Forschungsergebnisse müssen die Öffentlichkeit erreichen, damit sie lebendig werden, und zwar nicht nur die Öffentlichkeit eines spezialisierten Fachpublikums. Dieser Aufgabe stellt sich die Forschungspublikation "Einsichten". Vierteljährlich informiert ein Forschungsnewsletter über wissenschaftlich…
Ludwig-Maximilians-Universität München
37 Prozent aller Ehen in Deutschland enden vor dem Scheidungsrichter. Millionen von Kindern wachsen mit nur einem Elternteil oder in einer Stieffamilie auf. Was dies für die kindliche Entwicklung bedeutet, wie sich diese Kinder später in ihren ersten Liebesbeziehungen verhalten und warum es manchmal gar nicht zum Wohl der Kinder ist, wenn die Eltern ihretwegen zusammen bleiben, das hat die Psychologin Professor Sabine Walper in den letzten zehn Jahren in einer großen deutschen Längsschnittstudie untersucht.
Nur wenige Forschungsprojekte erreichen diese Größe: 5,5 Millionen Euro auf vier Jahre verteilt macht die Europäische Union und das Schweizer Bundesamt für Forschung und Bildung innerhalb ihres sechsten Rahmenprogramms für REWERSE locker. Das steht für REasoning on the WEb with Rules and SEmantics. Das Projekt wird von LMU-Informatikern koordiniert und beschäftigt rund 100 Wissenschaftler aus 27 europäischen Einrichtungen, die mit ihrer Arbeit das Internet der nächsten Generation entstehen lassen wollen: das semantische Web.
Wie lässt sich die Reputation eines Unternehmens aufbauen und pflegen? Professor Manfred Schwaiger vom Institut für Marktorientierte Unternehmensführung an der LMU sagt: In erster Linie durch gelungene Kommunikation. Kultursponsoring ist eines der einsetzbaren Instrumente, wobei die Schwierigkeit darin besteht, seinen Erfolg zu messen. Die Münchener Forscher haben deshalb ein empirisches Messmodell entwickelt, das die Reputationswirkung transparent machen soll.
Der deutschlandweit erste Lehrstuhl für Finanzökonometrie befindet sich in München. Inhaber ist Professor Stefan Mittnik, der viele Jahre in den USA geforscht und gelehrt hat und seit Sommer 2003 Mitglied der Fakultät für Mathematik, Informatik und Statistik der LMU ist. Stefan Mittniks Interessenschwerpunkt liegt dabei auf der Analyse von Risiken an den Finanzmärkten. Mit seiner Forschung können Banken ihre Geschäftsrisiken besser bewerten und prognostizieren.
Mit komplizierten Versuchsanordnungen entwickeln Professor Wolfgang Zinth und seine Arbeitsgruppe vom Lehrstuhl für BioMolekulare Optik modernste Methoden der Quantenoptik. Sie machen mit Prismen, Spiegeln und Linsen Vorgänge in der Chemie und Biologie sichtbar und können sogar bestimmte chemische Reaktionen anregen. Dazu sind Methoden notwendig, die abstimmbare ultraschnelle Lichtimpulse erzeugen. Zum Einsatz kommen dabei Laserstrahlen, die unter anderem mithelfen sollen, die Photosynthese besser zu verstehen.
Brandblasen im Dienste der Forschung gehören für den Vulkanologen Professor Donald Bruce Dingwell einfach dazu. Er simuliert Vulkanausbrüche im Labor, um das Verhalten von Gesteinsschmelzen wie Magma und Lava zu untersuchen. Sein Gebiet, die experimentelle Vulkanologie, hat aber auch eine praktische Komponente. Er ist an mehreren Projekten beteiligt, die das Ausbruchsverhalten von Hochrisikovulkanen untersuchen wollen, um vor möglichen Eruptionen warnen zu können.
Es ist ein neues Gebiet der Biologie, mit dem man rechnen muss: Anstatt nur einzelne Bestandteile zu untersuchen, definiert die Systembiologie Zellen, Zellverbände und Organismen als integrierte und interagierende Netzwerke von Genen, Proteinen und biochemischen Reaktionen. Biologische Daten führen dabei oft zu einem mathematischen Modell, das wiederum durch Experimente überprüft wird. Auch an der LMU sind Biologen, Chemiker, Physiker, Mathematiker, Statistiker, Informatiker und andere Fachwissenschaftler biologischen Systemen auf der Spur.
Der Nanokosmos von Atomen und Molekülen bietet erstaunliche Eigenschaften, die Forscher gerne für die Technologien der Zukunft nutzen möchten. Professor Khaled Karrai und seine Mitarbeiterin Constanze Metzger vom Lehrstuhl für Festkörperphysik schlagen eine Brücke zwischen bizarrer Quantenmechanik und der makroskopischen Welt, wie wir sie kennen. Zusammen mit den Mitarbeitern der Nanooptik-Gruppe bringen sie im wortwörtlichen Sinn Licht in das Universum des ganz Kleinen.
Für seine Untersuchungen zur Multiplen Sklerose, einer bislang unheilbaren Immunkrankheit, erhielt Professor Reinhard Hohlfeld im letzten Jahr den Sobek-Forschungspreis. Dem Direktor der Klinischen Neuroimmunologie der LMU gelang als Erstem die Isolierung und Züchtung derjenigen Art von Immunzellen, die bei Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose körpereigenes Gewebe angreifen. Diese Zellen und ihre Reaktionen sollen nun weiter charakterisiert werden, um letztlich die Heilungschancen für diese Leiden zu verbessern.
Seltene Krankheiten gehören zu den Stiefkindern der medizinischen Forschung und der Pharmaindustrie. Privatdozentin Dr. Ania C. Muntau konnte nachweisen, dass eine körpereigene Substanz bei einer Vielzahl von Patienten mit der genetisch bedingten Stoffwechselkrankheit Phenylketonurie wirkt. Das dabei entdeckte Therapiekonzept könnte möglicherweise auch bei anderen seltenen Leiden einsetzbar sein und so mithelfen, diese Krankheiten ihrem Schattendasein in Forschung und Entwicklung zu entreißen.
Das menschliche Genom ist entschlüsselt, die Regulation aller Genaktivitäten aber noch lange nicht verstanden. Eine weitgehend ungeklärte Rolle spielt dabei die dreidimensionale Anordnung des Erbguts. Professor Thomas Cremer und seinem Team gelang es, alle menschlichen Chromosomen, also einzelne DNA-Moleküle, im Zellkern räumlich darzustellen – in verschiedenen Zelltypen, zu unterschiedlichen Zeiten und bei krankhaften Veränderungen wie Krebs.
Im Zellkern eines jeden höheren Organismus ist das Erbmaterial DNA auf engstem Raum verpackt. Dank flexibler Anpassung seiner Struktur bleibt es dennoch funktionsfähig. Für seine Arbeiten zur Dynamik der beteiligten Strukturen erhielt Professor Peter Becker in diesem Jahr die höchste deutsche Auszeichnung in der Forschung, den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis. Sein Forschungsgebiet ist auch für die Medizin interessant, weil bei Krankheiten wie Krebs das Erbmaterial in anomalem Zustand vorliegen kann.
1994 hat der Kunsthistoriker Gottfried Boehm in einer Aufsehen erregenden Studie den Begriff iconic turn geprägt und eine neue Hinwendung zu den großen Bildwerken angemahnt. Vor allem der durch die Hubert Burda Stiftung unter dem Begriff geführte Diskurs der letzten Jahren hat ganz neue Bedeutungsdimensionen eröffnet. Es geht im weitesten Sinne um die Produktion und Distribution von Bildern und ihre Wirkung in allen gesellschaftlichen Bereichen und Wissenschaftlichen Disziplinen. Einsichten befragte dazu zwei Experten. Luca Giuliani, Professor für Klassische Archäologe, und der Literatur- und Medienwissenschaftler sowie Psychologe Professor Bernd Scheffer plädieren für eine interdisziplinäre Bildwissenschaft.
Heute ist Wissen in einer unvorstellbaren Menge zugänglich. Nur: Wo finden Wissensdurstige das Richtige? Können sie es überhaupt finden? Vor dem Problem, eine ständig anwachsende Informationsflut zu bewältigen, standen schon die Gelehrten der Frühen Neuzeit. Die Philologen Professor Jan-Dirk Müller und Dr. Martin Schierbaum untersuchen im Rahmen eines interdisziplinären Sonderforschungsbereichs Aspekte der Wissensordnung und haben dabei insbesondere die Ausformung von Enzyklopädien und Bibliographien im Blick.
Im Dezember 2004 entstand nach einem schweren Erdbeben im Indischen Ozean eine meterhohe Riesenwelle, die mehrere Hunderttausend Todesopfer forderte. Dieser Tsunami traf die Menschen unvorbereitet. Seit jeher versucht die Wissenschaft, zuverlässige Frühwarnsysteme für Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tsunamis und andere Naturkatastrophen zu entwickeln. Auch LMU-Forscher sind mit gutem Grund daran beteiligt – die nächste Katastrophe kommt mit Sicherheit und könnte noch weit größere Auswirkungen haben.
Theorien von der Zeit gibt es fast so viele, wie es wissenschaftliche Disziplinen gibt. Physiker legen andere Maßstäbe an das Thema Zeit als Philosophen, Neurowissenschaftler andere als Psychologen. Dr. Eva Ruhnau vom Humanwissenschaftlichen Zentrum der LMU hat es sich zur Aufgabe gemacht, für die verschiedenen Ansätze, Zeit zu erklären, systematische Ähnlichkeiten zu definieren. Ihre zentrale Frage dabei ist: „Gibt es eine dem Begriff der Zeit zugrunde liegende abstrakte mathematische Struktur?“
Mündliche Texte unterscheiden sich von schriftlichen, Inschriften funktionieren nicht wie Hand- oder Druckschriften, argumentative Texte sind anders als rituelle Texte, die über die Materialität der Textzeichen hinaus in einen transzendenten Erfahrungsraum verweisen. Mit diesen und ähnlichen Problemfeldern sowie ihrem historischen Wandel beschäftigt sich der germanistische Mediävist Professor Peter Strohschneider unter anderem im Doktorandenkolleg „Textualität in der Vormoderne“.
Elektronische Medien haben sich in den vergangenen 15 Jahren als fester Bestandteil der Kommunikation und Information durchgesetzt. Zunehmend spielt sich auch in den Wissenschaften der Forschungsdiskurs über Online-Plattformen ab. Dieser Trend hat Folgen für den Autor sowie für die gesamte scientific community. Wie umfassend der Wandel in den wissenschaftlichen Disziplinen ausfällt und welche Auswirkungen dies auf den Druck und seine Distribution hat, ist ein Forschungsschwerpunkt des Buchwissenschaftlers Professor Georg Jäger.
Die Geschichte jüdischen Lebens in München ist noch nicht geschrieben. Professor Michael Brenner vom Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur will diese Lücke gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der LMU, sowie dem Stadtarchiv München nun schließen. Das Projekt will aufzeigen, wie umfassend die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde in München integriert waren. Über Jahrhunderte nahmen sie aktiv am Stadtleben teil und prägten die lokale Entwicklung gestaltend mit.
Forschung eröffnet innovative Wissensbereiche, die nicht selten neue ethische Fragestellungen aufwerfen. Die Klondebatte oder die Diskussion um Sterbehilfe zeigen, dass es neuer Strukturen wie etwa Ethik-Kommissionen bedarf, die Maßgaben für ethische Orientierungen erarbeiten. Bei deren Vermittlung kommt den Medien eine wesentliche Rolle zu. Der Moraltheologe Professor Konrad Hilpert untersucht unter anderem die Zusammenhänge zwischen „Moral und Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft“.