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Am Rande des Treffens des German Chapters of European Women in Mathematics sprach Gudrun mit Carla Cederbaum. Das Treffen der Mathematikerinnen fand am 3. und 4. Mai 2018 im Mathematikon in Heidelberg statt. Carla hielt einen der Hauptvorträge und gab einen Einblick in ihre Forschung unter dem Titel "Where is the center of mass of a star -- and what does this have to do with Mathematics?" Die Ideen der Vorlesung dienten als Einstieg in das Gespräch zum Arbeitsgebiet von Carla: Mathematische Relativitätstheorie. Dieses Thema schlägt eine Brücke zwischen Physik und Mathematik. Carla hat sich schon immer sehr für Mathematik und Physik interessiert und sich zunächst für ein Physikstudium entschieden. Später hat die Mathematik sich als attraktiver erwiesen, aber die physikalische Anwendungen liegen ihr weiterhin am Herzen. Nun benutzt sie mathematische Methoden der geometrischen Analysis und Differentialgeometrie gemeinsamen mit ihren grundlegenden Vorstellungen von Physik für ihre Forschung. Im Zentrum des Vortrages stand, welche Schritte es möglich gemacht haben, das klassische Konzept Schwerpunkt auf die Situation zu übertragen, dass sich Objekte so wie Sterne oder Galaxien so schwer sind bzw. sich so schnell bewegen, dass sie den Gesetzmäßigkeiten der Relativitätstheorie unterliegen. Der Schwerpunkt eines physikalischen Systems ist eines der ältesten und grundlegendsten Konzepte der mathematischen Physik und Geometrie. Das Verstehen der Position und Bewegung des Massenschwerpunktes eines Systems ist oft der erste Schritt zum Verständnis der Gesamtdynamik des Systems. Geht man jedoch über die klassische Mechanik hinaus, wird der Begriff immer komplizierter und muss neu definiert werden. Beispielsweise hängt der Schwerpunkt einer Massenverteilung in besonderer Weise vom gewählten Beobachter ab und er muss sich für Objekte wie schwarzes Löcher eignen. Hier kann er nicht als "Ereignis" (Punkt) in der Raumzeit beschrieben werden. Jede Vorstellung vom Massenschwerpunkt muss also notwendigerweise abstrakter sein. In ihrer Doktorarbeit untersuchte Carla sogenannte geometrostatische Systeme, d.h. asymptotisch flache statische Lösungen der Einstein-Gleichungen im Vakuum. Anders ausgedrückt sind das statisch isolierte relativistische Systeme, deren Materie kompakten Träger hat. Ihr Ziel war es, ein tieferes Verständnis ihrer Asymptotik zu erlangen und mehr Einblick in ihre physikalische Interpretation (z.B. Masse und Schwerpunkt) zu gewinnen. Des weiteren war es spannend, inwieweit klassische und solche relativistischen Begriffe ineinander übergehen im Grenzwert kleiner Geschwindigkeiten. Der Vortrag zeigte, worin die Herausforderungen bestehen und zeigte welche Techniken von ihr erfolgreich angewendet worden waren. Als erstes grundlegendes Problem für nicht statische Systeme erweist sich, dass die Beschreibung vom Beobachter abhängen muss. Eine grundlegende Idee ist es, die Lage des Schwerpunktes als Zentrum einer unendlichen Schar von ineinander liegenden Sphären zu beschreiben. Je größer diese Kugeloberflächen werden, desto weniger sind sie gekrümmt. Wenn man die Krümmung in der Geometrie des zu beschreibenden Raumes beherrscht, kann man als den Grenzwert dieser ineinander geschachtelten Sphären den Schwerpunkt fassen. Zur Beschreibungen von Krümmungen braucht man die zweiten Ableitungen auf den eingebetteten Oberflächen in alle Richtungen, weshalb dies auf eine partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung führt. Carla ist Juniorprofessorin am Fachbereich Mathematik der Universität Tübingen und Kollegiatin der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Sie hat schon sehr früh ihre Forschung allgemeinverständlich dargestellt, z.B. 2009 mit der interaktiven Ausstellung Von Newton zu Einstein: Eine Reise durch Raum und Zeit. Sie macht das sehr erfolgreich und brennt für das Thema Literatur und weiterführende Informationen C. Cederbaum, A geometric boundary value problem related to the static equations in General Relativity Oberwolfach report, 2017. C. Cederbaum, J. Cortier, A. Sakovich, On the center of mass of asymptotically hyperbolic initial data sets (preprint, accepted in Ann. Henri Poincaré), 2015. MSRI Emissary General Relativity, 2013. Carla Cederbaum,The Geometry of Static Spacetimes: Geometrostatics, Oberwolfach report, 2012. Carla Cederbaum, The Newtonian Limit of Geometrostatics, PhD thesis, 2011.
Mit unserem Gehör können wir Geräusche unmittelbar orten und identifizieren. Um diese Fähigkeit sinnvoll im Projekt nutzen zu können, gibt uns Dr. Paul Modler einen Einblick in Raumklang. Die Abteilung Medienkunst Akustik (MK Akustik) der Staatlichen Hochschule für Gestaltung (HfG) in Karlsruhe befasst sich mit elektronischer und elektroakustischer Musik, Klanginstallation und Sonifikation. Sie wird von Dr. Paul Modler geleitet, der uns in diesem Gespräch einen Einblick in Raumakustik und Techniken für räumliches Hörempfinden über Kopfhörer geben konnte. Paul Modler ist gerade von einem Besuch der Ars Electronica in Linz zurückgekehrt. Ein hervorgehobenes Event des Festivals der elektronischen Künsten war die Klangwolke einer Story mit Feuerwerk, Maschinen, Jets und Booten auf der Donau. Der Wettbewerb Prix Ars Electronica gab einen Einblick, welche aktuellen Richtungen die durchaus diskutierte Medienkunst darbietet. Nach seinem Diplom in den Ingenieurwissenschaften an der ehemaligen Universität Karlsruhe (jetzt Karlsruher Institut für Technologie (KIT)) zur Signalverarbeitung und Filterentwurf des Waveterm Synthesizer der Palm Products GmbH (PPG), gelangte Paul Modler an die University of York, wo er im Bereich der Music Technology promovierte und von dort an die Hochschule für Gestaltung in die Medienkunst geworben wurde. Seine Forschungsinteressen gehen auch in Richtung des Mehrkanaltons, insbesondere im Verfahren der Ambisonics, das nach langer Durststrecke inzwischen sogar als Raumklangformat bei YouTube Einzug gehalten hat. Die MK Sound setzt sich mit der Frage der Musikerstellung, der Definition und möglichen Instrumenten sowie der Technik, Installation und Performance in einem sehr breiten Spektrum interdisziplinär auseinander. Es gibt Lehrveranstaltungen zur analogen Tonerzeugung, wie auch die Auseinandersetzung mit neuen digitalen Einflüssen und die Abbildung analoger Synthesizern auf mobilen Geräten wie bei Korg. Die Gruppe wird auch von besuchenden Künstlern wie John Richards in Richtung Circuit Bending inspiriert. Dies führt zu faszinierenden Abschlussarbeiten wie den Atmospheric Disturbances von Lorenz Schwarz, wo Raumklang mit Plasmalautprechern künstlerisch umgesetzt wurde. Interessante Impulse entstehen auch aus der Zusammenarbeit mit weiteren Instituten und Hochschulen: So beteiligen sich auch oft Studierende des KIT an Projekten. Die Aufnahme fand im Studio 311 der MK Sound statt, wo die Gruppe einen mobilen Klangdom installiert hat, um an ambisonischen Verfahren zu arbeiten und ihn musikalisch zu nutzen. Zur Ansteuerung kommt hier die Software Zirkonium wie auch die Software des Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique (IRCAM) „Spat“ zum Einsatz, sowie andere verfügbare Verräumlichungstools. Ein Aspekt ist dabei auch der Wandel der Sicht auf den Lautsprecher vom Mittel zum Zweck hin zu einem eigenständigen Musikinstrument. Die Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe ist eingerahmt und im gleichen Haus wie das Museum für neue Kunst und das ZKM – Zentrum für Kunst und Medien und Medienmuseum. So arbeitet die MK Sound natürlich eng mit dem von Prof. Ludger Brümmer geleiteten Institut für Musik und Akustik am ZKM zusammen. Das Institut bietet insbesondere auch der Diskussion musikalisch digitalen elektroakustischen Bereich eine Plattform und hat mit dem Klangdom im ZKM Kubus eine etablierte Referenzplattform für Raumklang. Zusammen mit der HfG wurde dazu auch 2015 das inSonic Festival zu Raumklang ausgerichtet, das sich im inSonic Festival Dezember 2017 wiederholt. Die große Bandbreite des Instituts zeigt sich auch in häufigen Kraftwerk-Konzerten bis hin zu häufigen Linux Audio Konferenzen. Der ehemalige Kraftwerk-Musiker Florian Schneider-Esleben war auch 1998 als Professor für Medienkunst und Performance an die HfG berufen. Ende letzten Jahres fand am Institut auch das Strömungen Symposium zu künstlerischer Sonifikation statt. Durch unser Gehör und Körper nehmen wir Schallwellen wahr, soweit sich diese etwa im Hörbereich von etwa 20-20kHz und einem davon abhängigen Pegel befindet. Assoziieren wir einen Sinn oder gewisse Ästhetik in ein Geräusch, so mögen wir es als Klang bezeichnen, der Teil einer Musik sein kann. Ein Teil der Akustikempfindung wird in der Psychoakustik beschrieben, die auch sehr exakt mit der Hörbarkeit von Geräuschen und Auswirkung von Wahrnehmungen auf den Menschen analysiert. Diese Analyse hat erst den Erfolgszug der verlustbehafteten Audiokompression möglich gemacht. Für die Aufnahme von Raumklang spielt die Positionierung der Mikrofone eine besondere Rolle: Da eine Aufnahme aus allen Richtungen an einem Punkt nicht möglich ist, müssen Mikrofone mit gewissen Abstand von einander positioniert werden, wodurch der Raum diskretisiert wird. Besonders beispielhaft für die Auswirkung der Diskretisierung sind Werke von John Chowning, der die Frequenzmodulations-Synthese aus der Raumklangforschung heraus für Synthesizer patentierte. Hier erhält man an leicht unterschiedlichen Positionen mit klassischem Soundfeld Mikrofon oder mit Ambeo VR Mikrofon ein völlig anderes Konzerterlebnis. Im Rahmen einer Stereoaufnahme und -reproduktion durch Lautsprecher entstehen Phantomschallquellen um die Lautsprecher, soweit man sich exakt im Sweet Spot des Stereodreiecks befindet. Empirisch zeigt sich, dass die Verwendung von zusätzlich an die Wand gedrehten Treibern, wie beim Acoustimass-System ein immersiveres Stereoempfinden erzeugt wird. Das räumliche Empfinden im Kopf entsteht zunächst durch Intensitäts- oder Pegelunterschiede und Laufzeitunterschieden zwischen den Ohren, die vom Gehirn rekonstruiert und die virtuelle Position der Schallquellen rekonstruiert wird. Sehr individuell spielt aber auch die Kopf- und Körperform eine große Rolle, denn je nach Kopfgröße sind die Ohren unterschiedlich weit voneinander entfernt, die Ohrmuschel unterschiedlich geformt und die Schultern unterschiedlich weit entfernt. Dadurch ergeben sich eine durch frequenzabhängige Intensitäts- und Laufzeitsunterschiede resultierende Filterung, die als Head-Related Transfer Function (HRTF) bzw. Kopfübertragungsfunktion bezeichnet wird. Die Berücksichtigung dieser Abbildung führt zur binauralen Aufnahme und Reproduktion. Eine weitere Wahrnehmungsmöglichkeit ist der Raumschall, wo eine räumliche Wahrnehmung durch die Beziehung zum Raum ermöglicht wird. Daher muss man in der Stereofonie deutlich zwischen Lautsprecheraufnahmen und Kopfhöreraufnahmen unterscheiden, da die Reproduktion über Kopfhörer die Berücksichtigung der Kopfübertragungsfunktion erforderlich ist. Der Weg zu Mehrkanal-Tonsystemen führte von der Stereofonie zunächst zur Quadrofonie für Systeme mit vier Lautsprechern, die im Vergleich zum Aufwand einen begrenzten Gewinn des Raumklangs unter Einführung weiterer unerwünschter Effekte bewirkte. Da sich keine Aufzeichnungssysteme für dieses Tonsystem wirklich kommerziell durchsetzen konnten, war das System wenig verbreitet. Die sehr verwandten Dolby Surround oder 5.1-Systeme haben sich durch leichte Veränderung des Systems im Film- und Kinobereich dagegen sehr durchgesetzt. Für den Film war es sehr wichtig, dass Einführung des zentralen Center-Lautsprechers die räumliche Positionierung der Schauspieler deutlich verbessert hat, und die Verwendung von Subwoofer bzw. des LFE-Kanals auch preiswertere immersive Installationen durch Satelliten-Lautsprecher ermöglicht hat. Als großer Kritiker der Quadrofonie entwickelte Michael Gerzon 1973 mathematisch-physikalisch fundierte Ambisonics-Verfahren, um auf einer beliebigen Anzahl von Lautsprechern einen Raumklang aufnehmen, aufzeichnen und wiedergeben zu können. Während ein System nullter Ordnung mit einem einzigen Kugelmikrofon und Kugellautsprecher realisiert werden kann, sind ab erster Ordnung schon mindestens acht Lautsprecher für eine sinnvolle Reproduktion erforderlich. Leider müssten sehr viele Mikrofone für das Verfahren alle koinzident in einem Punkt positioniert werden, was mit herkömmlicher Aufnahmetechnik nicht optimal realisierbar ist, und dafür von Gerzon besondere Mikrofonkonfigurationen entwickelt wurden, die das koinzidente Signal rekonstruieren können. Im Bereich der Meteorologie gibt es Ultraschallanemometer, die tatsächlich die Luftbewegung im Raum in einem einzelnen Messraum bestimmen können, nur ist dies aktuell nur im Aufnahmebereich räumlich gemittelt bis zu 200mal pro Sekunde bis maximal in den Infraschallbereich möglich. Eine frühe berühmte und umstrittene Raumklang-Installation war der Philips Pavilion bzw. Poème électronique auf der Weltausstellung Expo 58 in Brüssel, wo die an hyperbolischen Trajektorien aufgestellten Lautsprecher als diskrete wandernde Tonquellen benutzt wurden. Zur Weltausstellung Expo 70 in Osaka entwarf Karlheinz Stockhausen für den deutschen Pavillon das Kugelauditorium, in dem die Ansteuerung der Lautsprecher durch einen Drehhebel erreicht werden konnte. Ein ähnliches Verfahren ist das Vector Based Amplitude Panning (VBAP)-Prinzip, das von Ville Pulkii 1997 wissenschaftlich ausgearbeitet wurde. Im Gegensatz zu den früheren Installationen verlangen ambisonische Verfahren sehr regelmäßige Lautsprecherpositionen, da das Verfahren ideal als Fourier-Synthese auf einer Sphäre interpretiert werden kann. Praktisch gibt es auf einer Kugeloberfläche nur wenige exakt equidistante Punktmengen auf Basis der platonischen Körper, dazu sind volle Sphären eine architektonische Herausforderung und aufgrund unseres geringen Lokalisationsfähigkeit im Vertikalen nur von begrenztem Nutzen. Daher werden die Lautsprecher nur in einer oberen Halbsphäre mit nach oben abnehmender Anzahl pro Lautsprechern im Radius installiert. Die ambisonische Raumklang-Demonstration ist ein Teil aus dem Stück „Parallel“ von Paul Modler, das bei einer Aufführung zusätzlich bewegliche Hörner und ein Wellenfeld-Array anspricht. Im Gegensatz zu Mehrkanal-Tonsystemen berücksichtigt der binaurale Raumklang die Kopfübertragungsfunktion und ist nur für die Erfahrung über Kopfhörer gedacht. Zur Erzeugung von binauralen Signalen kann man auf Kunstkopf– oder In-Ear oder Orginal-Kopf-Mikrofone (OKM) zurückgreifen. Alternativ kann man Schallquellen synthetisch über die HRTF auf die Wirkung auf die Ohren berechnen. Zur Erfassung der individuellen HRTF werden Mikrofone in die Ohren installiert und robotergesteuert Lautsprecher an verschiedene Positionen um die Versuchsperson gefahren. Die Lautsprecher spielen dann jeweils Klicks oder Chirps, um die Impulsantwort des Signals, die Head-Related Impulse Response zu bestimmen. Die HRTF ergibt sich dann als Fourier-Transformite der Impulsantwort. Alternativ können auf niedrigerem Niveau auch halbsphärische Lautsprecher wie im Klangdrom statt einer langsamen Robotersteuerung verwendet werden. Impulsantworten existieren grundsätzlich nur auf einer begrenzten Anzahl von Filterpunkten, zwischen denen nach VBAP-Prinzip auch Zwischenpunkte berechnet werden und Klänge aus beliebigen Richtungen im zwischen Punkten im Diskretisierungsgitter abgebildet werden. Eine Herausforderung bleibt die Kopfbewegung, die mit Head-Trackern für einen immersiven Eindruck berücksichtigt werden muss, man sich also zum Klang hindrehen können muss. Das ist eine entsprechende Herausforderung der Virtual Reality, wo die Bewegung des Kopfes auch unmittelbar in die Darstellung berücksichtigt werden muss. Die räumliche Abbildung von Tönen ergibt auch neue Möglichkeiten in der Sonifikation, um Informationen nicht nur klanglich unterscheidbar sondern auch räumlich lokalisiert abgebildet werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass visuelle Eindrücke akustische Ereignisse verfälschen können. Bei steigender Komplexität der verwendeten Modelle, muss das Verständnis für Sonifikation auch erlernt werden. Literatur und weiterführende Informationen S. Carlile: Psychoacoustics, Signification Handbook, Logos Publishing House, 2011. B. N. Walker, M. A. Nees: Theory of Sonification, Sonification Handbook, Logos Publishing House, 2011. A. Hunt, T. Hermann: Interactive Sonfication, Sonification Handbook, Logos Publishing House, 2011.M. A. Gerzon: Periphony: With-height sound reproduction, Journal of the Audio Engineering Society 21.1: 2-10, 1973. V. Pulkki: Virtual sound source positioning using vector base amplitude panning, Journal of the audio engineering society 45.6: 456-466, 1977. M. Noisternig, T. Musil, A. Sontacci, R. Holdrich: 3D binaural sound reproduction using a virtual ambisonic approach, Virtual Environments, VECIMS ’03. 2003 IEEE International Symposium on Human-Computer Interfaces and Measurement Systems, 2003. Podcasts M. Völter, R. Vlek: Synthesizers, Omega Tau Podcast, Episode 237, 2017. T. Pritlove, U. Schöneberg: CRE238 – Neuronale Netze, CRE Podcast, Metaebene Personal Media, 2015. M. Völter, C. Osendorfer, J. Bayer: Maschinelles Lernen und Neuronale Netze, Omega Tau Podcast, Episode 259, 2017 S. Trauth: Klangdom, Funkenstrahlen Podcast, Episode 85, 2016 P. Gräbel: Der Schall, Nussschale Podcast, Episode 16, 2017. T. Pritlove, S. Brill: CRE206 – Das Ohr, CRE Podcast, Metaebene Personal Media, 2014. S. Plahl: Der Klang einer Armbewegung, SWR2 Wissen, 2013.
Lorenz Schwachhöfer ist seit 2003 Professor für Mathematik an der TU Dortmund. Gudrun kennt ihn aus ihrer Zeit als als Hochuldozentin dort (2004-2008). Seinen kurzen Gastaufenthalt in der AG von Prof. Tuschmann in Karlsruhe wollten die beiden ausnutzen, um ein Podcast-Gespräch zu führen. Das Forschungsgebiet von Lorenz Schwachhöfer gehört zur Differentialgeometrie. Deshalb dreht sich ihr Gespräch um zentrale Begriffe in diesem mathematischen Gebiet zwischen Geometrie und Analysis: Die Krümmung und das Finden von Minimalflächen. Der Begriff Krümmung kommt in unserer Alltagssprache vor. Die Mathematik muss das Konzept von "gekrümmt sein" nur klar fassen, um damit präzise arbeiten zu können. Die zentrale Eigenschaft, die durch das Wort beschrieben wird, ist wie sehr sich eine Fläche von einer Ebene unterscheidet. Oder auch wie stark sich eine Kurve von einer Geraden unterscheidet. Eine Ebene (bzw.eine Gerade) ist nicht gekrümmt. Mathematisch ausgedrückt haben sie deshalb die Krümmung 0. Wenn man nun untersuchen - und mit einer Zahl ausdrücken - möchte, wie sehr sich z.B. eine Kurve in jedem Punkt von eine Gerade unterscheidet, verwendet man folgenden Trick: Man definiert einen Parameter - z.B. die Bogenlänge - und stellt die Kurve als Funktion dieses Parameters dar. Dann berechnet man die Änderung des Richtungsvektors der Kurve in jedem Punkt. D.h. man braucht die zweite Ableitung nach dem Parameter in dem Punkt. Das Ergebnis für einen Kreis mit Radius r lautet dann: Er hat überall die Krümmung 1/r. Daran sieht man auch, dass kleine Kreise sehr stark gekrümmt sind während sehr große Kreise eine so kleine Krümmung haben, dass man sie fast nicht von einer Geraden unterscheiden kann. Auch die Erdoberfläche wirkt lokal wie eine Ebene, denn in der mit unseren Augen wahrgenommenen Umgebung ist ihre Krümmung klein. Was für Kurven recht anschaulich zu definieren geht, ist für Flächen im dreidimensionalen Raum nicht ganz so klar. Das einzig klare ist, dass für jede Art Krümmung, die man mathematisch definiert, jede Ebene in jedem Punkt die Krümmung 0 haben muss. Wenn man die Idee der Parametrisierung auf Flächen überträgt, geht das im Prinzip auch, wenn man zwei Parameter einführt und Krümmung auf eine bestimmte Richtung im Punkt auf der Fläche entlang bezieht. Beim Zylinder kann man sich gut vorstellen, wie das Ergebnis aussieht: Es gibt die Richtung entlang der Kreislinie des Querschnitts. Diese Kurve ist ein Kreis und hat die Krümmung 1/r. Läuft man dazu im rechten Winkel auf der Zylinderhülle, folgt man einer Gerade (d.h. Krümmung in diese Richtung ist 0). Alle anderen Wege auf der Zylinderoberfläche liegen in Bezug auf die Krümmung zwischen diesen beiden Werten 1/r und 0. Tatsächlich kann man auch für allgemeine Flächen zeigen, dass man in jedem Punkt eine Zerlegung in zwei solche "Haupt"-Richtungen findet, für die maximale bzw. minimale Krümmungswerte gelten (und die senkrecht zueinander sind). Alle anderen Richtungen lassen sich daraus linear zusammensetzen. Die Kugeloberfläche hat z.B. eine hohe Symmetrie und verhält sich in allen Richtungen gleich. Alle Wege auf der Kugeloberfläche sind lokal Teile von Kreisen. Man kann sich hier auch überlegen, was tangential bedeutet, indem man in einem Punkt auf der Oberfläche eine Ebene anschmiegt. Die Richtung senkrecht auf dieser tangentialen Ebene ist die Normalenrichtung auf dem Punkt der Kugeloberfläche an dem die Tangentialebene anliegt. Tatsächlich gibt es für Flächen aber mehr als einen sinnvollen Krümmungsbegriff. Man kann z.B. einen Zylinder sehr schön in Papier "einwickeln". Bei einer Kugel geht das nicht - es bleibt immer Papier übrig, das man wegfalten muss. Wenn man einen Kühlturm einpacken möchte, reicht das Papier nicht für die nach innen einbuchtende Oberfläche. Die Eigenschaft, die wir mir dem Einwickeln veranschaulicht haben, wird mit dem Begriff der Gaußkrümmung ausgedrückt. Um sie zu berechnen, kann man in einem Punkt die oben definierten Richtungsskrümmungen anschauen. Maximal- und Minimalwerte werden für senkrecht aufeinander stehende Richtungen realisiert. Das Produkt der beiden extremen Krümmungen ergibt dann die Gaußkrümmung. In unserem Beispiel mit dem Zylinder ist die Gaußkrümmung also 0 mal 1/r = 0. Das ist aber tatsächlich ganz unabhängig von der Richtungskrümmung untersuchbar, weil es sich durch Längen- bzw. Flächenverhältnisse in der Fläche bestimmen lässt. Genauer gesagt: Wenn man auf der Kugel um einen Punkt einen Kreis auf der Kugeloberfläche zieht (d.h. seine Punkte liegen auf der Kugeloberfläche und haben alle den Abstand r vom gewählten Punkt), hat dieses Objekt einen kleineren Flächeninhalt als ein ebener Kreis mit dem gleichen Radius. Deshalb sagt man: Die Kugel hat positive Gaußkrümmung. Bei negativer Gaußkrümmung ist der Flächeninhalt auf der Oberfläche größer als in der Ebene. Das trifft für den Kühlturm zu. Diese Eigenschaft lässt sich innerhalb der Fläche untersuchen. Man braucht gar keine Einbettung in einen umgebenden Raum. Das ist zunächst sehr überraschend. Es ist aber unbedingt nötig für Anwendungen in der Astrophysik, wo die Raumzeit wegen der Gravitation gekrümmt ist (d.h. sie ist kein euklidischer Raum). Es hat aber niemand ein Bild, in welche höhere Dimension man die Raumzeit einbetten sollte, um dann mit der Krümmung in Bezug auf diesen Raum zu arbeiten. Neben den beiden schon diskutierten Begriffen kann man auch mit der mittleren Krümmung arbeiten. Sie ist definiert als Mittelwert aller Richtungskrümmungen. Man kannn aber zeigen, dass dies stets das arithmetische Mittel zwischen minimaler und maximaler Krümmung ist. Dies hat auch eine physikalische Interpretation - z.B. als Flächenspannung für eine Membran, die eingespannt ist. Die Membran versucht, einen möglichst geringen Flächeninhalt - eine sogenannte Minimalfläche - zu realisieren, weil dies dem minimalen Energieaufwand entspricht. Spannungsfreie Flächen sind sehr stabil und deshalb für Architekten interessant. Im Schülerlabor Mathematik kann man mit Seifenhäuten selbst ausprobieren, welche Flächen sich hier für unterschiedliche Randkurven herausbilden. Z.B. wurde die Dachkonstruktion des ehemaligen Olympiastadions in München aus Minimalflächen konstruiert, die mit Seifenhäuten gefunden, fotographiert und nachgebaut wurden.. Mathematisch sprechen wir vom Plateau-Problem. Die Frage ist dabei: Hat jede geschlossene Kurve mindestens eine zugehörige Minimalfläche? Heute wissen wir, dass die Antwort - unter sehr geringen Regularitätsforderungen an die Kurve - fast immer ja ist. Sehr verblüffendend ist in diesem Zusammenhang auch der Satz von Gauß/Bonnet. Er sagt, dass das Integral über die Gaußkrümmung jeder in sich selbst geschlossenen Fläche ein ganzzahliges Vielfaches von 2π ist. Dieser Faktor heißt dann Euler-Charakteristik und hängt nur von der Topologie (grob gesprochen der Zahl der Löcher im Gebiet) ab. Beim Torus ist sie 0 und für die Kugeloberfläche 2. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Behandlung von nicht glatten Kurven bzw. Flächen mit Ecken und Kanten. An den Kanten ist das Konzept der Gaußkrümmung noch recht einfach übertragbar. Der betrachtete Kreis auf der Oberfläche klappt sich dabei um die Kante herum. An den Ecken geht das nicht so einfach, sondern führt auf komplexere Gebilde. Wenn man sich aber z.B. einen Würfel ansieht, hat dieser fast überall die Krümmung 0. Trotzdem ist er (topologisch gesehen) einer Kugel viel ähnlicher als einer Ebene. Hier kann man den Begriff der Gaußkrümmung richtig für Polyeder mit Kanten und Ecken verallgemeinern und der Satz von Gauß/Bonnet überträgt sich sinngemäß auf Polyeder. Das Integral wird zur Summe über die Polyederflächen und wir erhalten den wohlbekannten Polyedersatz: Euler-Charakteristik mal Anzahl der Flächen - Anzahl der Kanten + Anzahl der Ecken = 2 Der Polyedersatz ist eigentlich ein kombinatorisches Ergebnis. Trotzdem zeigt sich hier, dass die topologischen Eigenschaften intrinsisch mit der Krümmung zusammenhängen, was sehr überraschend, aber auch sehr ästhetisch zwei einander sehr fremde Teilgebiete der Mathematik zusammenführt. Lorenz Schwachhöfer hat in Darmstadt und in New Orleans Mathematik studiert und nach seiner Promotion 1992 (in Philadelphia) u.a. wissenschaftlich Station gemacht an der Washington Universität (in St. Louis), dem Max Planck Institut für Mathematik in Bonn, der Universität in Leipzig (dort Habilitation) und an der Université Libre in Brüssel. Literatur und weiterführende Informationen J-H. Eschenburg & J. Jost: Differentialgeometrie und Minimalflächen. Springer Verlag, 3. Auflage, 2014. T. Matiasek: Seifenhäute und Minimalflächen: Natur, Geometrie und Architektur. VDM Verlag Dr. Müller, 2010 Wolfgang Kühnel: Differentialgeometrie: Kurven - Flächen - Mannigfaltigkeiten, Springer Verlag, 2013. Manfredo doCarmo, Differentialgeometrie von Kurven und Flächen, Vieweg+Teubner Verlag, 1993. Christian Bär, Elementare Differentialgeometrie, deGruyter, 2017. Video Seifenhäute (engl.) Podcasts P. Schwer: Metrische Geometrie. Gespräch mit G. Thäter im Modellansatz Podcast, Folge 102, Fakultät für Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2016. http://modellansatz.de/metrische-geometrie L. Mirlina, F. Dehnen: Qwirkle-Gruppe. Gespräch mit S. Ritterbusch im Modellansatz Podcast, Folge 76, Fakultät für Mathematik, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 2015. http://modellansatz.de/qwirkle-gruppe
Petra Schwer ist seit Oktober 2014 Juniorprofessorin an unserer Fakultät. Sie arbeitet im Institut für Algebra und Geometrie in der Arbeitsgruppe Metrische Geometrie. Ab Oktober 2016 startet in diesem Institut ein neues Graduiertenkolleg mit dem Titel Asymptotic Invariants and Limits of Groups and Spaces und Petra Schwer freut sich darauf, dort viele mit ihrer Begeisterung anstecken zu können. Ihr Weg in die Algebra war nicht ganz direkt: Sie hat zunächst Wirtschaftsmathematik in Ulm studiert. Ein Wechsel an die Uni Bonn ebnete den Weg ins etwas abstraktere Fahrwasser. Zwei Ausflüge in die Industrie (zwischen Diplom und Promotionszeit und in der Postdoc-Phase) haben ihre Entscheidung für die akademische Mathematik bekräftigt. Im Gegensatz zur Differentialgeometrie, die von Ihrem Ursprung her auf analytischen Methoden und Methoden der Differentialrechnung (wie zum Beispiel des Ableitens) beruht, untersucht die Metrische Geometrie Mengen mit Abstandsfunktion. Darunter fallen auch die klassischen Riemannschen Geometrien, aber auch viel allgemeinere geometrische Strukturen, wie zum Beispiel Gruppen oder Graphen. Eine Metrik ist nichts anderers als eine Funktion, die einen Abstand zwischen zwei Punkten definiert. Die Euklidische Geometrie (in zwei bzw. drei Dimensionen) ist sicher allen aus der Schule bekannt. Sie ist ein Beispiel eines Geometriemodells in der metrischen Geometrie. Euklid versuchte erstmals Geometrie von Ihren Grundbausteinen her zu beschreiben. Er hat sich gefragt: Was ist ein Punkt? Was ist eine Gerade? Wie lässt sich der Abstand eines Punktes zu einer Geraden definieren? Schließlich stellte er eine Liste von grundlegenden Objekten sowie deren Eigenschaften und Beziehungen auf (Axiome genannt) die eine Geometrie erfüllen soll. Diese Axiome sind dabei die Eigenschaften, die sich nicht aus anderen ableiten lassen, also nicht beweisbar sind. Eines dieser Axiome besagte, dass durch einen festen Punkt genau eine Gerade parallel zu einer vorgegebenen anderen Geraden verläuft. Es entbrannte ein Jahrhunderte dauernder Streit darüber, ob sich dieses Parallelenaxiom aus den anderen aufgestellten Axiomen ableiten lässt, oder ob man diese Eigenschaft als Axiom fordern muss. Sehr viel später wurde klar, dass der Streit durchaus einen wichtigen und tief liegenden Aspekt unserer Anschauungsgeometrie berührte. Denn es wurden gleich mehrere Mengen (mit Abstandsfunktion) entdeckt, in denen diese Eigenschaft nicht gilt. Deshalb nannte man die Geometrien, in denen das Parallelenaxiom nicht gilt nichteuklidische Geometrien. Ein sehr nahe liegendes Beispiele für nichteuklidische Strukturen ist z.B. die Kugel-Oberfläche (damit auch unsere Erdoberfläche) wo die euklidische Geometrie nicht funktioniert. In der Ebene ist der traditionelle Abstand zwischen zwei Punkten die Länge der Strecke, die beide Punkte verbindet. Das lässt sich im Prinzip auf der Kugeloberfläche imitieren, indem man einen Faden zwischen zwei Punkten spannt, dessen Länge dann anschließend am Lineal gemessen wird. Spannt man den Faden aber "falschrum" um die Kugel ist die so beschriebene Strecke aber nicht unbedingt die kürzeste Verbindung zwischen den beiden Punkten. Es gibt aber neben der klassischen Abstandsmessung verschiedene andere sinnvolle Methoden, einen Abstand in der Ebene zu definieren. In unserem Gespräch nennen wir als Beispiel die Pariser Metrik (oder auch SNCF oder Eisenbahnmetrik). Der Name beschreibt, dass man im französischen Schnellzugliniennetz nur mit umsteigen in Paris (sozusagen dem Nullpunkt oder Zentrum des Systems) von Ort A nach Ort B kommt. Für den Abstand von A nach B müssen also zwei Abstände addiert werden, weil man von A nach Paris und dann von Paris nach B fährt. Das verleiht der Ebene eine Baumstruktur. Das ist nicht nur für TGV-Reisende wichtig, sondern gut geeignet, um über Ordnung zu reden. Ebenso sinnvoll ist z.B. auch die sogenannte Bergsteiger-Metrik, die nicht allein die Distanz berücksichtigt, sondern auch den Aufwand (bergauf vs. bergab). Damit ist sie aber in den relevanten Fällen sogar asymmetrisch. D.h. von A nach X ist es "weiter" als von X nach A, wenn X oben auf dem Berg ist und A im Tal. Analog ist es wenn man mit dem Boot oder schwimmend mit bzw. gegen die Strömung oder den Wind unterwegs ist. Dann misst man besser statt der räumlichen Distanz die Kraft bzw. Energie, die man für den jeweiligen Weg braucht. Für Karlsruher interessant ist sicher auch die KVV-Metrik, die wie folgt beschrieben wird: Um den Abstand von einem Punkt A zu einem anderen Punkt B der Ebene zu messen, läuft man von A und B senkrecht zur x-Achse (und trifft diese in Punkten A', bzw B') und addiert zu diesen beiden Abständen den Abstand von A' zu B'. Anschaulich gesprochen muss man also immer erst von A zur Kaiserstrasse, ein Stück die Kaiserstraße entlang und dann zu B. Eben so, wie die KVV ihre Strecken plant. Zwischen einer Ebene und z.B. der Kugeloberfläche gibt es einfach zu verstehende und doch wichtige geometrische Unterschiede. Eine Strecke in der Ebene läßt sich z.B. in zwei Richtungen unendlich weit fortsetzen. Auf der Kugeloberfläche kommt nach einer Umrundung der Kugel die Verlängerung der Strecke an dem Punkt wieder an, wo man die Konstruktion begonnen hat. D.h. insbesondere, dass Punkte auf einer Kugeloberfläche nicht beliebig weit voneinander entfernt sein können. Es gibt außerdem genau einen Punkt, der genau gegenüber liegt und unendlich (!) viele kürzeste Wege dorthin (in jeder Richtung einen). Verblüffend ist dabei auch: So verschieden sich Ebene und Kugeloberfläche verhalten, in einer fußläufigen Umgebung jedes Punktes fühlt sich die Erdoberfläche für uns wie ein Ausschnitt der Ebene an. Mathematisch würde man sagen, dass sich eine Kugel lokal (also in einer sehr kleinen Umgebung) um einen Punkt genauso verhält, wie eine Ebene lokal um einen Punkt. Die Krümmung oder Rundung der Kugel ist dabei nicht spürbar. Versucht man die gesamte Kugel auf einer ebenen Fläche darzustellen, wie zum Beispiel für eine Weltkarte, so kann dies nur gelingen, wenn man Abstände verzerrt. Für unsere ebenen Darstellungen der Erdkugel als Landkarte muss man also immer im Hinterkopf behalten, dass diese (zum Teil stark) verzerrt sind, d.h. Längen, Winkel und Flächen durch die ebene Darstellung verändert werden. Ein wichtiges Konzept zur Unterscheidung von (z.B.) Ebene und Kugeloberfläche ist die eben schon erwähnte Krümmung. Es gibt verschiedene Definitionen - insbesondere, wenn man Flächen eingebettet im dreidimensionalen Raum untersucht. Dabei hat ein flachgestrichenes Blatt Papier keine Krümmung - eine Kugeloberfläche ist gekrümmt. Um das formal zu untersuchen, werden Tangentialflächen an Punkte auf der Oberfläche angelegt. In einer kleinen Umgebung des Berührpunktes wird die Abweichung der Tangentialebene von der Oberfläche betrachtet. Bei der Kugel liegt die Kugeloberfläche immer auf einer Seite von der Tangentialebene. Das muss nicht so sein. Die Tangentialfläche kann z.B. in einem Sattelpunkt die zu untersuchende Fläche durchdringen - d.h. in unterschiedliche Richtungen ist die Krümmung entweder positiv oder negativ. Man braucht aber eigentlich gar keine Tangentialflächen, denn auch Winkelsummen verraten uns etwas über die Krümmung. In der Ebene ergeben die drei Innenwinkel jedes Dreiecks zusammen addiert immer 180 Grad. Auf der Kugel, also auf einer gekrümmten Fläche, sind es immer mehr als 180 Grad. Legt man zum Beispiel einen Punkt in den Nordpol und zwei weitere so auf den Äquator, dass die Verbindungsstrecken zum Nordpol einen Winkel von 90 Grad einschließen, so hat das entstehende Dreieck eine Winkelsumme von 270 Grad. Etwas komplexer ist die Situation bezüglich Krümmung auf einem Torus (der sieht aus wie ein Schwimmreifen oder Donut). Betrachtet man das lokale Krümmungsverhalten in Punkten auf der Donut-/Torusoberfläche ist sie außen so gekrümmt wie eine Kugel, innen sieht sie aber aus wie eine Sattelfläche. Es läßt sich aber auch ein abstraktes Modell des Torus konstruieren, das genauso flach, wie die euklidische Ebene ist. Dazu wähle in der Ebene ein Quadrat mit fester Seitenlänge und klebe gedanklich die gegenüberliegenden Seiten (also oben und unten, sowie links mit rechts) zusammen. Man erhält so ein "periodisches" Quadrat: Wenn man auf einer Seite hinauswandert, kommt man gegenüber an der gleichen Stelle wieder in das Quadrat hinein. Dieses Objekt ist topologisch ebenfalls ein Torus, hat aber, weil das Quadrat Teil der Ebene ist, Krümmung 0. Literatur und weiterführende Informationen D. Hilbert, S. Cohn-Vossen: Anschauliche Geometrie, eine sehr schöne, (in weiten Teilen) auch mit wenig mathematischen Vorkenntnissen gut verständliche Einführung in viele verschiedene Bereiche der Geometrie. D. Burago, Y. Burago, S. Ivanov: A Course in Metric Geometry, eines der Standardlehrbücher über metrische Geometrie. Euklid, Elemente, Digitale Version der 5 Bücher von Euklid. Gromov: Metric Structures for Riemannian and Non-Riemannian Spaces. Das "grüne Buch" - Kursnotizen einer Vorlesung von Gromov, die später in Buchform gebracht wurden.
Prof. Dr. Wolfgang Lück befasst sich am HIM (Hausdorff Research Institute for Mathematics) und dem Mathematisches Institut der Universität Bonn mit der Topologie von Mannigfaltigkeiten und Flächen wie auf einem Torus oder einer Kugel. Speziell für Kugeln und Kreise gibt es die Sphären-Notation , die die Oberflächen des Objekts im beschreiben. Damit ist eine Kreislinie und die Kugeloberfläche.Auch wenn Flächen lokal ähnliche Eigenschaften haben, kann die Situation global ganz anders aussehen: So unterscheidet sich die Vorstellung einer flachen Erde lokal nicht von der Kugelform der Erde, global sieht es aber ganz anders aus. Ebenso kennen wir auch jetzt noch nicht sicher die Topologie des Weltalls. Dazu beschränkt sich unser Vorstellungsraum oft auf drei Dimensionen, obwohl schon die relativistische Physik uns lehrt, unsere Umgebung als Raumzeit in 4 Dimensionen zu verstehen.Bei der Klassifikationen von Flächen auf unterschiedlichen Körpern verwendet man Homöomorphismen um ähnliche Flächen einander zuzuordnen, und letztlich unterscheiden sich die Flächenklassen dann nur noch durch die Anzahl der Löcher bzw. dem Geschlecht, was dann auch die Eigenschaften der Flächen bestimmt. Ein Weg das Geschlecht der Fläche zu bestimmen ist die Triangularisierung, eine andere Möglichkeit bietet die Analyse des Spektrums eines Operators wie dem Laplace-Operators, das auch in der Topologie von Graphen zum Einsatz kommen kann.Ein Beispiel für die Anwendung des Laplace-Operators ist die Wärmeleitungsgleichung, die zwar die lokalen Eigenschaften des Wärmetransports beschreibt, jedoch das Wärmegleichgewicht nach unendlicher Zeit die globalen Zusammenhänge beinhaltet. Ein wichtiger Begriff ist hier der Integralkern, der hilft Lösungen durch Integraloperatoren darzustellen.Ein wichtiger mathematischer Begriff ist dabei der -Funktionenraum, der über die Fourier-Transformation auf bestimmten Gebieten mit dem -Folgenraum identifiziert werden kann, und man dadurch auf Lösungen von partiellen Differentialgleichungen schließen kann.Besonderes Interesse liegt in der Topologie auf Invarianten, wie der Fundamentalgruppe, mit der man auch den Fundamentalsatz der Algebra beweisen kann. Ein weiteres Beispiel für eine Invariante ist die Windungszahl, die gerade in der Funktionentheorie zum Residuensatz und effizienten Integralberechnungsmethoden führt.Dabei entstehen oft nicht kommutative Verknüpfungen, wie man es zum Beispiel von der Matrizenmultiplikation oder den Symmetriegruppen kennen kann.Ein elementarer Einstieg in die Topologie ist auch über die Knotentheorie möglich, wo ebenso Knoten-Invarianten gefunden werden können, und über zum Beispiel Jones-Polynome klassifiziert werden können.Im weiteren Gespräch geht es um Themen wie die unterschiedlichen Bilder der Mathematik in Gesellschaft, Schule und Universität, die Bedeutung der Mathematik für Gesellschaft, die Ausbildung für Industrie und das Lehramt, und über den Stand und Möglichkeiten der Gleichberechtigung und Förderung von Frauen in der Wissenschaft.Literatur und Zusatzinformationen W. Lück: Was und wie zählt man im Alltag und in der modernen Mathematik? Vortrag im Kolloquium zur Didaktik der Mathematik, Karlsruhe, Dezember 2014. W. Lück: Algebraische Topologie, Homologie und Mannnigfaltigkeiten, Vieweg Spektrum, 2005. W. Lück: Transformation Groups and Algebraic K-Theory, Lecture Notes in Mathematics, 1989. Publikationen von Wolgang Lück Wolfgang Lück in der Wikipedia
Fakultät für Geowissenschaften - Digitale Hochschulschriften der LMU
In dieser Arbeit wurde das Wachstumsverhalten dekagonaler Quasikristalle untersucht. Zur besseren Vergleichbarkeit wurden die Experimente mit Schmelzen der Zusammensetzung Al77Co6Ni17 durchgeführt, aus welcher dekagonale Einkristalle mit einer durchschnittlichen Zusammensetzung von d-Al72Co9Ni19 gewonnen werden können. Zusätzlich wurden in dem verwandten ternären System Al-Co-Cu Züchtungsexperimente durchgeführt. Dort zeigt die dekagonale Phase der Zusammensetzung d-Al67.5Co20.0Cu12.3 ebenfalls ein kinetisch gehemmtes Wachstumsverhalten entlang der quasiperiodischen Orientierungen. Für die Ziehgeschwindigkeit bei der Züchtung von Einkristallen sind noch engere Grenzen gesetzt, als es im System d-Al-Co-Ni der Fall ist. In beiden untersuchten Systemen können die quasikristallinen Phasen nur aus Al-reichen, nichtstöchiometrischen Schmelzen gezüchtet werden, wobei sich die einzelnen Experimente über eine Dauer von mehreren Wochen erstreckten. Dies machte die Neukonstruktion einer UHV-gedichteten Wachstumskammer notwendig, um die Schmelzen vor Oxidation zu schützen. Eine freie Schmelzenoberfläche stellt für alle Wachstums- und Kinetikexperimente eine Grundvoraussetzung dar. Aus den schon vor Beginn dieser Arbeit weitgehend beherrschten Bedingungen für die CZOCHRALSKI-Züchtung ist die ausgeprägte Wachstumsaniosotropie von dekagonalen AlCoNi-Einkristallen bekannt. Dabei beobachtet man eine hohe Wachstumsgeschwindigkeit entlang der Orientierung der zehnzähligen, periodischen Achse [00001], während das laterale Wachstum entlang der zweizähligen, quasiperiodischen Richtungen [10000] und [10-100] kinetisch gehemmt ist. An den gezüchteten Einkristallen kann das Auftreten von Flächen fünf unterschiedlicher kristallographischer Formen {h1h2h3h4h5} beobachtet werden: Das Pinakoid {00001}, das dekagonale (Haupt-) Prisma {10000} und (Neben-) Prisma {10-100}, sowie zwei dekagonale Dipyramiden {0-1-101} und {10-102}. Die am Kristallmantel beobachteten Facetten dieser Formen sind das Ergebnis von Wachstumsprozessen an der Dreiphasenkoexistenzlinie und lassen keine Rückschlüsse auf das Wachstum zu, weil sie nicht repräsentativ für das Zweiphasengleichgewicht an der Wachstumsfront sind. Den Flächen der beiden dekagonalen Dipyramiden {0-1-101} und {10-102} galt jedoch besonderes Interesse. Sie stellen die morphologische Entsprechung so genannter inclined net planes dar. Dabei handelt es sich um bezüglich der periodischen Achse [00001] geneigte Netzebenen des Quasikristalls, welche die beiden widersprüchlichen Ordnungsprinzipien der Translationsperiodizität und die Quasiperiodizität miteinander verbinden. Ihre Bedeutung ist aus Röntgenbeugungsexperimenten bekannt, wobei bisher unklar war, ob sie eine Bedeutung für das Wachstum von dekagonalen Quasikristallen haben. Die Experimente dieser Arbeit sind in zwei Gruppen untergliedert: a. Experimente zur Morphologie gezüchteter dekagonaler Quasikristalle b. Experimente zur Wachstumskinetik dekagonaler Quasikristalle Zu den unter Punkt a. genannten Experimenten gehörten CZOCHRALSKI-Züchtungsexperimente in den ternären Systemen d-Al-Co-Ni und d-Al-Co-Cu und Substratexperimente unter Verwendung großvolumiger d-AlCoNi-Keime, sowie ein Kugelwachstumsexperiment. Die unter Punkt b. aufgeführten Experimente zur Wachstumskinetik beinhalteten die CZOCHRALSKI-Abreißexperimente und ergänzend Kontaktwinkelmessungen zur Bestimmung der Oberflächenenergie orientierter Quasikristalloberflächen. Mit den CZOCHRALSKI -Züchtungsexperimenten wurde in einer Reihe von konventionellen Züchtungsexperimenten das Wachstum und die Morphologie dekagonaler Quasikristalle untersucht. Dabei war die Morphologie der Zweiphasengrenze l-s von besonderem Interesse. Hier wurde das Wachstum von Einkristallen in definierten Orientierungen [h1h2h3h4h5] durch ein schnelles Trennen des Kristalls von der Schmelze unterbrochen und ex situ untersucht, welche kristallographischen Formen {h1h2h3h4h5} an der Zweiphasengrenzfläche l-s morphologisch auftreten. In den Züchtungsexperimenten parallel der zehnzähligen Achse [00001] zeigt der wachsende Kristall einen rotationssymmetrischen, dekaprismatischen Habitus. An der Dreiphasengrenze v-l-s werden Flächen der Form des dekagonalen (Haupt-) Prismas {10000 und in geringerer Größe Flächen der Form des dekagonalen (Neben-) Prismas {10-100} gebildet, welche die dekaprismatische Wachstumsmorphologie bestimmen. Diese Flächen entstehen trotz der durch die Kristall- und Tiegelrotation in dem thermischen Feld aufgeprägten Rotationssymmetrie und bleiben gegenüber der bestehenden Unterkühlung stabil. Die Wachstumsfront konnte durch das schnelle Trennen des in [00001]-Orientierung gezüchteten Kristalls von der Schmelze (Dekantieren) nicht konserviert werden. In jedem Fall kristallisierte an der ehemaligen Wachstumsfront anhaftende Restschmelze unter Bildung dekagonaler (Hohl-) Nadeln aus, womit eine großflächige Beobachtung der Zweiphasengrenze l-s in dieser Experimentserie nicht möglich war. Im Fall der Züchtung parallel der beiden zweizähligen, symmetrisch nicht äquivalenten Achsen [10000] bzw. [10-100] wird die Zweiphasengrenzfläche immer von der zehnzähligen Achse [00001] und der weiteren zweizähligen Achse [10-100] bzw. [10000] aufgespannt. Dabei zeigt sich sehr deutlich die Anisotropie der Wachstumsgeschwindigkeiten der periodischen und aperiodischen Kristallorientierungen mit der Ausbildung eines ovalen Kristallquerschnittes, wobei die schnellwachsende zehnzählige Achse die lange Halbachse und eine zweizählige Achse die kurze Halbachse des Ovals bilden. Die jeweilige Dreiphasenkoexistenzlinie am Meniskus ist in der [00001]-Richtung nicht facettiert, d.h. hier wird das Wachstum durch den rotationssymmetrischen Verlauf der Isothermen an der Schmelzenoberfläche begrenzt. Im Gegensatz dazu bildet der Kristall senkrecht zu der Richtung der zweizähligen Achse Flächen der Form des dekagonalen (Haupt-) Prismas {10000} aus. Nach dem Dekantieren der Grenzfläche l-s beobachtet man für jede der zweizähligen Züchtungsrichtungen eine individuelle Morphologie der ehemaligen Wachstumsfront. Für die Züchtungsrichtung parallel der [10000]-Orientierung zeigt sich eine singuläre Fläche (10000), die senkrecht zur Ziehrichtung verläuft als Wachstumsfläche am der Zweiphasengrenze l-s. Im Fall der Züchtungsrichtung parallel der [10-100]-Orientierung zeigt sich ein anderes Bild: Die Zweiphasengrenze l-s ist in einzelne, um ±18° gegen die Ziehrichtung verkippte Flächen der Form des dekagonalen (Haupt-) Prismas {10000} zerfallen, sodass deren Einhüllende die Wachstumsfläche (10-100) bildet. Aus der Bildung einer facettierten Wachstumsfront in diesen Orientierungen erkennt man, dass das Wachstum hier über atomar glatte Grenzflächen erfolgt. In diesem Fall sind den parallelen Verschiebungsgeschwindigkeiten beider Orientierungen kinetische Grenzen gesetzt. Bei der Züchtung entlang der geneigten Kristallorientierungen der dekagonalen Dipyramiden [0-1-101] und [10-102] beobachtet man die Bildung einer Wachstumsmorphologie, die ebenfalls nicht mehr rotationssymmetrisch ist, aber entsprechend der Symmetrie der Kristallklasse 10/m 2/m 2/m eine Spiegelsymmetrie enthält. An der Dreiphasengrenzlinie v-l-s zeigen die Kristalle eine deutliche Querschnittszunahme in der Orientierung der zehnzähligen Komponente [00001] und sind dort durch das thermische Feld scharf begrenzt. Der übrige Umfang wird von Flächen der Form {10000} begrenzt. Nach dem Trennen des Kristalls von der Schmelze erkennt man für beide Kristallorientierungen eine komplex zusammengesetzte Zweiphasengrenzfläche l-s. Die Komponente der schnellwachsenden, zehnzähligen Orientierung [00001] ist in dekagonale Nadeln zerfallen während die Komponente senkrecht dazu von Flächen des dekagonalen (Haupt-) Prismas {10000} gebildet wird, welche wiederum die Wachstumsfläche darstellen. Die einzelnen Flächen {10000} sind dabei um 36° gegeneinander orientiert. Die {10000}-Flächen besitzen keine Komponente parallel zu der ausgedehnten Schmelzenoberfläche und folgen demnach keinem Isothermenverlauf, woraus vor der facettierten Grenzfläche l-s deutliche Unterkühlungen entstehen. Für die Züchtung parallel der Orientierung [10-102] sind die Segmente der {10000}-Flächen um 18° im Vergleich mit der Anordnung für die Orientierung parallel [0-1-101] verdreht angeordnet. Die Substratexperimente stellten einen Ansatz dar, um mit einer an das schnelle Trennen des Kristalls von der Schmelze gekoppelten stark beschleunigten Kristallrotation die an der Wachstumsfront anhaftende Restschmelze vor dem Erstarren abzuschleudern. Dazu wurden massive Keime eingesetzt, die eine großflächige Zweiphasengrenze l-s nach einer nur geringen Wachstumsdistanz bereitstellen. Hier musste erkannt werden, dass es prinzipiell nicht möglich ist, einen Flüssigkeitsfilm, der den Kristall benetzt, restlos von einer Grenzfläche durch Abschleudern zu entfernen. In einigen Fällen konnte die anhaftende Restschmelze aus einigen Bereichen der Zweiphasengrenze l-s vor deren Erstarren entfernt werden, sodass die ehemaligen Wachstumsfront ex situ untersucht werden konnte. Im Fall der Züchtungsrichtung parallel der zehnzählige Achse [00001] konnte so nachgewiesen werden, dass das Wachstum nicht über ebenmäßige Flächen erfolgt. Die Wachstumsfront stellt sich als eine gleichmäßig gekrümmte Fläche dar, die dem Verlauf der Schmelzpunktisothermen folgt. Als Ergebnis kann man den Schluss ziehen, dass das Wachstum entlang der [00001]-Orientierung über eine atomar raue Grenzfläche erfolgt, was unter wachstumskinetischen Gesichtspunkten höhere Ziehgeschwindigkeiten ermöglicht. Die Identifizierung des kinetischen Limits des Wachstums in dieser Orientierung ist durch die einsetzenden Effekte der konstitutionellen Unterkühlung verdeckt. Die Züchtung großer dekagonaler AlCoCu-Quasikristalle gelang im Rahmen dieser Arbeit erstmals. Frühere Experimente unter Nutzung der spontanen Keimbildung blieben erfolglos. Es kann angenommen werden, dass in diesem System eine größere Keimbildungsarbeit zur Bildung der festen Phase aufgewendet werden muss, als in dem ternären System Al-Co-Ni der Fall ist. Mit der Bildung der festen Phase bricht die Unterkühlung zusammen und es resultiert ein polykristallines Wachstum. In den Züchtungsexperimenten unter Verwendung [00001]-orientierter d-AlCoNi-Keime war zu beobachten, dass der zuvor beschriebene Effekt später einsetze und eine zunächst dekaprismatische Wachstumsmorphologie zunehmend an struktureller Perfektion verlor. Erst der Wechsel der Züchtungsrichtung zu den langsamwachsenden, zweizähligen Orientierungen [10000] und [10-100] führte zu einem kontrollierbaren, einkristallinen Wachstum. Auch hier zeigte die dekantierte Wachstumsfront, dass als Wachstumsfläche an der Zweiphasengrenze l-s allein Flächen der Form des dekagonalen (Haupt-) Prismas {10000} auftreten. Das gemeinsame Ergebnis aller Studien zur Züchtung von dekagonalen Quasikristallen nach dem CZOCHRALSKI-Verfahren ist das Auftreten des dekagonalen (Haupt-) Prismas {10000} als Wachstumsfläche an der Zweiphasengrenze l-s. Auch können an der Peripherie der Kristalle außer den beiden bekannten Formen der dekagonalen Dipyramide keine weiteren Flächen geneigter Formen beobachtet werden. Das Kugelwachstumsexperiment bot die Möglichkeit, das Wachstum aller symmetrisch nicht äquivalenten Kristallorientierungen einer Kristallart an einem sphärisch präparierten Individuum zu beobachten. Dieses experimentell aufwändige Experiment wurde erstmals in der beschriebenen Art in einem intermetallischen System realisiert. Nach dem Experiment konnte auf der Kugeloberfläche das Auftreten von Flächen nachgewiesen werden, die den beiden Formen des dekagonalen Prismas {10000} sowie {10-100} zugeordnet werden können. Sie sind das Ergebnis von Wachtumsprozessen an der Zweiphasengrenze l-s und stellen somit Wachstumsflächen dar. Das Auftreten von Flächen genegter Formen konnte nicht beobachtet werden. Da weite Bereiche der Kugeloberfläche von Oxiden bedeckt und somit einer detaillierten Beobachtung unzugänglich waren, ist ihre Nichtexistenz jedoch noch nicht hinreichend bewiesen. Mit den CZOCHRALSKI-Abreißexperimenten wurde die maximale flächenspezifische Kristallisationsgeschwindigkeit von dekagonalen AlCoNi-Quasikristallen bestimmt. Dazu konnte die Grundidee CZOCHRALSKIS verfolgt und an die Besonderheiten inkongruenter Schmelzen in einem Multikomponentensystem angepasst werden. Das Limit für die Kristallisationsgeschwindigkeit parallel der zehnzähligen Achse [00001] ist derart hoch, dass noch vor dem (kinetisch bedingten) Abreißen des Kristalls von der Schmelze die Effekte der konstitutionellen Unterkühlung einsetzen. Es entstehen Störungen an der Wachstumsfront, unter denen unrealistisch hohe Ziehgeschwindigkeiten möglich werden, die jedoch nicht mehr zu einer defektarmen Kristallzüchtung führen. Die maximale Kristallisationsgeschwindigkeit kann in dieser Orientierung nach dieser Methode nicht bestimmt werden, weil die Grenzen der konstitutionellen Unterkühlung überschritten werden, bevor das wachstumskinetische Limit erreicht ist. In den symmetrisch nicht äquivalenten, zweizähligen Kristallorientierungen [10000] und [10-100] wurden für jede Orientierung mehrere Abreißereignisse unter verschiedenen erhöhten Ziehgeschwindigkeiten vz+ durchgeführt und die Zeit t bis zum Abriss des Kristalls von der Schmelze gemessen. Die gewonnenen t(vz)-Werte zeigen einen linearen Zusammenhang zwischen der Ziehgeschwindigkeit vz und der reziproken Zeit t bis zum Trennen von Kristall und Schmelze auf, wobei die t(vz)-Werte für die [10000]-Orientierung eine deutlich größere Streuung zeigen als für die [10-100]-Orientierung. Die ermittelten Werte lassen keinen signifikanten Unterschied für die maximale Kristallisationsgeschwindigkeit vkr der beiden Kristallorientierungen [10000] und [10-100] erkennen. Als Ursache für das weniger gut reproduzierbare Abreißverhalten der singulären Grenzfläche (10000) wurde eine mechanische Ursache angenommen, die anhand eines einfachen Modellexperimentes (Benetzungsexperiment) überprüft wurde. Für modellhafte Nachbildungen der singulären Grenzfläche (10000) und der komplexen Grenzfläche {10-100} wurde die Reproduzierbarkeit des Abreißverhaltens bei verschiedenen Fehlorientierungen untersucht. Dazu wurden zylindrische Prüfkörper von gleichem Durchmesser hergestellt, wobei die Grenzfläche l-s im Fall der (10000)-Fläche eine ebene, parallel zur Oberfläche der Testschmelze orientierte Fläche darstellte. Die Grenzfläche l-s im Fall der komplexen (10-100)-Fläche, die aus gegeneinander orientierten Segmenten von Flächen der Form {10000} aufgebaut ist, wurde aus zwei eben Flächen, deren Flächennormalen um +18° bzw. -18° gegen die Oberfläche der Testschmelze geneigt sind, dargestellt. Dabei konnte festgestellt werden, dass sich das Abreißverhalten der komplexen Grenzfläche {10-100} als invariant gegenüber Fehlorientierungen erwiesen hat. Eine singuläre, parallel zur Schmelzenoberfläche orientierte Grenzfläche {10000} zeigt dagegen eine schlechte Reproduzierbarkeit der einzelnen Abreißereignisse. Mit diesem Ergebnis kann die breite Streuung der Experimente für die (10000)-Grenzfläche erklärt werden. Die Bestimmung der Oberflächenenergie von präparierten (00001)-, (10000)- und (10-100)-Oberflächen dekagonaler AlCoNi-Quasikristalle erfolgte über Kontaktwinkelmessungen. Mit den Testflüssigkeiten Wasser und Dijodmethan konnten die polare und die dispersive Komponente der Oberflächenenergie getrennt voneinander bestimmt werden. Die Kontaktwinkelmessungen mussten unter Umgebungsbedingungen erfolgen, d.h. die Quasikristalloberflächen befanden sich nicht im thermodynamischen Gleichgewicht mit ihrer eigenen Schmelze. Dabei wurden Ergebnisse gewonnen, die die Aussagen aus den Kinetikexperimenten ergänzen. Es wurde für die (10000)-Oberfläche eine geringere Oberflächenenergie als für die (10-100)-Oberfläche gefunden. Nach der klassischen Theorie des Kristallwachstums bedeutet eine geringe Oberflächenenergie, dass das Wachstum über eine atomar glatte Phasengrenze geschieht. Daraus resultiert eine geringe parallele Verschiebungsgeschwindigkeit der betreffenden Fläche, womit für die Flächen des dekagonalen (Haupt-) Prismas eine geringere parallele Verschiebungsgeschwindigkeit als für die Flächen des dekagonalen (Neben-) Prismas {10-100} erklärt werden kann. Diese Annahme wird durch die Beobachtungen bezüglich des Auftretens von Flächen der Form {10-100} in dem Kugelwachstumsexperiment bestätigt. Sie treten im Anfangsstadium des weiteren Wachstums auf der Kugeloberfläche noch auf, wachsen schneller und verschwinden folglich aus der Morphologie. Die in dieser experimentellen Arbeit gewonnenen Ergebnisse können kein theoretisches Modell zum Verständnis des quasikristallinen Wachstum liefern. Vielmehr lassen sich die beobachteten Wachstumsphänomene mit den theoretischen Vorstellungen des Wachstums periodischer Kristalle hinreichend gut erklären. Es bleibt die Frage offen, wie groß der Einfluss der quasiperiodischen Ordnung auf das (Quasi-) Kristallwachstum ist oder ob die beobachteten Phänomene nicht einzig ein Resultat der komplexen Struktur dieser intermetallischen Legierungen sind.