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Fakultät für Physik - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 05/05
Die moderne Anrege-Abfrage-Spektroskopie (Pump-Probe-Spektroskopie) ermöglicht es, die Mehrheit der relevanten physikalischen und chemischen Prozesse zeitaufgelöst zu messen. Die Pump-Probe-Spektroskopie wird in der fundamentalen, industriellen, biomedizinischen und Umweltforschung angewendet, um ein breites Spektrum von komplizierten Substanzen zu untersuchen. Diese Dissertation demonstriert das große Potenzial der transienten Spektroskopie für die Untersuchung von ultraschnellen chemischen Reaktionen komplizierter organischer Moleküler (Allylverbindungen). Auch einige praktische Vorschläge zur Verbesserung der spektroskopischen Messroutine werden gegeben. Die Bestimmung des Zeit-Nullpunkts (zeitlicher Überlapp) der Anrege- und Abfragepulse ist sehr wichtige und keine triviale Aufgabe in einem Anrege-Abfrage-Experiment. Im Kapitel 3 werden die Ergebnisse der Untersuchung von bekannten Laserfarbstoffen und anderen Substanzen, die erfolgreich zur Zeit-Nullpunkt Kalibrierung benutzt werden können, beschrieben. In den Kapiteln 4 und 5 werden die Ergebnisse der spektroskopischen Untersuchung von einigen interessanten Allylsystemen präsentiert. Es ist uns gelungen zu zeigen, dass die spezifische molekulare Einheit (die Styrolgruppe) als Chromophor dient, was während der UV-Anregung von Allylen mit Kurzpuls-Lasern zur Lokalisierung der Anregung auf der Styrolgruppe führt. Durch die Benutzung dieser Eigenschaft und den Wechsel von Abgangsgruppen und Substituenten haben wir detailiert den Bindungsbruch und die geminate Ionenpaar-Rekombination von unsubstituierten, symmetrisch und unsymmetrisch substituierten Allylsystemen untersucht.
Tierärztliche Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 06/07
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Entwicklung von monoklonalen Antikörpern (mAk) zum Nachweis verschiedener relevanter Cephalosporin-Rückstände. Zu diesem Zweck wurden einfache, schnelle und effiziente Verfahren zur Synthese von Cephalosporin-Protein-Konjugaten entwickelt. Zur Gewinnung von Antikörpern wurden Mäuse mit den entsprechenden, mittels aktiver-Ester-Methode an Trägerproteine gekoppelten Cephalosporinen immunisiert. Mittels Zellfusion konnten verschiedene Hybridom-Zelllinien etabliert werden, die mAk zum Nachweis von Cefalexin und Ceftiofur sezernierten. Des Weiteren gelang es erstmals, auch mAk zum Nachweis von Cefapirin, Cefoperazon und Cefquinom herzustellen. Basierend auf diesen mAk wurden verschiedene, hauptsächlich indirekt kompetitive EIA-Verfahren entwickelt und für die Analyse von Milch optimiert. Hinsichtlich der angestrebten Sensitivität waren die in der VO (EU) Nr. 37/2010 festgelegten Rückstandshöchstmengen (MRL-Werte) maßgeblich. Alle mAks waren in der Lage, ihr Ziel-Antibiotikum in Konzentrationen weit unterhalb des entsprechenden MRLWerts nachzuweisen; die Nachweisgrenzen der optimierten EIA-Verfahren betrugen 0,3 ng/ml (Ceftiofur), 0,4 ng/ml (Cefquinom), 2,7 ng/ml (Cefalexin), 6,1 ng/ml (Cefoperazon) bzw. 17,2 ng/ml (Cefapirin) und lagen damit ca. 3,5- bis 330-fach unterhalb dem jeweiligen Grenzwert. Die Spezifität der Antikörper wurde v. a. durch die C-7-Seitenkette des zur Immunisierung verwendeten Cephalosporins geprägt. Nachweisbare Kreuzreaktionen der mAks traten daher nur mit solchen Cephalosporinen auf, die einen strukturell verwandten C-7- Substituenten aufwiesen. Diese kreuzreaktiven Cephalosporine sind jedoch nicht zur Therapie Lebensmittel liefernder Tiere zugelassen. Mit Ausnahme von Ceftiofur ermöglichen die Antikörper daher den substanzspezifischen Nachweis von Cephalosporin- Rückständen in Lebensmitteln. Die Anwendbarkeit der etablierten EIA-Verfahren zum Nachweis von Rückständen in Milch wurde anhand künstlich dotierter Milchproben überprüft. In einem Konzentrationsbereich entsprechend dem ½-, 1- sowie 2-fachen des jeweiligen MRLWerts von 20 – 100 μg/kg wurden Wiederfindungsraten von 90 – 120 % erreicht. Damit stehen erstmals unter Routinebedingungen einsetzbare quantitative immunchemische Analyseverfahren zur Verfügung, die den spezifischen Nachweis fast aller der derzeit in der Therapie von Lebensmittel liefernden Tieren eingesetzten Cephalosporine weit unterhalb der festgelegten Rückstandshöchstmengen ermöglichen.
Fakultät für Physik - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 03/05
Die Informationstechnologie revolutioniert das tägliche Leben seit Jahrzehnten. Der stetig steigende Umfang zu speichernder und zu bearbeitender Daten motiviert die Suche nach Schalt- und Speicherbausteinen in der Größenordnung einzelner Moleküle. Diarylethene (DAE) sind so genannte molekulare Schalter und zeigen großes Potential als photochrome optische Speicher im Bereich der sich entwickelnden jungen Molekularelektronik. Sie gehören zu den molekularen Schaltern auf der Basis eines 6-Pi-Elektronensystems. Ihre ausgeprägte Photochromie wird von einer photoinduzierten, reversiblen Ringschlussreaktion bestimmt, die im Pikosekundenbereich (1 ps = 10−12 s) stattfindet. Diese Arbeit stellt eine spektroskopisch bisher unbearbeitete Klasse von Diarylethenen vor, deren strukturbildende Einheit auf einer Maleinsäureimidgruppe basiert. (i) Durch Kombination verschiedener spektroskopischer Techniken bestehend aus stationärer Absorptions- und Emissionsspektroskopie sowie moderner Methoden der Ultrakurzzeitspektroskopie (Breitband-Anrege-Abfrage Spektroskopie im UV/VIS-Spektralbereich) konnten die kinetischen Abläufe der photoinduzierten Isomerisierungsprozesse im Bereich weniger Pikosekunden detailliert beobachtet und verstanden werden. Die Untersuchungsmethoden konnten für die Reaktionsdynamik nahezu aller untersuchter Moleküle ein detailliertes Reaktionsmodell der Photoreaktion liefern. (ii) Durch Einsatz unterschiedlichster Substituenten und deren Methylierung bzw. fehlender Methylierung konnte der Mechanismus des Ringschlusses bzw. der Ringöffnungsreaktion untersucht und der Einfluss der Substitution auf die Reaktion verstanden werden. Hierbei zeigt sich, dass die Methylierung einerseits über sterische Wechselwirkung die für die Ringschlussreaktion günstige Ausrichtung der Substituenten steuert und andererseits die Reversibilität des Isomerisierungsprozesses gewährleistet. (iii) Aus der Substitution des Maleinsäureimids mit verschiedenen Heterozyklen zeigte sich, dass deren aromatische Stabilität die Effizienz der Ringschluss- und Ringöffnungsreaktionen reguliert. Monozyklische Heteroaromaten zeigen eine geringere Stabilität ihres aromatischen Ringsystems (erhöhte Tendenz zur Ringschlussreaktion) im Vergleich zu benzolkondensierten Heteroaromaten (erniedrigte Tendenz zur Ringschlussreaktion). Zusätzliche Elektronenakzeptoren (hier: boc-Schutzgruppe) reduzieren die Aromatenstabilität des Heterozyklus und erhöhen die Ringschlusstendenz. (iv) Es konnte gezeigt werden, dass die N-ständige Tolyl- bzw. Methyl-Substitution des Maleinsäureimids einen vernachlässigbaren Einfluss auf die Reaktionsdynamik ausübt - diese bleibt faktisch unverändert. Größere Fremdmoleküle (z.B. Proteine) lassen sich somit N-ständig über die Maleinsäureimidgruppe an das jeweilige DAE anbinden, ohne dessen Reaktionsdynamik maßgeblich zu verändern.
Fakultät für Chemie und Pharmazie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 02/06
Die vorliegende Dissertation stellt die Ergebnisse der Untersuchungen auf zwei Themengebieten vor: Synthese und Struktur neuer Organophosphor-Chalkogen-Verbindungen ausgehend von speziellen Dichlorphosphanen RPCl2 durch Kondensation mit Natriumchalkogeniden Na2Chx (x = 1,2; Ch = S, Se, Te) einerseits sowie erstmalige Untersuchungen zur Synthese und Struktur kationischer Phosphor-Chalkogen-Polycyclen andererseits. Als Edukte wurden Dichlorphosphane mit besonderen sterischen, elektronischen oder mobilen Eigenschaften der organischen Substituenten verwendet. Es gelang für neun solche Dichlorphosphane mit zum Teil sehr unterschiedlichen Eigenschaften Synthesen zu optimieren oder neu zu entwickeln. Erstmals wurden Aroxy- und Alkoxydichlorphosphane sowie das Trifluormethyldichlorphosphan strukturell durch Röntgenbeugung an Einkristallen untersucht. Mit den neun Dichlorphosphanen wurden systematische Untersuchungen der Kondensationsreaktionen mit Natriumchalkogeniden, insbesondere mit Natriumseleniden und -telluriden, durchgeführt. Dabei wurde eine ganze Reihe neuer Verbindungen in den quasibinären Systemen RP/Se und RP/Te identifiziert und charakterisiert. Es konnten die ersten Kristallstrukturen von Triselenatriphosphinanen (RP)3Se3, die erste Struktur eines Telluratriphosphetans (AdP)3Te und die erste Kristallstruktur eines durch eine Se4-Brücke verbundenen Selenodiphosphatdiesters erhalten werden. Eine Vielzahl weiterer neuer Verbindungen wurde NMR-spektroskopisch identifiziert und charakterisiert, darunter viele neue P/Te-Heterocyclen wie z.B. Ditelluradiphosphetane, Tritelluratriphosphinane und Ditelluratriphospholane. Bei den Selenophosphonatanionen konnten von vielen Substanzklassen neue Vertreter erstmals strukturell untersucht werden. So wurden mehrere Strukturen der Natriumsalze von Triselenophosphonatanionen und Selenodiphosphonatanionen mit einer Diselenidbrücke untersucht. Es werden das erste strukturell untersuchte Triphosphonat und Triselenoxodiphosphonat ebenso vorgestellt wie drei neue Natriumsalze von Diselenophosphatestern. Das zweite Forschungsgebiet bestand aus systematischen Untersuchungen der Synthese und Struktur von Organophosphor- Chalkogen-Kationen. Untersucht wurde die direkte Alkylierung der Phosphorchalkogenide P4S3 und P4Se3 mit Alkyl- oder Arylhalogeniden, welche zu neue Kationen RP4Chx + (x = 3, 4, 5) führten. Diese Kationen wurden durch Heterokern-NMR-Spektroskopie identifiziert und ihre Struktur in Lösung aufgeklärt. Von dem zu α-P4S5 isolobalen Kation AdP4S4+ konnte ein Röntgenbeugungsexperiment an Einkristallen des Tetrachloroaluminatsalzes durchgeführt werden. Ebenso wurde das erste P/Se/C-Kation P3Se3CH2+ röntgenographisch und NMR-spektroskopisch untersucht. Der Höhepunkt der Arbeit ist die Synthese, Strukturbestimmung durch Röntgenbeugung an Einkristallen und die vollständige 31P- und 77Se-NMR-spektroskopische Charakterisierung des ersten binären Phosphor-Chalkogen-Kations [P3Se4+][AlCl4−] überhaupt, welches Nortricyclenstruktur besitzt.
Fakultät für Chemie und Pharmazie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/06
1. Anthracenderivate Durch Suzuki-Kupplung gelingt es, ausgehend von 9,10-Dibrom-2,6-di-tert-butylanthracen 9,10-diarylsubstituierte Anthracenderivate mit Ausbeuten von 22 - 82 % herzustellen. Die Kupplung von halogensubstituerten Arylen erfolgt durch nucleophile Addition einer Arylgrignardverbindung an 2,6-Di-tert-butylanthrachinon mit anschließender wässriger Aufarbeitung und Reduktion. Eine zweite Gruppe von Anthracenderivaten wird durch Pyrimidin-Kondensation aus Amidinen und Vinamidiniumsalzen mit Ausbeuten von 60-80% synthetisiert. Anhand der Röntgen-Kristallstrukturanalysen kann die Lage der Oligophenylreste und der Einfluss von Packungseffekten auf die Festkörperfluoreszenz untersucht werden. Die Anthracengrundkörper sind im Kristall fischgrätenartig zueinander angeordnet. In beiden Verbindungen sind die Phenyl- bzw. Naphtylreste aus der Anthracenebene herausgedreht, so dass keine Konjugation mit dem Antracenchromophor stattfindet. Die Naphtylgruppen sind annähernd coplanar angeordnet, aber so zueinander versetzt, dass die p-Systeme benachbarter Naphtylsubstituenten nicht miteinander wechselwirken können. Die Absorptionsmaxima der Verbindungen sind im Vergleich zum unsubstituierten Anthracen nur geringfügig bathochrom verschoben, da die Arylsubstituenten im Grundzustand aufgrund des Verdrillungswinkels nicht mit den Chromophor konjugieren können. Die Emissionsbanden werden hingegen durch die Planarisierung der Struktur im angeregen Zustand stark vom elektronischen Charakter der Substituenten beeinflusst, so dass mit steigendem Akzeptorcharakter eine bathochrome Verschiebung erreicht wird. Die Pyrimidin-Derivate zeigen eine stärkere bathochrome Verschiebung der Emissionsbande als die einfachen, arylsubstituierten Verbindungen. 2. Fluoranthenderivate Die Oligophenylen-Derivate von Fluoranthen werden durch Suzuki-Kupplung ausgehend von 7,10-Di-(4-Bromphenyl)fluoranthen in Ausbeuten von 25 - 35 % hergestellt. Die Synthese der pyrimidinsubstituierten Fluoranthenderivaten gelingt durch Kondensation von Amidinen und Vinamidiniumsalzen ausgehend von Fluoranthen-7,10-dicarbonsäurediethylesterin Ausbeuten zwischen 27 und 65 %. Es wurde versucht die Löslichkeit dieser Verbindungen durch zusätzliche Substitution mit löslichkeitssteigernden Resten zu erhöhen. Die Einführung von 8,9-Dicarbonsäureestern durch Diels-Alder-Reaktionen und anschließender Suzuki-Kupplung führt zu Verbindungen, die allerdings keine erhöhte Löslichkeit in organischen Lösemitteln zeigen. Die Substitution von Fluoranthen an der Position 8 mit Alkylresten durch Diels-Alder-Reaktionen verläuft nur in äußerst schlechten Ausbeuten von 7 bzw. 12 %. Die Synthese von Carboxylimiden durch eine Diels-Alder-Reaktion mit Maleinsäureanhydrid, anschließender Oxidation und Umsetzung mit Aminen gefolgt von einer Suzuki-Kupplung liefert gut lösliche Produkte in guten Ausbeuten. Die phenylensubstituierten Verbindungen zeigen nur geringen Einluß der Substituenten auf das Hauptabsorptionsmaximum, da die Reste nicht in der Fluoranthenebene liegen. Die p-Bande ist deutlich bathochrom verschoben und die beta-Bande gewinnt merklich an Intensität. Die Lage der Emissionsmaxima verschiebt sich nur geringfügig bathochrom, da sich hier die Phenyle im angeregten Zustand nicht planarisieren und nur gering mit dem Fluoranthengrundkörper konjugieren. Die Absorptions- und Emissionsbanden von Fluoranthen-7,10-dicarbonitril sind aufgrund des elektronenziehenden Charakters der Nitrilgruppe stark hypsochrom verschoben. Ebenso verhalten sich die symmetrischen Pyrimidinderivate in der Absorption, deren Emission aber im Vergleich zum Dinitril bathochrom verschoben ist. Hier kann man davon ausgegangen, dass eine Planarisierung und somit eine Vergrößerung des p-Systems im angeregten Zustand eintritt. Dies wird durch die Absorption und Emission der unsymmetrischen Verbindungen bestätigt. Die Absorption der Isoindol-Derivate ist im Vergleich zu den entsprechenden Fluoranthenderivate stark langwellig verschoben. Die Spektren werden von den Substituenten an Position 9 nicht beeinflusst. Die an Position 3 substituierten Fluoranthenderivate werden durch Suzukireaktion an 3-Bromacenaphthenchinon und anschließender Kondensation der entstandenen Acenaphtenchinonderivate mit 1,2-Phenylendiamin zu Acenaphtho[1,2-b]chinoxalinderivaten synthetisiert. Die Benzo[k]fluoranthen-7,12-dicarbonitrile können durch Kondensation mit 1,2-Benzoldiacetonitril synthetisiert werden. Die Arylsubstitution an Position 3 der Fluoranthen bewirkt eine Verbreiterung und bathochrome Verschiebung der Aborptionsbande. Die Lage der Emissionsbande ist stark abhängig von der Donorwirkung des Phenylsubstituen.
Fakultät für Chemie und Pharmazie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/06
Die Pyrrol-Imidazol-Alkaloide bilden eine Familie von etwa 90 Naturstoffen, die ausschliesslich aus Meeresschwämmen isoliert worden sind. Eine wichtige Untergruppe bilden die cyclischen Monomeren des Oroidins (14). Zu diesen gehört das in Phakellia mauritiana gefundene, cytotoxische Dibromphakellstatin (20), welches eine grosse Herausforderung an den Synthetiker repräsentiert. Die Struktur weist ein gespanntes tetracyclisches System mit benachbarten tertiären und quaternären stereogenen Zentren auf, an die jeweils zwei Stickstoff-Atome gebunden sind. Besondere Bedeutung gewinnt das ABCD-System als Teilstruktur des immunsuppressiven Naturstoffs Palau'amin (29), dessen absolute Stereochemie vor den Resultaten dieser Dissertation noch immer unbekannt war und dessen Synthese z. B. von Overman et al. erforscht wird. · Stufenarmer Zugang zum Grundgerüst von Dibromphakellstatin (20) Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein neuartiger, unabhängiger Zugang zu an einem Stickstoffatom noch geschütztem Dibromphakellstatin (20) entwickelt. Ausgehend von L-Prolinol (63) wurde als einziges Diastereomer das dibromierte N,O-Halbacetal 87, welches das tricyclische Grundgerüst von Dibromphakellstatin (20) aufweist, in zwei Stufen synthetisiert. Nach Eliminierung von Wasser wurde das unsymmetrische Dipyrrolopyrazinon 62 erhalten, dessen Reaktivität gegenüber Elektrophilen systematisch erforscht wurde. Als Schlüsselschritt der Synthese erwies sich die neuartige Umsetzung des Dipyrrolopyrazinons 62 mit N-Tosyloxyethylcarbamat (189) in Gegenwart von heterogener Base zum tetracyclischen Grundgerüst von Dibromphakellstatin (20). Reduktion mit Red-Al lieferte das N-monogeschützte Monobromphakellstatin 224. Das N,O-Halbacetal 87 lieferte das bisher erste Beispiel diastereomerer MTPA-("Mosher")-Ester, deren Konformation im Kristall für beide Fälle erfaßt werden konnte. Nur der (R)-MTPA-Ester 92 nimmt die allgemein angenommene Vorzugskonformation ein, die in vielen Fällen der Aufklärung der absoluten Stereochemie sekundärer Alkohole zugrunde liegt. · Umsetzungen des Dipyrrolopyrazinons 62 mit Stickstoff-Elektrophilen In mehreren der gefundenen Reaktionen der Acyl-Enamid-Teilstruktur wird zunächst deren Nukleophile der b-Position (C-10) und nachfolgend die resultierende Elektrophilie eines Acyliminiumions (C-10a) genutzt. Es wurde z. B. beobachtet, dass direkt das Vinylcarbamat 190 erhalten werden kann, welches sich im Mikrowellen-Reaktor leicht in den chiralen Vinylharnstoff 210 überführen ließ. Aufgrund der viel größeren Spannung des ABCD-Ringsystems ließ sich 210 allerdings unter keinerlei Bedingungen cyclisieren. Ähnlich reagierte das Atkinson-Reagenz 159, wobei allerdings der Eintritt eines externen Nukleophils in die Position C-10a folgte. Interessanterweise konnte ausgehend vom Hydrazin 165 unter basischen Bedingungen und Eliminierung von Essigsäure eine Ringverengung zum Dipyrroloimidazolinon 176 erreicht werden, welches einem bisher nicht beobachteten Modus der Cyclisierung von "Prä-Oroidin" (18), einer mutmaßlichen Biosynthese-Vorstufe von Oroidin, entspräche. Die Strukturaufklärung von 176 gelang mit Hilfe von 1H,15N-HMBC-Experimenten. · Oxygenierte Synthese-Intermediate Es lag nahe, auch die Oxygenierung des Dipyrrolopyrazinons 62 zu untersuchen. Reaktion mit m-CPBA lieferte, abhängig von der Anwesenheit von Wasser, das Diol 137 oder aber das a,b-ungesättigte Diketopiperazin 140. Die relative Stereochemie von 137 stimmt wahrscheinlich mit der der durch Röntgenstrukturanalyse bestimmten, 10a-O-methylierten Verbindung 138 überein. Austin et al. schlugen 2003 ein ähnliches Diol im Rahmen ihrer Retrosynthese von Palau'amin (29) vor, für welches 137 die erste Präzedenz liefert. Analoge, oxybromierte Produkte wurden durch Behandlung mit NBS in Anwesenheit von Alkoholen erhalten, erwiesen sich aber als nicht stabil. Das Allyltrifluoracetat entstand bei Behandlung von 170 mit Trifluoressigsäure. Als Vorstufen Ring-C-oxygenierter Dipyrrolopyrazinone wurden auch die von 4-Hydroxyprolinol zugänglichen AC-Systeme erhalten. · Chiroptische Eigenschaften bi- und tricyclischer Pyrrolopyrazinone Der Zugang zu in verschiedener Weise funktionalisierten, partiell hydrierten Dipyrrolopyrazinonen eröffnete erstmals die Möglichkeit, CD-Spektren dieses Verbindungstyps systematisch zu analysieren. Dies ist von besonderer Bedeutung für die Erforschung der Pyrrol-Imidazol-Alkaloide vom Phakellin-Typ, zu denen auch das immunsuppressive Palau'amin (29) mit unbekannter absoluter Stereochemie gehört. Modellbetrachtungen zeigten zunächst, dass die Helizität der Pyrrolopyrazinon-Teilstruktur nur durch die Konfiguration an C-5a bestimmt ist. Es gelang, den überlagernden Einfluß der Konfiguration am benachbarten, in Benzylstellung zum Pyrrolring befindlichen stereogenen Zentrums C-5 auf das experimentelle CD-Spektrum vorherzusagen. Stehen die Substituenten des tricyclischen Ringsystems auf derselben Seite von Ring B, so ergibt sich ein Maximum bei 252 nm (dibromierte Verbindungen, abgeleitet von L-Prolin (35)) mit einer benachbarten Schulter bei 285 nm. Bei Anordnung auf entgegengesetzten Seiten ist der Cotton-Effekt bei 285 nm am intensivsten. Wie genau die Vorhersage des CD-Spektrums des Naturstoffs (-)-Dibromphakellin (20) auf Basis der Modellverbindungen oberhalb von etwa 240 nm ist, zeigt Abbildung 67. Debromierung des Pyrrolrings führt lediglich zu einer hypsochromen Verschiebung der CD-Banden. Das CD-Spektrum ist oberhalb von 240 nm nahezu unabhängig von der Natur der Heterosubstituenten an C-5, selbst wenn mit chiralen Mosher-Acylresten funktionalisiert wird. · Absolute Stereochemie von (-)-Palau'amin (29). Das hexacyclische Pyrrol-Imidazol-Alkaloid Palau'amin (29) weist im Unterschied zur verwandten Struktur von (-)- Dibromphakellin (20) einen zusätzlichen, an Ring C annelierten Fünfring auf. Dadurch verschwindet die Helizität des Pyrrolopyrazinon-Systems nahezu vollständig. Da beide diastereomeren, nicht bromierten ABC-Tricyclen 228 und 227 synthetisch zugänglich waren, konnte durch Substraktion der CD-Spektren der Anteil der Helizität rechnerisch eliminiert werden. Man erhielt ein CD-Spektrum welches nur noch den Anteil des stereogenen Zentrums in der zum Pyrrol benzylischen Position wiedergeben sollte und, oberhalb von 240 nm, sehr genau mit dem experimentellen CD-Spektrum des Naturstoffs (-)-Palau'amin (29) übereinstimmt. Es kann der Schluß gezogen werden, dass das Aminal-Kohlenstoffatom von Palau'amin (29) (R)-Konfiguration besitzt. Damit wurde ein seit 1993 bestehendes Problem gelöst. Zu Beginn dieser Dissertation existierte lediglich die biomimetische Synthese von rac-Dibromphakellin (19) von Foley und Büchi. Der im Rahmen dieser Arbeit gefundene, kurze Zugang zum Tetracyclus von Dibromphakellstatin (20) erweitert das methodische Repertoire auf dem Gebiet der Synthese der Pyrrol-Imidazol-Alkaloide. Die Annelierung des Imidazolidinon-Systems an den ABC-Tricyclus ist mit einer deutlichen Verstärkung der Spannung des Ringsystems verbunden, war nicht zu erwarten und wurde erstmals gefunden. Sollte es gelingen, eine enantioselektive Variante dieser Reaktion auszuarbeiten, wäre die Synthese deutlich kürzer als die 2003 von Romo et al. publizierte, 19-stufige Sequenz zum bisher nicht als Naturstoff gefundenen (+)-Dibromphakellstatin (20).
Fakultät für Chemie und Pharmazie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/06
Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit war die Suche nach einer gezielten Darstellung von Tellur(IV)aziden. Dazu wurden zunächst eine Reihe von Diorganomonotelluriden synthetisiert und, auch im Fall des bekannten (C6F5)2Te, vollständig charakterisiert. Sie wurden durch eine Modifizierung der Literatursynthese von (C6F5)2Te erhalten, bei der Na2Te und Aryl- bzw. Alkylbromide miteinander umgesetzt werden. So konnte z.B. die Ausbeute von (C6F5)2Te (4) um ca. 50 % gesteigert werden. Bei den Umsetzungen von teil- und perfluorierten Arylbromiden mit Na2Te konnte gezeigt werden, dass sich bei einem Arylbromid in ortho-Position zum jeweiligen Bromatom mindestens zwei Fluoratome befinden müssen, damit eine Reaktion stattfinden kann. In diesem Rahmen konnten mit (CF3C6F4)2Te (2) und (C6F5)2Te (4) die ersten fluorarylsubstituierten Tellur(II)verbindungen kristallographisch untersucht werden. Die Diorganomonotelluride wurden dann durch Halogenierung mit XeF2, SO2Cl2 und Br2 zu den korrespondierenden Diorganotellur(IV)dihalogeniden umgesetzt. Bei der Fluorierung der Monotelluride zeigte sich in der Reaktivität zwischen denjenigen mit aromatischen und aliphatischen Substituenten kein Unterschied, sodass die Tellur(IV)difluoride 5摯瑬敳獩 13 isoliert und vollständig charakterisiert werden konnten. Während sich die aromatischen Monotelluride 1摯瑬敳獩 4 mit einem Überschuss an SO2Cl2 bzw. Br2 problemlos zu den entsprechenden Tellur(IV)dichloriden und –dibromiden 14摯瑬敳獩 17 und 22摯瑬敳獩 25 umsetzen ließen, zeigten die Dialkylmonotelluride ein völlig anderes Reaktionsverhalten. So konnten bei der Chlorierung nicht nur die Dialkyltellur(IV)dichloride 18摯瑬敳獩 21, sondern auch die entsprechenden Alkyltellur(IV)trichloride nachgewiesen werden. Da die Umsetzung bei einem Überschuss SO2Cl2 zu den Tellur(IV)trichloriden nicht vollständig ablief, sondern immer nur ein untrennbares Gemisch aus Tellur(IV)dichlorid und Tellur(IV)trichlorid erhalten wurde, konnten keine Tellur(IV)trichloride isoliert werden. Bei der gezielten Darstellung der Dialkyltellur(IV)dichloride aus den jeweiligen Monotelluriden müssen exakt äquimolare Mengen an Sulfurylchlorid eingesetzt werden. Bei der Umsetzung der Dialkylmonotelluride (C2H5)2Te und (n-C3H7)2Te mit einem Überschuss an Brom konnten die Dialkyltellur(IV)dibromide (C2H5)2TeBr2 (26) und (n-C3H7) 2TeBr2 (27a) isoliert und vollständig charakterisiert werden. Im Gegensatz dazu konnten von den Isoalkyltelluriden (i-C3H7)2Te und (c-C6H11)2Te stets die jeweiligen Tellur(IV)tribromide i-C3H7TeBr3 (28) und c-C6H11TeBr3 (29) erhalten werden. Auch mit stöchiometrischen Mengen an Brom ließen sich keine Diisoalkyltellur(IV)dibromide nachweisen. Dass hier neben den Tellur(IV)tribromiden auch noch unreagiertes Monotellurid gefunden wurde, legt den Schluss einer sehr schnellen Reaktion nahe. Offenbar wird beim Einsatz stöchiometrischer Mengen vorhandenes Brom bei der Bildung von Tellur(IV)tribromiden schneller verbraucht, bzw. spaltet eine Te-C Bindung schneller, als es mit weiterem Monotellurid zu reagieren vermag. Jedoch konnte nach längerer Zeit bei (n-C3H7) 2TeBr2 (27a) in Lösung die Bildung von n-C3H7TeBr3 (27b) nachgewiesen werden. Die Tellur(IV)tribromide n-C3H7TeBr3 (27b), i-C3H7TeBr3 (28) und c-C6H11TeBr3 (29) liegen im Festkörper als typische Te2Br6-Dimere vor. Die Kristallstrukturen der Tellur(IV)dihalogenide (C6H3F2)2TeF2 (5), (CF3C6F4)2TeF2 (6), (C6H3F2)2TeCl2 (14), (CF3C6F4)2TeCl2 (15) und (C6H3F2)2TeBr2 (22) zeigen allesamt die zu erwartende Ψ -trigonal-bipyramidale Geometrie für das einzelne Molekül. Aufgrund von Sekundärbindungen zwischen den Tellur- und den jeweiligen tellurgebundenen Halogenatomen, kommt es zu Ψ -oktaedrischen oder Ψ -pentagonal-bipyramidalen Geometrien im Molekülverband. Diese intermolekularen Wechselwirkungen führen dabei zur Ausbildung von polymerartigen Kettenstrukturen. Mit Hilfe der Kernresonanzspektroskopie konnte anhand der arylsubstituierten Tellur(IV)dihalogenide gezeigt werden, dass die freie Drehbarkeit um die Te-C Bindungen bei R2TeHal2 eingeschränkt ist. So erscheinen teils bei Raumtemperatur im 19 F NMR Spektrum stark verbreiterte Signale für die jeweiligen ortho-, und −in geringerem Maße − meta- Fluoratome, welche bei Temperaturerniedrigung unterhalb der Koaleszenztemperatur in je zwei Signale aufspalten. Die Energiebarrieren für diese Koaleszenz wurden dabei mit Hilfe der Eyring-Gleichung berechnet. Nach den durchgeführten Untersuchungen kann eine Pseudorotation der Liganden oder eine Dissoziation der Moleküle ausgeschlossen werden. Ebenso kann widerlegt werden, dass dieser Effekt angeblich nur bei sterisch anspruchsvollen Substituenten auftritt. Durch Reaktion der Diorganotellur(IV)difluoride mit (CH3)3SiN3 lassen sich die entsprechenden Diorganotellur(IV)diazide herstellen. Es handelt sich hierbei um feuchtigkeitsempfindliche, nicht jedoch schlag- oder stoßempfindliche Verbindungen. Sie verpuffen mit blauer Flammenfärbung unter starker Russbildung. Die Streckschwingungen der Azidgruppen von R2Te(N3)2 erscheinen in den Schwingungs-spektren im typischen Bereich von 2200摯瑬敳獩 2000 cm −1 . Ebenfalls sehr charakteristisch sind in den Ramanspektren, wie bei den Tellur(IV)dihalogeniden die ν TeHal Schwingung, die Te-N Streckschwingungen. Die ersten Kristallstrukturen von Tellur(IV)diaziden konnten von (C6H5)2Te(N3)2 (35) und (C6F5)2Te(N3)2 (36) bestimmt werden. Wie bei den Tellur(IV)dihalogeniden kommt es hier im Kristall zur Bildung von TeReaktion mit den Tellur(IV)dichloriden und Tellur(IV)dibromiden zu den entsprechenden Diorganotellur(IV)diaziden konnte auch bei Variation der Reaktionsbedingungen nicht beobachtet werden. Da allerdings berichtet wird, dass sich bis zu zwei Chloratome in TeCl4 durch Azidgruppen ersetzen lassen, wurde die Reaktion von TeCl4 mit (CH3)3SiN3 nochmals untersucht. Tatsächlich werden TeCl3N3 (43) bzw. TeCl2(N3)2 (44) gebildet und konnten jetzt vollständig charakterisiert werden. Jedoch sind diese beiden Verbindungen nicht spontan explosiv. Die beschriebenen angebliche Explosivität ist möglicherweise auf partielle Hydrolyse zum explosiven HN3 zurückzuführen. Der Austausch des dritten oder gar vierten Chloratoms bei Verwendung eines Überschusses an (CH3)3SiN3 konnte nicht erreicht werden. Analog zur Reaktion der Tellur(IV)difluoride wurden, hier ausgehend von Ditelluriden, Tellur(IV)trifluoride generiert und mit (CH3)3SiN3 versetzt. Dabei entstehen Organotellur(IV)triazide, die isoliert und vollständig R = CH 3 (30), C 2 H 5 (31), n-C 3 H 7 (32), i-C 3 H 7 (33), c-C 6 H 11 (34), C 6 H 5 (35), C 6 F 5 (36) CH 2 Cl 2 / 0 °C CH 2 Cl 2 / 0 °C R 2 TeF 2 + (CH3)3SiN3 R 2 Te(N 3 ) 2 R 2 TeCl 2 / R 2 TeBr 2 + (CH 3 ) 3 SiN 3charakterisiert werden konnten. R = Alkyl, Aryl [RTeF3 ] R 2 Te 2 - Xe XeF 2 RTe(N3 )3 (CH 3 ) 3 SiN 3 - (CH 3 ) 3 SiF Es handelt sich hier um äußerst feuchtigkeitsempfindliche Verbindungen, die jedoch nicht schlag- oder stoßempfindlich sind, aber in der Flamme mit lautem Knall explodieren. Mit CH3Te(N3)3 (37) (N 46.9 %) konnte dabei die bislang stickstoffreichste Chalcogen-Stickstoff Verbindung zweifelsfrei synthetisiert und vollständig charakterisiert werden. So ist 37 von allen dargestellten Tellur(IV)triaziden in gängigen organischen Lösungsmitteln am schwersten löslich, und explodiert in der Flamme am heftigsten. Die Streckschwingungen der Azidgruppen in den Schwingungsspektren erscheinen für die Tellur(IV)triazide im typischen Bereich von 2200摯瑬敳獩 2000 cm −1 . Ebenfalls sehr charakteristisch sind die Te-N Streckschwingungen bei 430摯瑬敳獩 330 cm −1 . Die chemischen Verschiebungen in den 125 Te NMR Spektren Tellur(IV)triatide RTe(N3)3 liegen in einem Bereich von δ = 1400摯瑬敳獩 1250 , während die Tellur(IV)diazide R2Te(N3)2 im Bereich von δ = 1150摯瑬敳獩 800 erscheinen. Von den Tellur(IV)triaziden C2H5Te(N3)3 (38), n-C3H7Te(N3)3 (39), i-C3H7Te(N3)3 (40) und 2,4,6-(CH3)3C6H2Te(N3)3 (42) konnten die Kristallstrukturen bestimmt werden. Sie sind, abgesehen von dem ionischen [Te(N3)3][SbF6], die ersten Strukturen von neutralen Tellur(IV)triaziden. Dabei kommt es auch hier zwischen den Telluratomen und den Stickstoffatomen zu Sekundärbindungen, und es werden Ψ -pentagonal-bipyramidale Geometrien beobachtet, welche zur Ausbildung von polymerartigen Kettenstrukturen führen. C Zusammenfassung Eine interessante Ausnahme bildet hierbei i-C3H7Te(N3)3 (40), bei dem dimere Einheiten gebildet werden. Hier kommt es für die Telluratome zu einer Ψ -oktaedrischen Umgebung. Te C1 N4 N7 N1 Te(i) N4(i) N8 N9 N2 N3 N5 N6 C2 C3 Für alle denkbaren Methyltellur(IV)azide des Typs (CH3)4-nTe(N3)n, sowie Te(N3)4 wurden die Totalenergien, die Nullpunktschwingungsenergien und die IR und Raman Intensitäten auf Hybrid-DFT Niveau (MPW1PW91) berechnet. Ebenso wurden die Schwingungsspektren und die Molekülstrukturen berechnet. Alle Rechnungen wurden mit Hilfe von Gaussian 98 durchgeführt. Verglichen mit den experimentellen Daten der Tellur(IV)diazide (C6H5)2Te(N3)2 (35) und (C6F5)2Te(N3)2 (36), sowie dem Tellur(IV)triazid C2H5Te(N3)3 (38), zeigen die für (CH3)2Te(N3)2 und CH3Te(N3)3 berechneten Strukturparameter eine recht gute Übereinstimmung. Vergleicht man dagegen von (CH3)2Te(N3)2 (30) und CH3Te(N3)3 (37) die berechneten mit den experimentell ermittelten IR- und Ramanschwingungen, erkennt man vor allem bei den Schwingungen der Azidgruppen einen deutlichen Unterschied. Die Abweichung der berechneten Schwingungsfrequenzen (IR und Raman) von den beobachteten kann im wesentlichen darauf zurückgeführt werden, dass bei den quantenchemischen Rechnungen stets ein harmonisches Potential angesetzt wurde, was – zumindest bei den Streckschwingungen – im allgemeinen zu zu hohen berechneten Wellenzahlen führen sollte. Die nicht exakte Berücksichtigung der Elektronenkorrelation sollte ebenfalls zu Anweichungen zwischen berechneten und experimentellen Frequenzen führen. In der Regel würde man bei Vernachlässigung der Korrelation (SCF-HF) wiederum für die Streckschwingungen zu hohe berechnete Wellenzahlen erwarten. Allerdings scheinen die DFT Austausch-Korrelations Funktionale oft die Elektronenkorrelation etwas zu überschätzen. Aus diesem Grund wurden in der vorliegenden Arbeit auch Hybrid-Funktionale verwendet, die eine Mischung aus HF-Austausch und DFT-Austausch-Korrelation enthalten. Darüber hinaus wurden die Rechnungen bei 0 K für isolierte Moleküle in der Gasphase durchgeführt, was einerseits aufgrund von real auftretenden intermolekularen Wechselwirkungen und Packungseffekten zu Abweichungen im Vergleich zu den am Feststoff vorgenommen experimentellen Messungen (IR und Raman) führen sollte. Andererseits darf auch nicht vergessen werden, dass sich die berechneten Strukturparameter auf re (re = Gleichgewichtskernabstand, Minimum der Potentialkurve) beziehen, während bei T > 0 K und einem anharmonischen Potential zumindest der thermisch gemittelte internucleare Kernabstand rg verwendet werden sollte (re ≈rg – (3/2) a (lT)2 , wobei a der Morseparameter ist und lT der quadratische Mittelwert der Vibrations-Amplitude. Die Reaktivität von R2TeHal2 gegenüber weiteren Halogeniden/Pseudohalogeniden wurde getestet. Dabei zeigten (CH3)3SiNCO und (CH3)3SiNSO mit R2TeHal2 keine Reaktion, während im Gegensatz dazu (CH3)3SiNCS, (CH3)3SiI und ((CH3)3Si)2S mit R2TeHal2 unter Bildung von (NCS)x, I2 bzw. S8 und Monotellurid R2Te reagieren. Bei der Reaktion von R2TeF2 mit (CH3)3SiCN konnten erstmalig zwei Vertreter der Tellur(IV)dicyanide, (CF3C6F4)2Te(CN)2 (45) und (C6F5)2Te(CN)2 (46), isoliert und charakterisiert werden. Diese sind in Lösung sehr instabil und zerfallen in wenigen Stunden in das jeweilige Monotellurid und wahrscheinlich Dicyan (CN)2. Die Tellur(IV)dicyanide können in den Scwingungsspektren anhand der charakteristischen CN Streckschwingung identifiziert werden. Aus der Lösung von 46 konnten nach längerem Stehen Kristalle gewonnen werden, die sich jedoch als das bislang unbekannte Hydrolyseprodukt (C6F5)2TeO erwiesen. Eine ungewöhnliche Reaktion hingegen liefern die Tellur(IV)dichloride R2TeCl2 und Tellur(IV)dibromide R2TeBr2 (R = CF3C6F4, C6F5) in CHCl3 bzw. CHBr3 mit einem Überschuss AgCN. In einem bislang nicht aufgeklärten Mechanismus entstehen in Abhängigkeit vom eingesetzten Lösungsmittel die Telluroniumhalogenide (C6F5)3TeCl (48), (C6F5)3TeBr (49), (CF3C6F4)3TeCl (50) und (CF3C6F4)3TeBr (51). Die Struktur dieser Verbindungen konnte eindeutig mit der Kristallstruktur von (C6F5)3TeCl belegt werden. In dieser Struktur kommt es auch aufgrund intermolekularer Wechselwir-kungen zwischen Tellur und Chlor zur Ausbildung einer polymerartigen Kettenstruktur. R 2 TeHal2 + AgCN R 3 TeCl R 3 TeBr CHCl 3 /14 d/25 °C CHBr3 /6 d/25 °C // R2 Te(CN)2 R = C 6 F 5 (48, 49), CF 3 C 6 F 4 (50, 51) Hal = Cl, Br Zusätzlich konnte von Dicyclohexyltellurid (c-C6H11)2Te Temperaturabhängigkeit der 125 Te und 13 C NMR Spektren festgestellt und im Detail studiert werden. Dabei zeigte sich, dass die Temperaturabhängigkeit durch die Inversion der Cyclohexylringe verursacht wird. Die zwischen −90 °C und +80 °C aufgenommen 125 Te NMR Spektren von (c-C6H11)2Te wurden berechnet und konnten mit den experimentellen Daten in Übereinstimmung gebracht werden. Ebenso konnten die Aktivierungsparameter für die Inversion bestimmt werden.
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Im Hauptteil dieser Arbeit werden Synthese und Charakterisierung neuer Azidverbindungen des Elementes Bor beschrieben. Anhand der Azidierung von Catecholborchlorid konnte gezeigt werden, daß sich das kommerziell erhältliche Me3SiN3 am besten für den Aufbau von Boraziden eignet. Durch die Reaktion von 9-BBN-Cl mit Me3SiN3 sollte 9-BBN-N3 (7) dargestellt werden. Dabei zeigte sich jedoch, daß es unter Eliminierung von N2 überraschenderweise zur Bildung des Umlagerungsproduktes 8 kommt. Um die Bildung von 8 zu verstehen, wurde die Reaktion 11B NMR spektroskopisch bei tiefen Temperaturen untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, daß sich bei Temperaturen unter −30 °C zuerst das erwartete 9-BBN-N3 (7) bildet, welches bei höheren Temperaturen unter N2-Abspaltung zu 8 weiterreagiert. Für die Bildung von 8 wurde ein „Synchronmechanismus“ vorgeschlagen, bei dem das α-N Atom der Azidgruppe des intermediär gebildeten 9-BBN-N3 (7) zunächst an das Boratom eines weiteren 9-BBN-N3 (7) Moleküls koordiniert. Gleichzeitig kommt es, unter Eliminierung von N2 zur Bildung einer B−N Bindung. Ein zweiter denkbarer Mechanismus („Iminoboranmechanismus“) fordert das Entstehen eines zyklischen Iminoborans, welches sich durch Addition eines 9-BBN-N3 (7) Moleküls stabilisiert. In einem großen Teil dieser Arbeit wurde eine Reihe von Boraziden mit elektronenziehenden Substituenten untersucht. Dabei wurde zunächst das bereits in der Literatur beschriebene (BF2N3)3 (10) durch Reaktion von BF3 mit Me3SiN3 dargestellt und schwingungs- und NMR-112 spektroskopisch charakterisiert. Es konnte gezeigt werden, daß 10 bereits in Lösung als Trimer vorliegt. Dies ist mit den quantenmechanischen Studien im Einklang, welche zeigen, daß die Trimerisierung von BF2N3 (→ (BF2N3)3) gegenüber der Dimerisierung [→ (BF2N3)2] sowie der Dismutierung (→ BF3, B(N3)3) bevorzugt ist. Einen weiteren elektronenziehenden Substituenten stellt die Pentafluorphenylgruppe (C6F5) dar. Es konnten alle möglichen Kombinationen Pentafluorphenyl-substituierter Borazide sowie deren Pyridin-Addukte synthetisiert und vollständig charakterisiert werden, wobei neue oligomere Festkörperstrukturen erhalten wurden. (C6F5)2BCl [(C6F5)2BN3]2 Me3SiN3 Py [Ph4P][N3] [PPh4][(C6F5)2B(N3)2] 11a 12 13 - Me3SiCl (C6F5)2BN3 Py . Es konnte gezeigt werden, daß sich (C6F5)2BN3 (11) im Festkörper unter Ausbildung von Dimeren [(C6F5)2BN3)]2 (11a) stabilisiert. Somit kann 11a als erstes Beispiel eines substituierten N,N´-Diazo-diazadiboratacyclobutans angesehen werden. Durch Reaktion mit Pyridin oder [Ph4P][N3] konnten 12 und 13 erhalten werden. Im Gegensatz zu 11a, liegt C6F5B(N3)2 (14) im Feststoff als Trimer [C6F5B(N3)2]3 (14a) vor. C6F5BCl2 [C6F5B(N3)2]3 - Me3SiCl Me3SiN3 C6F5B(N3)2 [Ph4P][N3] Py [Ph4P][C6F5B(N3)3] C6F5B(N3)2 Py . 14a 14 15 > 35-37 °C < 35-37 °C An dem Beispiel von 14a konnte der Unterschied von verbrückenden und terminalen Azidgruppen in einem Molekül untersucht werden. Wie durch Ramanspektroskopie gezeigt werden konnte, dissoziiert 14a bei seinem Schmelzpunkt 35−37 °C reversibel in seine Monomere 14. Durch Umsetzungen mit Pyridin und [Ph4P][N3] wurden das Pyridin-Addukt 15 und das Pentafluorphenyltriazidoborat 16 erhalten. Da die Pentafluorphenyl-substituierten Borazide 11a und 14a im Festkörper oligomer vorliegen, wurde der Einfluß der schwächer elektronenziehenden o-Difluorphenyl- und o- Fluorphenyl Substituenten (RF = 2,6-F2C6H3, 2-FC6H4) auf die Struktur der Borazide (RF)2BN3 (23, 24) und RFB(N3)2 (26, 27) untersucht. Die für die den Aufbau der Borazide benötigten nicht beschriebenen Ausgangsverbindungen (RF)2BCl (19, 20) und RFBCl2 (21, 22) wurden durch Reaktion von (RF)2SnMe2 (17, 18) mit BCl3 erhalten. Dabei konnte gezeigt werden, daß (2,6-F2C6H3)2BN3 (23) wie 11a im Festkörper als Dimer vorliegt. Aufgrund von ramanspektroskopischen Untersuchungen, wurde auch für 2,6-F2C6H3B(N3)2 (26) eine oligomere Struktur vorausgesagt. Im Gegensatz dazu ist die 2-FC6H4-Gruppe zu wenig elektronegativ, sodaß (2-FC6H4)2BN3 (24) und 2-FC6H4B(N3)2 (27) keine Oligomerisierungstendenzen zeigen. Ein weiteres im Festkörper monomer vorliegendes Azid ist 2,4,6- [(CF3)3C6H2]2BN3 (25). In diesem Fall verhindern sperrige Nonafluormesityl-Substituenten eine Oligomerisierung. Die hochenergetischen Bortriazid-Addukte B(N3)3·Chin (42), [B(N3)3]2·Pyr (43) sowie das Tetraazidoborat [B(N3)4]− als Li[B(N3)4] (44) und [tmpH2][B(N3)4] (46) konnten synthetisiert und vollständig charakterisiert werden. Im Fall von 46 wurde das [B(N3)4]− Anion in einem neuen Weg aus tmpB(N3)2 und HN3 dargestellt. Begleitend zu den experimentellen Untersuchungen wurden auch quantenmechanische Rechnungen durchgeführt, die gute Übereinstimmung mit den experimentell erhaltenen Daten zeigen. Die starke Lewis-Säure (C6F5)3B (32) wurde in einer Eintopfreaktion aus C6F5Li und BCl3 in Hexan bei −78 °C in guten Ausbeuten erhalten. Die alternative Literatursynthese aus C6F5MgBr und BF3·OEt2 in Diethylether liefert eine ganze Reihe an Nebenprodukten, von denen [(C6F5)2BOH]3 (33a) und (C6F5)2BOEt (34) isoliert und charakterisiert werden konnten. 32 bildet mit einer Reihe von ausgewählten Stickstoffdonoren stabile 1:1 Additionsverbindungen, wobei die Addukte 37−41 vollständig charakterisiert werden konnten. Durch Reaktion von 32 mit [Me4N][N3] wurde 35 als letztes noch fehlendes Glied in der Serie der Pentafluorphenyl substituierten Azidoborate dargestellt. Es konnte gezeigt werden, daß in 38 entgegen der Basizität Cyanamid über den Nitril- Stickstoff koordiniert. Weiterhin konnte gezeigt werden, daß 11B sowie 19F NMR Spektroskopie einen guten Hinweis auf die B−N Bindungsstärke liefern. Dabei zeigt sich der Trend, daß eine schwache B−N Koordination (lange B−N Bindung) einen Tieffeldshift sowohl im 11B als auch im 19F NMR Spektrum, im Vergleich einem Hochfeldshift bei einer starken B−N Bindung (kurze B−N Bindung), bewirkt. Im letzten Teil dieser Arbeit wurden Synthese, Charakterisierung und Untersuchungen zur elektrophilen Fluorierungskapazität von [(ClCN)3F][BF4] (50) beschrieben. Aus quantenmechanischen Berechnungen wurde ein FPDEB3LYP Wert (Fluorine Plus Detachment Energy) von 226.8 kcal mol−1 erhalten, welcher zeigt, daß 50 ein starkes oxidatives Fluorierungsmittel darstellt. Dies wurde qualitativ anhand der Fluorierung ausgewählter Aromaten experimentell bestätigt.
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Trimesitylblei(IV)bromid und Dimesitylblei(IV)dibromid, Mes3PbBr und Mes2PbBr2 Bei der äquimolaren Umsetzung von Mesityllithium mit Blei(II)chlorid in THF bei Raumtemperatur konnten Mes3PbBr und als Nebenprodukt Mes2PbBr2 isoliert und charakterisiert werden. Die Plumbylene Mes2Pb, MesPbCl oder MesPbBr, können als Intermediate postuliert werden, die mit Mesityllithium weiter zu Mes3PbBr bzw. zu Mes2PbBr2 reagieren können. Die Bildung der Blei−Brom-Bindung ist vermutlich auf einen Austausch von Chlor gegen Brom zurückzuführen, welches sich durch die Synthese von MesLi im Reaktionssystem befindet. Eine Grignard-Umsetzung führte nicht zu einer Ausbeuteverbesserung, sondern die Ausbeute an Mes3PbBr sinkt von 44% aus der Reaktionsgleichung a auf 2% von Gleichung b. Besonders aussagekräftig sind die 207Pb-NMR Spektren der beiden Mesityl-Blei- Verbindungen. Die Spektren zeigen jeweils ein scharfes Signal für die Blei-Resonanz, welches von 13C-Satelliten umgeben ist. Auch alle 1H- und 13C-Resonanzen weisen aufgrund der Kopplung mit 207Pb Bleisatelliten auf. Ein besonders auffallendes Merkmal beim Vergleich der NMR-Daten von Mes3PbBr mit Mes2PbBr2 ist der signifikante Anstieg (~40- 60%) der Werte für die Kopplungskonstanten nJH-Pb (n = 4,6) und nJC-Pb (n = 1-5) vom Bromid zum Dibromid. Die Übereinstimmungen zwischen experimentell ermittelten (Röntgenstrukturanalyse) und quantenchemisch berechneten (PM3) Strukturparametern ist recht gut, was zeigt, dass die PM3 Parameter sogar für die Vorhersage der Eigenschaften von schwermetallorganischen Verbindungen wie Mes3PbBr und Mes2PbBr2 geeignet sind. Die besonders interessanten strukturellen Merkmale sind die Bindungswinkel am zentralen Bleiatom, welche wesentlich von den idealen Tetraederwinkeln (109.5°) abweichen. Die C−Pb−C-Winkel liegen sowohl experimentell, als auch rechnerisch bei 115-123°. Die C−Pb−Br- und Br−Pb−Br-Winkel liegen zwischen 96 und 115°. Diese Tatsachen stimmen hervorragend mit der Bent'schen Regel überein, welche besagt, dass elektronegativere Substituenten Hybridorbitale mit geringerem s-Charakter und elektropositivere Substituenten Hybridorbitale mit höherem s- Charakter bevorzugen [100-102]. Bei Trimesitylblei(IV)bromid handelt es sich um eine sehr stabile Verbindung, die sowohl hydrolyse- als auch luftbeständig ist. Ein Austausch des Halogens gegen eine Azid- Gruppierung konnte nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Zwar sind in den IR- und Raman-Spektren der erhaltenen Substanzen die symmetrischen und antisymmetrischen Azid- Schwingungen erkennbar, doch sind die gefundenen Stickstoffgehalte zu gering, was zu der Vermutung führt, dass nur ein teilweiser Halogen-Azid-Austausch stattgefunden hat. Leider war bisher jede Trennung eines Mes3PbBr/Mes3PbN3-Gemisches unmöglich, ebenso waren Kristallzüchtungsversuche bislang erfolglos. Tetraphenylphosphonium(arsonium)octabromoplumbat(II), [Ph4E]2[Pb3Br8] mit E = P, As Neue anionische Blei-Halogensysteme wurden hergestellt, z.B. Tetraphenylphosphoniumoctabromoplumbat. Um [Ph4P]2[Pb3Br8] zu erhalten, wurde [Ph4P]Br mit PbBr2 bei 75°C in CH3CN umgesetzt. Das Anion bildet Ketten, in denen zwei verschiedene Arten an Blei-Atomen existieren; das eine besitzt eine oktaedrische Koordinationssphäre, ist somit von sechs Brom-Atomen umgeben, während das zweite Blei-Atom eine mehrfach verzerrt tetraedrische Koordination aufweist (Abbildung A). Das 207Pb-NMR Spektrum einer frisch hergestellten Lösung von [Ph4P]2[Pb3Br8] in DMSOD6 zeigt mit 323 ppm eine andere chemische Verschiebung als eine um ca. 4 Monate gealterte Probenlösung mit 208 ppm. Zu erklären ist dies wahrscheinlich durch einen zunehmenden Einfluss einer DMSO-Koordination über die Sauerstoffatome zum Blei-Atom. Das Anion [Pb3Br8]2− kann auch mit dem Kation [Ph4As]+ durch die Reaktion von [Ph4As]Cl mit PbBr2 bei 75°C in CH3CN isoliert werden. Hierbei konnte kein Chlorid- Transfer zum Blei hin beobachtet werden, so dass kein gemischtes Halogenoplumbat-Anion gebildet wurde. Die Struktur der Verbindung wurde mit Hilfe der Einkristall- Röntgenstrukturanalyse bestimmt. Die Struktur des Anions [Pb3Br8]2− entspricht hierbei dem in der Verbindung [Ph4P]2[Pb3Br8]. Das von einer frisch hergestellten Lösung von [Ph4As]2[Pb3Br8] in DMSO-D6 aufgenommene 207Pb-NMR-Spektrum zeigt eine chemische Verschiebung von 386 ppm. Der wenn auch nur geringe Unterschied im 207Pb-Shift von [Ph4As]2[Pb3Br8] (386 ppm) zu [Ph4P]2[Pb3Br8] (323 ppm), lässt sich durch den unterschiedlichen Einfluss der Kationen, die sich in ihrer Grösse unterscheiden und somit die Umgebung der Blei-Atome verändern, erklären. Wie schon bei [Ph4P]2[Pb3Br8] können die beiden unterschiedlichen Blei-Atome des Anions im 207Pb-Spektrum nicht unterschieden werden. Tetraphenylphosphoniumbromodichloroplumbat(II), [Ph4P][PbBrCl2]·CH3CN Gemischte Halogenoplumbate sind bisher nicht sonderlich gut charakterisiert worden. Setzt man [Ph4P]Br mit PbCl2 bei 70°C in CH3CN um (Gleichung c), so erhält man das gemischte Bromodichloroplumbat [Ph4P][PbBrCl2]·CH3CN. Das in der Verbindung koordinierte Acetonitril kann auch durch ein längeres Erwärmen der Substanz im Vakuum nicht entfernt werden. Die chemische Verschiebung im 207Pb-NMR Spektrum einer frisch hergestellten Lösung von [Ph4P][PbBrCl2]·CH3CN in DMSO-D6 beträgt 466 ppm. Vermisst man diese Probe nach ca. 4 Wochen erneut, so verändert sich der Shift von δ = 466 auf 361 ppm. Da dieses Phänomen auch u.a. bei der Verbindung [Ph4P]2[Pb3Br8] zu beobachten ist, kann ein möglicher Halogenaustausch im [PbBrCl2]−- Anion ausgeschlossen werden. Im Kristall sind die Anionen fehlgeordnet, und es werden keine Blei-Brom-Ketten gebildet, wie es z.B. im [Pb3Br8]2−-Anion der Fall ist, sondern diskrete [PbBrCl2]−-Einheiten. Die experimentell beobachteten und berechneten (MP2 und CCSD) Struktur- und Schwingungsdaten wurden miteinander verglichen. Die Übereinstimmung zwischen berechneten Raman-Daten und den beobachteten Raman-Frequenzen ist sehr gut. Die durch Röntgenstrukturanalyse gemessenen Pb−Cl- und Pb−Br-Bindungslängen liegen ebenfalls im Rahmen der auf MP2-Niveau kalkulierten Werte. Die kürzere Rechenzeiten benötigende und somit billigere MP2-Methode in Kombination mit einem "double-zeta"-Basissatz hat sich dabei als zuverlässige Methode erwiesen, um gute Strukturresultate und Schwingungsfrequenzen zu erhalten. Tetraphenylphosphoniumchlorodibromoplumbat(II), [Ph4P][PbBr2Cl]·CH3CN Dieses weitere, gemischte Halogenoplumbat wurde durch die Umsetzung von [Ph4P]Cl mit PbBr2 bei 70°C in CH3CN erhalten (Gleichung d). Hierbei erfolgt ein Chlorid-Transfer auf das Blei. Wie schon bei [Ph4P][PbBrCl2]·CH3CN lässt sich auch hier das koordinierte Acetonitril nicht aus der Verbindung entfernen. [Ph4P]Cl → CN CH PbBr 3 2 , [Ph4P][PbBr2Cl]·CH3CN (d) Die chemische Verschiebung von einer frisch hergestellten Lösung von [Ph4P][PbBr2Cl]·CH3CN in DMSO-D6 im 207Pb-NMR Spektrum liegt mit 439 ppm zwischen den Werten von [Ph4P][PbCl3] mit 430 ppm und [Ph4P][PbBrCl2]·CH3CN mit 466 ppm. Die durchgeführten quantenchemischen Rechnungen auf HF-, BLYP- und B3LYP-Niveaus konnten aufgrund dessen, dass keine experimentell ermittelten Strukturdaten zur Verfügung stehen, nicht verglichen werden. Nur die auf B3LYP/LANL2DZ-Niveau berechnete Schwingungsfrequenz bei 249.4 cm−1 findet sich im gemessenen Raman-Spektrum bei 249 cm−1 als Deformationsschwingung von Br−Pb−Cl wieder. Tetraphenylarsoniumtrichloroplumbat(II), [Ph4As][PbCl3] Die Verbindung wird aus [Ph4As]Cl und PbCl2 in CH3CN gewonnen (Gleichung e). [Ph4As]Cl → CN CH PbCl 3 2 , [Ph4As][PbCl3] (e) Der im Vakuum gut getrocknete Feststoff enthält kein gebundenes Acetonitril, während aus CH3CN gewonnene Kristalle ein Äquivalent des Lösungsmittels eingebaut haben. Dieses geht aus den Werten der Elementaranalyse eindeutig hervor. Im von einer in DMSO-D6 gelösten Probe aufgenommenen 207Pb-NMR Spektrum ist nur eine Resonanz bei 450 ppm sichtbar. Der Unterschied zwischen [Ph4P]+ und [Ph4As]+ ist nicht sonderlich gross, sodass die bei diesem Versuch gewonnene Verbindung [Ph4As][PbCl3] die gleichen Strukturmerkmale aufweisen sollte wie das analoge Phosphonium-Salz. Tetrakis(pentafluorphenyl)blei(IV), (C6F5)4Pb (C6F5)4Pb wurde als potentielle Ausgangsverbindung zur Darstellung von (C6F5)nPb-Aziden synthetisiert. Die Darstellung der Verbindung (C6F5)4Pb, die bisher nicht vollständig charakterisiert wurde, erfolgte durch zwei Methoden (Gleichungen f und g), wobei aufgrund der höheren Ausbeute, der beschriebene Syntheseweg in Gleichung f bevorzugt wurde. Die NMR-Studien dieser Verbindung sind sehr aussagekräftig. In den 13C-NMR und 19FNMR Spektren von Tetrakis(pentafluorphenyl)blei(IV) sind die Signale des magnetisch aktiven Blei-Isotops (207Pb, I = ½, 22.6%) teilweise mit denen der nicht magnetisch aktiven Blei-Isotopomere überlagert. Im 207Pb-NMR Spektrum wurde ein Signal bei δ = −391 beobachtet, welches sich in ein komplexes aber gut aufgelöstes Multiplett aufspaltet. Dieses 21-Spinsystem wurde hervorgerufen durch die Kopplung des Pb-Kerns mit allen 19F-Kernen (8 ortho, 8 meta und 4 para). Eine Spektrensimulation mit der PERCH NMR-Software führt zu einem praktisch deckungsgleichen Spektrum. 4 C6F5MgBr + PbCl2 + Br2 → − − MgBrCl 2 / MgBr 2 2 (f) Ein Vergleich zwischen den experimentell ermittelten (Röntgenstrukturanalyse) und auf semiempirischen PM3-Niveau berechneten Strukturdaten zeigt eine gute Übereinstimmung der Pb−C-Bindungslängen. Wie erwartet, wird auch gezeigt, dass die positive Ladung auf dem Metall mit steigender Substitution durch Fluor von +1.33 für (C6H5)4Pb auf +1.70 für (C6F5)4Pb steigt [107]. Ein Ansteigen der positiven Ladung am Blei, welches auf die elektronegativen Substituenten zurückzuführen ist, steigert die Grössenunterschiede zwischen den 6s- und 6p-Orbitalen und favorisiert somit die effiziente sp-Hybridisierung weniger stark. Es kann erwartet werden, dass (C6F5)4Pb stärkere Hybridisierungseffekte erleidet als (C6H5)4Pb und somit alle Pb−C-Bindungen durch die Substitution von elektronegativen Gruppen verkürzt werden. Deshalb sind die Pb−C-Bindungen in (C6F5)4Pb erwartungsgemäss kürzer als in (C6H5)4Pb. Versuchte Darstellungen von perfluorierten Blei-Verbindungen Die Verbindung (C6F5)2Cd·Diglyme ist als C6F5-Transferreagenz bekannt. Ph2Pb(N3)2 + (C6F5)2Cd·Diglyme → Ph2Pb(N3)2 / (C6F5)2Pb(N3)2 /... (h) Ph2Pb(NO3)2 + (C6F5)2Cd·Diglyme → Ph2Pb(NO3)2 / (C6F5)2Pb(NO3)2 /... (i) Die unter Gleichung h beschriebene Reaktion wurde durch die Verwendung verschiedener Lösungsmittel und verschiedener Mengenverhältnisse variiert. Aufgrund der gemessenen IR- und Raman-Spektren, sowie der Elementaranalysen konnte jeweils nur eine Teilumsetzung erkannt werden. Da Kristallisationsversuche bisher fehlschlugen, war eine genaue Charakterisierung der entstehenden Produkte bisher nicht möglich. Dieselben Argumente gelten für die in Gleichung i beschriebene Reaktion. Auch hier konnten nur Teilumsetzungen beobachtet werden. Die Verbindung (C6F5)4Pb ist extrem stabil. Behandelt man sie mit Salpetersäure (65% oder 100%), so findet keine Reaktion statt. Als Schlussfolgerung aus den gesamten Versuchen, neue (C6F5)nPb-Verbindungen darzustellen, lässt sich zusammenfassend sagen, dass es auf den beschrittenen Synthesewegen nicht möglich scheint, die gewünschten Produkte zu isolieren. Die C6F5-Reste lassen sich nicht bzw. nur geringfügig auf Blei-Verbindungen übertragen; ebenso ist (C6F5)4Pb so extrem stabil, dass auch von dieser Seite keine erfolgreiche Route beschritten werden kann. Azido(triphenylphosphan)gold(I), Ph3PAuN3 Kristalle dieser Verbindung konnten aus CH2Cl2 unter Zusatz geringer Mengen an Pentan bei einer Temperatur von 5°C gewonnen werden. Ein Kristall besteht aus diskreten Ph3PAuN3-Molekülen. Besonders interessant sind die Bindungslängen in der Azid-Einheit. Hier ist die Bindungslänge von N1−N2 mit einem Wert von 0.995(7) Å geringer als die von N2−N3 mit 1.294(8) Å. Dieses ist sehr erstaunlich und vermutlich falsch, da die Verhältnisse genau umgekehrt sein sollten. Eine kristallographische Erklärung dieser "verdrehten" Bindungsverhältnisse ist bislang noch nicht gefunden worden. Ausserdem ist der Wert von 0.995(7) Å für einen N−N-Abstand extrem gering. Im Gegensatz zu den durch Einkristall-Röntgenstrukturanalyse bestimmten N1−N2- und N2−N3-Bindungsabständen befinden sich die auf B3LYP-Niveau berechneten Werte in Übereinstimmung mit den Erwartungen, d.h. die Bindungslänge N1−N2 ist grösser, als die von N2−N3. Beide verwendeten Methoden, B3LYP/LANL2DZ und B3LYP/SDD, liefern sehr ähnliche Ergebnisse. Bis auf den P−Au−N1-Bindungswinkel von 164.1 bzw. 176.4° sind alle anderen theoretisch errechneten Abstände und Winkel nahezu gleich. Die Übereinstimmung mit den experimentell gefundenen Daten ist recht gut, mit Aussnahme der N−N-Abstände, wobei hier den quantenmechanisch berechneten Werten grösseres Vertrauen geschenkt werden sollte. Tetraphenylarsoniumtetraazidoaurat(III), [Ph4As][Au(N3)4] Kristalle dieser Verbindung konnten aus CH2Cl2 unter Zusatz geringer Mengen an Pentan bei einer Temperatur von 5°C gewonnen werden. Entgegen einer früheren Röntgenstrukturanalyse, bei welcher ein tetragonales System mit der Raumgruppe P4/n gefunden wurde, konnte nun bei dieser Bestimmung ein monoklines System mit der Raumgruppe C2/c ermittelt werden. Das Gold-Atom ist praktisch quadratischplanar von vier Stickstoff-Atomen umgeben. Die Bindungslänge von N1−N2 ist wie erwartet länger als die Distanz zwischen N2−N3. Die auf B3LYP- und MP2-Niveau theoretisch berechneten Strukturwerte stimmen im Vergleich zu den experimentell ermittelten recht gut überein. Die Bindungsabstände sind bei den Rechnungen länger als in den Röntgenstrukturen, was sich durch Packungseffekte im Kristall erklären lässt. Die Bindungswinkel sind nahezu identisch. Versuche zur Darstellung weiterer Gold-Azide Bei der Gold-Azid-Chemie handelt es sich um ein sehr diffiziles Thema. Die Verbindungen sind extrem explosionsgefährlich. So kam es mehrfach vor, dass bei einer zweiten Elementaranalyse ein und der selben Verbindung, diese explodierte, obwohl bei davor durchgeführten Tests kein explosives Verhalten festzustellen war. Die durchgeführten Versuche werden in der folgenden Übersicht tabellarisch zusammengefasst. Leider konnten bisher keine Kristalle der Verbindungen erhalten werden, so dass sich keine strukturellen Voraussagen treffen lassen. Da die Azid-Gruppe gegenüber Ag+ dasselbe Verhalten zeigt wie auch Cl−, kann man Chlorid-Ionen nicht ohne Probleme nachweisen. Anhand der Schwingungs- und 14N-NMR Spektroskopie lässt sich aber für alle in der Tabelle aufgeführten Reaktionen eindeutig sagen, dass es sich bei den entstandenen Produkten um kovalent-gebundene Gold-Azide handelt. Fallhammer-Explosionsteststand Der konstruierte Fallhammer hat sich als ein nützliches Werkzeug für Forschungszwecke herausgestellt. Die gemessenen Werte der maximalen absoluten Schallpegel ergeben eine wertvolle halb-quantitative Skala über die Explosionsfähigkeit und Schlagempfindlichkeit von potentiellen Explosivstoffen. Alle getesteten Substanzen waren Feststoffe und enthielten mindestens eine Azidgruppe: Silber(I)azid, Blei(II)azid, Cyanurazid, 1,3,5-Trinitro-2,4,6- triazidobenzen (TNTA), 1,3-Dinitro-2,4,6-triazidobenzen (DNTA) und 1,3,5-Trinitro-2- monoazidobenzen (TNMA). Cyanurazid ist ein noch stärkerer Explosivstoff als Silber- und Bleiazid. Eine Explosion von 20 mg Cyanurazid hat fast die gleiche Lautstärke wie eine durch 40 mg Pb(N3)2 oder durch 35 mg AgN3 verursachte Detonation. Neben den anorganischen Verbindungen, wurden einige organische Nitroazidsubstanzen getestet. Selbst die schwächste dieser organischen Explosivstoffe ist kraftvoller als AgN3 oder Pb(N3)2. Die Reihenfolge des Schallpegels ist TNMA < DNTA < TNTA, aber die Werte für DNTA und TNTA sind sehr ähnlich.
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1 Hydraziniumazide In dieser Arbeit wurde untersucht, ob die Eigenschaften von Hydraziniumazid durch Einführung organischer Substituenten verbessert werden können. Die Hydraziniumazidderivate wurden aus den jeweiligen wasserfreien, substituierten Hydrazinen und einer wasserfreien Lösung von HN3 in Ether dargestellt, die aus der Reaktion von Tetrafluoroborsäureetherat mit Natriumazid gewonnen wurde. Hydraziniumazid ist ein Addukt der schwachen Säure HN3 (pKs = 4.92) mit Hydrazin. Zwischen den Hydrazinium- und Azidionen treten starke Wasserstoffbrückenbindungen auf. Die Stärke der Wasserstoffbrückenbindungen ist entscheidend für die Eigenschaften der jeweiligen Verbindungen. Die Leichtflüchtigkeit sowie die Hygroskopie von Hydraziniumazid und seinen Derivaten lassen sich auf die Stärke und Zahl der Wasserstoffbrückenbindungen zurückführen. Die Einführung organischer Substituenten schwächt die Bindung zwischen Azidionen und Hydraziniumionen bereits dadurch, dass weniger NH Wasserstoffatome, die Wasserstoffbrückenbindungen bilden können, vorhanden sind. Je mehr Substituenten vorhanden sind, desto schwächer ist somit die Bindung zwischen Hydrazin und HN3. Der Schmelzpunkt der Hydraziniumazide ist eine gute Beschreibungsgröße für die Stärke der Wasserstoffbrückenbindungen und damit die Stärke des Hydrazin-HN3 Addukts. Dies kann an den sinkenden Schmelzpunkten der methylierten Verbindungen Methylhydraziniumazid (3), N,N-Dimethylhydraziniumazid (4), N,N´- Dimethylhydraziniumazid (5), und N,N,N´-Trimethylhydraziniumazid (6) überprüft werden. Die organischen Substituenten lieferten während der Explosion keine Energiebeiträge, da sie entweder zum Kohlenwasserstoff oder zum organylsubstituierten Amin reagierten. Daher sinkt der Anteil an aktiver Masse mit zunehmendem Substitutionsgrad. Erstaunlicherweise explodierten aber die flüssigen di-, tri- und tetramethylierten Verbindungen 4-7 bei Erwärmung heftiger als das monomethylierte 3. Dies ist auf die schwache Bindung von HN3 in diesen Verbindungen zurückzuführen. Es wurde zuerst HN3 abgespalten, das dann explodierte. Es wurde versucht, die Bindung zwischen Hydrazinium- und Azidionen durch zusätzliche Wasserstoffbrückenbindungen mit weiteren NH und OH Protonen in 2-Hydroxyethylhydrazin und Ethylendihydrazin zu stärken. Aus der Reaktion dieser Hydrazinderivate mit HN3 wurden keine Feststoffe, sondern zähflüssige Produkte, die nicht die stöchiometrische Menge HN3 enthielten, isoliert.Der Einbau eines Hydrazinstickstoffatoms in Ringsysteme führt zur Erhöhung der Basizität des Stickstoffatoms. Stärkere Hydrazin-HN3 Addukte sollten sich ergeben. Dies wird dadurch belegt, dass der Schmelzpunkt der N,N-dimethylierten Verbindungen N,NDimethylhydraziniumazid (4) und N-Amino-1-azoniacyclohexanazid (18) im Sechsringsystem 18 um 50 °C höher ist. Das Siebenringsystem N-Amino-1- azoniacycloheptanazid (19) zeigt ebenfalls eine Erhöhung des Schmelzpunktes von 18 °C gegenüber 4. Die Erhöhung ist geringer als bei 18, da in Siebenringsystemen die Basizitätserhöhung des Ringstickstoffatoms niedriger ist als in Sechsringsystemen. Das bei N-Amino-1-azonia-4-oxacylcohexanazid (20) im Ringsystem vorhandene Sauerstoffatom zeigt keine Auswirkungen auf den Schmelzpunkt. 20 spaltete jedoch während längerer Lagerung eine NH2-Gruppe ab, Morpholiniumazid (21) wurde erhalten. Auch bei den N,N´-dimethylierten Verbindungen N,N´-Dimethylhydraziniumazid 5, N,N´-Diethylhydraziniumazid (22), Pyrazolidiniumazid (23) und Hexahydropyridaziniumazid (24) wurde eine Erhöhung des Schmelzpunktes durch Einbinden des Hydrazinmoleküls in ein Ringssystem festgestellt. Während die offenkettigen Azide 5 und 22 erst unterhalb Raumtemperatur fest wurden, waren die Ringsysteme 23 und 24 bei Raumtemperatur fest. Diorganylsubstituierte Hydraziniumazide sind nicht praktisch anwendbar, da zu viele organische Substituenten vorhanden sind, die die Explosion hemmen. Während der Explosion entstanden große Mengen an organischen Nebenprodukten, vor allem Organylamine. Ein weiterer Nachteil ist die Oxidationsempfindlichkeit der Alkylhydrazine, die sich in den Azidderivaten wiederfindet. Die Verbindungen N,N,N´,N´-Tetramethylhydraziniumazid-tetramethylhydrazinat (7) und Phenylhydraziniumazid-phenylhydrazinat (14) sind Grenzfälle. Bei der Reaktion mit HN3 bildeten sich Dimere der Hydrazine, an die das Azidion über Wasserstoffbrückenbindungen gebunden ist. Es war nicht möglich, aus einem festen, substituierten Hydrazin das Addukt mit HN3 zu bilden, da bei der Entfernung des Lösungsmittels immer das substituierte Hydrazin ausfiel. Substituierte Hydrazine mit einem permethylierten Stickstoffatom ergaben Hydraziniumazidderivate, die nicht mehr flüchtig, aber sehr hygroskopisch sind. Sie wurden aus der Umsetzung der jeweiligen Hydraziniumiodide mit Silberazid erhalten. N,N,NTrimethylhydraziniumazid (8), N,N,N,N´-Tetramethylhydraziniumazid (9) und Pentamethylhydraziniumazid (10) haben Schmelzpunkte um 180 °C. Die Anzahl der Methylgruppen wirkt sich hier nicht auf den Schmelzpunkt aus. 8-10 explodierten aufgrund der vielen organischen Substituenten nur schwach, bei der Explosion entstanden größere Mengen Trimethylamin. Günstige Auswirkung auf die Eigenschaften von Hydraziniumazid hat die Adduktbildung mit einem weiteren Molekül Hydrazin. Hydraziniumazidhydrazinat (2) ist nicht mehr hygroskopisch, wesentlich weniger flüchtig und die Empfindlichlichkeit gegenüber Schlag, Reibung und Temperaturerhöhung sinkt. Der Schmelzpunkt ist mit 65 °C allerdings noch niedriger als der Schmelzpunkt von Hydraziniumazid mit 75 °C. Ein weiterer Nachteil ist, dass bei der Explosion mehr Ammoniak entsteht als bei Hydraziniumazid. Als Beispiel ist hier die Struktur von Hydraziniumazidhydrazinat (2) abgebildet, die Strukturen vieler anderer Hydraziniumazide finden sich in Kapitel 1. 2 Methylierte Hydraziniumnitrate In Raketentriebwerken werden Methylhydrazin oder N,N-Dimethylhydrazin und N2O4 eingesetzt. Bei der unvollständigen Verbrennung können Ablagerungen der jeweiligen Ammonium- und Hydraziniumnitrate gebildet werden. Die mono- und N,N-dimethylierten Ammonium- und Hydraziniumnitrate wurden hergestellt und ihre Eigenschaften überprüft. Sowohl Methylhydrazinium- (27) als auch N,N-Dimethylhydraziniumnitrat (28) sind sehr hygroskopische Substanzen. Wasser konnte aus den Hydraziniumnitraten nicht im Vakuum entfernt werden. Daher wurden 27 und 28 aus den wasserfreien, methylierten Hydrazinen und wasserfreier Salpetersäure bei –78 °C hergestellt. Die Hydraziniumnitrate zersetzten sich bei leicht erhöhter Temperatur (60 °C) bereits langsam zu den jeweiligen Ammoniumnitraten. Die Strukturen von Methylhydraziniumnitrat (27) und Dimethylhydraziniumnitrat (28) wurden bestimmt, die Struktur von Methylhydraziniumnitrat (27) ist hier als Beispiel angegeben. Die Zersetzung der Ammonium- und Hydraziniumnitrate bei hoher Temperatur erfolgte nicht vollständig. Während die Ammoniumnitrate größere Mengen NO2 ergaben, wurden bei den Hydraziniumnitraten nur Produkte einer weiter fortgeschrittenen Zersetzung, z.B. NO, nachgewiesen. Auch kleine Mengen Methylazid wurden gefunden. Während der durchgeführten Test ist es nicht gelungen, die Nitrate zur Explosion zu bringen. Beim starken Erhitzen der Hydraziniumnitrate 27 und 28 fand nur eine Zersetzung, keine Explosion statt. 3 Reaktionen mit cis-Hyponitrit Die in der Literatur erwähnten Verbindungen mit cis-Hyponitritanionen wurden entweder durch Kupplung von zwei NO Molekülen an einem Metallzentrum oder durch Reaktion von N2O mit Natriumoxid erhalten. In dieser Arbeit ist es nicht gelungen, aus Reaktionen des cis-Hyponitritions neue Verbindungen zu isolieren, es wurde immer die Bildung von N2O beobachtet. Die theoretische Untersuchung der Zersetzung der einfach protonierten Verbindung cis-HN2O2 – ergab eine niedrige Aktivierungsbarriere von 11.9 kcal/mol (MP2/6-31+G(d,p)) für die Bildung von N2O und OH– in der Gasphase. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass vor allem das OH–-Ion in einem Lösungsmittel gegenüber der Gasphase beträchtlich stabilisiert wird, so dass die Aktivierungsenergie in Lösung noch niedriger liegen dürfte. Dies erklärt die Bildung von N2O, die bei allen durchgeführten Experimenten, selbst bei sehr tiefen Temperaturen beobachtet wurde. Eine Isolierung der cis-hyposalpetrigen Säure kann daher wahrscheinlich nicht aus Lösung erfolgen, da sich die einfach protonierte Verbindung sofort zu N2O und OH– zersetzt. Ein Stickstoffoxid N6O4, das aus der Reaktion von Natrium-cis-hyponitrit mit Tetrafluorhydrazin entstehen kann, hat nur bei der Berechnung auf PM3 und HF Niveau ein Miniumum. Bei stärkerer Berücksichtigung der Elektronenkorrelation auf B3LYP oder MP2 Niveau wurden keine Minima auf der Energiehyperfläche gefunden. 4 Verbindungen mit 5,5´-Azotetrazolat Das 5,5´-Azotetrazolation enthält bereits 5 Mol Stickstoff. Durch Kombination mit Kationen von Stickstoffbasen, vor allen Hydraziniumkationen, können Verbindungen erhalten werden, die pro Formeleinheit viele Mole Gas erzeugen. Der Hauptbestandteil der Explosionsgase ist Stickstoff. Hydraziniumverbindungen bilden zusätzlich Wasserstoff, was für hohe Detonationsgeschwindigkeiten sorgt. Verbindungen, die große Mengen Stickstoff erzeugen, werden für Gasgeneratoren in automatischen Feuerlöschsystemen, Airbags und Rettungswesten gesucht. Ein Vorteil der Salze von 5,5´-Azotetrazolat mit Stickstoffbasen ist, dass sie gegenüber Schlag und Reibung relativ unempfindlich sind, was für eine Anwendung wichtig ist. Das empfindlichste Salz ist das Ammoniumsalz, das im Fallhammertest in der Literatur bei 4.4 kg bei einer Fallhöhe von 50 cm explodierte. [130] 5,5´-Azotetrazol ist im Gegensatz zu HN3 eine starke Säure und zerfiel bei Raumtemperatur innerhalb einer Minute vollständig zu Tetrazolhydrazin. Die freie Säure kann bei –30 °C hergestellt und bei –80 °C mehrere Wochen gelagert werden. Aus Methanol kristallisierte 5,5´-Azotetrazol mit zwei Molekülen Kristallwasser (70). 5,5´-Azotetrazolatsalze sind jedoch stabil. Die Synthese von 5,5´-Azotetrazolatsalzen erfolgte durch Umsetzung von Sulfaten der entsprechenden Kationen mit Barium-5,5´-azotetrazolat. Die Stabilität von 5,5´-Azotetrazolatsalzen mit protonierten Stickstoffbasen ist davon abhängig, wie leicht das Proton von der Stickstoffbase auf das 5,5´-Azotetrazolation übertragen werden kann. Dies kann an den Ammmoniumsalzen Diammonium-5,5´- azotetrazolat (45), Bis-methylammonium-5,5´-azotetrazolat (46), Bis-dimethylammonium- 5,5´-azotetrazolat (47), Bis-trimethylammonium-5,5´-azotetrazolat (48) und den Hydraziniumsalzen Hydrazinium(2+)-5,5´-azotetrazolat (51), Dihydrazinium-5,5´- azotetrazolat (53), Bis-methylhydrazinium-5,5´-azotetrazolat (54), Bis-N,Ndimethylhydrazinium- 5,5´azotetrazolat (55) und Bis-N,N´-dimethylhydrazinium-5,5´- azotetrazolat (56) abgelesen werden. Je mehr Methylgruppen vorhanden waren, desto tiefer waren die Zersetzungstemperatur der Salze. Waren keine NH+ Gruppen in den Kationen vorhanden, z.B. in Bis-tetramethylammonium-5,5´-azotetrazolat (49) und Bis-N,N,Ntrimethylhydrazinium- 5,5´-azotetrazolat (57), so erfolgte die Zersetzung über einen anderen Mechanismus, der wahrscheinlich umgekehrt zur Bildung der Tetrazolringe verläuft und erst bei höheren Temperaturen stattfindet. Die Synthese von 5,5´-Azotetrazolatsalzen mit protonierten Stickstoffbasen kann bei Raumtemperatur nur in Wasser als Lösungsmittel stattfinden. In organischen Lösungsmitteln erfolgte eine Zersetzung des Azotetrazolations. Dihydrazinium-5,5´-azotetrazolat (53) ist eine neue hochenergetische Verbindung, die alle Anforderungen für einen modernen Sprengstoff erfüllt. Die hohe Standardbildungsenthalpie von 264 kcal/mol (ber.), die bei der Detonation freigesetzt wird sowie die bei der Detonation gebildeten großen Mengen Wasserstoff sorgen für ein gute Detonationsgeschwindigkeit von 6330 m/s. Der größte Nachteil von 53 ist die niedrigen Dichte. Bei einer vergleichbaren Dichte würde die Verbindung die Werte der kommerziellen Sprengstoffe RDX und HMX übertreffen. Die bereits bekannten Guanidinium- (66) und Triaminoguanidiniumverbindungen (68), deren Kristallstrukturen in dieser Arbeit bestimmt wurden, haben höhere Dichten und sind thermisch stabiler. Vor allem das Guanidiniumsalz wird wahrscheinlich in den nächsten Jahren in Gasgeneratoren zum Einsatz kommen. Die niedrigen Dichten der Hydraziniumsalze im Vergleich zu den Guanidiuniumsalzen sind geometrisch begründet. Die Guanidiuniumderivate sind flach. Dadurch können sich sowohl die 5,5´-Azotetrazolationen als auch die Kationen platzsparend übereinander anordnen. Hydraziniumionen haben Wasserstoffatome, die nach allen Raumrichtungen ausgerichtet sind. Da diese Wasserstoffatome in Wasserstoffbrückenbindungen einbezogen werden, entstehen Lücken zwischen den 5,5´-Azotetrazolationen in der Kristallpackung. Das Hydraziniumsalz 53 kann zwei Einheiten Wasser oder Hydrazin über Wasserstoffbrücken binden. Sowohl das Ammoniumsalz 45, als auch Hydroxylammonium- 5,5´-azotetrazolat (50) und die methylierten Ammonium- 46-49 und Hydraziniumverbindungen 54-57 können keine zusätzlichen Stickstoffbasen über Wasserstoffbrückenbindungen binden. Die Alkali- und Erdalkalisalze 29-37 von 5,5´-Azotetrazolat binden große Mengen Kristallwasser. Die Wassermoleküle sind sowohl an die Kationen koordiniert als auch über Wasserstoffbrückenbindungen im Kristall gebunden. Daraus ergeben sich verschiedene Bedingungen für die Entfernung des Kristallwassers. Während nur über Wasserstoffbrückenbindungen gebundenes Kristallwasser beim Aufheizen bereits bei Temperaturen um 100 °C entwichen ist, liessen sich die koordierten Wassermoleküle erst bei Temperaturen von 120-150 °C entfernen. Bei der Entfernung der letzten Wassermoleküle wurden im DSC jeweils große Energiemengen festgestellt, die für eine Strukturänderung nach der Entfernung der letzten Wassermoleküle sprechen. Die Temperaturstabilität der Alkali- und Erdalkalimetallsalze sinkt mit zunehmender Größe des Kations. Während die Lithiumverbindung (29) erst bei 335 °C explodierte, explodierte die Bariumverbindung (37) bereits bei 211 °C. Bei der Entfernung von Wasser bei Temperaturen um 100 °C im Ölpumpenvakuum fanden Explosionen statt. Daher kann Wasser praktisch nur durch lange Lagerung der Salze im Exsikkator über P2O5 entfernt werden. Die wasserfreien Alkali- und Erdalkalimetallsalze sind schlag- und reibungsempfindlich, was sie zu potentiellen Primärexplosivstoffen macht Die Kristallstrukturen von Lithium-5,5´-azotetrazolat-hexahydrat (29), Natrium-5,5´- azotetrazolat-pentahydrat (30), Rubidium-5,5´-azotetrazolat-hydrat (32) und Barium-5,5´- azotetrazolat-pentahydrat (37) zeigen eine Koordination von 5,5´-Azotetrazolat– stickstoffatomen an das jeweilige Metallion. In Calcium-5,5´-azotetrazolat-octahydrat (35) und Yttrium-5,5´-azotetrazolat-docosahydrat (39) sind die 5,5´-Azotetrazolatstickstoffatome nicht mehr an die Metallionen koordiniert, die Metallionen sind von einer Hydrathülle umgeben. Auch Magnesium-5,5´-azotetrazolat-octahydrat (34) und die Salze der dreiwertigen Kationen Aluminium 38, Lanthan 40, Cer 41 und Neodym 42 sind im Einklang mit dem HSAB-Prinzip wahrscheinlich nur von einer Hydrathülle umgeben. Das Magnesiumsalz 34 sowie die Salze der dreiwertigen Kationen sind nur solange stabil, wie das Kation von der Hydrathülle umgeben ist. Verlieren die Verbindungen Wasser, z. B. beim Erhitzen, so werden farblose Zersetzungsprodukte erhalten. Bei der Reaktion von [Ce]4+[SO4]2– 2 mit Barium-5,5´-azotetrazolat kommt es sofort zu einer Gasentwicklung, Ce+4 ist in wässriger Lösung zu sauer. Nach Auflösen von Barium-5,5´-azotetrazolat in Hydrazin entfärbte sich die Reaktionslösung innerhalb von zwei Stunden. Farbloses Barium-N,N´-ditetrazolatohydrazintrihydrazin (44) wurde erhalten. 5 Reaktion von Tetrazoldiazoniumchlorid mit Lithiumazid Aus der Reaktion von Benzoldiazoniumchlorid mit Lithiumazid konnte Phenylpentazol isoliert werden. Analoge Reaktionen mit verschiedenen Phenylderivaten ergaben substituierte Phenylpentazole. Die Reaktion von Tetrazoldiazoniumchlorid mit Lithiumazid ergibt Tetrazolazid. Daher wurde auch in dieser Reaktion eine Pentazolzwischenstufe vermutet. Theoretische Berechnungen ergaben, dass die Aktivierungsenergie für den Zerfall verschiedener Tetrazolpentazolisomere in der Gasphase zu Tetrazolazid und Stickstoff mindestens 14.8 kcal/mol beträgt. Daher erschien es möglich, Tetrazolpentazol im Experiment zu beobachten. Bei der 15N-NMR spektroskopischen Verfolgung der Reaktion von Tetrazoldiazoniumchlorid (71) mit Lithium-15Nα-azid wurden zwei Signale bei δ = –29.7 und δ = 7.7 beobachtet, die bei Erwärmung auf –50 °C an Intensität abnahmen und bei –30 °C vollständig verschwunden waren. Gleichzeitig nahm das Signal von Stickstoff an Intensität zu und ein Signal von Nβ markiertem Tetrazolazid erschien. Die bereits bei tiefen Temperaturen wieder verschwindende Zwischenstufe der Reaktion von Tetrazoldiazoniumchlorid mit Lithiumazid entspricht daher sowohl ihrem chemischen Verhalten, als auch in den beobachteten Signalen dem Verhalten, das von Tetrazolpentazol erwartet wird.
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Das Ziel dieser Arbeit war die Charakterisierung und Synthese neuer Halogen- und Pseudohalogenverbindungen und die Untersuchung mit Hilfe von quanten– mechanischen Rechnungen. Im Folgenden sind kurz die Ergebnisse der in den Kapiteln C, D und E vorgestellten Arbeiten zusammengefasst. Die in der vorliegenden Arbeit dargestellten Verbindungen und ihre Charakterisierung sind in Tabelle F1 aufgeführt. In der letzten Spalte sind die Literaturstellen der bereits veröffentlichten Arbeiten angegeben. Durch die Ergebnisse im Rahmen dieser Dissertation konnten neue Erkenntnisse über den Zusammenhang von Struktur und chemischer Bindung der untersuchten Verbindungen gewonnen werden. Des Weiteren konnten mit Hilfe quantenmechanischer Rechnungen neue Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Stabilität, Ladungsverteilung und Reaktionsverhalten der verschiedensten Halogen und Pseudohalogenverbindungen gewonnen werden. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Kombination von experimentellen Methoden, wie Schwingungsspektroskopie, NMR-Spektroskopie und Röntgenbeugung, mit quantenmechanischen Rechnungen ein hervorragendes Mittel ist, um die chemische Bindung von Halogen und Pseudohalogenverbindungen zu beschreiben. Dies konnte eindrucksvoll in den Studien zu den Thiazylhalogeniden, Triazinpseudohalogenverbindungen und Halogencyan-Addukten gezeigt werden. In Tabelle F2 sind die in dieser Arbeit mit quantenmechanischen Rechnungen charakterisierten Verbindungen aufgeführt. F1 Thiazylhalogenide (Kapitel C) Erstmals konnte die Struktur des NSCl2 –-Anions (Thiazyldichloridanion), dass zu einer neuen Klasse sehr labiler ternärer Anionen des Typs NSX2 – (X = Halogen) gehört, durch Röntgenbeugung an Einkristallen gelöst werden. Bisher wurde keine Verbindung, die das „nackte“ Anion enthält, strukturell charakterisiert. Bei der theoretischen Untersuchung des Cl–-Acceptorverhaltens und der Thermodynamik von NSCl wiesen ab-initio-(CCSD(T))- und Dichtefunktional- Rechnungen (B3LYP) auf einen barrierefreien Angriff des Cl–-Anions auf das NSCl- Molekül hin, welcher zur Bildung des NSCl2 –-Anions führt. Diese Reaktion stellt eine exotherme Lewis-Base-Lewis-Säure-Reaktion dar mit einer berechneten molaren Enthalpie von ∆H298 = –124.6 kJ mol–1, die zu einem Ladungstransfer von QCT = 0.385e (B3LYP/6-311+G(3df)) führt. Die Auswertung der IR- und Raman-Spektren ergab in Kombination mit den Ergebnissen von quantenmechanischen Rechnungen, dass die Cl-Atome sehr schwach an ein fast als SN+-Ion vorliegendes Kation gebunden sind. Die hervorstechenden strukturellen Besonderheiten des NSCl2 – lassen sich mit einfachen, qualitativen MO- und VB-Betrachtungen erklären: Die NSCl-Bindung kann als neuartige Vier-Elektronen-Drei-Zentren-Bindung, die die S-Cl-σ-Bindung mit der S-N-π-Bindung verknüpft, aufgefasst werden. Es gibt zwei solcher Vier-Elektronen-Drei-Zentren-Bindungen. In den umfassenden Studien zu den NSX2 –-Anionen (X = F, Cl, Br, I) wurde festgestellt: (i) durch Cl–/F–-Austausch ist es möglich das NSF2 – aus NSCl2 – in Lösung zu bilden; (ii) die Bildung von NSBrCl– im Festkörper und Lösung und die Bildung von NSBr2 – im Festkörper konnte nachgewiesen werden, wobei diese Verbindungen sehr instabil sind und sehr schnell weiterreagieren; (iii) die NSX2 –-Salze (X = Br, I) zerfallen unter Bildung von S4N4 bzw. polymeren (SN)x in Abhängigkeit von den Reaktionsbedingungen; (iv) die Polarität des Lösemittels besitzt einen großen Einfluss auf den Zerfall von Thiazyldichlorid und die Zerfallsprodukte. Die quantenmechanischen Rechnungen zu den NSX2 –-Anionen ergaben: (i) Alle betrachteten Verbindungen sind bezüglich der Bildungsreaktion thermodynamisch stabil. (ii) Alle Reaktionen sind exotherm, wobei die Fluor-Spezies erwartungsgemäß die kleinsten freien Reaktionsenthalpien und die Iod- Spezies die größten besitzen. (iii) Überraschend niedrig ist im Vergleich zu den Halogenen die freie molare Reaktionsenthalpie für die Bildung von NSH2 –. (iv) Alle NSXY–-Verbindungen repräsentieren hoch-polarisierte Moleküle, wobei die Polarisation der S-N- bzw. S-X-Bindung von den FVerbindungen zu den I-Verbindungen abnimmt. Die Bildungsreaktion (NSX + Y–) entspricht einer Donor-Acceptor-(charge transfer)-Reaktion, die barrierefrei verläuft. (v) Im Einklang mit den berechneten Strukturdaten (lange S-X- bzw. S-YBindungslängen, kurze S-N-Bindungen) zeigt die Elektronendichteverteilung in der NSCl-Ebene viel Elektronendichte zwischen der S-N-Bindung und nur wenig zwischen der S-Cl-Bindung. Dies deutet daraufhin, dass die ionischen Verbindungen NSX2 – bzw. NSXY– am besten als NS+ X– Y– mit schwachen kovalenten S-X- bzw. S-YWechselwirkungen beschrieben werden sollten (s.o.). (vi) Die Bindungssituation in den NSX2 –-Verbindungen lässt sich durch zwei Vier-Elektronen-Drei-Zentren-Bindungen mit „geschwächten“ S-X- und S-Y-σ-Bindungen und „geschwächten“ S-N-πx- und πy-Bindungen beschreiben. Die zunehmende Schwächung der Vier-Elektronen-Drei- Zentren-Bindungen ist durch die geringer werdende Überlappung in der Reihe F > Cl > Br > I (F: S-X-σ-S-N-π-Orbital; I: reines S-N-π-Orbital) zu erklären (siehe Abbildung C9). (vii) Die N-S-X-Winkel sind vom Halogen wenig beeinflusst und liegen bei 113 bis 115°. Der X-S-X-Winkel nimmt von X = H zu X = Br kontinuierlich von 77.4° auf 112.7° (B3LYP) zu. Aus den Ergebnissen der Umsetzung des NSCl2 –-Anions mit verschiedensten Übergangsmetallkomplexen kann folgendes geschlossen werden: (i) die Chloro-Liganden des NSCl2 –-Anions sind, wie schon aus den Rechnungen und Strukturdaten in Kapitel C1 hervorgeht, sehr schwach an den Schwefel gebunden, wodurch eine Cl–-Abstraktion begünstigt wird; (ii) keiner der verwendeten Übergangsmetallkomplexe ist in der Lage, das NSCl2 –-Anion ohne Zersetzung zu stabilisieren; (iii) die Reaktion mit Übergangsmetallchloriden forciert je nach Reaktionsbedingungen die Zersetzung des NSCl2 –-Anions zu NSCl/(NSCl)3, S2N2, S3N2 2–, S4N4 und Cl2. F2 Pseudohalogenchemie des s-Triazins (Kapitel D) Bei der Untersuchung des Reaktionsverhaltens der Pseudohalogenverbindungen MX (mit M = K, Na, Ag; X = NNN, OCN, CNO, SCN und SeCN) mit 2,4,6–Trichloro– 1,3,5–triazin (Cyanurchlorid) zeigte sich, dass (i) nur die Azide und Thiocyanate geeignet sind, das Cyanurchlorid im Sinne einer nucleophilen Substitution anzugreifen. (ii) die Bildung der analogen Selenocyanate und Cyanate bzw. der entsprechenden Iso-Verbindungen nicht beobachtet werden konnte. (iii) die Isocyanate 35 und 36 nur über die ein- bzw. zweifachsubstituierten Amine, durch Reaktion mit Oxalylchlorid oder Phosgen unter Abspaltung von Salzsäure und Kohlenmonoxid, dargestellt werden können. (iv) die Darstellung des Triisocyanatotriazins aus Melamin nicht gelang, da für diese Reaktion elektronenziehende Substituenten am Triazinring nötig sind. Die Verbindungen 26[60b], 35, und 36 konnten mit Hilfe der Schwingungsspektroskopie, der NMR-Spektroskopie und anhand von Einkristallröntgenstrukturanalysen charakterisiert werden. (v) die nucleophile Substitution der verbleibenden Chloratome in 35 und 36 durch Umsetzung mit anderen Pseudohalogeniden (z.B. LiN3, Na/K-N3, - NCO, -SCN, -CN) nicht möglich ist, da die Isocyanate durch ihre elektronenschiebenden Eigenschaften den Triazinring deaktivieren und somit eine weitere nucleophile Substitution am Ring verhindern. Bei der Reaktion von 2,4,6–Triazido–1,3,5–triazin (26) mit Triphenylphosphan in verschiedenen molaren Verhältnissen konnten die Verbindungen 29, 31 und 32 mit Hilfe der Schwingungsspektroskopie, der NMR-Spektroskopie und der Röntgenbeugung eindeutig charakterisiert werden (Gleichung F1). Des Weiteren konnten die Verbindungen 27 und 28, die in Lösung im Gleichgewicht mit 31 und 32 vorliegen, anhand ihrer 31P-NMR-Resonanzen nachgewiesen werden. Alle drei Stufen der Reaktion von 2,4,6–Triazido–1,3,5–triazin mit Triphenylphosphan repräsentieren exotherme Reaktionen. Nur für die Verbindungen 27 und 28 kann in Lösung ein Gleichgewicht zwischen dem Tetrazol- und dem Azidisomer gefunden werden. Die experimentelle Beobachtung des Azid-Tetrazol-Gleichgewichtes 27 a 31 und 28 a 32, im Gegensatz zu 26 a TR1 (ohne PPh3-Gruppen, Abbildung D1), kann durch die thermodynamische Stabilisierung des Tetrazolisomers nach der Einführung der Triphenylphosphangruppe erklärt werden (Abbildung D5). Aus den Rechnungen und den Experimenten ergab sich: (i) eine relativ große Aktivierungsbarriere für die Cyclisierung von ca. 20 bis 25 kcal mol–1, die mit der ungünstigen elektrostatischen Abstoßung zwischen dem terminalen Stickstoff der Azidgruppe und dem Stickstoffatom im Ring und ebenso durch das Abwinkeln der Azidgruppe erklärt werden kann. (ii) dass die Einführung von Triphenylphosphangruppen zu stärker polarisierten C-N-Bindungen im Ring und zu einem Ladungstransfer in das Triazinringsystem führt. (iii) der orbitalkontrollierte Ringschluß wird durch einen nicht unerheblichen Ladungstransfer in den Tetrazolring begleitet und stabilisiert so thermodynamisch das Tetrazolisomer. Diese Ladungsumverteilung erklärt die wichtige Rolle der Triphenylphosphangruppen bei der Ringschlussreaktion, da sie als gute Elektronendonatoren gelten. F3 Pseudohalogenchemie von P-N-Verbindungen (Kapitel E) Bei der Untersuchung des Reaktionsverhaltens von Trimethylsilyltriphenylphosphanimin mit den Halogen-Pseudohalogenverbindungen ClCN, BrCN und ICN zeigte sich, (i) dass es nur für die Reaktion mit ICN möglich ist das Addukt im Festkörper zu stabilisieren; (ii) dass das ClCN-Addukt spontan zu Ph3PNCN und ClSiMe3 zerfällt; (iii) dass das BrCN-Addukt zwar etwas stabiler ist, jedoch auch langsam zu Ph3PNCN und BrSiMe3 zerfällt; (iv) dass die Zugabe von KF oder eine Temperaturerhöhung zur sofortigen Bildung von Ph3PNCN führt. Das ICN-Molekül ist aufgrund der Wechselwirkungen mit dem N-Atom der Ph3PNSiMe3-Einheit leicht gewinkelt (ca. 176°). Die VB-Betrachtung der NBOAnalyse ergibt, dass es weder am I- noch am P-Atom zu nennenswerten d-Orbital- Erweiterungen kommt. Bei der Untersuchung der Donor-Acceptor-Wechselwirkungen zeigten sich schwache Wechselwirkungen zwischen den beiden freien Elektronenpaaren (p-AOs) des N-Atoms der Ph3PNSiMe3-Einheit mit dem leeren antibindenden σ*-Orbital des ICN-Fragmentes. Die Untersuchung des Reaktionsverhaltens verschiedenster Pseudohalogenidverbindungen MX (M = K, Na, Li, Ag; X = N3, SCN, OCN, SeCN, CNO) mit Hexachlorocyclotriphosphazen in unterschiedlichen Lösungsmitteln zeigte, dass nur die Azid- und Isothiocyanat-Verbindungen gebildet werden. Die Einkristall- Röntgenstrukturanalyse von Hexaisothiocyanatocyclotriphosphazen zeigte, dass der (PN)3-Ring abgewinkelt ist. Bei der Reaktion von KN3 mit Triphenylphosphan, [PN(Cl)2]3 und Kronenether in peroxidhaltigem THF kristallisierte interessanterweise nicht das erwartete Staudingerprodukt aus, sondern der Kronenetherkomplex [K([18]krone–6)(N3)- (OPPh3)]. Die Umsetzung mit KOCN, KSCN und KSeCN führte ebenfalls zu den analogen Kronenetherkomplexen.
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Die vorliegende Arbeit befasste sich mit der Charakterisierung der Photoinstabilität von Arzneistoffen und verschiedenen Darreichungsformen sowie der Photo-stabilisierung von Infusionslösungen mit transparenten Kunststofffolien. Die Qualifizierung des eingesetzten Belichtungsgerätes wurde anhand von Radio- und Spektroradiometeruntersuchungen sowie speziellen Testlösungen durchgeführt. Für das hochphotoinstabile Chinolonderivat SB-265805-S wurde eine Charakterisierung der Photoinstabilität als Feststoff und in Lösung unter Berücksichtigung kinetischer Aspekte und der Wellenlängenabhängigkeit der Photolyse durchgeführt. Zudem wurde der Einfluss von parenteral einsetzbaren Hilfsstoffen auf die Photostabilität von SB-265805-S Lösungen im Hinblick auf eine geeignete Formulierung untersucht. Die bisher unbekannte Lichtempfindlichkeit von Wirkstoffen in Lyophilisaten wurde anhand des Gyrasehemmers untersucht. Dabei wurden auch Einflüsse von unterschiedlichen Hilfsstoffen und ihren Eigenschaften berücksichtigt. Zur Photostabilisierung von Infusionslösungen wurden transparente Polymerfilme in Form von unterschiedlichen sekundären Packmitteln hergestellt und die photo-protektiven Eigenschaften anhand verschiedener Infusionslösungen ermittelt. Unter Berücksichtigung der Befunde wurden Anforderungen an UV-Schutzfilme abgeleitet. Fragen der Photoinstabilität von Arzneistoffen wurden bei den bisher wenig untersuchten Gruppen der Vasodilatatoren und Antiarrhythmika bearbeitet. Neben der Zersetzungsgeschwindigkeit und der Ermittlung des photodestruktiven Wellenlängenbereiches waren auch Hilfsstoffeinflüsse und entstehende Photolyse-produkte von Interesse. Dabei kamen chromatographische und spektroskopische Verfahren zur Untersuchung der Abbauprodukte zum Einsatz. Besonders photostabilitätsgefährdete Handelspräparate, wie parenterale und topische Lösungen, wurden einbezogen, um auch die praktische Auswirkung der Photoinstabilität zu erfassen. Im wesentlichen ergaben sich folgende Befunde: 1. Für die Durchführung von reproduzierbaren Photostabilitätsprüfungen spielt die Qualifizierung des Belichtungsgerätes eine entscheidende Rolle. Die Untersuchung des zur Verfügung stehenden Gerätes zeigt, das eine Kombination aus Radiometer, zur Ermittlung der Gesamtbestrahlungsdosis, Spektroradiometer, zur Untersuchung von spektralen Veränderungen und Testlösungen, zur Untersuchung der praktischen Relevanz von gemessenen Abweichungen, sowie Mapping der Probenebene, geeignet ist. 2. Eine Verkürzung der Belichtungszeit durch Erhöhung der Bestrahlungsstärke zum Erreichen der in der ICH-Richtlinie geforderten Bestrahlungsdosis ist bei Lösungen aufgrund direkter Proportionalität von Bestrahlungsdosis und Grad der Zersetzung anwendbar. 3. Die bei höheren Bestrahlungsstärken im Suntest CPS + ermittelten Photolyse-geschwindigkeiten sind nur eingeschränkt mit unter natürlichen Bedingungen (Raumlicht) ermittelten vergleichbar. Mit zunehmender Entfernung zum Fenster sinkt die Lichtintensität und damit die Photolysegeschwindigkeit stark ab. 4. Der Wirkstoff SB-265805-S stellt ein hochlichtempfindliches Chinolonderivat dar. Als Ursache der vergleichsweise außerordentlichen Photoinstabilität wurde die Oximetherstruktur des Substituenten in Position 7 des Chinolin-carbonsäureringes in Betracht gezogen. Die Photozersetzung des Gyrasehemmers wird durch Licht mit Wellenlängen bis 385 nm hervorgerufen. Mit steigender Wirkstoffkonzentration sinkt die Photolysegeschwindigkeit in Wirkstofflösungen.5. Bei der Formulierung von photoinstabilen Wirkstofflösungen muss mit Einflüssen von eingesetzten Hilfsstoffen wie Puffersubstanzen und Lösungs-vermittler gerechnet werden. Bei basischen oder sauren beziehungsweise zwitterionischen Substanzen wie dem Chinolon SB-265805-S spielt der pH-Wert der Lösung eine besonders große Rolle. Antioxidantien führen auch bei Photooxidationen nicht immer zu einer Photostabilisierung. Bei komplexen Abbauwegen kann ihr Effekt nivelliert werden. 6. Lyophilisate zeigen als hochporöse feste Darreichungsformen eine deutlich erhöhte Lichtempfindlichkeit im Vergleich zum Feststoff. Ein hoher Rest-wassergehalt ist für wasserlösliche Wirkstoffe wie SB-265805-S zu vermeiden, da dieser die Photostabilität des Lyophilisates herabsetzt. 7. Bei der Auswahl des Gerüstbildners ist bei lichtempfindlichen Wirkstoffen mit Beeinflussung der Photostabilität zu rechnen. Das Chinolon zeigte sich in Saccharose- und Lactosekuchen deutlich stabiler als in Mannitol enthaltenden Lyophilisaten. Ein Einfluss der Kuchenstruktur, amorph oder kristallin, wurde diskutiert. 8. Die Eindringtiefe von Licht erwies sich in Lyophilisatkuchen deutlich höher als in Tabletten. Wie anhand von Chinolonlyophilisaten gezeigt werden konnte, besteht ein Zusammenhang von Art und Konzentration des Gerüstbildners und der Eindringtiefe von Licht, und damit dem Ausmaß der zersetzten Wirkstoffmenge. 9. Farblos-transparente Polyethylenfolien sind als Sekundärpackmittel zur Photostabilisierung von UV-sensiblen Infusionslösungen einsetzbar. Das Aufschrumpfen der Folien hat keinen nachteiligen Einfluss auf die Transmission und den stabilisierenden Effekt. 10. Mit 1 % UV-Absorber und 100 µm Folienstärke wird eine zur Photo-stabilisierung ausreichende Transmissionsreduktion im Wellenlängenbereich bis 380 nm erreicht. Eine Mischung (1:1) der eingesetzten Absorber führt dabei zu einer kontinuierlich niedrigen Transmission in diesem Bereich. Diese Filme zeigten daher auch den besten stabilisierenden Effekt und breite Einsetzbarkeit. Mit Tauchfilmen überzogene Flaschen sind ebenfalls als Lichtschutz-verpackungen einsetzbar. 11. Intransparenz von Kunststofffolien ist keine Garantie für ausreichenden Lichtschutz. Pigmentdichte und Folienstärke sind für eine optimale Photoprotektion entscheidend. 12. Quartäre HPLC-Pumpen erwiesen sich zur Auftrennung besonders komplexer Gemische als vorteilhaft. Zur Untersuchung und Detektion der Photo-zersetzungsprodukte sind On-line-Verfahren wie Diodenarray- und Massen-kopplung besonders geeignet. 13. Alpha1-Rezeptorantagonisten lassen sich strukturell in zwei Gruppen einteilen, die sich auch deutlich in ihrer Photoinstabilität unterscheiden. Die einen 2-Aminochinazolinring enthaltenden Wirkstoffe Prazosinhydrochlorid, Terazosin-hydrochlorid, Bunazosinhydrochlorid und Doxazosinmesilat zeigten eine, in obiger Reihenfolge abnehmende, jedoch deutlich höhere Lichtempfindlichkeit als das 6-Aminouracilderivat Urapidilhydrochlorid. Für die erstgenannte Gruppe konnten zahlreiche Photolyseprodukte nachgewiesen werden. Eine erhöhte Photoinstabilität der Furancarbonsäure- beziehungsweise Tetrahydro-furancarbonsäurestruktur des Substituenten in Position 2 wurde diskutiert. 14. Die Photozersetzung der Alpha1-Rezeptorantagonisten verläuft stark lösungs-mittelabhängig. Neben Unterschieden in der Zersetzungsgeschwindigkeit konnte das Auftreten abweichender Zersetzungsprodukte nachgewiesen werden. Die Wirkstoffe werden durch Licht mit Wellenlängen bis etwa 355 nm zersetzt. In festen Darreichungsformen können Alpha1-Blocker als photostabil angesehen werden. 15. In der Gruppe der Vasodilatatoren sind Dipyridamol und Budralazin besonders photoinstabil. Die Feststoffe sind deutlich photostabiler als die Wirkstoff-lösungen. Beide Wirkstoffe zeigen Lichtempfindlichkeit bis zu einer Wellenlänge von etwa 445 nm. Dipyridamol zersetzt sich in wässrig-saurer Lösung um den Faktor 6 schneller als in ethanolischer Lösung und zusätzliche Zersetzungsprodukte konnten nachgewiesen werden. Eine mehrfache Oxidation unter Lichteinfluss wurde diskutiert. Lichtschutz für die Infusionslösung während der Applikation ist zu fordern. Budralazin zeigt eine auffällige Zersetzungskinetik. Für das einzige Photo-zersetzungsprodukt wurde das Cis-Isomer vorgeschlagen. Minoxidil ist in Wasser-Ethanol-Propylenglykol-Mischungen zur topischen Anwendung photostabiler als in rein wässrigen Lösungen. Der Feststoff zeigt keine Photozersetzung. Trapidil-, Diltiazem-, und Verapamilhydrochlorid sind trotz der Lichtschutz-forderungen in den Arzneibüchern oder Gebrauchsanweisungen auch in Lösung als weitgehend photostabil einzustufen. 16. Antiarrhythmika sind strukturell sowie bezüglich ihrer Lichtempfindlichkeit eine sehr heterogene Gruppe. Unter den gleichen Bedingungen liegt für Amiodaronhydrochlorid die t90% bei 30 Sekunden, für Chinidinhydrogensulfat bei 140 Minuten und für Arotinolol-, Mexiletin- und Soltalolhydrochlorid bei etwa 300 Minuten. Amiodaronhydrochlorid bildet in Wasser und Ethanol zahlreiche Abbauprodukte. Die bei Belichtung generell auftretende gelbbraune Verfärbung weist auf durch Photodeiodierung entstehendes Iod hin. Der Feststoff, Tabletten, Injektions- und Infusionslösungen zersetzen sich durch Lichteinwirkung und sind schutzbedürftig. Deutliche organoleptische Veränderungen treten auch bei der Feststoff-belichtung von Arotinololhydrochlorid und Chinidinhydrogensulfat auf. 17. Die Bewertung der Lichtschutzbedürftigkeit von Wirkstoffen ist in offiziellen Pharmacopoen zum Teil widersprüchlich. Hier ist daher eine Überprüfung und Vereinheitlichung der Lichtschutzangaben zu fordern. Aufgrund der beträchtlichen Unterschiede der Lichtempfindlichkeit von Wikstoffen in Lösung und als Fesstoff ist in diesem Zusammenhang auch eine Präzisierung der Lichtschutzforderung, wie es in der USP für unterschiedliche Darreichungsformen teilweise der Fall ist, wünschenswert.
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Synthese, Struktur und Enthalogenierung von Monosupersilylsilanen; Disilene, Cyclosilane, tetrahedro -Silane Die als Vorstufen sperrig substituierter Disilane R*X2Si–SiX2R*, Disilene R*XSi=SiXR* und Disiline R*Si≡SiR* wichtigen Monosupersilylsilane R*SiX3 (R* = SitBu3 = Supersilyl; X = H, F, Cl, Br, I, Me, Ph, tBu, OR, OTf) lassen sich durch Verbindungsaufbau (Austausch von Hal in Halogensilanen gegen R*) und durch Verbindungsumwandlung (z.B. Austausch von Hal oder H in Disilanen gegen H, Hal, Nucleophil Nu), darstellen: Laut Röntgenstrukturanalysen von R*SiPhCl2, R*SiI3, R*SiPh3 und R*SitBu3 sind die Si-Si- Bindungslängen – sterisch bedingt – vergleichsweise groß (239.9, 243.3, 245.0 und 268.6 pm), wächst die Sperrigkeit der Substituenten in Richtung Cl < I < Ph < tBu und nehmen die van-der- Waals-Wechselwirkungen zwischen tBu und X in der Reihenfolge I < tBu < Ph zu. Die Enthalogenierung von Supersilylmonohalogensilanen R*RHSiCl (R = H, Me, Ph) mit Alkalimetallen führt – wohl auf dem Wege über Silanide – unter Salzabspaltung zu den Disilanen R*H2Si–SiH2R*, R*MeHSi–SiHMeR* und R*PhSiH2. Das unterschiedliche Verhalten von R*PhHSiCl beruht darauf, daß Basen wie z.B. R*PhHSiNa aus dem Edukt das Silylen R*PhSi in Freiheit setzen, das seinerseits wieder in Si-H-Bindungen insertiert. Die Umsetzung von R*RClSiH (R = H, Me, Ph) mit R*Na führt für R = H quantitativ zu R*2SiH2, für R = Me in hohen Ausbeuten zu R*2MeSiH (z.T. erfolgt Reduktion zu R*MeHSi– SiHMeR) und für R = Ph zu R*2PhSiNa (NaR* vorgelegt) bzw. zu R*PhClSi–SiHPhR (R*PhHSiCl vorgelegt). In letzterem Falle tritt wiederum das Silylen R*PhSi (abgefangen mit Et3SiH bzw. R*PhClSiH) als Zwischenstufe auf: Die Enthalogenierung von Supersilyldi- bzw. Trihalogensilanen R*XSiHal2 (X = H, Me, Ph, Hal) liefert über Silylenoide R*XSiHalM bzw. Silylene R*XSi, die in Si-H bzw. Si-M-Bindungen insertieren (im letzten Fall bis zu dreimal) Disilane bzw. Di-, Tri- und Tetrasilanide. Als End- produkte entstehen etwa das Disilen R*PhSi=SiPhR* (X = Ph) und Cyclotri– bzw. –tetrasilane (R*XSi)n (n = 3, 4; X = H, Hal). Überschüssiges Enthalogenierungsmittel liefert Tetrasupersilyl- tetrahedro-tetrasilan R*4Si4. Synthese, Struktur und Enthalogenierung von 1,2 -Disupersilyldisilanen; Disilene Der Zugang zu 1,2-Disupersilyldisilanen R*XX’Si–SiXX’R* (X/X’ = H, Cl, Br, I, CN, Me, Ph; Diastereomere für X ≠ X’), den Vorstufen für Disilene (Disiline?), erfolgt durch Verbindungsaufbau (Kopplung von Monosupersilylsilanen bzw. Insertion von Supersilylsilylenen in Si-H / Si-Na-Bindungen von Supersilylsilanen / -silaniden) oder durch Verbindungsumwandlung (Austausch von H/Hal, Hal/H, R*/Hal, oder Addition von HHal bzw. Hal2 an >Si=Si
Die Synthese von Benzoesäuren mit den im Titel genannten Resten in m- bzw. p-Position (15, 13, 11, 9) sowie ihrer Ethyl- und Methylester wird beschrieben. Über deren alkalische Verseifung in Ethanol/Wasser und Methylcellosolve/Wasser werden die Substituentenkonstanten p und m der Reste bestimmt. Sie deuten auf eine induktive Elektronenacceptor-und mesomere Elektronendonator-Wirkung dieser für die Farbstoff-Chemie wichtigen Substituenten hin.
An den Methyl- und Phenyl-substituierten Allenyl-Kationen 3 - 12 (Tab. 1) wurden ab-initio-MO-Berechnungen unter Verwendung des STO-3G Basissatzes durchgeführt. Die berechneten Bindungslängen und Ladungsverteilungen zeigen Delokalisierung der positiven Ladung an, wie in Formel 1 gezeigt. Mit Hilfe isodesmischer Reaktionen werden Stabilisierungsenergien von Substituenten in 1- und 3-Position ermittelt. Diese Werte ermöglichen in Kombination mit der experimentell bekannten Bildungswärme des Stammkörpers 2 die Bestimmung von H sämtlicher Allenyl-Kationen 3 - 12. Der Vergleich dieser Daten mit einigen experimentell bestimmten Bildungswärmen zeigt Übereinstimmung innerhalb von 2 kcal/mol. Es werden Voraussagen für das Reaktionsverhalten gegenüber n-Nucleophilen und -Systemen gemacht.