Ergebnisse im DEX/CRH-Test bei Entlassung aus stationärer Behandlung erfolgte die Einteilung der Patienten in zwei Gruppen. Die Gruppe der "Suppressoren" zeigte sowohl im DEX/CRH-Test bei Entlassung als auch in den nach zwei und drei Jahren durchgeführten DEX/CRH-Tests ein signifikant von der Gruppe der "Nonsuppressoren" differierendes Verhalten der Cortisolspiegel. Es konnte erstmals festgestellt werden, dass der Unterschied zwischen der Gruppe der "Suppressoren" und der Gruppe der "Nonsuppressoren" hinsichtlich der Ergebnisse im DEX/CRH-Test auch über einen längeren Zeitraum von bis zu drei Jahren nach Entlassung aus stationärer Behandlung relativ stabil bleibt. In Kenntnis dieses Sachverhaltes besteht daher die Möglichkeit, in weiteren Studien mögliche Einflussfaktoren auf den DEX/CRH-Test genauer zu untersuchen und Hochrisikopatienten mit hohem Rückfallrisiko zu identifizieren und im Verlauf engmaschiger weiterzubetreuen.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 05/19
In der vorliegenden Dissertation untersuchten wir mit Hilfe des psychopathologischen Tiermodells der HAB- und LAB-Ratten, welche sich nicht nur bezüglich ihrer genetisch determinierten Emotionalität und ihrer Stressbewältigungsstrategien, sondern auch hinsichtlich der Reaktivität der HPA-Achse unterscheiden, Effekte des Serotonin-Wiederaufnahmehemmers Paroxetin und von rTMS auf Verhalten und die neuroendokrine Regulation. Mit Hilfe des kombinierten DEX/CRH-Tests gelang es uns nachzuweisen, dass sich ein hohes Maß an angeborenem Angstverhalten in einer profunden Fehlregulation des Stresshormonsystems widerspiegelt. HAB-Tiere zeigten nach Verabreichung von Dexamethason einen verminderten Suppressionseffekt und die periphere Injektion von CRH führte zu einem deutlichen Anstieg der Plasmakonzentrationen von ACTH und Kortikosteron. Hierfür scheint intrahypothalamisch überexprimiertes und sezerniertes AVP verantwortlich zu sein, folglich führte auch die periphere Verabreichung eines V1-Rezeptorantagonisten zu einer Normalisierung des bei HAB-Tieren dysregulierten HPA-Systems im DEX/CRH-Test. Bindungskapazität und Bindungsaffinität von Glukokortikoid- und Mineralokortikoidrezeptoren unterschieden sich nicht zwischen den Zuchtlinien, so dass die durch Kortikosteron vermittelte Feedbackregulation des HPA-Systems auf der Ebene der intrazellulären Signalkaskade gestört zu sein scheint. Die mehrwöchige Behandlung mit dem selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Paroxetin induzierte bei HAB-Tieren nicht nur eine durch die Verminderung der intrahypothalamischen AVP-Genexpression vermittelte Normalisierung des dysregulierten Hormonfreisetzungsprofiles im DEX/CRH-Test, sondern auch profunde Verhaltensänderungen im Forced Swim-Test, der als guter Prädiktor für die klinische Wirksamkeit einer antidepressiven Therapie angesehen wird. HAB-Tiere, welche eine passive Stressbewältigungsstrategie im Forced Swim-Test zeigen, struggelten nach Behandlung mit Paroxetin signifikant länger und verbrachten signifikant weniger Zeit mit Floating als unbehandelte HAB-Kontrolltiere. Sie waren in ihrem Verhalten von LAB-Tieren, auf die die Behandlung mit Paroxetin keinen Einfluss hatte, nicht mehr zu unterscheiden. Mit Hilfe von in vivo Mikrodialyse untersuchten wir den Einfluss von chronisch verabreichtem Paroxetin auf die stressinduzierte Freisetzung von Serotonin im dorsalen Hippocampus. Bei HAB-Tieren, welche eine angeborene verminderte Empfindlichkeit der raphé-hippocampalen Neurotransmission zeigen und den bei LAB-Tieren zu beobachtenden stressinduzierten Anstieg der Serotoninfreisetzung vermissen lassen, führte die Behandlung zu einer Normalisierung der serotonergen Neurotransmission. Dieser Effekt könnte mit der gezeigten Verminderung von SERT-Bindungsstellen im Hippocampus bei HAB- im Vergleich zu LAB-Tieren zusammenhängen, während die Expression von 5-HT1A-Rezeptoren in dieser Hirnregion unbeeinflusst blieb. Somit konnten wir erstmals zeigen, dass eine Normalisierung der Stresshormonregulation durch Paroxetin mit einem Anstieg der stressinduzierten Freisetzung von Serotonin im Hippocampus assoziiert ist. Dass rTMS der linken frontalen Hirnregionen antidepressive Effekte hat, konnte bereits in mehreren klinischen Untersuchungen an Patienten, die an Major Depression leiden, beobachtet werden. Unsere im psychopathologischen Modellorganismus der HAB/LAB-Tiere nach Langzeitbehandlung mit rTMS erzielten Ergebnisse gewähren neue Einblicke in die der antidepressiven Wirkung zugrundeliegenden neurobiologischen Mechanismen. Wie auch die Behandlung mit Paroxetin, wandelte rTMS die angeborene passive Stressbewältigungsstrategie der HAB-Tiere in eine signifikant aktivere Stressbewältigungsstragie im Forced Swim-Test um und dämpfte die endokrine Stressantwort der HPA-Achse. Die frontalen Hirnregionen partizipieren durch efferente Projektionen zum perinukleären Bereich des PVN an der Regulation der neuroendokrinen Reaktion auf Stressstimuli und kann die Synthese und Freisetzung von CRH und somit die Antwort des HPA-Systems hemmen. Wir konnten ebenfalls zeigen, dass rTMS auch während chronischem psychosozialem Stress eine dämpfende Wirkung auf die basale Aktivität der HPA-Achse hat. Allerdings ließ sich kein anregender Effekt auf die Neurogenese im Hippocampus nachweisen: rTMS erhöhte zwar leicht die Proliferationsrate hippocampaler Vorläuferzellen, verminderte jedoch die Überlebensrate BrDU-markierter Neurone. Daher scheinen andere Faktoren, neben den Glukokortikoiden, eine mindestens genauso große Rolle bei der Regulation der Anzahl und der Ausreifung der Vorläuferzellen im Hippocampus zu spielen. Wir folgern daraus, dass die Dämpfung des HPA-System wahrscheinlich ein wichtiger, der klinisch beobachteten antidepressiven Wirkung von rTMS zugrundeliegender Mechanismus ist, es mit unserem experimentellen Design jedoch nicht gelang, einen stimulierenden Effekt von rTMS auf die Neurogenese im adulten Hippocampus nachzuweisen.
Fakultät für Biologie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/06
Diese Arbeit konnte eine inhibitorische Kontrolle der HPA-Achse unter basalen und Streß-induzierten Bedingungen durch intrazerebrales OXT zeigen, die zumindest anteilig über Neuronen des hypothalamischen PVN vermittelt wird. Die neurohypophysäre Freisetzung von OXT und das angstbezogene Verhalten scheinen hingegen von zentralem OXT unabhängig zu sein. Eine ähnliche Funktion bei der Regulation der HPA-Achse und des Angstverhaltens wurde bereits für AVP beschrieben. Also sind beide Neuropeptide, wenn sie zentral freigesetzt werden, an der Modulation der Streßreaktion beteiligt und diese Funktion ist dissoziiert von ihrer peripheren Freisetzung und Wirkung. Während der peripartalen Periode, die Trächtigkeit, Geburt und Laktation einschließt, sind morphologische und funktionelle Veränderungen von OXT-Neuronen bekannt. So erfolgt eine spezifische Aktivierung des Systems durch Reproduktions-bezogene Stimuli, während, wie auch hier bestätigt werden konnte, die Streßreaktivität der selben Neuronen inhibiert wird. Ähnlich ist die Streßreaktivität der HPA-Achse während Trächtigkeit und Laktation reduziert. So wurde in dieser Arbeit erstmalig eine Suppression der ACTH- und Corticosteron-Freisetzung auch während des Geburtsvorganges beschrieben. Die Untersuchung der Wechselwirkungen des zentralen OXT-Systems und der hypophysären Sekretion nach Streß-Exposition zeigte deutlich veränderte Effekte intrazerebral freigesetzten OXTs während der peripartalen Periode. Bezüglich der HPA-Achse konnte ein Nachlassen der tonischen Inhibition durch zentrales OXT beobachtet werden, während nun die Streßinduzierte neurohypophysäre Freisetzung von OXT sowie das angstbezogene Verhalten auf der plus-maze dadurch kontrolliert wurden. Die während der peripartalen Periode verminderte Streßreaktivität der HPA-Achse wird also, entgegen der primären Hypothese, offensichtlich nicht durch das aktivierte OXT-System vermittelt. Da sowohl die HPA-Achse als auch das OXT-System z. T. durch endogene Opiate beeinflußt werden, lag die Vermutung nahe, daß Opiat-Rezeptoren die Reproduktionsbezogenen Modifikationen der neuroendokrinen Streßreaktivität vermitteln. Diese Hypothese konnte in der Tat bestätigt werden. Die Stimulation der HPA-Achse virginer Weibchen durch endogene Opiate verschwand gegen Ende der Trächtigkeit und resultierte in einer effektiven Inhibition der HPA-Achse während der Geburt. Während die neurohypophysäre OXTFreisetzung bei virginen Tieren nicht durch Opiate beeinflußt wurde, entwickelte sich während der späten Trächtigkeit und während der Geburt einen effektive Kontrolle durch endogene Opiate. Die zentrale Freisetzung von OXT im PVN unterlag keinen merklichen Reproduktions-bedingten Modifikationen, wurde jedoch unabhängig von der peripheren Sekretion durch endogene Opiate beeinflußt. Auch hier kehrte sich die bei virginen Tieren deutliche Stimulation der OXT-Freisetzung im PVN in eine effektive Inhibition während der Trächtigkeit um. Diese Modifikationen in der Wirkung von Opiat-Rezeptoren scheinen sowohl lokal als auch funktionell eng begrenzt zu sein, da auch bei trächtigen Tieren veränderte Opiat-Wirkungen weder hinsichtlich der OXT-Freisetzung im SON noch der verhaltensbiologischen Streßbewältigung beobachtet werden konnten. Die primäre Intention der Arbeit, die funktionelle Relevanz zentralen OXTs bei der Expression von Angstverhalten und der Streßreaktivität der HPA-Achse zu klären, konnte mittels des Tiermodells der peripartalen Periode nicht weiter verfolgt werden. Erstens verschwand die bei männlichen und virginen Tieren beschriebene Kontrolle der HPA-Achse durch endogenes OXT während Trächtigkeit und Laktation. Zweitens deutet die nur bei trächtigen und laktierenden Tieren beobachtete anxiolytische Wirkung zentralen OXTs eine während der peripartalen Periode von neuroendokrinen Parametern dissoziierte Regulation verhaltensbiologischer Streßreaktionen an. Drittens erlauben die vielfältigen systemischen Modifikationen während der Reproduktion, einschließlich schwankender Konzentrationen von Sexualhormonen und der Veränderungen des endogenen Opiat-Systems, keine unbeeinflußte Untersuchung einzelner Streßhormon-Systeme. Deshalb war es sinnvoller, sich dem Tiermodell der HAB/LAB-Ratten zuzuwenden, das pathophysiologische Veränderungen der Emotionalität vorweist. Hier konnte die Assoziation von verhaltensbiologischen und neuroendokrinen Streßreaktionen selektiv untersucht werden. Zunächst wurden die HAB/LAB-Tiere einer verhaltensbiologischen Charakterisierung unterzogen, die stabile Linien-spezifische Verhaltens-Unterschiede unter allen untersuchten Bedingungen bestätigen konnte. Die neuroendokrine Charakterisierung der Zuchttiere zeigte bei HAB-Männchen eine Assoziation der extremen Ängstlichkeit mit einer erhöhten Reaktivität der HPA-Achse auf einen emotionalen Stressor (open-arm). Jedoch konnte weder im Blut noch im PVN unter basalen oder stimulierten Konditionen eine differentielle Freisetzung von OXT gezeigt werden. Mit diesem Ergebnis konnte kein kausaler Zusammenhang des Linien-spezifisch unterschiedlichen Angstverhaltens und der unterschiedlichen Reaktivität der HPA-Achse auf Streß mit der zentralen oder peripheren OXT-Freisetzung festgestellt werden. Da jedoch eine erhöhte basale und Schwimmstreßinduzierte Freisetzung von AVP im PVN männlicher HABs ermittelt werden konnte, wurden weitere Untersuchungen bezüglich dieses Neuropetides unternommen. So konnte bei männlichen HAB-Ratten mittels in situ Hybridisierung eine signifikant höhere basale Expression von AVP-mRNA in magnozellulären Neuronen des PVN nachgewiesen werden. Die periphere AVP-Sekretion unter basalen und open-arm-stimulierten Konditionen zeigte weder Unterschiede zwischen HABs und LABs noch eine effektive Stimulation durch Streß- Exposition, so daß die erhöhte AVP-mRNA-Expression bei HABs die Grundlage für die gesteigerte zentrale Freisetzung bilden dürfte. Diese Ergebnisse signalisieren eine Interaktion von extremem Angstverhalten, erhöhter Streßreaktivität der HPA-Achse und gesteigerter Freisetzung von AVP im PVN bei HAB-Ratten. Unterstützt wurde diese Theorie auch durch die Normalisierung des pathologischen Dex/CRH-Tests bei HABs durch Applikation eines AVP-Antagonisten. Trotz dieser überzeugenden Hinweise sollten noch weitere Untersuchungen folgen, die durch Ausschalten der hypothalamischen AVP-Freisetzung mittels Antagonisten oder antisense targeting die Kausalität dieser Zusammenhänge klären könnten. Neben der gesteigerten Reaktivität der HPA-Achse zeigten HAB-Ratten eine höhere periphere Freisetzung von Prolaktin unter basalen und Streß-stimulierten Bedingungen. Da dieses Ergebnis u. a. eine differentielle Aktivierung des zentralen Dopaminund /oder Serotonin-Systems andeutet, sollten auch in dieser Hinsicht weitere Untersuchungen erfolgen, da auch diese Neurotransmitter mittelbaren oder unmittelbaren Einfluß auf die HPA-Achse ausüben können und zudem bei der Entstehung von Angst- /Depressions-Erkrankungen beteiligt zu sein scheinen. Wie durch die cross-mating-Studie bestätigt, liegt bei HAB/LAB-Ratten eine eindeutige genetische Determination des zwischen den Linien differierenden angstbezogenen Verhaltens vor. Die Untersuchung perinataler Faktoren ergab zwar eine mögliche hormonelle Beeinflussung von HAB-Föten durch eine chronisch erhöhte Plasmakonzentration mütterlichen Corticosterons, jedoch dürfte diese allenfalls einen modulierenden Einfluß auf die fötale Entwicklung haben. So bietet dieses Tiermodell einzigartige Möglichkeiten nicht nur zum Studium der neuroendokrinen Grundlagen psychopathologischer Emotionalität sondern auch der genetischen Korrelate. Solche genetischen Studien, z. B. die Suche nach "quantitative trait loci" oder genetische Assoziationsstudien bei den HAB/LAB-Ratten werden möglicherweise einen großen Beitrag zum Verständnis der Entstehung psychiatrischer Erkrankungen beim Menschen leisten und zu einer spezifischeren pharmakologischen Therapie führen können.