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Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 18/19
Zusammenfassung Die Schizophrenie ist eine der schwerwiegendsten psychiatrischen Erkrankungen mit weit reichenden psychischen und sozialen Auswirkungen auf die betroffenen Patienten und ihre Angehörigen. Die Lebenszeit-Prävalenz beträgt etwa 1%. Die Ergebnisse von Kopplungs- und Assoziationsuntersuchungen zeigen den starken Einfluss einer genetischen Komponente bei der Entstehung der Krankheit. Die bisherigen Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass es sich bei der Schizophrenie um eine genetisch komplexe Erkrankung handelt, deren Ätiologie sich durch das Zusammenwirken von Umweltfaktoren und genetischen Faktoren auszeichnet. Bislang ist es noch nicht gelungen, alle an der Pathogenese beteiligten Faktoren, vor allem aber die Mechanismen ihres Zusammenspiels zu entschlüsseln. Aufgrund von morphologischen und molekularbiologischen Untersuchungen sowie genetischen Kopplungs- und Assoziationsstudien fand sich eine Reihe von Suszibilitätsgenen für Schizophrenie, darunter auch das Gen DTNBP1. Es ist auf dem Chromosom 6 in der Region 22.3 lokalisiert und kodiert für das Protein Dysbindin-1. Im Gehirn nimmt dieses Protein Einfluss auf das Zytoskelett und die synaptische Plastizität und ist an der Signaltransduktion von Neuronen über NMDA- und GABA-Rezeptoren und damit am Glutamat- und Dopaminstoffwechsel beteiligt (Benson et al. 2001; Harrison und Weinberger, 2005). Morphologische Untersuchungen zeigen, dass die Konzentration von Dysbindin-1 in wichtigen Bereichen des Gehirns bei schizophrenen Patienten vermindert ist (Talbot et al. 2004; Tang et al. 2009). Eine Reihe von Assoziationsstudien, teils auch familienbasiert, haben in unabhängigen Kollektiven mit verschiedenstem ethnischen Hintergrund signifikante Assoziationssignale an unterschiedlichen Varianten im DTNBP1-Gen gefunden (Straub et al. 2002b; van den Oord et al. 2003; Schwab et al. 2003; Morris et al. 2003; van den Bogaert et al. 2003;, Tang et al. 2003; Kirov et al. 2004; Williams et al. 2004; Numakawa et al. 2004; Funke et al. 2004; de Luca et al. 2005; Duan et al. 2007; Riley et al. 2009 und Voisey et al. 2010). Dabei handelte es sich teilweise um Einzelbasen-Polymorphismen oder Haplotypen im DTNBP1-Gen, die sich als signifikant mit Schizophrenie assoziiert gezeigt haben. Folgestudien konnten diese Ergebnisse oftmals aber nicht bestätigen (Turunen et al. 2006, Datta et al. 2007, Joo et al. 2007, Holliday et al. 2006, Peters et al. 2008, Sanders et al. 2008; Strohmaier et al. 2010). In der vorliegenden Arbeit wurden die sechs Einzelbasenpolymorphismen, rs3213207, rs2619538, rs1011313, rs1047631, rs2056943 und rs2619522 untersucht. Bei ihnen hatten sich in Studien zuvor teilweise deutliche Assoziationsbefunde gezeigt. Die Marker wurden hier erneut an einem unabhängigen kaukasischen Kollektiv von 503 Patienten und 1290 gesunden Kontrollpersonen untersucht. Zustätzlich wurde die Patientengruppe in vier verschiedene Kategorien unterteilt, je nachdem ob Angehörige mit psychischen Störungen, mit Schizophrenie oder Angehörige 1.Grades mit Schizophrenie in der Familienanamnese vorlagen, sowie als vierte Gruppe das Patientenkollektiv insgesamt. Dabei zeigten sich in den unterschiedlichen Patientengruppen signifikante Assoziationshinweise und Trends zur Assoziation bei den Markern rs3213207 und rs2619538, der Marker rs1011313 zeigte lediglich Trends zur Assoziation mit Schizophrenie. Die höchste Signifikanz erreichte mit einem p-Wert von 0,034 der Marker rs3213207 in der Gruppe der Patienten mit schizophrenen Angehörigen. Hier trat der heterozygote Genotyp A/G signifikant häufiger bei Patienten auf als die homozygoten Genotypen A/A und G/G. Ebenfalls Signifikanzniveau erreichte der Marker rs2619538. Dabei zeigte sich in der Gruppe der Patienten mit schizophrenen Angehörigen ersten Grades ein signifikant niedrigerer Anteil homozygoter Träger des selteneren Allels Adenin bei einem p-Wert von 0,044. Die Marker rs1047631, rs2056943 und rs2619522 zeigten in dieser Arbeit keine Hinweise auf Assoziation mit Schizophrenie. Aufgrund der Ergebnisse dieser Arbeit und der anderer Forschungsgruppen besteht weiterhin Grund zur Annahme, dass es sich bei DTNBP1 um ein Suszeptibilitäts-Gen für Schizophrenie handelt. Zwar konnten auch in dieser Arbeit die positiven Assoziationsergebnisse von Vorläuferstudien nicht in vollem Umfang repliziert werden, jedoch stützen die Ergebnisse die Annahme, dass Variationen im DTNBP1-Gen an der Pathogenese der Schizophrenie beteiligt sind. Dabei weisen die Ergebnisse in dieser Arbeit durchaus darauf hin, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen positiver Familienanamnese in Bezug auf Schizophrenie und genetischen Variationen im DTNBP1-Gen. Gründe für die Inkonsistenz in den Ergebnissen der bisherigen Untersuchungen könnten die abweichenden Stichprobengrößen sowie die unterschiedliche ethnische Herkunft der untersuchten Kollektive sein. Auch die Einschlusskriterien für die Patienten- und Kontrollgruppen wichen voneinander ab. Vermutlich aber ist eine der Hauptursachen auch die genetische und phänotypische Heterogenität der Erkrankung an Schizophrenie. Weitere Studien mit höheren Fallzahlen werden nötig sein, um die genetischen Risikomarker auf dem DTNBP1-Gen und ihr mögliches Zusammenspiel mit Markern auf anderen Genen genauer zu detektieren.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 18/19
Ziel der Studien war die Untersuchung der prognostischen Aussagekraft der methylierten Gene HLTF, HPP1 und NEUROG1. Bislang wird eine Prognoseabschätzung hauptsächlich über radiologische und pathologische Kriterien erreicht. Im Blut bestimmte Marker haben den Vorteil einer relativ unaufwändigen, nichtinvasiven Gewinnung und könnten eine wertvolle Ergänzung der etablierten Faktoren darstellen. Als Vergleichsmarker wurde mit dem CEA der einzige für das KRK relevante Tumormarker, für den eine prognostische Wertigkeit beschrieben wurde, gewählt. Anhand der vorliegenden Daten konnte gezeigt werden, dass HLTF- und HPP1-Methylierung am häufigsten im Serum von Patienten mit fortgeschrittenen, insbesondere metastasierten, Erkrankungen zu finden sind und Marker für eine deutlich schlechtere Prognose sind. Dieser hochsignifikante Effekt zeigte sich insbesondere bei den Patienten mit Metastasen, bei denen jeweils eine Subgruppe mit einer deutlich schlechteren Prognose identifiziert werden konnte. Im Vergleich mit CEA zeigten HLTF und HPP1 eine mindestens gleichwertige prognostische Bedeutung im vorliegenden Kollektiv. Auch in der multivariaten Analyse blieben HLTF, HPP1 und CEA als voneinander unabhängige prognostische Faktoren im Stadium IV bestehen, wobei der Vorteil von HLTF und HPP1 darin liegt, dass diese weiter als binäre Parameter verwendet werden können, während für CEA erst ein passender Grenzwert innerhalb der Population definiert werden muss. Das Vorliegen von korrespondierenden Gewebeproben zu den untersuchten Blutproben ermöglichte die erstmalige Untersuchung der Korrelation von Methylierung von HLTF, HPP1 und NEUROG1 in Serum und Primärtumor. Alle positiven Serumproben zeigten bis auf eine Ausnahme auch Methylierung der entsprechenden Gene im Gewebe. Damit konnte diese Untersuchung die angenommene Herkunft der frei zirkulierenden methylierenden DNA aus dem Tumor bestätigen. Ein Zusammenhang mit dem Methylierungsphänotyp CIMP ergab sich im Kollektiv nicht. In einer weiteren Untersuchung wurde der Zusammenhang der drei Zielparameter mit LDH im Blut als Surrogatmarker für einen hohen Zellzerfall untersucht. Die hohe Korrelation von HLTF und HPP1 mit erhöhten LDH-Spiegeln legt den Zerfall der Tumorzellen als möglichen Mechanismus der Freisetzung der Tumor-DNA in die Blutbahn nahe. Auf der anderen Seite bestand kein Zusammenhang von LDH und Methylierung von NEUROG1. Somit müssen neben tumorassoziiertem Zelltod weitere Mechanismen bei der Freisetzung von methylierter Tumor-DNA eine Rolle spielen, die aktuell noch ungeklärt sind. Zusammenfassend wurde frei zirkulierende methylierte HLTF- und HPP1-DNA als unabhängiger prognostischer Marker des metastasierten kolorektalen Karzinoms untersucht und charakterisiert. Diese vielversprechenden Ergebnisse stellen wertvolle Ansatzpunkte für die weitere Erforschung der Marker in Folgestudien dar, um klinische Anwendungsgebiete zu evaluieren, beispielsweise in der prätherapeutischen Risikostratifizierung, im Therapiemonitoring oder auch zur Prädiktion des Ansprechens auf spezifische Tumortherapien.
Tierärztliche Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 07/07
Die Cochlea-Implantat (CI)-Forschung ist ständig bestrebt, CI-Elektroden weiterzuentwickeln sowie neue Implantattypen zu etablieren, um einen immer besseren Höreindruck bei den CI-Patienten zu erzeugen. Ein entscheidendes Ziel in diesem Zusammenhang ist es, chronische Entzündungsprozesse und fibrotische Gewebeproliferationen, die als Reaktion auf den implantierten Fremdkörper in der Cochlea auftreten können, zu minimieren. So können bindegewebige Einkapselungen des Implantates zu einer Erhöhung der Impedanzen an den Elektrodenkontakten und damit zu einer geringeren Spannbreite in der Dynamik, also dem Lautstärkebereich, führen. Weiterhin können die cochleäre Mechanik wie auch die Signaltransduktion zum Hörnerv durch fibrotische Gewebereaktionen beeinträchtigt werden. Darüber hinaus können chronisch inflammatorische Prozesse eine fortschreitende Zerstörung sensorineuraler Strukturen in der Cochlea verursachen. Es gibt verschiedene Ansätze, diesen implantationsbedingten chronischen Entzündungsprozessen und fibrotischen Proliferationen entgegenzuwirken. Eine erfolgversprechende Methode zielt darauf ab, die chemische Zusammensetzung der Materialien auf der Oberfläche des Implantates zu modifizieren. Poly[bis(trifluoroethoxy)phosphazen] (PTFEP) ist ein hoch biokompatibles, anorganisches Polymer, das bereits erfolgreich als passivierende Oberflächenbeschichtung von kardiovaskulären Stents eingesetzt wird. In dieser in-vivo Studie am Meerschweinchen-Modell wurde PTFEP erstmals als Oberflächenbeschichtung von CIs untersucht. Impedanzuntersuchungen und ABR-Hörmessungen implantierter Meerschweinchen (mit oder ohne Beschichtung) wurden zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Implantation (Woche 1, 2, 5, 9, 12 und 16) durchgeführt. Ferner wurde 16 Wochen nach der Implantation eine abschließende histologische Untersuchung der Cochleae einschließlich einer immunhistologischen Analyse von degenerierten Spiralganglienzellen (SGN) vorgenommen. Obwohl die Hörmessungen zwar in keinem Frequenzbereich einen signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen ergaben, zeigten Meerschweinchen mit beschichteten Implantaten dennoch ein zumindest tendenziell besseres Hörvermögen in den hohen Frequenzbereichen (4-32 kHz). Die histologische Untersuchung zeigte bei Cochleae mit beschichteten Implantaten zudem eine signifikant geringere lymphoplasmatische Infiltration der basalen Windung (p = 0,012). Ein überraschendes und zugleich positives Ergebnis war außerdem, dass der SGN-Verlust in der basalen Windung bei beschichteten Implantaten gegenüber unbeschichteten Implantaten nach 16 Wochen signifikant geringer war (p = 0,003). Trotz dieser vielversprechenden Resultate sind dennoch weiterführende Untersuchungen nötig, da bei beiden Implantat-Typen kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Anzahl an Fremdkörperriesenzellen (p = 0,800) zu erkennen war. Weiterhin konnten keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der bindegewebigen Proliferationen (p = 0,382) und der Knochenneubildung (p = 0,239) beobachtet werden. Es ist daher davon auszugehen, dass eine PTFEP-Beschichtung keinen direkten Einfluss auf die bindegewebigen Proliferationen um das Implantat hatte und eine Fremdkörperreaktion auf das Implantat in der Cochlea nicht unterdrücken konnte. Ein unerwartetes Ergebnis ergaben auch die Impedanzmessungen. Die Ausgangsmessungen an Tag 0 unmittelbar nach der Implantation zeigten bei beschichteten Implantaten signifikant geringere Impedanzwerte im Vergleich zu unbeschichteten Implantaten (basaler Elektrodenkontakt: p = 0,019, apikaler Elektrodenkontakt: p = 0,024). Ab dem nächsten Messzeitpunkt Woche 1 bis zum Messzeitpunkt Woche 12 jedoch waren die Impedanzen bei den PTFEP-beschichteten Implantaten signifikant größer statt, wie zu erwarten war, kleiner. Die Ursachen für dieses überraschende Ergebnis konnten in dieser Untersuchung allerdings nicht hinreichend geklärt werden und müssen in Folgestudien weiter evaluiert werden. Die Studie konnte zeigen, dass die hoch biokompatible Beschichtung möglicherweise einer mononukleären Infiltration in der basalen Windung und einer Degeneration von Spiralganglienzellen nach der Implantation entgegenwirkt. Diese passive Beschichtung scheint daher ein vielversprechender Ansatz zur Verbesserung künftiger Implantate zu sein, möglicherweise in Kombination mit anti-inflammatorischen, pharmakologisch aktiven Substanzen, wie beispielsweise Glukokortikoiden. Dennoch wird es notwendig sein, weitere Untersuchung durchzuführen, da andere Parameter in der histologischen Untersuchung sowie die Hörmessungen keinen signifikanten Unterschied zwischen beschichteten und unbeschichteten Implantaten ergaben. Auch führten die Impedanzmessungen zu unerwarteten Ergebnissen und bedürfen einer Evaluation in weiteren Untersuchungen.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 16/19
Die Schizophrenie ist eine psychiatrische Erkrankung,die phänotypisch in vielgestaltigen Querschnittsbildern auftreten kann.Die Äthiopathogenese der Schizophrenie ist bis heute nicht geklärt.Es wird aber davon ausgegangen, dass sie einem polygenen Erbgang folgt und multifaktorielle Bedingungen zum Ausbruch der Krankheit führen.Ein alternativer Ansatz versucht nun mithilfe von klar definierten Endophänotypen Gene zu identifizieren, die mit neuroanatomischen, neurophysiologischen oder biochemischen Korrelaten einer Erkrankung assoziiert sind.In Zusammenhang mit der Schizophrenie gehören Lern- und Gedächtnisfunktionen zu den häufig untersuchten Endophänotypen. Das Gen für den Brain-Derived-Neurotrophic-Factor (BDNF) auf Chromosom 11 ist ein Neurotrophin, das im adulten ZNS protektiv und regenerativ auf Neuronen und Motoneuronen wirkt. BDNF wird stark im Hippocampus exprimiert, einer Hirnregion, die in Lern- und Gedächtnisfunktionen involviert ist. Es konnte gezeigt werden, dass BDNF in die hippocampalen Funktionen der Langzeitpotenzierung eingreift. Unter Berücksichtigung der Omnipräsenz des BDNF im humanen Gehirn liegt auch die Vermutung nahe, dass veränderte Genexpression oder Funktionalität dieses Neurotrophins neuronale Krankheiten begünstigen oder bedingen können. In diesem Zusammenhang wird auch eine Assoziation von BDNF mit Schizophrenie diskutiert. Ein im humanen BDNF-Gen häufig vorkommender Polymorphismus ist der SNP rs6265 an Position 196 der mRNA. Er bewirkt einen Aminosäureaustausch von Valin nach Methionin und wurde bereits intensiv in Zusammenhang mit Schizophrenie untersucht. Die vorliegende Studie untersuchte an 135 schizophrenen Patienten kaukasischer Abstammung und 313 gesunden Kontrollprobanden deutscher Abstammung, ob ein Zusammenhang zwischen dem rs6265 und Schizophrenie oder Gedächtnisleistungen nachzuweisen ist. Mit einer adaptierten deutschen Fassung der Welcher Memory Scale Revised (WMS-R) wurde bei allen Studienteilnehmern Gedächtnisleistungen erfasst. Anschließend erfolgten die Analysen der Allel- und Genotypfrequenzen sowie die Zuordnung zu den Ergebnissen aus den Gedächtnistests. Im Ergebnis konnte in der Fall-Kontroll-Assoziationsstudie keine signifikante Assoziation zwischen dem rs6265 und Schizophrenie festgestellt werden. Darüber hinaus konnte in der Endophänotypenstudie keine Assoziation zwischen rs6265 und Gedächtnisleistungen nachgewiesen werden. Ein Trend zeigte sich aber im Untertest „Verbales Gedächtnis“ des WMS-R. Dabei erzielten Met-Homozygote im Durchschnitt bessere Leistungen als Träger des Val-Allels. Ob der rs6265 die Gedächtnisleistungen oder die Suszeptibiltät für Schizophrenie beeinflusst, konnte mit dieser Arbeit nicht abschließend geklärt werden. Folgestudien mit strikten Ein- und Ausschlusskriterien und größeren Stichproben sind nötig, um diese Frage abschließend zu klären.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 06/19
Die Destabilisierung des humanen Immunsystems stellt für polytraumatisierte Patienten ein relevantes Problem dar und manifestiert sich auf der Ebene von Organfunktionsstörungen mit nach wie vor erheblicher Letalität. Zahlreiche Untersuchungen der jüngsten Vergangenheit haben klare Hinweise dafür gegeben, daß den zellulären Komponenten des Immunsystems eine zentrale Rolle für die Ausbildung und Ausprägung des posttraumatischen Multi-Organ-Dysfunktions-Syndroms (MODS) und des Multi-Organ-Versagens (Multiple Organ Failure, MOF) zukommt. Dabei hat sich die Fähigkeit monozytärer Zellen auf einen pathologischen Stimulus reagieren zu können, als einer der kritischen Funktionsparameter des menschlichen Immunsystems gezeigt. Die umfangreichen Untersuchungen der jüngsten Vergangenheit konnten jedoch die Frage nach der Dynamik dieser Funktionsstörung bislang nur unzureichend beantworten. Darüber blieb die tatsächliche Synthese-Kapazität relevanter Botenstoffe, wie z.B. von Zytokinen auf intrazellulärem Niveau weitgehend uncharakterisiert. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es daher: i) Die intrazelluläre Zytokinsynthese-Kapazität von Monozyten polytraumatisierter Patienten in der direkten posttraumatischen Phase mittels Durchflußzytometrie zu quantifizieren ii) Zu analysieren, ob es einen Zusammenhang zwischen der intrazellulären Aktivierung der Zytokinsynthese-Kapazität und der Änderung der systemischen Zytokin-Konzentration gibt iii) Die dabei gewonnenen Ergebnisse in Vergleich zu klinischen Parametern zu setzen Da es bislang keine validen Versuchsprotokolle für die durchflußzytometrische Analyse der intrazellulären Zytokinsynthese-Kapazität von Monozyten gab, wurden in der ersten Stufe der vorliegenden Studie die Kulturbedingungen für die Stimulation, Sekretionsblockade und Stimulationszeit von Monozyten erarbeitet. Es zeigte sich, daß im Hinblick auf die weitere Fragestellung die Stimulation mit Lipopolysaccharid über 4 Stunden unter einer Sekretionsblockade mit Monensin valide Ergebnisse erbringt. In der zweiten Stufe der Studie wurde erstmalig mittels intrazellulärer single cell Analyse die Synthese-Kapazität von Entzündungs-relevanten Mediatoren (TNF-, Il-1, Il-6 und Il-8) bei polytraumatisierten Patienten untersucht. Gemäß einem seriellen Protokoll wurde zu den Zeitpunkten „Aufnahme in den Schockraum“, 6 Stunden, 12 Stunden, 24 Stunden, 48 Stunden und 72 Stunden nach Trauma bei 13 polytraumatisierten Patienten (ISS >16 Punkte, zwölf überlebt, einer verstorben) jeweils die Zytokinsynthese-Kapazität analysiert. Für TNF- beträgt sie bei Aufnahme 78±5%, für Il-1 ergab sich mit 73±6% ebenso wie für Il-6 mit 58±4%bereits bei Aufnahme eine signifikante Reduktion im Vergleich zur Kontrollgruppe. Es konnte gezeigt werden, daß die Synthese-Kapazität für diese essentiellen proinflammatorischen Zytokine zwischen 12 und 48 Stunden nach Trauma mit 49±5% für TNF-, 53±7% für Il-1, 36,7% für Il-6 und 77,3% für Il-8 signifikant im Vergleich zu den Werten bei Aufnahme reduziert ist. Die vorliegende Untersuchung demonstriert somit eine engmaschige Analyse und Quantifizierung der monozytären Zytokinsynthese-Kapazität für TNF-, Il-6, Il-1 und Il-8 nach Polytrauma. Bezüglich der Analyse, ob ein Zusammenhang zwischen intrazellulärer Aktivierung der Zytokinsynthese-Kapazität und der Änderung der systemischen Zytokin-Konzentration besteht, konnten wir mittels ELISA in der systemischen Zirkulation zwar tendenzielle Veränderungen der einzelnen Faktoren beobachten, jedoch fand sich auf Grund der niedrigen Sensitivität der ELISA-Methode keine signifikante Korrelation zu den hoch-sensitiven intrazellulären Ergebnissen. Bezüglich des Einflusses klinischer Faktoren auf die intrazelluläre Zytokinsynthese-Kapazität ließ sich nachweisen, daß Patienten mit schwerer Verletzung (ISS ≥34) im Zeitraum zwischen 24 Stunden und 72 Stunden nach Trauma eine signifikant niedrigere Zytokinsynthese-Kapazität aufweisen als weniger schwer verletzte Patienten (ISS