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Gudrun unterhielt sich mit Meike Juliane Amtenbrink. Frau Amtenbrink hat von September 2017 bis Februar 2018 am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg Wasserstofftankstellen modelliert. Die Niederschrift der Ergebnisse bilden ihre Masterarbeit im Studiengang Energietechnik am KIT . Gudrun hat die Arbeit von Seiten des KIT als Erstgutachterin betreut. Als kohlenstofffreier Energieträger ist Wasserstoff im weltweiten Fokus der Forschung. Tanken mit Wasserstoff verspricht, den CO2-Ausstoß des Verkehrssektors zu reduzieren, zusätzlich ermöglicht die Umwandlung überschüssiger Strommengen in Wasserstoff mittels Elektrolyse dringend benötigte Flexibilität für die zukünftige Energieversorgung. Dafür müssen Tankstellen zur Verfügung stehen. Auf dem noch jungen Markt hat sich auf der Kundenseite bereits ein Standard etabliert, sodass alle Besitzerinnen eines Brennstoffzellenfahrzeugs an jeder Wasserstofftankstelle nachtanken können. Der technische Aufbau der Tankstellentechnologie ist dabei, je nach Anwendung, unterschiedlich. Teil der Arbeit war es einzuschätzen, welche Konzepte für den zukünftigen Markt eine Rolle spielen. Aufgrund der Vergleichbarkeit zwischen den relevanten Konzepten und dem in der ISE-eigenen Tankstelle umgesetzten Aufbau, wurde die institutseigene Tankstelle modelliert und die vorhandenen Messdaten genutzt, um die Plausibilität der Ergebnisse zu überprüfen. Im Rahmen vorangegangener Abschlussarbeiten wurde am Fraunhofer ISE ein Simulationsmodell eines Power-to-Gas-Systems auf Basis der PEM-Elektrolyse erstellt. Dieses Modell hatte zum Ziel, das dynamische Systemverhalten nachzubilden, Aussagen/Vorhersagen zum realen Wirkungsgrad der Anlage zu geben und die tatsächliche jährliche Wasserstofferzeugung zu prognostizieren. Darauf konnte Frau Amtenbrink aufbauen. In ihrer Arbeit wurde ein nulldimensionales, thermodynamisches Realgasmodell einer Wasserstofftankstelle in MATLAB/Simulink erstellt. Dafür wurden für die Einzelkomponenten einer Wasserstofftankstelle die Enthalpie- und Stoffbilanzen aufgestellt, in Simulink implementiert und über eine Steuerungslogik zu einem Gesamtsystem verbunden. Mit dem Tankstellenmodell können das Stand-by-Verhalten der Tankstelle und der Betankungsvorgang sekundengenau simuliert werden. Ergebnis sind die Drücke, Temperaturen und Stoffströme des Wasserstoffs an den relevanten Stellen im Gesamtsystem und der Energieverbrauch der Tankstelle, aufgeschlüsselt nach den wichtigsten Einzelkomponenten. Das Speichermodell kann auf Grundlage der Erhaltungsgleichungen über die zu- und abfließenden Stoffströme den sich ergebenden Druck und die Temperatur des Wasserstoffs im Speicher nachbilden, wobei die Realgasgleichung nach Redlich und Kwong benutzt wurde. Der Wärmeaustausch mit der Umgebung durch Konvektion und Wärmeleitung ist berücksichtigt. Das Modell ist auf verschiedene Speicher parametrisierbar und kann über die Anpassung der Geometrie- und Materialwerte sowohl für die Druckbänke an der Tankstelle, als auch für den Fahrzeugtank genutzt werden. Die Speichermodelle zeigen eine sehr gute Übereinstimmung mit der Realität. Die Drücke in Abhängigkeit der Umgebungstemperatur und die Temperaturerhöhung, die sich als Resultat einer Speicherbefüllung ergibt, können nachgebildet werden, ebenso der nach einer Befüllung erfolgende Temperaturausgleich mit Druckreduzierung. Durch das Modell für die Rohrleitungen können die Druckverluste innerhalb der Tankstelle abgebildet werden. Das Modell ist durch die Wahl der Geometrieparameter auf unterschiedliche Tankstellenkonfigurationen anwendbar. Der Kompressor wurde isentrop modelliert und die Verdichtungsarbeit mit einem isentropen Wirkungsgrad korrigiert. Der Druckanstieg, der sich durch den Kompressor beim Wiederbefüllen der Druckbank ergibt, ist durch die Simulation genau wiedergegeben. Dadurch ergibt sich, dass die Dauer der Speicherbefüllung zwischen Simulation und Messung übereinstimmt. Zur Modellierung der Kältemaschine wurde der Kältemittelkreislauf stark vereinfacht und durch eine Kälteleistung ersetzt, die von der Umgebungstemperatur abhängt. Für die wichtigsten Energieverbraucher an der Tankstelle, Kompressor und Kältemaschine, wurden Modelle erstellt, durch die der Energieverbrauch in Abhängigkeit der Betriebsführung berechnet werden kann. Nach der anschließenden Validierung kann das Modell dazu dienen, die Hauptenergieverbräuche an der Tankstelle zu quantifizieren und die Größe der einzelnen Komponeten optimal aufeinander auszulegen. Damit kann in Zukunft entschieden werden, ob zum Beispiel die Betriebsführung der Kältemaschine zur Optimierung des Gesamtwirkungsgrades verändert werden sollte. Literatur und weiterführende Informationen Pressemitteilung des H2-Tankstellen-Konsortiums App zum Auffinden von Wasserstofftankstellen sowie Karte mit Wasserstofftankstellen in Deutschland Informationen zur ersten H2-Tankstelle in Karlsruhe https://pem-electrolysis.de Homepage des Bereichs Wasserstofftechnologien am Fraunhofer ISE H.D. Baehr und S. Kabelac. Thermodynamik: Grundlagen und technische Anwendungen. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, 2012. 978-3-642- 24160-4. doi: 10.1007/978-3-642-24161-1, 2012. E. Rothuizen e.a: Optimization of hydrogen vehicle refueling via dynamic simulation. International Journal of Hydrogen Energy Vol. 38, No. 11, p. 4221-4231, 2013. A. Huss und M. Corneille. Wasserstoff-Tankstellen. Ein Leitfaden für Anwender und Entscheider. Wiesbaden: Hessisches Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, 2011. Podcasts F. Schueth, T. Pritlove: Energieforschung, Episode 12 im Forschergeist Podcast, Stifterverband/Metaebene, 2015. M. Voelter, D. Schumann: Elektromobilität, Episode 163 im omega tau Podcast, 2015.
Fakultät für Physik - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 03/05
Diese Arbeit untersucht mithilfe eines axisymmetrischen numerischen Modells die Prozesse, die zur Intensivierung tropischer Zyklone führen. Das Modell ist hydrostatisch, die Mo-dellgleichungen sind in Sigmakoordinaten auf einer f-Ebene formuliert. Es besteht aus drei Schichten: einer für die Grenzschicht und zwei für die freie Troposphäre. Insbesondere wird der Einfluss des Coriolisparameters f auf die Intensität und Größe von tropischen Zyklonen untersucht. In der ersten von zwei Experimentreihen zeigt sich, dass sich die stärksten Stürme bei mittleren Werten von f entwickeln. Ebenso gibt es einen optimalen Wert von f im mittleren Bereich, bei dem die größten Stürme entstehen. Diese Ergebnisse scheinen zunächst mit klassischen Laborexperimenten von Turner und Lilly übereinzustimmen. Eine mögliche Analogie dieser Laborexperimente zu tropischen Zyklonen wird eingehend untersucht. Dabei zeigt sich, dass diese Analogie unter anderem aufgrund des in der Grenzschicht stattfindenden Intensivierungsprozesses begrenzt ist. Zum weiteren Verständnis wird eine zweite Experimentreihe durchgeführt. Die modellierten Stürme werden hierbei durch ein vorgeschriebenes Profil der diabatischen Erwärmungsrate angetrieben. Andere Feuchtprozesse werden ausgeschlossen. Es ergibt sich nun kein optimaler Wert von f für die Intensität der Stürme. Die Beziehung zwischen der Stärke des Antriebs und der Stärke der Rotation ist somit ein wichtiger zusätzlicher limitierender Faktor bei tropischen Zyklonen. Dennoch gibt es einen optimalen Breitengrad für die Größe der Zyklone, vergleichbar mit dem in der ersten Experimentreihe. Außerdem wird die Sensitivität des Modells bezüglich der horizontalen Auflösung, des Eddy-Diffusions- und Reibungskoeffizienten und der Windgeschwindigkeitsabhängigkeit des Bodenflusses von Enthalpie untersucht. Die Intensität nimmt geringfügig mit größerer horizontaler Auflösung zu, die Größe des Sturms bleibt nahezu unverändert. In Übereinstimmung mit anderen Ergebnissen in der Literatur ist die Intensität stark abhängig vom horizontalen Eddy-Diffusionskoeffizienten. Erhöht man den Reibungskoeffizienten und lässt den Wärmeaustauschkoeffizienten konstant, bewirkt dies eine erhöhte Feuchtekonvergenz und damit einen früheren Beginn der schnellen Intensivierung. Die Intensität am Ende der Simulation nimmt, im Unterschied zu neuesten Ergebnissen von Montgomery et al., jedoch ab. Kappt man die Windgeschwindigkeitsabhängigkeit des Bodenflusses von Enthalpie bei kleinen Werten von 10 m/s, so simuliert das Modell dennoch Stürme mit Intensitäten, die Hurrikanstärke übersteigen. Dies zeigt, dass der in weiten Kreisen akzeptierte 'Verdunstungs-Wind-Rückkopplungsmechanismus' nicht wesentlich für die Intensivierung tropischer Zyklone ist.
Fakultät für Chemie und Pharmazie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/06
Das Ziel dieser Arbeit war die Charakterisierung und Synthese neuer Halogen- und Pseudohalogenverbindungen und die Untersuchung mit Hilfe von quanten– mechanischen Rechnungen. Im Folgenden sind kurz die Ergebnisse der in den Kapiteln C, D und E vorgestellten Arbeiten zusammengefasst. Die in der vorliegenden Arbeit dargestellten Verbindungen und ihre Charakterisierung sind in Tabelle F1 aufgeführt. In der letzten Spalte sind die Literaturstellen der bereits veröffentlichten Arbeiten angegeben. Durch die Ergebnisse im Rahmen dieser Dissertation konnten neue Erkenntnisse über den Zusammenhang von Struktur und chemischer Bindung der untersuchten Verbindungen gewonnen werden. Des Weiteren konnten mit Hilfe quantenmechanischer Rechnungen neue Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Stabilität, Ladungsverteilung und Reaktionsverhalten der verschiedensten Halogen und Pseudohalogenverbindungen gewonnen werden. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Kombination von experimentellen Methoden, wie Schwingungsspektroskopie, NMR-Spektroskopie und Röntgenbeugung, mit quantenmechanischen Rechnungen ein hervorragendes Mittel ist, um die chemische Bindung von Halogen und Pseudohalogenverbindungen zu beschreiben. Dies konnte eindrucksvoll in den Studien zu den Thiazylhalogeniden, Triazinpseudohalogenverbindungen und Halogencyan-Addukten gezeigt werden. In Tabelle F2 sind die in dieser Arbeit mit quantenmechanischen Rechnungen charakterisierten Verbindungen aufgeführt. F1 Thiazylhalogenide (Kapitel C) Erstmals konnte die Struktur des NSCl2 –-Anions (Thiazyldichloridanion), dass zu einer neuen Klasse sehr labiler ternärer Anionen des Typs NSX2 – (X = Halogen) gehört, durch Röntgenbeugung an Einkristallen gelöst werden. Bisher wurde keine Verbindung, die das „nackte“ Anion enthält, strukturell charakterisiert. Bei der theoretischen Untersuchung des Cl–-Acceptorverhaltens und der Thermodynamik von NSCl wiesen ab-initio-(CCSD(T))- und Dichtefunktional- Rechnungen (B3LYP) auf einen barrierefreien Angriff des Cl–-Anions auf das NSCl- Molekül hin, welcher zur Bildung des NSCl2 –-Anions führt. Diese Reaktion stellt eine exotherme Lewis-Base-Lewis-Säure-Reaktion dar mit einer berechneten molaren Enthalpie von ∆H298 = –124.6 kJ mol–1, die zu einem Ladungstransfer von QCT = 0.385e (B3LYP/6-311+G(3df)) führt. Die Auswertung der IR- und Raman-Spektren ergab in Kombination mit den Ergebnissen von quantenmechanischen Rechnungen, dass die Cl-Atome sehr schwach an ein fast als SN+-Ion vorliegendes Kation gebunden sind. Die hervorstechenden strukturellen Besonderheiten des NSCl2 – lassen sich mit einfachen, qualitativen MO- und VB-Betrachtungen erklären: Die NSCl-Bindung kann als neuartige Vier-Elektronen-Drei-Zentren-Bindung, die die S-Cl-σ-Bindung mit der S-N-π-Bindung verknüpft, aufgefasst werden. Es gibt zwei solcher Vier-Elektronen-Drei-Zentren-Bindungen. In den umfassenden Studien zu den NSX2 –-Anionen (X = F, Cl, Br, I) wurde festgestellt: (i) durch Cl–/F–-Austausch ist es möglich das NSF2 – aus NSCl2 – in Lösung zu bilden; (ii) die Bildung von NSBrCl– im Festkörper und Lösung und die Bildung von NSBr2 – im Festkörper konnte nachgewiesen werden, wobei diese Verbindungen sehr instabil sind und sehr schnell weiterreagieren; (iii) die NSX2 –-Salze (X = Br, I) zerfallen unter Bildung von S4N4 bzw. polymeren (SN)x in Abhängigkeit von den Reaktionsbedingungen; (iv) die Polarität des Lösemittels besitzt einen großen Einfluss auf den Zerfall von Thiazyldichlorid und die Zerfallsprodukte. Die quantenmechanischen Rechnungen zu den NSX2 –-Anionen ergaben: (i) Alle betrachteten Verbindungen sind bezüglich der Bildungsreaktion thermodynamisch stabil. (ii) Alle Reaktionen sind exotherm, wobei die Fluor-Spezies erwartungsgemäß die kleinsten freien Reaktionsenthalpien und die Iod- Spezies die größten besitzen. (iii) Überraschend niedrig ist im Vergleich zu den Halogenen die freie molare Reaktionsenthalpie für die Bildung von NSH2 –. (iv) Alle NSXY–-Verbindungen repräsentieren hoch-polarisierte Moleküle, wobei die Polarisation der S-N- bzw. S-X-Bindung von den FVerbindungen zu den I-Verbindungen abnimmt. Die Bildungsreaktion (NSX + Y–) entspricht einer Donor-Acceptor-(charge transfer)-Reaktion, die barrierefrei verläuft. (v) Im Einklang mit den berechneten Strukturdaten (lange S-X- bzw. S-YBindungslängen, kurze S-N-Bindungen) zeigt die Elektronendichteverteilung in der NSCl-Ebene viel Elektronendichte zwischen der S-N-Bindung und nur wenig zwischen der S-Cl-Bindung. Dies deutet daraufhin, dass die ionischen Verbindungen NSX2 – bzw. NSXY– am besten als NS+ X– Y– mit schwachen kovalenten S-X- bzw. S-YWechselwirkungen beschrieben werden sollten (s.o.). (vi) Die Bindungssituation in den NSX2 –-Verbindungen lässt sich durch zwei Vier-Elektronen-Drei-Zentren-Bindungen mit „geschwächten“ S-X- und S-Y-σ-Bindungen und „geschwächten“ S-N-πx- und πy-Bindungen beschreiben. Die zunehmende Schwächung der Vier-Elektronen-Drei- Zentren-Bindungen ist durch die geringer werdende Überlappung in der Reihe F > Cl > Br > I (F: S-X-σ-S-N-π-Orbital; I: reines S-N-π-Orbital) zu erklären (siehe Abbildung C9). (vii) Die N-S-X-Winkel sind vom Halogen wenig beeinflusst und liegen bei 113 bis 115°. Der X-S-X-Winkel nimmt von X = H zu X = Br kontinuierlich von 77.4° auf 112.7° (B3LYP) zu. Aus den Ergebnissen der Umsetzung des NSCl2 –-Anions mit verschiedensten Übergangsmetallkomplexen kann folgendes geschlossen werden: (i) die Chloro-Liganden des NSCl2 –-Anions sind, wie schon aus den Rechnungen und Strukturdaten in Kapitel C1 hervorgeht, sehr schwach an den Schwefel gebunden, wodurch eine Cl–-Abstraktion begünstigt wird; (ii) keiner der verwendeten Übergangsmetallkomplexe ist in der Lage, das NSCl2 –-Anion ohne Zersetzung zu stabilisieren; (iii) die Reaktion mit Übergangsmetallchloriden forciert je nach Reaktionsbedingungen die Zersetzung des NSCl2 –-Anions zu NSCl/(NSCl)3, S2N2, S3N2 2–, S4N4 und Cl2. F2 Pseudohalogenchemie des s-Triazins (Kapitel D) Bei der Untersuchung des Reaktionsverhaltens der Pseudohalogenverbindungen MX (mit M = K, Na, Ag; X = NNN, OCN, CNO, SCN und SeCN) mit 2,4,6–Trichloro– 1,3,5–triazin (Cyanurchlorid) zeigte sich, dass (i) nur die Azide und Thiocyanate geeignet sind, das Cyanurchlorid im Sinne einer nucleophilen Substitution anzugreifen. (ii) die Bildung der analogen Selenocyanate und Cyanate bzw. der entsprechenden Iso-Verbindungen nicht beobachtet werden konnte. (iii) die Isocyanate 35 und 36 nur über die ein- bzw. zweifachsubstituierten Amine, durch Reaktion mit Oxalylchlorid oder Phosgen unter Abspaltung von Salzsäure und Kohlenmonoxid, dargestellt werden können. (iv) die Darstellung des Triisocyanatotriazins aus Melamin nicht gelang, da für diese Reaktion elektronenziehende Substituenten am Triazinring nötig sind. Die Verbindungen 26[60b], 35, und 36 konnten mit Hilfe der Schwingungsspektroskopie, der NMR-Spektroskopie und anhand von Einkristallröntgenstrukturanalysen charakterisiert werden. (v) die nucleophile Substitution der verbleibenden Chloratome in 35 und 36 durch Umsetzung mit anderen Pseudohalogeniden (z.B. LiN3, Na/K-N3, - NCO, -SCN, -CN) nicht möglich ist, da die Isocyanate durch ihre elektronenschiebenden Eigenschaften den Triazinring deaktivieren und somit eine weitere nucleophile Substitution am Ring verhindern. Bei der Reaktion von 2,4,6–Triazido–1,3,5–triazin (26) mit Triphenylphosphan in verschiedenen molaren Verhältnissen konnten die Verbindungen 29, 31 und 32 mit Hilfe der Schwingungsspektroskopie, der NMR-Spektroskopie und der Röntgenbeugung eindeutig charakterisiert werden (Gleichung F1). Des Weiteren konnten die Verbindungen 27 und 28, die in Lösung im Gleichgewicht mit 31 und 32 vorliegen, anhand ihrer 31P-NMR-Resonanzen nachgewiesen werden. Alle drei Stufen der Reaktion von 2,4,6–Triazido–1,3,5–triazin mit Triphenylphosphan repräsentieren exotherme Reaktionen. Nur für die Verbindungen 27 und 28 kann in Lösung ein Gleichgewicht zwischen dem Tetrazol- und dem Azidisomer gefunden werden. Die experimentelle Beobachtung des Azid-Tetrazol-Gleichgewichtes 27 a 31 und 28 a 32, im Gegensatz zu 26 a TR1 (ohne PPh3-Gruppen, Abbildung D1), kann durch die thermodynamische Stabilisierung des Tetrazolisomers nach der Einführung der Triphenylphosphangruppe erklärt werden (Abbildung D5). Aus den Rechnungen und den Experimenten ergab sich: (i) eine relativ große Aktivierungsbarriere für die Cyclisierung von ca. 20 bis 25 kcal mol–1, die mit der ungünstigen elektrostatischen Abstoßung zwischen dem terminalen Stickstoff der Azidgruppe und dem Stickstoffatom im Ring und ebenso durch das Abwinkeln der Azidgruppe erklärt werden kann. (ii) dass die Einführung von Triphenylphosphangruppen zu stärker polarisierten C-N-Bindungen im Ring und zu einem Ladungstransfer in das Triazinringsystem führt. (iii) der orbitalkontrollierte Ringschluß wird durch einen nicht unerheblichen Ladungstransfer in den Tetrazolring begleitet und stabilisiert so thermodynamisch das Tetrazolisomer. Diese Ladungsumverteilung erklärt die wichtige Rolle der Triphenylphosphangruppen bei der Ringschlussreaktion, da sie als gute Elektronendonatoren gelten. F3 Pseudohalogenchemie von P-N-Verbindungen (Kapitel E) Bei der Untersuchung des Reaktionsverhaltens von Trimethylsilyltriphenylphosphanimin mit den Halogen-Pseudohalogenverbindungen ClCN, BrCN und ICN zeigte sich, (i) dass es nur für die Reaktion mit ICN möglich ist das Addukt im Festkörper zu stabilisieren; (ii) dass das ClCN-Addukt spontan zu Ph3PNCN und ClSiMe3 zerfällt; (iii) dass das BrCN-Addukt zwar etwas stabiler ist, jedoch auch langsam zu Ph3PNCN und BrSiMe3 zerfällt; (iv) dass die Zugabe von KF oder eine Temperaturerhöhung zur sofortigen Bildung von Ph3PNCN führt. Das ICN-Molekül ist aufgrund der Wechselwirkungen mit dem N-Atom der Ph3PNSiMe3-Einheit leicht gewinkelt (ca. 176°). Die VB-Betrachtung der NBOAnalyse ergibt, dass es weder am I- noch am P-Atom zu nennenswerten d-Orbital- Erweiterungen kommt. Bei der Untersuchung der Donor-Acceptor-Wechselwirkungen zeigten sich schwache Wechselwirkungen zwischen den beiden freien Elektronenpaaren (p-AOs) des N-Atoms der Ph3PNSiMe3-Einheit mit dem leeren antibindenden σ*-Orbital des ICN-Fragmentes. Die Untersuchung des Reaktionsverhaltens verschiedenster Pseudohalogenidverbindungen MX (M = K, Na, Li, Ag; X = N3, SCN, OCN, SeCN, CNO) mit Hexachlorocyclotriphosphazen in unterschiedlichen Lösungsmitteln zeigte, dass nur die Azid- und Isothiocyanat-Verbindungen gebildet werden. Die Einkristall- Röntgenstrukturanalyse von Hexaisothiocyanatocyclotriphosphazen zeigte, dass der (PN)3-Ring abgewinkelt ist. Bei der Reaktion von KN3 mit Triphenylphosphan, [PN(Cl)2]3 und Kronenether in peroxidhaltigem THF kristallisierte interessanterweise nicht das erwartete Staudingerprodukt aus, sondern der Kronenetherkomplex [K([18]krone–6)(N3)- (OPPh3)]. Die Umsetzung mit KOCN, KSCN und KSeCN führte ebenfalls zu den analogen Kronenetherkomplexen.