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Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 17/19
Der Diabetes mellitus ist mit einer Anzahl von über 171 Millionen erkrankten Menschen weltweit eine der größten metabolischen Volkserkrankungen. Die immer höhere werdende Zahl von Schwangeren mit Gestationsdiabetes lässt die Frage aufkommen, welche Konsequenzen für Schwangerschaft und Neugeborenen bestehen. Ziel dieser Arbeit war es, anhand von einem erkrankten Probandenkollektiv sowie einer gesunden Referenzgruppe den Einfluss der Glukosestoffwechselstörung auf den Fettsäuremetabolismus von werdender Mutter über die Plazenta zum Ungeborenen bzw. Neugeborenen näher zu charakterisieren. Konkret sollte die Frage beantwortet werden, ob Unterschiede in der plazentaren mRNA-Expression von Fettsäuretransportproteinen bei Schwangeren mit Diabetes mellitus bestehen. In die Studie konnten 11 schwangere Probandinnen mit Diabetes mellitus eingeschlossen werden. Weiterhin konnten als Referenzgruppen 10 gesunde Schwangere gewonnen werden. Alle Probandinnen waren Patientinnen der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Innenstadt (Klinikum der Ludwig-Maximilians- Universität München; Direktor Prof. Dr. med. Klaus Friese). Die Probandinnen nahmen 12 Stunden vor einem geplanten Kaiserschnitt eine definierte Menge 13C-markierte Docosahexaensäure, Arachidonsäure und Ölsäure zu sich. Zum Zeitpunkt der Sectio wurde venöses Blut der werdenden Mutter, Nabelschnurvenen und –arterienblut sowie Plazentagewebe gewonnen. Die gewonnen Proben wurden bis zur weiteren Bearbeitung tiefgefroren konserviert. Die durchgeführten Versuche wurde alle mit den Methoden der Real-Time PCR, Immunhistochemie, Gaschromatographie und Massenspektrometrie gemessen. Die Real-Time PCRs wurden mit Primern für die Fettsäuretransportproteine der FATP-Familie FATP-1, FATP-4 und FATP-6, des Fettsäurebindungsproteins FABPpm, der Fettsäuretranslokase FAT/CD36 und des Adipozyten-Fettsäurebindungsproteins aFABP sowie der Fettsäuredesaturasen FADS-1 und FADS-2 und der Fettsäurelipasen hEL und hLPL durchgeführt. Immunhistochemisch wurde Plazentagewebe mit Antikörpern gegen FATP-1 und FATP-4 gefärbt. Mittels Gaschromatographie wurden die Fettsäureverteilungen in den verschiedenen Fettsäurekompartimenten Phospholipide, Triglyzeride, Cholesterinester und freie Fettsäuren im Blutplasma und Plazentagewebe bestimmt. Zusätzlich wurden Fettsäureanteile in der Phosphatidylcholin- und Phosphatidylethanolaminfraktion in Erythrozyten gemessen. Außerdem konnten mit Hilfe der Massenspektrometrie die Anteile der 13C-markierten Fettsäuren detektiert werden. Die mittels Real-Time PCR gemessene mRNA-Expression von Fettsäuretransportproteinen FATP-1, FATP-4 und FATP-6, FABPpm, FAT/CD36, aFABP, von den Fettsäuredesaturasen FADS-1 und FADS-2 und von den Fettsäurelipasen hEL und hLPL zeigten in beiden untersuchten Probandenkollektiven keine signifikanten Unterschiede. Auch der immunhistochemische Lokalisationsnachweis von FATP-1 und FATP-4 im Synzytiothrophoblasten und Kapillarendothel war für beide Gruppen gleich. Bezüglich der Tracer-Fettsäureverteilung in beiden untersuchten Gruppen zeigte sich eine signifikant niedrigere 13C-AA Anreicherung in der GDM-Gruppe. In Hinblick auf die Fettsäureverteilung von nicht-tracermarkierten Fettsäuren zeigten sich in der GDM- Gruppe signifikant höhere PUFA-Anteile in der Phospholipidfraktion des Nabelschnurvenenblutplasmas verglichen mit Nabelschnurarterienblutplasma. Die für diese Arbeit erhobenen Daten zeigen, dass auf mRNA-Ebene keine Regulationsprozesse zu bestehen scheinen, die zu einer unterschiedlichen Verteilung von Fettsäuren von der Schwangeren auf den Neonatus führen. Auch die Darstellung mittels Immunhistochemie von FATP-1 und FATP-4 zeigt, dass diese Fettsäuretransportproteine in beiden untersuchten Gruppen gleich lokalisiert sind. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass Regulationsprozesse zu einem späteren Zeitpunkt aktiv werden, der jedoch in dieser Arbeit nicht untersucht wurde. Bezüglich der 13C-Fettsäureanreicherung ist zu vermuten, dass die niedrigeren 13C-AA-Anteile in der GDM-Gruppe dadurch zustande gekommen sein könnten, dass die Diabetikerinnen und ihre Neugeborenen aufgrund einer höheren inflammatorischen Grundaktivität im Metabolismus mehr 13C-AA direkt utilisieren und diese nach 12 Stunden nicht mehr in Blut und Plazenta messbar sind. Eine mögliche Erklärung für die Tatsache, dass in der GDM-Gruppe mehr PUFAs im Nabelschnurvenenblut als im Nabelschnurarterienblut aufzufinden waren, könnte sein, dass Neugeborene diabeteskranker Mütter mehr PUFAs benötigen und diese sofort aus dem venösen Nabelschnurblut in ihren Metabolismus utilisieren, sodass signifikant niedrigere Anteile im zurückfließenden Nabelschnurarterienblut vorzufinden sind. Weitere Untersuchungen hierzu müssen Aufschluss darüber geben, inwieweit diese Wissen zu interpretieren ist und ob sich hieraus Konsequenzen für die Schwangerschaft von Diabetikerinnen ergeben.
Fakultät für Biologie - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 05/06
Die Diagnose einer Unterernährung bei Kindern und Erwachsenen ist in der Pädiatrie und Geriatrie ein wichtiges Thema. Aber auch in der Forensik spielt sie eine große Rolle, gerade im Falle von Vernachlässigung und Missbrauch schutzbefohlener Personen. Derzeit existieren kaum Methoden, um zuverlässig den Zeitrahmen einer Unterernährung rückwirkend zu bestimmen. Die Analyse der stabilen Stickstoff- und Kohlenstoffisotope (δ15N-, δ13C-Wert) im Haarkeratin ist in der Anthropologie ein etabliertes Verfahren zur Untersuchung der menschlichen Ernährung und des individuellen Ernährungszustandes. Bei einem mangelhaften Ernährungszustand müssen die körpereigenen Protein- und Energiereserven angegriffen und wiederverwertet werden. Dieser sogenannte Hungerstoffwechsel zeigt sich auch in der biochemischen Zusammensetzung des Haarkeratins. Mithilfe von seriellen Analysen an Haarproben wird nach spezifischen Signaturen der N- und C-Isotope gesucht, welche sich während einer Unterernährung ausbilden. So soll ein verlässlicher Indikator entwickelt werden, welcher es ermöglicht, den Beginn und die Dauer einer Unterernährung zu rekonstruieren. Bei dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt auf der Analyse von Haarproben aus der Rechtsmedizin. Jeder dieser 17 Fälle weist eine ausgeprägte Unterernährung auf. Daneben wurden in einer kleinen Vorstudie vier Haarprobe von Magersuchtpatienten untersucht. Trotz unbekannter Ernährungsgewohnheiten kann mit Hilfe der Isotopendaten in den meisten Fällen ein mangelhafter Ernährungszustand diagnostiziert werden. In einigen Fällen ist es sogar möglich, einzelne Unterernährungsphasen voneinander abzugrenzen. Zudem lassen sich mitunter auch Erholungsphasen erkennen, in denen sich der Ernährungszustand scheinbar kurzfristig gebessert hat. Jedoch ist es bisher noch nicht gelungen, allgemein gültige Erkennungsmerkmale aufzustellen, welche bei allen Fällen ausnahmslos zur Bestimmung einer Unterernährung angewendet werden können. Folglich muss weiterhin jeder einzelne Unterernährungsfall individuell analysiert und ausgewertet werden. Des Weiteren wurde an acht Haarproben aus der Rechtsmedizin die spezifische Aminosäurezusammensetzung des Haarkeratins während eines schlechten Ernährungszustandes analysiert. Dabei wurde versucht, der Unterernährungssignatur der δ-Werte weiter auf die Spur zu kommen. Die Daten zeigen, dass vor allem die Aminosäure Prolin während der Unterernährungsphasen vermehrt im Haarkeratin zu finden ist. Zwar lässt sich zwischen dem Verlauf der δ-Werte und der erhöhten Prolinmenge noch kein direkter Zusammenhang erkennen, jedoch wird deutlich, dass sich die Ergebnisse der Isotopendaten und der Aminosäureanalyse gegenseitig stützen und so zu einer besseren Aufklärung von Unterernährungsfällen beitragen können. Da die Entwicklung und der spezifische Verlauf der δ13C-Werte während einer Unterernährung noch nicht vollständig geklärt sind, wurde ein weiteres Probandenkollektiv in dieser Arbeit untersucht. Hierfür wurden Haarproben von sechs Probanden gesammelt, welche an einer medizinisch betreuten Fastentherapie teilnahmen. Durch Haaranalysen und weitere Untersuchungen sollte geklärt werden, ob 12C-Isotope aus den abgebauten, körpereigenen Fettreserven auch als Bausteine für das Haarkeratin Verwendung finden und so für das Absinken des δ13C-Wertes bei einigen Unterernährungsfällen verantwortlich sind. Es konnte mithilfe dieser Fastenstudie allerdings nicht bewiesen werden, dass leichte Kohlenstoffisotope aus den abgebauten Fettreserven ins Keratin eingebaut werden. Die Ergebnisse aus den drei Probandenkollektiven bestätigen jedoch eindeutig, dass mit Hilfe der seriellen Isotopenanalytik an Haaren sowohl eine Umstellung der Ernährung erkannt, als auch die Qualität des individuellen Ernährungszustandes beurteilt werden kann. Aufgrund dessen könnte gerade diese Methode bei der Aufklärung von Vernachlässigungsfällen, aber auch bei der Prävention gute Dienste leisten. Dennoch gilt es in zukünftigen Forschungsansätzen noch einige Problemstellungen zu überwinden, um dieses Ziel vollständig zu erreichen.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 09/19
Die Akupunktur wird zunehmend in der Patientenversorgung eingesetzt. Auch wenn einige klinische Effekte in großangelegten Studien nachgewiesen werden konnten, ist der Wirkmechanismus der Akupunktur weitgehend ungeklärt. Grundlagenforschungen und klinische Studien schreiben der Akupunktur eine lokale und zentrale Wirkung zu. Insbesondere zu den lokalen, das heißt peripheren, Effekten liegen nur sporadische Studienergebnisse vor. Zur Untersuchung der peripheren sensorischen Effekte ist mittlerweile die Quantitativ Sensorische Testung (QST) ein Standardverfahren mit welchem verschiedene Empfindungs- und Schmerzschwellen bestimmt werden können. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Soforteffekte verschiedener Stimulationstechniken der Akupunktur auf Veränderung sensorischer Parameter mittels QST zu untersuchen. Dazu wurde eine prospektive, randomisierte, kontrollierte und einfachverblindete Studie mit 24 gesunden Probanden im Cross-over-Design mit sechs Behandlungssträngen und drei verschiedenen Interventionen (manuelle Akupunktur, niedrigfrequente Elektroakupunktur, hochfrequente Elektroakupunktur) einseitig an vier Akupunkturpunkten am Unterschenkel (Milz 6, Milz 9, Magen 36, Gallenblase 39) durchgeführt. Zielparameter waren die Veränderungen der senorischer Parameter. Hierzu wurde mittels QST Wärme- und Kälteschwelle, paradoxe Hitzeempfindung, Hitze- und Kälteschmerz, taktile Detektionsschwelle, Allodynie, Druckschmerzschwelle und Vibrationsempfinden gemessen. Messstelle war jeweils eine 30 mm x 30 mm große Fläche an beiden lateralen Unterschenkeln. Das individuelle Nadelgefühl (DeQi) und die Intensität des Einstichs der Akupunkturnadel wurden mittels eines Fragebogens und Visueller Analog Skala untersucht. Die Analyse der Ergebnisse zeigte keine Veränderung bei folgenden Parametern: Wärme- und Kälteschwelle, paradoxe Hitzeempfindung, Hitze- und Kälteschmerz, taktile Detektionsschwelle, Allodynie, Vibrationsempfinden. Unter hochfrequenter Elektroakupunktur (HF) kam es zu einer signifikanten Erhöhung der Druckschmerzschwelle sowohl an der ipsilateralen als auch an der kontralateralen Messtelle. Es konnte mit Ausnahme der Druckschmerzschwelle kein Unterschied zwischen den drei verschiedenen Stimulationstechniken festgestellt werden. Trotz des repetitiven Schmerzreizes durch Akupunktur kam es zu keiner Allodynie oder gesteigertem Wind-up. Die methodentypische Nadelsensation DeQi und der Einstich der Akupunkturnadel wurden individuell sehr unterschiedlich erlebt und scheinen keinen Einfluß auf die Veränderung der sensorischen Parameter zu haben. Eine eindeutige Zuordnung der beteiligten Strukturen kann nicht getroffen werden. Es wird geschlußfolgert, dass die Akupunktur mit HF bei gesunden Probanden zu einer Veränderung der Druckschmerzschwelle führt, so dass auf Grund der bereits vorliegenden Forschungsergebnisse eine Aktivierung der deszendierenden Schmerzhemmung vermutet werden kann. Weitere Nervenfaserfunktionen konnten bei dem untersuchten Probandenkollektiv nicht demonstriert werden. Auf Grund der in der vorliegenden Studie auffällig hohen Standardabweichungen sollten zukünftige Studien mit QST mit einer größeren Fallzahl durchgeführt werden.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 09/19
Das Krankheitsbild der Schizophrenie und seiner Subtypen ist bis heute Gegenstand vieler Untersuchungen. Man geht bei der Klärung der Pathophysiologie neben vielen anderen Ursachen davon aus, dass für die bestimmten Sybtypen der Schizophrenie bestimmte cerebrale Netzwerkveränderungen verantwortlich sind. Patienten mit einer katatonen Schizophrenie zeigen in ihrer Symptomatik unter anderem mit Erstarren, Haltungsverharren, Mutismus und anderen ähnlichen psychomotorischen Symptomen Schwierigkeiten bei der Ausführung und Durchführung selbst-initiierter Bewegungen, wobei möglicherweise eine funktionelle Netzwerkdysfunktion im Bereich der medialen motorischen Schleife, die hauptsächlich selbst-initiierte Bewegungen vermittelt, zugrunde liegt. Um dies darzustellen wurde in der hier vorgelegten Arbeit die funktionelle Magnetresonanztomographie als bildgebendes Verfahren angewendet, mit dem sich funktionelle Vorgänge im menschlichen Gehirn durch dadurch veränderten regionalen cerebralen Blutfluss bildlich darstellen lassen. Ziel der Studie war es, die cerebralen Aktivierungsmuster kataton schizophrener Patienten mit einem gesunden Probandenkollektiv mittels BOLD-Kontrast in einer fMRT-Untersuchung während eines speziellen motorischen Paradigmas mit extern-getriggerten und selbst-initiierten Fingerbewegungen zu vergleichen. Besonderes Augenmerk lag dabei auf der Darstellung der BOLD-Aktivierungslevel der Anteile der medialen Schleife der Motorik (SMA, Basalganglien und ventrolateralem bzw. ventral anteriorem Thalamuskern), unter der Annahme, dass spezifische Teile dieser Strukturen bei katatonen Patienten im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden verringerte BOLD-Aktivierungslevel bei selbst-initiierten Bewegungen aufweisen. Die vorliegende Studie sollte zwei Fragen beantworten: 1. Zeigen Patienten mit einer katatonen Schizophrenie verminderte BOLD-Level im Bereich der medialen Schleife der Motorik bei selbst-initiierten Bewegungen im Vergleich zu Gesunden? 2. Gibt es Unterschiede im BOLD-Aktivierungslevel zwischen Patienten mit katatoner Schizophrenie und Gesunden innerhalb der lateralen Schleife der Motorik bei extern-getriggerten Bewegungen? Hierzu wurde für die vorliegende Arbeit ein Kollektiv von Patienten mit der Diagnose einer katatonen Schizophrenie und ein nach Alter, Ausbildungsjahren und Händigkeit gematchtes gesundes Kontrollkollektiv rekrutiert, bei denen sorgfältig Erkrankungen, insbesondere andere psychiatrische oder neurologische Erkrankungen ausgeschlossen wurden, die Einfluss auf die Gehirnmorphologie haben können. Psychopathologische Daten der Patienten zum Untersuchungszeitpunkt wurden sorgfältig mit standardisierten Fragebögen erhoben und dokumentiert. Die Probanden wurden mit einem 1.5 Tesla Magnetom Vision in der Abteilung für Neuroradiologie am Klinikum Großhadern untersucht. Es wurde nach Sichtung bereits vorliegender Literatur ein passendes Stimulationsparadigma entworfen und angewendet. Die statistische Auswertung der erhobenen Daten erfolgte mit dem Programm SPM 99. Die Ergebnisse zeigen, dass Patienten mit einer katatonen Schizophrenie bei der Ausführung selbst-initiierter Bewegungen im Vergleich zu Gesunden signifikant geringere BOLD-Aktivierungslevel in den Bereichen der medialen motorischen Schleife aufweisen als Gesunde. Daneben zeigt sich, dass die Vermittlung extern-getriggerter Bewegungen über die laterale Schleife der Motorik nicht beeinträchtigt ist. Dies lässt auch im Vergleich mit der vorbestehenden Literatur den Schluss zu, dass die bestehenden motorischen Symptome bei der katatonen Schizophrenie möglicherweise als Störung des cerebralen Netzwerkes, das selbst-initiierte Bewegungen vermittelt zu verstehen ist.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 06/19
Funktionsstörungen der Otolithenorgane sind relativ häufig unter peripheren und zentralen vestibulären Funktionsstörungen. Deren Diagnose ist aufgrund der komplexen Anatomie und Physiologie sowie bislang fehlender klinisch einsetzbaren Untersuchungstechniken oft schwierig, weshalb derartige Funktionsstörungen oft übersehen werden. Während einer Kippung des Kopfes um die naso-okzipitale Achse führen die Augen eine kompensatorische Gegenrollung (ocular counterroll, OCR) aus. Obwohl es schon seit langem Versuche gibt, die Funktion des Utrikulus durch die Messung des OCR zu untersuchen, war ein solcher in der klinischen Routine einsetzbarer Test bislang noch nicht etabliert. Gründe dafür waren technische Schwierigkeiten bei der Registrierung der Augentorsion, uneinheitliche Methoden der Stimulation des Utrikulus sowie kontroverse Daten aus vorausgegangenen Untersuchungen. Ziel dieser Studie war es u.a. durch den Vergleich unterschiedlicher Stimulationsbedingungen einen klinisch leicht einsetzbaren reliablen Otolithenfunktionstest zu entwickeln. Dafür wurde der OCR bei einem Probandenkollektiv mit Hilfe der Videookulographie gemessen und die torsionelle Augenposition und -geschwindigkeit bzw. der Gain für Position und Geschwindigkeit während aktiver und passiver Kopf-, sowie passiver Ganzkörperkippungen verglichen. Die Stimulation erfolgte mit Amplituden von 12,5 und 25 Grad. Der OCR wurde getrennt für die Richtungen von der 0-Grad-Stellung und zurück zur 0-Grad-Stellung bestimmt. Die wesentlichen Ergebnisse dieser Studie waren: (1) Der OCR zeigte bei aktiven Kopfkippungen eine signifikant höhere Variabilität als bei passiven Kopf- und Ganzkörperkippungen. (2) Der Gain der torsionellen Augenposition waren kleiner [0,133 (+/-0,006)] als der Gain der torsionellen Augengeschwindigkeit [0,183 (+/-0,011)]. Der Gain der torsionellen Augenposition war umgekehrt proportional der Amplitude der Kopf- / Körperkippung [0,121 (+/-0,007) bei Amplitude 25 Grad; 0,146 (+/- 0,010) bei Amplitude 12,5 Grad]. Der Gain der torsionellen Augengeschwindigkeit war proportional der Amplitude der Kopf- / Körperkippung. [0,205 (+/-0,016) bei 25 Grad; 0,162 (+/-0,016) bei 12,5 Grad]. (3) Es wurde kein Einfluss der zervikalen Afferenzen auf tVOR gesehen. Aus den Untersuchungen lässt sich schließen, dass die Stimulation der Utrikuli durch passive Kopfkippungen mit der Messung der kompensatorischen Augenverrollungen mittels Videookulographie ist als klinisch einsetzbarer Otolithentest geeignet. Um die klinische Wertigkeit dieses Testes zu analysieren, werden auf der Basis dieser Befunde Patienten mit peripheren und zentralen Gleichgewichtsstörungen in Nachfolgestudien untersucht.