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Fakultät für Chemie und Pharmazie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 02/06
Die vorliegende Dissertation stellt die Ergebnisse der Untersuchungen auf zwei Themengebieten vor: Synthese und Struktur neuer Organophosphor-Chalkogen-Verbindungen ausgehend von speziellen Dichlorphosphanen RPCl2 durch Kondensation mit Natriumchalkogeniden Na2Chx (x = 1,2; Ch = S, Se, Te) einerseits sowie erstmalige Untersuchungen zur Synthese und Struktur kationischer Phosphor-Chalkogen-Polycyclen andererseits. Als Edukte wurden Dichlorphosphane mit besonderen sterischen, elektronischen oder mobilen Eigenschaften der organischen Substituenten verwendet. Es gelang für neun solche Dichlorphosphane mit zum Teil sehr unterschiedlichen Eigenschaften Synthesen zu optimieren oder neu zu entwickeln. Erstmals wurden Aroxy- und Alkoxydichlorphosphane sowie das Trifluormethyldichlorphosphan strukturell durch Röntgenbeugung an Einkristallen untersucht. Mit den neun Dichlorphosphanen wurden systematische Untersuchungen der Kondensationsreaktionen mit Natriumchalkogeniden, insbesondere mit Natriumseleniden und -telluriden, durchgeführt. Dabei wurde eine ganze Reihe neuer Verbindungen in den quasibinären Systemen RP/Se und RP/Te identifiziert und charakterisiert. Es konnten die ersten Kristallstrukturen von Triselenatriphosphinanen (RP)3Se3, die erste Struktur eines Telluratriphosphetans (AdP)3Te und die erste Kristallstruktur eines durch eine Se4-Brücke verbundenen Selenodiphosphatdiesters erhalten werden. Eine Vielzahl weiterer neuer Verbindungen wurde NMR-spektroskopisch identifiziert und charakterisiert, darunter viele neue P/Te-Heterocyclen wie z.B. Ditelluradiphosphetane, Tritelluratriphosphinane und Ditelluratriphospholane. Bei den Selenophosphonatanionen konnten von vielen Substanzklassen neue Vertreter erstmals strukturell untersucht werden. So wurden mehrere Strukturen der Natriumsalze von Triselenophosphonatanionen und Selenodiphosphonatanionen mit einer Diselenidbrücke untersucht. Es werden das erste strukturell untersuchte Triphosphonat und Triselenoxodiphosphonat ebenso vorgestellt wie drei neue Natriumsalze von Diselenophosphatestern. Das zweite Forschungsgebiet bestand aus systematischen Untersuchungen der Synthese und Struktur von Organophosphor- Chalkogen-Kationen. Untersucht wurde die direkte Alkylierung der Phosphorchalkogenide P4S3 und P4Se3 mit Alkyl- oder Arylhalogeniden, welche zu neue Kationen RP4Chx + (x = 3, 4, 5) führten. Diese Kationen wurden durch Heterokern-NMR-Spektroskopie identifiziert und ihre Struktur in Lösung aufgeklärt. Von dem zu α-P4S5 isolobalen Kation AdP4S4+ konnte ein Röntgenbeugungsexperiment an Einkristallen des Tetrachloroaluminatsalzes durchgeführt werden. Ebenso wurde das erste P/Se/C-Kation P3Se3CH2+ röntgenographisch und NMR-spektroskopisch untersucht. Der Höhepunkt der Arbeit ist die Synthese, Strukturbestimmung durch Röntgenbeugung an Einkristallen und die vollständige 31P- und 77Se-NMR-spektroskopische Charakterisierung des ersten binären Phosphor-Chalkogen-Kations [P3Se4+][AlCl4−] überhaupt, welches Nortricyclenstruktur besitzt.
Fakultät für Geowissenschaften - Digitale Hochschulschriften der LMU
In dieser Arbeit wurde das Wachstumsverhalten dekagonaler Quasikristalle untersucht. Zur besseren Vergleichbarkeit wurden die Experimente mit Schmelzen der Zusammensetzung Al77Co6Ni17 durchgeführt, aus welcher dekagonale Einkristalle mit einer durchschnittlichen Zusammensetzung von d-Al72Co9Ni19 gewonnen werden können. Zusätzlich wurden in dem verwandten ternären System Al-Co-Cu Züchtungsexperimente durchgeführt. Dort zeigt die dekagonale Phase der Zusammensetzung d-Al67.5Co20.0Cu12.3 ebenfalls ein kinetisch gehemmtes Wachstumsverhalten entlang der quasiperiodischen Orientierungen. Für die Ziehgeschwindigkeit bei der Züchtung von Einkristallen sind noch engere Grenzen gesetzt, als es im System d-Al-Co-Ni der Fall ist. In beiden untersuchten Systemen können die quasikristallinen Phasen nur aus Al-reichen, nichtstöchiometrischen Schmelzen gezüchtet werden, wobei sich die einzelnen Experimente über eine Dauer von mehreren Wochen erstreckten. Dies machte die Neukonstruktion einer UHV-gedichteten Wachstumskammer notwendig, um die Schmelzen vor Oxidation zu schützen. Eine freie Schmelzenoberfläche stellt für alle Wachstums- und Kinetikexperimente eine Grundvoraussetzung dar. Aus den schon vor Beginn dieser Arbeit weitgehend beherrschten Bedingungen für die CZOCHRALSKI-Züchtung ist die ausgeprägte Wachstumsaniosotropie von dekagonalen AlCoNi-Einkristallen bekannt. Dabei beobachtet man eine hohe Wachstumsgeschwindigkeit entlang der Orientierung der zehnzähligen, periodischen Achse [00001], während das laterale Wachstum entlang der zweizähligen, quasiperiodischen Richtungen [10000] und [10-100] kinetisch gehemmt ist. An den gezüchteten Einkristallen kann das Auftreten von Flächen fünf unterschiedlicher kristallographischer Formen {h1h2h3h4h5} beobachtet werden: Das Pinakoid {00001}, das dekagonale (Haupt-) Prisma {10000} und (Neben-) Prisma {10-100}, sowie zwei dekagonale Dipyramiden {0-1-101} und {10-102}. Die am Kristallmantel beobachteten Facetten dieser Formen sind das Ergebnis von Wachstumsprozessen an der Dreiphasenkoexistenzlinie und lassen keine Rückschlüsse auf das Wachstum zu, weil sie nicht repräsentativ für das Zweiphasengleichgewicht an der Wachstumsfront sind. Den Flächen der beiden dekagonalen Dipyramiden {0-1-101} und {10-102} galt jedoch besonderes Interesse. Sie stellen die morphologische Entsprechung so genannter inclined net planes dar. Dabei handelt es sich um bezüglich der periodischen Achse [00001] geneigte Netzebenen des Quasikristalls, welche die beiden widersprüchlichen Ordnungsprinzipien der Translationsperiodizität und die Quasiperiodizität miteinander verbinden. Ihre Bedeutung ist aus Röntgenbeugungsexperimenten bekannt, wobei bisher unklar war, ob sie eine Bedeutung für das Wachstum von dekagonalen Quasikristallen haben. Die Experimente dieser Arbeit sind in zwei Gruppen untergliedert: a. Experimente zur Morphologie gezüchteter dekagonaler Quasikristalle b. Experimente zur Wachstumskinetik dekagonaler Quasikristalle Zu den unter Punkt a. genannten Experimenten gehörten CZOCHRALSKI-Züchtungsexperimente in den ternären Systemen d-Al-Co-Ni und d-Al-Co-Cu und Substratexperimente unter Verwendung großvolumiger d-AlCoNi-Keime, sowie ein Kugelwachstumsexperiment. Die unter Punkt b. aufgeführten Experimente zur Wachstumskinetik beinhalteten die CZOCHRALSKI-Abreißexperimente und ergänzend Kontaktwinkelmessungen zur Bestimmung der Oberflächenenergie orientierter Quasikristalloberflächen. Mit den CZOCHRALSKI -Züchtungsexperimenten wurde in einer Reihe von konventionellen Züchtungsexperimenten das Wachstum und die Morphologie dekagonaler Quasikristalle untersucht. Dabei war die Morphologie der Zweiphasengrenze l-s von besonderem Interesse. Hier wurde das Wachstum von Einkristallen in definierten Orientierungen [h1h2h3h4h5] durch ein schnelles Trennen des Kristalls von der Schmelze unterbrochen und ex situ untersucht, welche kristallographischen Formen {h1h2h3h4h5} an der Zweiphasengrenzfläche l-s morphologisch auftreten. In den Züchtungsexperimenten parallel der zehnzähligen Achse [00001] zeigt der wachsende Kristall einen rotationssymmetrischen, dekaprismatischen Habitus. An der Dreiphasengrenze v-l-s werden Flächen der Form des dekagonalen (Haupt-) Prismas {10000 und in geringerer Größe Flächen der Form des dekagonalen (Neben-) Prismas {10-100} gebildet, welche die dekaprismatische Wachstumsmorphologie bestimmen. Diese Flächen entstehen trotz der durch die Kristall- und Tiegelrotation in dem thermischen Feld aufgeprägten Rotationssymmetrie und bleiben gegenüber der bestehenden Unterkühlung stabil. Die Wachstumsfront konnte durch das schnelle Trennen des in [00001]-Orientierung gezüchteten Kristalls von der Schmelze (Dekantieren) nicht konserviert werden. In jedem Fall kristallisierte an der ehemaligen Wachstumsfront anhaftende Restschmelze unter Bildung dekagonaler (Hohl-) Nadeln aus, womit eine großflächige Beobachtung der Zweiphasengrenze l-s in dieser Experimentserie nicht möglich war. Im Fall der Züchtung parallel der beiden zweizähligen, symmetrisch nicht äquivalenten Achsen [10000] bzw. [10-100] wird die Zweiphasengrenzfläche immer von der zehnzähligen Achse [00001] und der weiteren zweizähligen Achse [10-100] bzw. [10000] aufgespannt. Dabei zeigt sich sehr deutlich die Anisotropie der Wachstumsgeschwindigkeiten der periodischen und aperiodischen Kristallorientierungen mit der Ausbildung eines ovalen Kristallquerschnittes, wobei die schnellwachsende zehnzählige Achse die lange Halbachse und eine zweizählige Achse die kurze Halbachse des Ovals bilden. Die jeweilige Dreiphasenkoexistenzlinie am Meniskus ist in der [00001]-Richtung nicht facettiert, d.h. hier wird das Wachstum durch den rotationssymmetrischen Verlauf der Isothermen an der Schmelzenoberfläche begrenzt. Im Gegensatz dazu bildet der Kristall senkrecht zu der Richtung der zweizähligen Achse Flächen der Form des dekagonalen (Haupt-) Prismas {10000} aus. Nach dem Dekantieren der Grenzfläche l-s beobachtet man für jede der zweizähligen Züchtungsrichtungen eine individuelle Morphologie der ehemaligen Wachstumsfront. Für die Züchtungsrichtung parallel der [10000]-Orientierung zeigt sich eine singuläre Fläche (10000), die senkrecht zur Ziehrichtung verläuft als Wachstumsfläche am der Zweiphasengrenze l-s. Im Fall der Züchtungsrichtung parallel der [10-100]-Orientierung zeigt sich ein anderes Bild: Die Zweiphasengrenze l-s ist in einzelne, um ±18° gegen die Ziehrichtung verkippte Flächen der Form des dekagonalen (Haupt-) Prismas {10000} zerfallen, sodass deren Einhüllende die Wachstumsfläche (10-100) bildet. Aus der Bildung einer facettierten Wachstumsfront in diesen Orientierungen erkennt man, dass das Wachstum hier über atomar glatte Grenzflächen erfolgt. In diesem Fall sind den parallelen Verschiebungsgeschwindigkeiten beider Orientierungen kinetische Grenzen gesetzt. Bei der Züchtung entlang der geneigten Kristallorientierungen der dekagonalen Dipyramiden [0-1-101] und [10-102] beobachtet man die Bildung einer Wachstumsmorphologie, die ebenfalls nicht mehr rotationssymmetrisch ist, aber entsprechend der Symmetrie der Kristallklasse 10/m 2/m 2/m eine Spiegelsymmetrie enthält. An der Dreiphasengrenzlinie v-l-s zeigen die Kristalle eine deutliche Querschnittszunahme in der Orientierung der zehnzähligen Komponente [00001] und sind dort durch das thermische Feld scharf begrenzt. Der übrige Umfang wird von Flächen der Form {10000} begrenzt. Nach dem Trennen des Kristalls von der Schmelze erkennt man für beide Kristallorientierungen eine komplex zusammengesetzte Zweiphasengrenzfläche l-s. Die Komponente der schnellwachsenden, zehnzähligen Orientierung [00001] ist in dekagonale Nadeln zerfallen während die Komponente senkrecht dazu von Flächen des dekagonalen (Haupt-) Prismas {10000} gebildet wird, welche wiederum die Wachstumsfläche darstellen. Die einzelnen Flächen {10000} sind dabei um 36° gegeneinander orientiert. Die {10000}-Flächen besitzen keine Komponente parallel zu der ausgedehnten Schmelzenoberfläche und folgen demnach keinem Isothermenverlauf, woraus vor der facettierten Grenzfläche l-s deutliche Unterkühlungen entstehen. Für die Züchtung parallel der Orientierung [10-102] sind die Segmente der {10000}-Flächen um 18° im Vergleich mit der Anordnung für die Orientierung parallel [0-1-101] verdreht angeordnet. Die Substratexperimente stellten einen Ansatz dar, um mit einer an das schnelle Trennen des Kristalls von der Schmelze gekoppelten stark beschleunigten Kristallrotation die an der Wachstumsfront anhaftende Restschmelze vor dem Erstarren abzuschleudern. Dazu wurden massive Keime eingesetzt, die eine großflächige Zweiphasengrenze l-s nach einer nur geringen Wachstumsdistanz bereitstellen. Hier musste erkannt werden, dass es prinzipiell nicht möglich ist, einen Flüssigkeitsfilm, der den Kristall benetzt, restlos von einer Grenzfläche durch Abschleudern zu entfernen. In einigen Fällen konnte die anhaftende Restschmelze aus einigen Bereichen der Zweiphasengrenze l-s vor deren Erstarren entfernt werden, sodass die ehemaligen Wachstumsfront ex situ untersucht werden konnte. Im Fall der Züchtungsrichtung parallel der zehnzählige Achse [00001] konnte so nachgewiesen werden, dass das Wachstum nicht über ebenmäßige Flächen erfolgt. Die Wachstumsfront stellt sich als eine gleichmäßig gekrümmte Fläche dar, die dem Verlauf der Schmelzpunktisothermen folgt. Als Ergebnis kann man den Schluss ziehen, dass das Wachstum entlang der [00001]-Orientierung über eine atomar raue Grenzfläche erfolgt, was unter wachstumskinetischen Gesichtspunkten höhere Ziehgeschwindigkeiten ermöglicht. Die Identifizierung des kinetischen Limits des Wachstums in dieser Orientierung ist durch die einsetzenden Effekte der konstitutionellen Unterkühlung verdeckt. Die Züchtung großer dekagonaler AlCoCu-Quasikristalle gelang im Rahmen dieser Arbeit erstmals. Frühere Experimente unter Nutzung der spontanen Keimbildung blieben erfolglos. Es kann angenommen werden, dass in diesem System eine größere Keimbildungsarbeit zur Bildung der festen Phase aufgewendet werden muss, als in dem ternären System Al-Co-Ni der Fall ist. Mit der Bildung der festen Phase bricht die Unterkühlung zusammen und es resultiert ein polykristallines Wachstum. In den Züchtungsexperimenten unter Verwendung [00001]-orientierter d-AlCoNi-Keime war zu beobachten, dass der zuvor beschriebene Effekt später einsetze und eine zunächst dekaprismatische Wachstumsmorphologie zunehmend an struktureller Perfektion verlor. Erst der Wechsel der Züchtungsrichtung zu den langsamwachsenden, zweizähligen Orientierungen [10000] und [10-100] führte zu einem kontrollierbaren, einkristallinen Wachstum. Auch hier zeigte die dekantierte Wachstumsfront, dass als Wachstumsfläche an der Zweiphasengrenze l-s allein Flächen der Form des dekagonalen (Haupt-) Prismas {10000} auftreten. Das gemeinsame Ergebnis aller Studien zur Züchtung von dekagonalen Quasikristallen nach dem CZOCHRALSKI-Verfahren ist das Auftreten des dekagonalen (Haupt-) Prismas {10000} als Wachstumsfläche an der Zweiphasengrenze l-s. Auch können an der Peripherie der Kristalle außer den beiden bekannten Formen der dekagonalen Dipyramide keine weiteren Flächen geneigter Formen beobachtet werden. Das Kugelwachstumsexperiment bot die Möglichkeit, das Wachstum aller symmetrisch nicht äquivalenten Kristallorientierungen einer Kristallart an einem sphärisch präparierten Individuum zu beobachten. Dieses experimentell aufwändige Experiment wurde erstmals in der beschriebenen Art in einem intermetallischen System realisiert. Nach dem Experiment konnte auf der Kugeloberfläche das Auftreten von Flächen nachgewiesen werden, die den beiden Formen des dekagonalen Prismas {10000} sowie {10-100} zugeordnet werden können. Sie sind das Ergebnis von Wachtumsprozessen an der Zweiphasengrenze l-s und stellen somit Wachstumsflächen dar. Das Auftreten von Flächen genegter Formen konnte nicht beobachtet werden. Da weite Bereiche der Kugeloberfläche von Oxiden bedeckt und somit einer detaillierten Beobachtung unzugänglich waren, ist ihre Nichtexistenz jedoch noch nicht hinreichend bewiesen. Mit den CZOCHRALSKI-Abreißexperimenten wurde die maximale flächenspezifische Kristallisationsgeschwindigkeit von dekagonalen AlCoNi-Quasikristallen bestimmt. Dazu konnte die Grundidee CZOCHRALSKIS verfolgt und an die Besonderheiten inkongruenter Schmelzen in einem Multikomponentensystem angepasst werden. Das Limit für die Kristallisationsgeschwindigkeit parallel der zehnzähligen Achse [00001] ist derart hoch, dass noch vor dem (kinetisch bedingten) Abreißen des Kristalls von der Schmelze die Effekte der konstitutionellen Unterkühlung einsetzen. Es entstehen Störungen an der Wachstumsfront, unter denen unrealistisch hohe Ziehgeschwindigkeiten möglich werden, die jedoch nicht mehr zu einer defektarmen Kristallzüchtung führen. Die maximale Kristallisationsgeschwindigkeit kann in dieser Orientierung nach dieser Methode nicht bestimmt werden, weil die Grenzen der konstitutionellen Unterkühlung überschritten werden, bevor das wachstumskinetische Limit erreicht ist. In den symmetrisch nicht äquivalenten, zweizähligen Kristallorientierungen [10000] und [10-100] wurden für jede Orientierung mehrere Abreißereignisse unter verschiedenen erhöhten Ziehgeschwindigkeiten vz+ durchgeführt und die Zeit t bis zum Abriss des Kristalls von der Schmelze gemessen. Die gewonnenen t(vz)-Werte zeigen einen linearen Zusammenhang zwischen der Ziehgeschwindigkeit vz und der reziproken Zeit t bis zum Trennen von Kristall und Schmelze auf, wobei die t(vz)-Werte für die [10000]-Orientierung eine deutlich größere Streuung zeigen als für die [10-100]-Orientierung. Die ermittelten Werte lassen keinen signifikanten Unterschied für die maximale Kristallisationsgeschwindigkeit vkr der beiden Kristallorientierungen [10000] und [10-100] erkennen. Als Ursache für das weniger gut reproduzierbare Abreißverhalten der singulären Grenzfläche (10000) wurde eine mechanische Ursache angenommen, die anhand eines einfachen Modellexperimentes (Benetzungsexperiment) überprüft wurde. Für modellhafte Nachbildungen der singulären Grenzfläche (10000) und der komplexen Grenzfläche {10-100} wurde die Reproduzierbarkeit des Abreißverhaltens bei verschiedenen Fehlorientierungen untersucht. Dazu wurden zylindrische Prüfkörper von gleichem Durchmesser hergestellt, wobei die Grenzfläche l-s im Fall der (10000)-Fläche eine ebene, parallel zur Oberfläche der Testschmelze orientierte Fläche darstellte. Die Grenzfläche l-s im Fall der komplexen (10-100)-Fläche, die aus gegeneinander orientierten Segmenten von Flächen der Form {10000} aufgebaut ist, wurde aus zwei eben Flächen, deren Flächennormalen um +18° bzw. -18° gegen die Oberfläche der Testschmelze geneigt sind, dargestellt. Dabei konnte festgestellt werden, dass sich das Abreißverhalten der komplexen Grenzfläche {10-100} als invariant gegenüber Fehlorientierungen erwiesen hat. Eine singuläre, parallel zur Schmelzenoberfläche orientierte Grenzfläche {10000} zeigt dagegen eine schlechte Reproduzierbarkeit der einzelnen Abreißereignisse. Mit diesem Ergebnis kann die breite Streuung der Experimente für die (10000)-Grenzfläche erklärt werden. Die Bestimmung der Oberflächenenergie von präparierten (00001)-, (10000)- und (10-100)-Oberflächen dekagonaler AlCoNi-Quasikristalle erfolgte über Kontaktwinkelmessungen. Mit den Testflüssigkeiten Wasser und Dijodmethan konnten die polare und die dispersive Komponente der Oberflächenenergie getrennt voneinander bestimmt werden. Die Kontaktwinkelmessungen mussten unter Umgebungsbedingungen erfolgen, d.h. die Quasikristalloberflächen befanden sich nicht im thermodynamischen Gleichgewicht mit ihrer eigenen Schmelze. Dabei wurden Ergebnisse gewonnen, die die Aussagen aus den Kinetikexperimenten ergänzen. Es wurde für die (10000)-Oberfläche eine geringere Oberflächenenergie als für die (10-100)-Oberfläche gefunden. Nach der klassischen Theorie des Kristallwachstums bedeutet eine geringe Oberflächenenergie, dass das Wachstum über eine atomar glatte Phasengrenze geschieht. Daraus resultiert eine geringe parallele Verschiebungsgeschwindigkeit der betreffenden Fläche, womit für die Flächen des dekagonalen (Haupt-) Prismas eine geringere parallele Verschiebungsgeschwindigkeit als für die Flächen des dekagonalen (Neben-) Prismas {10-100} erklärt werden kann. Diese Annahme wird durch die Beobachtungen bezüglich des Auftretens von Flächen der Form {10-100} in dem Kugelwachstumsexperiment bestätigt. Sie treten im Anfangsstadium des weiteren Wachstums auf der Kugeloberfläche noch auf, wachsen schneller und verschwinden folglich aus der Morphologie. Die in dieser experimentellen Arbeit gewonnenen Ergebnisse können kein theoretisches Modell zum Verständnis des quasikristallinen Wachstum liefern. Vielmehr lassen sich die beobachteten Wachstumsphänomene mit den theoretischen Vorstellungen des Wachstums periodischer Kristalle hinreichend gut erklären. Es bleibt die Frage offen, wie groß der Einfluss der quasiperiodischen Ordnung auf das (Quasi-) Kristallwachstum ist oder ob die beobachteten Phänomene nicht einzig ein Resultat der komplexen Struktur dieser intermetallischen Legierungen sind.
Fakultät für Chemie und Pharmazie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/06
Das Ziel dieser Arbeit war die Charakterisierung und Synthese neuer Halogen- und Pseudohalogenverbindungen und die Untersuchung mit Hilfe von quanten– mechanischen Rechnungen. Im Folgenden sind kurz die Ergebnisse der in den Kapiteln C, D und E vorgestellten Arbeiten zusammengefasst. Die in der vorliegenden Arbeit dargestellten Verbindungen und ihre Charakterisierung sind in Tabelle F1 aufgeführt. In der letzten Spalte sind die Literaturstellen der bereits veröffentlichten Arbeiten angegeben. Durch die Ergebnisse im Rahmen dieser Dissertation konnten neue Erkenntnisse über den Zusammenhang von Struktur und chemischer Bindung der untersuchten Verbindungen gewonnen werden. Des Weiteren konnten mit Hilfe quantenmechanischer Rechnungen neue Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Stabilität, Ladungsverteilung und Reaktionsverhalten der verschiedensten Halogen und Pseudohalogenverbindungen gewonnen werden. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Kombination von experimentellen Methoden, wie Schwingungsspektroskopie, NMR-Spektroskopie und Röntgenbeugung, mit quantenmechanischen Rechnungen ein hervorragendes Mittel ist, um die chemische Bindung von Halogen und Pseudohalogenverbindungen zu beschreiben. Dies konnte eindrucksvoll in den Studien zu den Thiazylhalogeniden, Triazinpseudohalogenverbindungen und Halogencyan-Addukten gezeigt werden. In Tabelle F2 sind die in dieser Arbeit mit quantenmechanischen Rechnungen charakterisierten Verbindungen aufgeführt. F1 Thiazylhalogenide (Kapitel C) Erstmals konnte die Struktur des NSCl2 –-Anions (Thiazyldichloridanion), dass zu einer neuen Klasse sehr labiler ternärer Anionen des Typs NSX2 – (X = Halogen) gehört, durch Röntgenbeugung an Einkristallen gelöst werden. Bisher wurde keine Verbindung, die das „nackte“ Anion enthält, strukturell charakterisiert. Bei der theoretischen Untersuchung des Cl–-Acceptorverhaltens und der Thermodynamik von NSCl wiesen ab-initio-(CCSD(T))- und Dichtefunktional- Rechnungen (B3LYP) auf einen barrierefreien Angriff des Cl–-Anions auf das NSCl- Molekül hin, welcher zur Bildung des NSCl2 –-Anions führt. Diese Reaktion stellt eine exotherme Lewis-Base-Lewis-Säure-Reaktion dar mit einer berechneten molaren Enthalpie von ∆H298 = –124.6 kJ mol–1, die zu einem Ladungstransfer von QCT = 0.385e (B3LYP/6-311+G(3df)) führt. Die Auswertung der IR- und Raman-Spektren ergab in Kombination mit den Ergebnissen von quantenmechanischen Rechnungen, dass die Cl-Atome sehr schwach an ein fast als SN+-Ion vorliegendes Kation gebunden sind. Die hervorstechenden strukturellen Besonderheiten des NSCl2 – lassen sich mit einfachen, qualitativen MO- und VB-Betrachtungen erklären: Die NSCl-Bindung kann als neuartige Vier-Elektronen-Drei-Zentren-Bindung, die die S-Cl-σ-Bindung mit der S-N-π-Bindung verknüpft, aufgefasst werden. Es gibt zwei solcher Vier-Elektronen-Drei-Zentren-Bindungen. In den umfassenden Studien zu den NSX2 –-Anionen (X = F, Cl, Br, I) wurde festgestellt: (i) durch Cl–/F–-Austausch ist es möglich das NSF2 – aus NSCl2 – in Lösung zu bilden; (ii) die Bildung von NSBrCl– im Festkörper und Lösung und die Bildung von NSBr2 – im Festkörper konnte nachgewiesen werden, wobei diese Verbindungen sehr instabil sind und sehr schnell weiterreagieren; (iii) die NSX2 –-Salze (X = Br, I) zerfallen unter Bildung von S4N4 bzw. polymeren (SN)x in Abhängigkeit von den Reaktionsbedingungen; (iv) die Polarität des Lösemittels besitzt einen großen Einfluss auf den Zerfall von Thiazyldichlorid und die Zerfallsprodukte. Die quantenmechanischen Rechnungen zu den NSX2 –-Anionen ergaben: (i) Alle betrachteten Verbindungen sind bezüglich der Bildungsreaktion thermodynamisch stabil. (ii) Alle Reaktionen sind exotherm, wobei die Fluor-Spezies erwartungsgemäß die kleinsten freien Reaktionsenthalpien und die Iod- Spezies die größten besitzen. (iii) Überraschend niedrig ist im Vergleich zu den Halogenen die freie molare Reaktionsenthalpie für die Bildung von NSH2 –. (iv) Alle NSXY–-Verbindungen repräsentieren hoch-polarisierte Moleküle, wobei die Polarisation der S-N- bzw. S-X-Bindung von den FVerbindungen zu den I-Verbindungen abnimmt. Die Bildungsreaktion (NSX + Y–) entspricht einer Donor-Acceptor-(charge transfer)-Reaktion, die barrierefrei verläuft. (v) Im Einklang mit den berechneten Strukturdaten (lange S-X- bzw. S-YBindungslängen, kurze S-N-Bindungen) zeigt die Elektronendichteverteilung in der NSCl-Ebene viel Elektronendichte zwischen der S-N-Bindung und nur wenig zwischen der S-Cl-Bindung. Dies deutet daraufhin, dass die ionischen Verbindungen NSX2 – bzw. NSXY– am besten als NS+ X– Y– mit schwachen kovalenten S-X- bzw. S-YWechselwirkungen beschrieben werden sollten (s.o.). (vi) Die Bindungssituation in den NSX2 –-Verbindungen lässt sich durch zwei Vier-Elektronen-Drei-Zentren-Bindungen mit „geschwächten“ S-X- und S-Y-σ-Bindungen und „geschwächten“ S-N-πx- und πy-Bindungen beschreiben. Die zunehmende Schwächung der Vier-Elektronen-Drei- Zentren-Bindungen ist durch die geringer werdende Überlappung in der Reihe F > Cl > Br > I (F: S-X-σ-S-N-π-Orbital; I: reines S-N-π-Orbital) zu erklären (siehe Abbildung C9). (vii) Die N-S-X-Winkel sind vom Halogen wenig beeinflusst und liegen bei 113 bis 115°. Der X-S-X-Winkel nimmt von X = H zu X = Br kontinuierlich von 77.4° auf 112.7° (B3LYP) zu. Aus den Ergebnissen der Umsetzung des NSCl2 –-Anions mit verschiedensten Übergangsmetallkomplexen kann folgendes geschlossen werden: (i) die Chloro-Liganden des NSCl2 –-Anions sind, wie schon aus den Rechnungen und Strukturdaten in Kapitel C1 hervorgeht, sehr schwach an den Schwefel gebunden, wodurch eine Cl–-Abstraktion begünstigt wird; (ii) keiner der verwendeten Übergangsmetallkomplexe ist in der Lage, das NSCl2 –-Anion ohne Zersetzung zu stabilisieren; (iii) die Reaktion mit Übergangsmetallchloriden forciert je nach Reaktionsbedingungen die Zersetzung des NSCl2 –-Anions zu NSCl/(NSCl)3, S2N2, S3N2 2–, S4N4 und Cl2. F2 Pseudohalogenchemie des s-Triazins (Kapitel D) Bei der Untersuchung des Reaktionsverhaltens der Pseudohalogenverbindungen MX (mit M = K, Na, Ag; X = NNN, OCN, CNO, SCN und SeCN) mit 2,4,6–Trichloro– 1,3,5–triazin (Cyanurchlorid) zeigte sich, dass (i) nur die Azide und Thiocyanate geeignet sind, das Cyanurchlorid im Sinne einer nucleophilen Substitution anzugreifen. (ii) die Bildung der analogen Selenocyanate und Cyanate bzw. der entsprechenden Iso-Verbindungen nicht beobachtet werden konnte. (iii) die Isocyanate 35 und 36 nur über die ein- bzw. zweifachsubstituierten Amine, durch Reaktion mit Oxalylchlorid oder Phosgen unter Abspaltung von Salzsäure und Kohlenmonoxid, dargestellt werden können. (iv) die Darstellung des Triisocyanatotriazins aus Melamin nicht gelang, da für diese Reaktion elektronenziehende Substituenten am Triazinring nötig sind. Die Verbindungen 26[60b], 35, und 36 konnten mit Hilfe der Schwingungsspektroskopie, der NMR-Spektroskopie und anhand von Einkristallröntgenstrukturanalysen charakterisiert werden. (v) die nucleophile Substitution der verbleibenden Chloratome in 35 und 36 durch Umsetzung mit anderen Pseudohalogeniden (z.B. LiN3, Na/K-N3, - NCO, -SCN, -CN) nicht möglich ist, da die Isocyanate durch ihre elektronenschiebenden Eigenschaften den Triazinring deaktivieren und somit eine weitere nucleophile Substitution am Ring verhindern. Bei der Reaktion von 2,4,6–Triazido–1,3,5–triazin (26) mit Triphenylphosphan in verschiedenen molaren Verhältnissen konnten die Verbindungen 29, 31 und 32 mit Hilfe der Schwingungsspektroskopie, der NMR-Spektroskopie und der Röntgenbeugung eindeutig charakterisiert werden (Gleichung F1). Des Weiteren konnten die Verbindungen 27 und 28, die in Lösung im Gleichgewicht mit 31 und 32 vorliegen, anhand ihrer 31P-NMR-Resonanzen nachgewiesen werden. Alle drei Stufen der Reaktion von 2,4,6–Triazido–1,3,5–triazin mit Triphenylphosphan repräsentieren exotherme Reaktionen. Nur für die Verbindungen 27 und 28 kann in Lösung ein Gleichgewicht zwischen dem Tetrazol- und dem Azidisomer gefunden werden. Die experimentelle Beobachtung des Azid-Tetrazol-Gleichgewichtes 27 a 31 und 28 a 32, im Gegensatz zu 26 a TR1 (ohne PPh3-Gruppen, Abbildung D1), kann durch die thermodynamische Stabilisierung des Tetrazolisomers nach der Einführung der Triphenylphosphangruppe erklärt werden (Abbildung D5). Aus den Rechnungen und den Experimenten ergab sich: (i) eine relativ große Aktivierungsbarriere für die Cyclisierung von ca. 20 bis 25 kcal mol–1, die mit der ungünstigen elektrostatischen Abstoßung zwischen dem terminalen Stickstoff der Azidgruppe und dem Stickstoffatom im Ring und ebenso durch das Abwinkeln der Azidgruppe erklärt werden kann. (ii) dass die Einführung von Triphenylphosphangruppen zu stärker polarisierten C-N-Bindungen im Ring und zu einem Ladungstransfer in das Triazinringsystem führt. (iii) der orbitalkontrollierte Ringschluß wird durch einen nicht unerheblichen Ladungstransfer in den Tetrazolring begleitet und stabilisiert so thermodynamisch das Tetrazolisomer. Diese Ladungsumverteilung erklärt die wichtige Rolle der Triphenylphosphangruppen bei der Ringschlussreaktion, da sie als gute Elektronendonatoren gelten. F3 Pseudohalogenchemie von P-N-Verbindungen (Kapitel E) Bei der Untersuchung des Reaktionsverhaltens von Trimethylsilyltriphenylphosphanimin mit den Halogen-Pseudohalogenverbindungen ClCN, BrCN und ICN zeigte sich, (i) dass es nur für die Reaktion mit ICN möglich ist das Addukt im Festkörper zu stabilisieren; (ii) dass das ClCN-Addukt spontan zu Ph3PNCN und ClSiMe3 zerfällt; (iii) dass das BrCN-Addukt zwar etwas stabiler ist, jedoch auch langsam zu Ph3PNCN und BrSiMe3 zerfällt; (iv) dass die Zugabe von KF oder eine Temperaturerhöhung zur sofortigen Bildung von Ph3PNCN führt. Das ICN-Molekül ist aufgrund der Wechselwirkungen mit dem N-Atom der Ph3PNSiMe3-Einheit leicht gewinkelt (ca. 176°). Die VB-Betrachtung der NBOAnalyse ergibt, dass es weder am I- noch am P-Atom zu nennenswerten d-Orbital- Erweiterungen kommt. Bei der Untersuchung der Donor-Acceptor-Wechselwirkungen zeigten sich schwache Wechselwirkungen zwischen den beiden freien Elektronenpaaren (p-AOs) des N-Atoms der Ph3PNSiMe3-Einheit mit dem leeren antibindenden σ*-Orbital des ICN-Fragmentes. Die Untersuchung des Reaktionsverhaltens verschiedenster Pseudohalogenidverbindungen MX (M = K, Na, Li, Ag; X = N3, SCN, OCN, SeCN, CNO) mit Hexachlorocyclotriphosphazen in unterschiedlichen Lösungsmitteln zeigte, dass nur die Azid- und Isothiocyanat-Verbindungen gebildet werden. Die Einkristall- Röntgenstrukturanalyse von Hexaisothiocyanatocyclotriphosphazen zeigte, dass der (PN)3-Ring abgewinkelt ist. Bei der Reaktion von KN3 mit Triphenylphosphan, [PN(Cl)2]3 und Kronenether in peroxidhaltigem THF kristallisierte interessanterweise nicht das erwartete Staudingerprodukt aus, sondern der Kronenetherkomplex [K([18]krone–6)(N3)- (OPPh3)]. Die Umsetzung mit KOCN, KSCN und KSeCN führte ebenfalls zu den analogen Kronenetherkomplexen.