In der Rubrik Scheibenkleister wühlt Ernst.FM für euch in der Plattenkiste. Jeden Freitag bespricht einer unserer Redakteure eine gute Neuerscheinung aus den letzten Wochen.
Dem Mythos nach lebte Dagobert fünf Jahre allein in einem Bergdorf, ernährte sich dort nur von Reis und schrieb nebenbei traurige Songs über eine unerwiderte Liebe. Nach fünf Bergjahren zog der Künstler ausgestattet mit genügend Musik nach Berlin. Mit dem Debütalbum hat der Schweizer „Schnulzensänger aus den Bergen“ Dagobert die Hipsterherzen mit seinen extravaganten Auftritten in kleinen Bars in Berlin-Mitte erobert. Auf dem zweiten Album „Afrika“ singt Dagobert von der Liebe und Sehnsucht und rebelliert gleichzeitig gegen die merkwürdige Zivilisation: „Ich werde nun für immer gehen / Und dich nie mehr wiedersehen / Doch so wie du mich kennst, wirst Du das verstehen / Denn ich geh nach Afrika / Mit meinem Herz bin ich schon da / Und singe mit den Affen Uah-uah-Ah". Dagobert will raus aus der kalten Stadt, wo alle Menschen „aneinander vorbei leben“ und keinen Bock haben, „zusammen angeln zu gehen“ oder überhaupt miteinander zu reden. Deswegen will der Künstler lieber nach Afrika abhauen oder träumt von „Moonlight Bay“ und „Natronsee“. Mit viel Kitsch, Pathos und eingängigen Melodien bewegt sich Dagobert musikalisch zwischen dem intelligenten Schlagerpop und der klassischen Singer-Songwriter Musik. Bei den Aufnahmen von „Afrika“ arbeitete Dagobert erneut mit Markus Ganter zusammen, der auch schon die Alben für Sizarr und Casper produziert hat. Wir hören aber auch Arrangements von Konstantin Gropper alias Get Well Soon. Rausgekommen ist das Album auf dem Musiklabel Buback von Ted Gaier, dem Sänger der Band Die Goldenen Zitronen.
Nach seinem Debütalbum konnte es für Ghostpoet nur noch bergab gehen. Denn zumindest was Album-Titel angeht, legte der britische Musiker die Messlatte mit „Peanut Butter Blues & Melancholy Jam“ extrem hoch. Musikalisch hingegen – und darum geht’s ja schließlich – kann von einer Talfahrt kaum die Rede sein. Ghostpoet entwickelt sich konsequent weiter, ohne dabei wirklich zu überraschen. Denn von sich selbst angelegten Genre-Fesseln fehlt auch auf seinem inzwischen dritten Longplayer weiterhin jede Spur. Vor vier Jahren trat Ghostpoet, bürgerlich Obaro Ejimiwe, mit seinem ersten Album in Erscheinung und wurde noch im selben Jahr für den begehrten Mercury Prize nominiert. Trotz seines beachtlichen Erfolgs, der sich mit dem wohlwollend aufgenommenen Nachfolger „Some Say I So I Say Light“ fortsetzte, blieb ihm der Riesen-Hype erspart. Das gab dem Briten die Möglichkeit, mit einer organischen Entwicklung an seinem einzigartige Stil zu feilen – frei von Zwängen und überhöhten Erwartungen. Mit seiner ersten Single-Veröffentlichung „Cash and Carry Me Home“ machte es einem Ejimiwe noch verhältnismäßig leicht, von der Schublade „Hip Hop“ Gebrauch zu machen. Heute scheitert jeder Versuch, Ghostpoets Musik irgendeinem Genre auch nur ansatzweise treffend zuzuordnen. Zu vielfältig sind die Einflüsse aus Rap, Alternative Rock, Soul, Jazz und Pop. Und zu einzigartig ist das, was letztlich daraus entsteht. Auf „Shedding Skin“ erwartet den Hörer ein entschleunigter Sprechgesang irgendwo zwischen Rap und Spoken Word, eingebettet in düster-melancholische Klangkulissen. Im Gegensatz zu den zurückliegenden Laptop-Produktionen wurde das dritte Werk komplett mit Live-Band eingespielt. Was bleibt, ist die unverkennbare, dahinmurmelnde Stimme, die von alltägliche Geschichten erzählt. Ghostpoet emanzipiert sich dabei von seiner eigenen beschränkten Perspektive, wenn er etwa auf dem Titeltrack in die Rolle eines Obdachlosen schlüpft, die für Millionen von Individuen stehen könnte. Was die Instrumentalisierung betrifft, fährt Obaro Ejimiwe auf „Shedding Skin“ schwere Geschützen auf: Zu mechanischen Drums, die für sich genommen schon ein Album wert wären, gesellen sich Gitarren in einer schier endlosen Bandbreite – mal im Stile von Ambient-Produktionen sanft, flächig und hallend, mal bis aufs Äußerste verzerrt. Hier und da noch ein Synthie und dann kommt aus dem Nichts eine Orgel dazu. Auf Albumlänge hinterlassen die eintönige Stimme Ejimiwes und die teilweise abstrakten Arrangements ein gewisses Unwohlsein, das den Hörer fragend zurücklässt. Die einzelnen Songs sind dabei überraschend eingängig aber niemals gefällig. „Getting older, sometimes wiser, could be happier, going somewhere“ heißt es in der Twitter-Bio von Ghostpoet – neun Wörter, die das zugrunde liegende Mindset seiner Kunst perfekt umschreiben. Sie steht für eine Entwicklung, die aus der Unruhe, aus einem Mangel heraus entsteht. Und auch wenn es jedem Schüler paradox erscheinen mag: „Shedding Skin“ ist gut. Aber nicht befriedigend.
Rezension: Bilderbuch – Schick Schock
Die ehemaligen Kinder vom Dorf, Grim104 und Testo, wohnen mittlerweile im großen Berlin und nennen sich Zugezogen Maskulin. Der Name ist eine Anspielung auf die Berliner Rap-Kombos Westberlin Maskulin (Klassiker) und Südberlin Maskulin (ziemlich bescheiden). Die beiden Rapper machen schon seit einigen Jahren gemeinsam Musik und bringen am 13. Februar ihr neues Album „Alles brennt“ heraus. Obwohl sie online bereits ein Album und ein Mixtape veröffentlicht haben, fühlt sich das Album doch wie ihr Debüt an. Vermutlich weil ihre vorherigen Releases bisher ohne große Promotion einfach kostenfrei online veröffentlicht wurden und keine nennenswerte Medienresonanz bekommen haben. Doch spätestens nach dem großen Feuilleton-Hype, ausgelöst durch die EP von Grim104 im vergangenen Jahr, sind er und Zugezogenen Maskulin auf dem Radar aufgetaucht. Obwohl es aufgrund des Hypes uncool sein könnte, muss ich klarstellen: „Grim104“ ist für mich eines der besten Releases des letzten Jahres. Dementsprechend hoch waren meine Erwartungen an das gemeinsame Album mit Testo – zugegebenermaßen eine schwierige Ausgangssituation, um eine euphorische Review über das Album zu schreiben. Das „wichtige“ formale Kriterium für ein Rap-Album haben sie schon mal eingehalten: Mit 12 Songs liegen sie im Bereich der perfekten Anzahl von Albumtiteln – die liegt nämlich zwischen 10 bis 14 Tracks. Thematisch geht’s im Gegensatz zur „Grim104“-EP nicht um verrückte Geschichten rund ums Dorfleben. Eine wichtige Rolle spielt auf diesem Album diesmal die Großstadt: Songs wie „Schiffbruch“, „Oranienplatz“ oder auch „Agenturensohn“ drehen sich beispielsweise um das Leben in Berlin und behandeln Themen wie die Gentrifizierung, die Arbeit in einer Berliner Agentur und unerfüllte Wünsche und Erwartungen an das Big City Life. Inhaltlich werden dabei reihenweise gesellschaftliche und politische Missstände in den wütenden Texten verarbeitet. Ihre linkspolitische Einstellung lassen sie bei der Kritik auch immer wieder durchblicken – dabei haben sie es nicht nötig zu beweisen, wie krass politisch sie sind, sondern sagen trocken, was ihnen nicht passt. Meist mit einer ordentlichen Portion Ironie und Sarkasmus. Fans von K.I.Z. wird das bekannt vorkommen. Allerdings handelt es sich bei Zugezogen Maskulin nicht um einen einfachen K.I.Z.-Klon. Dafür ist ihr Ansatz zu ernsthaft und aggressiv. Trotzdem erinnert Testos Flow in manchen Momenten an Maxim (von K.I.Z.). Grims Art ist da noch eigenständiger. Er macht seinem wahnsinnigen Image alle Ehre und flowt wie ein Verrückter durch die Songs. Wenn sich dabei seine Stimme überschlägt, macht das richtig Spaß. Technisch rappen beide auf sehr hohem Niveau. Durch ihre unterschiedlichen Stile wird das Album besonders unterhaltsam. Trotzdem hakt es manchmal an den Texten der Jungs. Statt der üblichen Abgedroschenheiten wären tiefergehende kritische Auseinandersetzungen spannend. Schließlich hat über die Hipster aus der Großstadt doch wirklich jeder schon mal rumgemeckert. Insgesamt gibt es auf dem Album also eine ordentliche Kritikschelle von zwei wütenden MCs auf Beats, die vor Trap-Anleihen nur so strotzen. Ob ich das Album nach einem Jahr immer noch so häufig hören kann, wie es bei der EP von Grim der Fall war, weiß ich noch nicht. Doch wie es im Refrain von „Alles brennt“ heißt: „Alles in uns brennt / In euch brennt's, in uns brennt's / Ihr seid keine Fans - wir sind eine Gang“. Ich fühle mich als Teil der Gang und bin sicher, dass die beiden Jungs hier ein Album abgeliefert haben, das ich jedem Rap-Fan ans Herz legen kann – unbedingt auschecken!
Zu einer Zeit, in der häufig junge Hip-Hop-Acts, Schlagersternchen oder elektronische Klänge die Charts dominieren, fällt eine Band wie Feine Sahne Fischfilet nicht nur wegen ihres obskuren Namens auf. Denn wie häufig werden schon mal Ska-Punkbands mit politisch motivierten Texten und Gesang, bei dem gerade Töne nun wirklich sowas von scheißegal sind, so erfolgreich wie diese Band aus Mecklenburg-Vorpommern? Noch dazu sind sie bei Audiolith unter Vertrag, einem Label, das ansonsten eher für elektronische Musik bekannt ist. Aber es stimmt schon: Wenn man nach guter, deutschsprachiger Punkmusik suchte, kam man in den letzten Jahren kaum an Feine Sahne Fischfilet vorbei. „Das, was wir machen, soll eine Art Werkzeug sein, um unserer Wut gegenüber Rassisten, Sexisten, Homophobie und Staat eine Stimme zu geben“, sagen sie über ihren Antrieb, Musik zu machen. Wie es sich für Punkmusik gehört, standen dabei in der Vergangenheit dementsprechend vor allen Dingen Message und Feeling im Vordergrund. Es stellt sich die Frage, ob das Werkzeug von Feine Sahne Fischfilet auf „Bleiben oder Gehen“ noch so fest zupackt, wie es auf ihren vorherigen Alben der Fall war. Thematisch dreht sich „Bleiben Oder Gehen“ häufig um den Zwiespalt zwischen dem Stillstand und der Aufbruchstimmung, dem Willen zu Veränderung. Immer mit der Haltung im Hinterkopf, sich nicht unterkriegen zu lassen. Diese Einstellung, weiterzumachen entgegen aller Widrigkeiten, dem Aufruf zum Durchhalten, das steht ihnen gut zu Gesicht und passt perfekt in den musikalischen Kosmos der Band, auch wenn dieser im Jahr 2015 dann doch deutlich gezähmter daherkommt. Denn auf ihrem vierten Album präsentieren sich Feine Sahne Fischfilet durchaus nachdenklicher, ruhiger und vielfältiger. Klar, die schnellen, krachenden Punksongs gibt es immer noch, gleich zu Beginn geht „Für diese eine Nacht“ schon gut durch die Decke. Aber es gibt eben auch diese Momente, in denen die Band ein oder zwei Gänge zurückschaltet wie bei den Balladen „Warten auf das Meer“ und „Ruhe“. Dies sind Momente, die es so auf früheren Alben noch nicht zu hören gab. Und in diesen Augenblicken steht der Band die eindeutig hochwertigere Produktion auch gut zu Gesicht. Allerdings arbeitet der glättere, gezähmtere Sound des Albums in vielen Fällen gegen die grobe Attitüde der Band an. Häufig klingen die Gitarren viel zu brav und stehen im Kontrast zur Bissigkeit der wütenden Texte, wenn die Band zum Beispiel gegen Polizeigewalt oder Rechtsradikalismus ansingt. „Bleiben Oder Gehen“ zeigt Feine Sahne Fischfilet durchaus als gereifte Songwriter, exemplarisch dafür stehen Songs wie „Warten auf das Meer“. Allerdings beißt ihnen die poppigere Ausrichtung gerade bei Liedern wie „Ich glaube dir“ dann doch selbst in den Hintern: Da verkommt der trashige Charme der Band dann eher zu einem peinlichen Versuch, einen möglichst radiofreundlichen Hit zu landen. Der große Sturm, der den Hörer auf Alben wie „Scheitern und Verstehen“ noch so augenblicklich mitriss, bleibt dieses Mal aus. Es bleiben jedoch genug starke Momente übrig, wenn Feine Sahne Fischfilet ihren direkten Ska-Punk in Songs wie „Wut“, „Es bleibt beim Alten“ oder „Lass uns gehen“ auspacken. Unterm Strich bleibt ein grundsolides bis gutes Pop-Punk-Ska-Album, mit dem die Band optimal für den nächsten Festivalsommer ausgestattet ist.
Nora Tschirner ist nicht nur eine gute Schauspielerin. Sie macht mittlerweile auch Musik mit der Band Prag. Tom Krimi, Erik Lautenschläger und Nora Tschirner kennen sich schon ganz lange und haben, „weil die einfach Bock hatten“, ihr erstes Album „Premiere“ zusammen mit einem großen Orchester in Prag aufgenommen – daher übrigens auch der Bandname. Auf dem zweiten Album „Kein Abschied“ setzen Prag auf die Macht der Melodie und die Universalität von Emotionen. Das Trio hat zwölf Songs zwischen Chanson, Pop und altem deutschen Schlager geschrieben.
Wer den Namen Olli Schulz hört, denkt vermutlich zuerst an Schulz in the Box und Circus HalliGalli. Diese Sendungen und seine Rolle als betrunkener Schulzkovsky beschafften ihm weitreichende Bekanntheit. „Ich bin nur gut, wenn ich für eine Sache brenne“, sagt Olli Schulz, dessen neue Platte passenderweise „Feelings aus der Asche“ heißt. Aus Funken dieser Glut entstand nun sein sechstes Studio-Album. Eine Plattenkritik von Katharina Braun.
Hinter dem Projekt Der Mann stehen drei Mitglieder der Berliner Band Die Türen, eine Kölner Animationsfirma und der Maler Helmut Kraus. Das dazugehörige Album Wir sind der Mann besteht aus zwölf Songs über Einsamkeit und die Fehlbarkeit des Menschen. Und des Mannes. Es bewegt sich musikalisch irgendwo zwischen Singer-Songwriter, Hamburger Schule und Indiepop. Hinter dem Titel des Albums Wir sind der Mann könnte sich durchaus eine bierernste Hymne an den modernen Durchschnittsmann verbergen. Glücklicherweise haben es Der Mann nicht so mit der Ernsthaftigkeit. In dem Song Von der Kneipe in Die Cloud besingen die Musiker ironisch das Mittelmaß des Mannes: „Ich steh' nicht auf die Süddeutsche Zeitung, steh' nicht auf den FC Bayern – nicht, dass ich was gegen Bayern hätte, doch das elitäre Gehabe ist nicht so mein Ding, ich steh' mehr auf die einfachen Dinge im Leben. Ich glaub, ich neig' zum Mittelmaß, ich neig' zur Untertreibung, ich mag nicht so das Rampenlicht.“ Das moderne Mannsbild definiert die Band aus Berlin mit vielen Antithesen und angenehm selbstironisch. Sie schaffen damit so etwas wie eine bessere Samy-Deluxe-Gegenrealität. Der hatte sich auf seinem 2014er Album Männlich dem selben Thema angenommen und war daran gescheitert. Maurice Summen singt dagegen klagend: „Was mich an Teenagern stört, sind ihre Pickel. Was mich an ihren Eltern stört, sind ihre Ratgeberbücher im Regal.“ Oder auch: „Was mich am Sex stört, ist das Hinterher.“ Hervorzuheben sei der Schlenker zu Liedermachern wie Götz Widmann und Olli Schulz am Ende des Albums. Ramin Bijan singt im schönen Singer-Songwriter typischen The rise of the reforming house zu schnellem Akustikgitarren-Geschrammel: „Doch selbst das Reformhaus braucht eine Reform. Und das Leben ist keine Pusteblume, das Leben ist kein Dinkelbrot. Das Leben ist nicht grob geschrotet und wäre das Leben ein Reformhaus – wäre ich lieber tot.“ Poesie für die Seele, scharfe Metaphern und punkige Kritik an die Ökospießer und den gesellschaftlich erzeugten Leistungsdruck ziehen sich durch das ganze Album. Fast jede Zeile der Songs würde sich auch auf Turnbeuteln und T-Shirts gut machen. Das Album wir sind der Mann gibt es als Kunstdruck-Vinyl-Edition bei dem Berliner Label Staatsakt oder in Hannover bei 25 Music.
TV On The Radio – eine Band die, mit ihren Alben „Return To Cookie Mountain“ und „Dear Science“ in den 00er Jahren die eigene Messlatte verdammt hochgelegt hat und mit ihrem neuen Album „Seeds“ erst gar nicht versucht, irgendwelche Erwartungshaltungen zu erfüllen, sondern munter befreit drauf losspielt. Die Band präsentiert sich auf ihrem sechsten Album so verspielt wie selten zuvor und wandelt sich chamäleonartig von Song zu Song, ohne sich wirklich festlegen zu wollen: Indierock, Elektropop, Soul, Hip-Hop – all das vereint das Quartett wieder mühelos. Ob dabei auch ein gutes Album entstanden ist, erfahrt ihr am Freitagabend bei Scheibenkleister.
Vielen kommt diese Szene bestimmt noch bekannt vor. Die Charaktere der Serie Lost stapfen niedergeschlagen über den Strand und fragen sich: Why the hell sie eigentlich immer noch auf dieser Insel festsitzen. Aber was läuft bei der Szene eigentlich für eine Schnulze im Hintergrund? Das ist Damien Rice. Er ist der Singer/Songwriter, der mit seiner Musik Anfang der 2000er die Melancholie quasi neu erfunden hat. Kein Wunder also, dass die Serienmacher sich auf seine ziemlich emotionalen Songs gestürzt haben um damit hochkomplexe Gefühle zu untermalen. Doch die Serienproduzenten mussten ganz schön lange ohne die Musik des gefühlvollen Iren auskommen. Sein letztes Album ,9’ liegt nämlich acht Jahre zurück. Jetzt hat das Warten aber endlich ein Ende, denn Rice hat ein neues Album veröffentlicht. Was der Grund für die lange Pause war, erklärte der Sänger in einem Interview mit dem Radiosender 3FM. „Ich habe ein Paar Songs geschrieben und nahm sie auf, aber sie gefielen mir nicht. Dann hab ich mir eine kleine Auszeit genommen. Dann hab ich noch mehr Songs aufgenommen und ich mochte sie wieder nicht. Ich habe ein großes Loch gegraben als ich nach dem gesucht habe, was ich finden wollte. Und als ich dann gemerkt habe, dass ich eigentlich nach gar nichts suche, war ich schon zu tief in meinem Loch drin. Und dann hab ich nach oben geguckt und da stand Rick Rubin und ich rief: Hey, wirf mir mal ein Seil runter!“ Rick Rubin, der Damien Rice aus seinem Loch geholfen hat, wurde dann der Produzent des neuen Albums ,My Favourite Faded Fantasy’. Und sein Einfluss ist deutlich hörbar. Auf der Platte finden sich groß arrangierte Songs mit viel Streicherdynamik. Das verhilft den Texten von Damien Rice wiederum zu einer ganz neuen Intensität. Vor allem Songs wie ,The Box’ leben von den Arrangements des Produzenten. Aber auch der altbekannte, sehr leise Damien Rice ist auf seinem neuen Album immer noch zu hören. Zwischen der manchmal gewaltigen Orchestration findet sich immer noch die Musik, die man von seinen ersten beiden Alben kennt. Besonders der Song ,Colour Me In’ erinnert stark an den Damien Rice von vor zehn Jahren. Und wer bei diesem Song ganz genau hinhört, bemerkt auch, was Damien Rice ausmacht. Er schreibt nach wie vor sehr bewegende und in ihrer Einfachheit fast weise Texte. Und so schafft er es den Hörer mitfühlen zu lassen. Mit ihm, dem König der Melancholie, der einsam auf seinem Thron sitzt und über das Leben sinniert. Glücklicherweise lässt er dabei ab und zu ein Aufnahmegerät mitlaufen. Und das Ergebnis kann man jetzt hören, auf ,My Favourite Faded Fantasy’, dem neuen Album von Damien Rice. Foto: warnerbrosrecords.com / Lilja Birgisdóttir
Ben Howard ist ein leidenschaftlicher Surfer. Und weil er im Winter nicht surfen kann, macht er eben umso mehr Musik. Vermutlich deshalb ist sein zweites Album „I Forget Where We Were“ auch in der kalten Jahreszeit entstanden. Die kühlen Temperaturen merkt man den Songs an. Sie sind deutlich düsterer als noch auf seinem überraschend erfolgreichen Debüt „Every Kingdom“. Streicheleinheiten wie die Wohlfühl-Single „Keep your Head up“ sucht man auf der neuen Platte vergeblich. Stattdessen wählt der Brite deutlich ruhigere Töne und nimmt sich ausgiebig Zeit für seine Gedanken. „Has this world gone mad or is it me?“ singt er direkt im ersten Track „Small Things“ zum Echo der wandelnden Gitarre. Das fast fröhlich wirbelnde „She Treats Me Well“ steht sanften Balladen wie dem Achtminüter „End Of The Affair“ gegenüber. Da zupft Howard gerade noch fast zaghaft an den Saiten, ehe ihn das wuchtige Schlagzeug zu hallenden Klagerufen treibt. „Es fühlt sich an, als habe ich mein Hirn dabei verloren!“, sagt Howard über sein Album. An einigen Stellen ist das zu hören. Zu den hintergründigen Texten fällt ein Zugang nicht immer leicht, die Akustikgitarre dümpelt manchmal ziellos in der Ferne. Das Klischee des surfenden Singer/Songwriters, der schöne Musik für warme Sommerabende macht, hat Howard also endgültig abgeschüttelt. Die neu entdeckte Melancholie passt gut zu Strickpulli und Wollsocken. Und im Sommer geht es dann wieder aufs Surfbrett.