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Fakultät für Physik - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 05/05
Moderne Rotverschiebungs-Galaxiendurchmusterungen können mittels Mehrfach-Faser-Spektroskopie große Bereiche des Himmels abdecken. Dank der immer größer werdenden Datensätze hat sich die Analyse der großskaligen Galaxienverteilung im Universum zu einer unschätzbaren Wissensquelle für die Kosmologie entwickelt. Zusammen mit den Beobachtungen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds (MWH) und Entfernungsbestimmungen anhand von großen Typ-Ia-Supernova-Datensätzen (SN) bilden die Galaxiendurchmusterungen ausschlaggebende Indikatoren für die Korrektheit der Paradigmen des kosmologischen Weltbilds, des ΛCDM-Modells. Die Auswertung der Galaxienverteilung erlaubt mit Hilfe des Standardlineals, das durch die Baryonisch-akustischen Oszillationen gegeben ist, Entfernungsmessungen von ungesehener Präzision. Dies gewährt Einblick in die zugrundeliegende physikalische Natur der Dunklen Energie (DE), welche für die Beschleunigung der Ausdehung unseres Universums verantwortlich gemacht wird, indem die zeitliche Entwicklung der DE-Zustandsgleichung einge- schränkt werden kann. Zudem kann aus dem Signal der Verzerrungen im Rotverschiebungsraum die Wachstumsrate von kosmologischer Struktur bestimmt werden. Dies stellt einen Test der Relativitätstheorie dar, weil mögliche erweiterte Gravitationstheorien abweichende Wachstumsraten vorhersagen können. Die abgeschlossenen Rotverschiebungsmessungen des ‘Baryon Acoustic Oscillation Survey’-Programms (kurz BOSS) brachten einen Galaxienkatalog hervor, der ein bisher unerreichtes Volumen abdeckt. In dieser Dissertation wird die kosmologische Information, die im räumlichen Leistungsdichtespektrum (LDS) der Rotverschiebungsraum-Galaxienverteilung des BOSS-Katalogs enthalten ist, genutzt, um den Parameterraum des ΛCDM-Modells und der wichtigsten möglichen Erweiterungen einzuschränken. Vorherige Analysen des anisotropen Galaxien-LDS waren auf die Messung der Multipolzerlegung beschränkt. Für die hier präsentierte Analyse wurde das Konzept der sogenannten ‘Clustering Wedges’ auf den Fourierraum übertragen, um einen komplementären Ansatz zur Vermessung des anisotropen LDS zu verfolgen. Dazu wird der varianzoptimierte Schätzer für LDS-Wedges definiert und an die Galaxiengewichtung, die unvermeidbare Beobachtungsfehler im BOSS-Katalog behebt, angepasst. Zudem wird auch der Formalismus zur Beschreibung der Fensterfunktion auf die Wedges erweitert. Das verwendete Modell für das anistrope Galaxien-LDS ist auf neuartigen Ansätzen zur Modellierung der nichtlinearen Gravitationsdynamik und der Verzerrungen im Rotverschiebungsraum aufgebaut, welche die Genauigkeit der Modellvorhersagen speziell im Übergang in den nichtlinearen Bereich signifikant verbessern. Daher kann das LDS bis zu kleineren Skalen als in vorherigen Analysen ausgewertet werden, wodurch engere Einschränkungen des kosmologischen Parameterraums erreicht werden. Die Modellierung wurde mit Hilfe von synthetischen Katalogen, die auf großvolumigen Mehrkörpersimulationen basieren, verifiziert. Dazu ist eine theoretische Vorhersage der Kovarianzmatrix der anisotropischen Vermessung der Galaxienverteilung nötig, wofür ein Gaußsches Vorhersagemodell entwickelt wurde. Dieses ist neben den Wedges auch für die komplementäre Multipolzerlegung sowohl des LDS als auch dessen Fouriertransformierten, der Zwei-Punkt-Korrelationsfunktion, anwendbar. Die LDS-Analyse anhand von Clustering Wedges, wie in dieser Arbeit präsentiert, ist Teil der kombinierten Analyse des finalen Galaxienkatalogs im Rahmen der BOSS-Kollaboration. Unter Verwendung von zwei sich nicht überschneidenden Rotverschiebungsbereichen wird die Winkeldurchmesserentfernung zu D_M(z_eff = 0.38) (rfid_d / r_d) = 1525 +-24 h^-1 Mpc und D_M(z_eff = 0.61) (rfid_d / r_d) = 2281 +42 -43 h^-1 Mpc bestimmt. Weiterhin wird der Hubbleparameter zu H(z_eff = 0.38) (r_d / rfid_d) = 81.2 +2.2 −2.3 km s^-1 Mpc^-1 und H(z_eff = 0.61) (r_d / rfid_d) = 94.9 +-2.5 km s^-1 Mpc^-1 vermessen (alle hier angegebenen Bereiche entsprechen einem Konfidenzintervall von 68%). Die Wachstumsrate wird eingeschränkt auf fσ_8 (z_eff = 0.38) = 0.498 +0.044 -0.045 und fσ_8 (z_eff = 0.61) = 0.409 +-0.040. Zusammen mit den Ergebnissen der komplementären Methoden, die innerhalb der BOSS-Kollaboration zur Clustering-Analyse des finalen Galaxienkatalogs eingesetzt werden, werden diese Resultate zu einem abschließenden Konsensergebnis zusammengefasst. Nur mit den Clustering-Weges-Messungen im Fourierraum, kombiniert mit MWH- und SN-Daten, kann der Materiedichteparameter auf Ω_M = 0.311 +0.009 -0.010 und die Hubble-Konstante auf H_0 = 67.6 +0.7 -0.6 km s^-1 Mpc^−1 unter Annahme des ΛCDM-Modells eingeschränken werden. Wird ein Nichtstandard-Modell für DE angenommen, so ergibt sich ein DE-Zustandsgleichungsparameter von w_DE = 1.019 +0.048 -0.039. Modifikationen der Wachstumsrate, parametrisiert durch f(z) = [Ω_M(z)]^γ, werden auf γ = 0.52 +- 0.10 eingeschränkt. Diese beiden Messungen sind in perfekter Übereinstimmung mit den Vorhersagen des ΛCDM-Modells, ebenso wie weitere Ergebnisse, die sich unter der Annahme eines noch großzügigeren DE-Modells (welches eine zeitliche Entwicklung von w_DE erlaubt) ergeben. Daher wird das ΛCDM-Modell durch die hier beschriebene Analyse weiter gefestigt. Die Summe der Neutrinomassen wird zu sum(m_ν) < 0.143 eV bestimmt. Dieses obere Limit befindet sich nicht weit entfernt von der unteren Schranke, die sich aus Teilchenphysik-Experimenten ergibt. Somit ist zu erwarten, dass die kosmologische Signatur, die massebehaftete Neutrinos in der großskaligen Struktur des Universums hinterlassen, in naher Zukunft detektiert werden kann.
Tue, 27 May 2014 12:26:18 +0000 https://evidenzbasierte-pharmazie.podigee.io/5-evidenzbasierte-pharmazie-teil-5-konfidenzintervall-und-p-wert 0c2549333d01d7e76ce7a0aac3d38c05 Im 5. Teil des Podcasts dreht sich alles um Konfidenzintervalle und p-Werte: Was versteht man genau darunter und welche Aussagekraft haben diese Größen für die Bewertung des Therapieeffekts? Die ausführlichen ShowNotes finden sich auf meinem Blog. Musik: Ausschnitte aus „I dunno“ von grapes, unter CC BY 3.0 5 full no Dr. Iris Hinneburg
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 16/19
In 61 Halsregionen wurden die anatomischen Verhältnisse des N. accessorius anhand von definierten anatomischen Orientierungspunkten systematisch erfasst, um die Gefährdung des N. accessorius bei der EndoCATS-Operation zu untersuchen und eine Lösung für die Problematik der akzidentellen Verletzung des Nerven zu finden. Die Ergebnisse zeigten, dass der Nerv durch seine Lage relativ zum M. sternocleidomastoideus und aufgrund seiner mittleren Entfernung zum Processus mastoideus, gemessen an der Hinterkante des M. sternocleidomastoideus, in enger Assoziation zum EndoCATS-Operationsweg liegt. Alle Messungen und Beobachtungen wurden mit der aktuellen Literatur verglichen. Ausgehend von den Messungen wurde eine einfache, nicht-invasive Methode beschrieben, um den Verlauf des Nervs bei EndoCATS anhand der anatomischen Orientierungspunkte präoperativ abschätzen zu können. Anhand der Berechnung von dAJn ist es möglich, den Punkt an der Hinterkante des M. sternocleidomastoideus mit 95%iger Sicherheit auf ±19,4 mm genau abzuschätzen, an dem der N. accessorius in das seitliche Halsdreieck eintritt. Dies wird durch die Kreuzvalidierung bestätigt. Die Genauigkeit dieser Vorhersage kann mit Hilfe der 95%-Konfidenzintervalle zu dMA und dAJ noch verbessert werden. Dabei handelt es sich bisher um ein rein theoretisches Modell, dessen Eignung für eine in vivo-Vorhersage noch aussteht und bei dem nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Vorhersage in Einzelfällen um mehr als das angegebene Konfidenzintervall vom wahren Wert abweichen kann. Auch kann man durch eine sichere prä- und intraoperative Identifizierung nicht mit letzter Sicherheit eine akzidentelle Verletzung des Nervs ausschließen. Daher wurde basierend auf dieser anatomischen Untersuchung der EndoCATS-Operationsweg erfolgreich modifiziert, um eine sichere Schonung des N. accessorius zu ermöglichen. Der neue Operationsweg führt lateral am M. sternocleidomastoideus vorbei und zwischen seinen sternalen und claviculären Anteilen hindurch zur V. jugularis und dem Spatium chirurgicum (de Quervain).
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 15/19
Zusammenfassung Hintergrund: Zahlreiche Studien weisen auf adverse Effekte für die Gesundheit durch Exposition gegenüber Umweltlärm hin. Limitation bisheriger Studien ist jedoch vor allem die teils unzureichende Erfassung der Exposition. Ziel war es daher, die Exposition der Teilnehmer gegenüber Umweltlärm mittels individueller Dosimetermessungen objektiv und summativ zu erfassen und Auswirkungen der Exposition auf den Blutdruck der Probanden zu untersuchen. Im Hinblick auf zukünftige Studien wurde in einer Pilotstudie geprüft, ob Videotelefonate via Skype ein geeignetes neues Erhebungsinstrument sind. Methoden: 628 Kinder (Alter: 8-12 Jahre; Teilnahmebereitschaft: 61%), 632 Jugendliche (Alter: 13-17 Jahre; Teilnahmebereitschaft: 58%) und 482 Erwachsene (Alter: 18-65 Jahre; Teilnahmebereitschaft: 40%) aus vier bayerischen Städten nahmen an einer 24-stündigen Dosimetermessung zur objektiven Erfassung der individuellen Lärmexposition teil. Mittels logistischer Regressionsmodelle wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen Lärmexposition und Hypertonie berechnet. Für die Pilotstudie zur Testung von Skype wurden 300 junge Erwachsene (Alter: 18-24 Jahre; Teilnahmebereitschaft 19%) aus Landsberg am Lech randomisiert zu einem Interview per Skype oder per Telefon eingeladen. Die Teilnahmebereitschaft und Dauer der Interviews wurde zwischen beiden Methoden verglichen. Ergebnisse: Es zeigte sich eine sehr hohe Lärmexposition in allen Altersgruppen mit mittleren Schallpegeln am Tag von 80,0 dB(A) (Standardabweichung 5,8 dB(A)) bei den Kindern, 76,0 dB(A) (6,2 dB(A)) bei den Jugendlichen und 72,1 dB(A) (6,1 dB(A)) bei den Erwachsenen. Bei den Jugendlichen und Erwachsenen ergab sich zudem ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der nächtlichen Lärmexposition und Hypertonie (Odds Ratio=1,49; 95% Konfidenzintervall=1,04-2,13). Im Rahmen der Pilotstudie nahmen statistisch signifikant weniger Probanden an einem Skype-Interview (10%) als an einem Telefon-Interview (22%) teil (pChi2
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 13/19
Atherosklerotische Krankheitsbilder, insbesondere die koronare Herzerkrankung und der akute Myokardinfarkt sind die häufigsten Todesursachen in Deutschland. Dementsprechend häufig sind diese der Grund für die Alarmierung eines Notarztes. Bisher konnten einige Risikofaktoren für das Auftreten atherosklerotischer Veränderungen identifiziert werden (z. B. arterieller Hypertonus, Nikotinabusus, Diabetes mellitus). Diese etablierten Risikofaktoren werden aber nur bei 30-50% der kardiovaskulären Erkrankungen nachgewiesen (113). In den letzten Jahren wurden vermehrt Untersuchungen zum Einfluss der Blutviskosität auf die Pathophysiologie der Atherosklerose durchgeführt. Diese zeigten Veränderungen der rheologischen Eigenschaften des Blutes bei koronarer Herzerkrankung, peripherer arterieller Verschlusserkrankung und arteriellem Hypertonus. Die Blutviskosität stellt die visköse Komponente des peripheren Gesamtwiderstandes dar. Ihr Einfluss auf die Perfusion in diversen Bereichen des Gefäßsystems mit niedrigen Scherraten, z.B. den Koronarien, gewinnt an Bedeutung, wenn die vasomotorische Autoregulation limitiert ist, wie beispielsweise bei der koronaren Herzerkrankung. Um diese lokale Hyperviskosität zu kompensieren ist eine Steigerung des Blutflusses nur schwerlich oder gar nicht möglich. Im Bereich subtotaler Stenosen kann so eine Erhöhung der Blutviskosität potentiell einen rheologischen Verschluss des Blutgefässes auslösen. Pectanginöse Beschwerden sind die Folge. Im akuten Stadium eines pectanginösen Anfalls oder eines Myokardinfarkts wurde die Blutviskosität bisher jedoch noch nicht bestimmt. Deswegen führten wir eine prospektive präklinische Observationsstudie im Notarztdienst durch, um die Rolle der Blutviskosität, die mit einem neuartigen Kapillarviskosimeter (Rheolog®) bestimmt wurde, in der Initialphase eines akuten Koronarsyndroms näher untersuchen zu können. Hierbei wurden 113 Notfallpatienten in die Studie eingeschlossen. Bei 33 der Patienten wurde ein akutes Koronarsyndrom gemäß der Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Kardiologie diagnostiziert (91; 92). 60 Notfallpatienten dienten als Kontrollkollektiv. 20 Patienten, deren akute Erkrankungen mit rheologischen Störungen einhergehen, eigneten sich nicht für das Kontrollkollektiv. Sie wurden jedoch in die Multivarianzanalyse der Studie einbezogen, um keine Vorselektion der Studiendaten vorzunehmen. Wir konnten zeigen, dass Patienten in der Initialphase eines akuten Koronarsyndroms ein verändertes Viskositätsprofil aufweisen. Bei allen untersuchten Scherraten konnten im Vergleich zur Kontrollgruppe von Notfallpatienten tendenziell erhöhte mittlere Viskositätswerte festgestellt werden. Das Signifikanzniveau wurde hierbei jedoch nicht erreicht. Die Mediane der Viskositätswerte bei einer Scherrate von 100 s-1 lagen bei den Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom mit 5,3 mPa.s [4,8-6,5] höher als bei der Kontrollgruppe mit 4,9 mPa.s [4,2-5,79] (p= 0,059). Die Prävalenz der kardiovaskulären Risikofaktoren arterieller Hypertonus (79% vs. 40%; p
Tierärztliche Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 05/07
Der Einfluss von Vitamin E und Selen auf Eutergesundheit und Qualität der Milch wurden mit Hilfe einer Meta-Analyse geprüft. Die Literaturrecherche erfolgte nach den Richtlinien von PETERS et al. (2006) und KUNZ et al. (2009), wonach zunächst eine breit angelegte Schlagwortrecherche dem Auffinden potenziell relevanter Literaturstellen (n = 1843) diente. Nach Durchsicht der Abstracts und Titel wurden 1664 Literaturstellen verworfen, von den restlichen 179 Literaturstellen die Volltexte beschafft und beurteilt. 22 Studien konnten in den systematischen Review aufgenommen werden, wo sie von vier Gutachtern (zwei Agrarwissenschaftler, zwei Veterinärmediziner) nach einer eigens entwickelten Checkliste bewertet wurden. Es fanden 19 Studien Eingang in die Meta-Analyse, die mit dem Statistikprogramm „R“ (Version 2.9.1), Package „meta“ (Version 0.9-19) nach vorangegangener Datenaufbereitung, durchgeführt wurde. Es wurde mit einem Konfidenzintervall von 95 %, dem relativen Risiko (Mastitis), den Mittelwerten (Milchzellzahl, Milchleistung, Oxidationsstabilität) und der inversen Varianz Methode gerechnet. Die durchgeführte Meta-Analyse zeigt, dass mit einer Supplementationsmenge von ≥ 1000 IU Vitamin E und ≥ 3,6 mg Selen pro Tier und Tag das durchschnittliche relative Mastitisrisiko im 1. Laktationsdrittel um 34 % gesenkt werden kann. Der Einfluss von Selen ist stärker als jener von Vitamin E (-40 % vs -30 %). Der Effekt von all-rac-Tocopherol ist mit einer durchschnittlichen Mastitisrisikoreduktion um 53 % hoch, aber im Gegensatz zu dl-Tocopherolacetat (-26 %) nicht signifikant unterschiedlich. Die intramuskuläre Applikation von Vitamin E und Selen ist der subkutanen oder oralen Supplementation überlegen (-35 % vs -29%). Durch die Supplementation von ≥ 1000 IU Vitamin E und ≥ 3,0 mg Selen wird eine signifikante durchschnittliche Milchzellzahlreduktion im 1. Laktationsdrittel um -23 000 Zellen je ml Milch erreicht. Auch hier dominiert der Einfluss von Selen über den von Vitamin E (-23 700 vs -7 500 Zellen je ml Milch). Das weite Konfidenzintervall des Effekts von organischem Selen auf die Milchzellzahl (von -37 000 bis +23 000 Zellen je ml Milch) lässt jedoch nur eine vorsichtige Interpretation des Effekts von Selen auf den Milchzellzahlgehalt zu. Durch die orale Supplementation von Vitamin E und Selen kann eine deutlich höhere durchschnittliche Milchzellzahlreduktion erreicht werden als durch intramuskulärer Supplementation. Mit einer Supplementationsmenge von ≥ 1000 IU Vitamin E und ≥ 3,6 mg Selen pro Tier und Tag erhöht sich die durchschnittliche Milchleistung im 1. Laktationsdrittel signifikant (+0,96 kg Milch). Der Einfluss von Selen ist marginal (+ 0,4 kg Milch pro Tier und Tag), während der von Vitamin E (+ 6,5 kg Milch pro Tier und Tag) außerordentlich hoch ist. Ebenfalls gering sind die Unterschiede zwischen oraler (+0,8 kg Milch pro Tier und Tag) und intramuskulärer Supplementation (+0,6 kg Milch pro Tier und Tag). Deutlich höher hingegen war der 81 Unterschied zwischen den Effekten von organischem (+0,04 kg Milch pro Tier und Tag) und anorganischem Selen (+0,8 kg Milch pro Tier und Tag) auf die Milchleistung. Die Oxidationsstabilität der Milch kann durch die Supplementation von ≥ 400 IU Vitamin E signifikant verbessert werden (- 1,96 TBA Einheiten). Vor allem die Zulage von dl-Tocopherol wirkt sich positiv auf die Membranstabilität der Milchfette aus (- 3,36 TBA Einheiten), während der signifikante Einfluss von all-rac-Tocopherol verhältnismäßig klein ist (- 1,90 TBA Einheiten). Der Geschmack der Milch wird durch die Supplementation von Vitamin E und Selen nicht signifikant beeinflusst. Durch die kombinierte Supplementation von Vitamin E und Selen in der Trockenstehphase und in den ersten vier Wochen p. p. kann in Selenmangelregionen eine Verbesserung der Eutergesundheit von Milchkühen erreicht werden.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 10/19
Die Diagnose Pankreaskarzinom stellt für den (Viszeral -) Chirurgen eine Aufgabe mit hohen Anforderungen dar. Bei einer Vielzahl chirurgischer Techniken und Verfahren, sowohl für die klassische partielle Pankreatoduodenektomie nach Kausch – Whipple, als auch für die pyloruserhaltende Whipple-Operation, ergibt sich für den Operateur die Frage nach dem bestmöglichen Anastomosenverfahren, besonders im Hinblick auf die immer noch hohen postoperativen Komplikationsraten. Das Ziel der vorliegenden retrospektiven klinischen Kohortenstudie bestand darin, inwieweit die Anastomosentechnik einen Einfluss auf die peri- und postoperative Morbidität und Mortalität bei Pankreaskopfresektion hat. Die klassische Pankreatikojejunostomie (KA) nach Warren/Cattell wurde mit der Anastomosentechnik nach Blumgart bei allen klassischen oder pyloruserhaltenden Operationen nach Whipple hinsichtlich der postoperativen Komplikationen (chirurgische und internistische), OP – Zeit und Blutverlust, postoperativer Krankenhausaufenthalt und -letalität in zwei verschiedenen Patientenkohorten untersucht. Vom 01.01.1998 bis 31.12.2002 (n=90, m=53, w=37) wurde für die Pankreasanastomose ausschließlich die klassische Pankreatikojejunostomie mit kompletter Einnaht des Pankreas in die hochgezogene Jejunalschlinge unter Mitfassen des Pankreasganges durchgeführt. Vom 01.01.2003 bis 31.03.2005 (n=92, m=52, w=40) wurde dagegen die Anastomosentechnik nach Blumgart (4 transpankreatische Nähte, Pankreatikojejunostomie über eine punktförmige Inzision der Jejunalschlinge) bevorzugt. Die Altersverteilung (KA = 67 (23-82) Jahre, Blumgart = 65 (21-78) Jahre), die Häufigkeit der präoperativen Interventionen, der präoperative Laborstatus, sowie der Anteil maligner und benigner Erkrankungen war in beiden Gruppen vergleichbar. Der Patientenanteil mit Vorerkrankungen (kardiopulmonal, DM Typ II) und Voroperationen im OP – Gebiet war in der Blumgart – Gruppe höher. Das perioperative Management erfolgte nach demselben standard operating procedure. Die univariate Datenanalyse ergab eine höhere Krankenhausletalität nach klassischer Pankreatikojejunostomie im Vergleich zur Blumgartanastomose (KA=10% vs. Blumgart=4,3%, p=0.14), die insgesamte Insuffizienzrate war signifikant höher (KA=23,3% vs. Blumgart=11,9%, p
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 06/19
103 Patienten mit Morbus Crohn und 120 Patienten mit Colitis ulcerosa wurden in die retrospektive Erhebung eingeschlossen. Es wurden folgende Parameter erfasst: Verteilung der Erkrankung auf die Geschlechter, Befallsmuster, Symptomatik und extraintestinale Manifestationen, Zahl der Patienten die unter Purinanaloga in Remission gelangten, Dauer der Remission und der Behandlung mit Purinanaloga, Zahl der Rezidive unter Therapie Nebenwirkungen der Therapie und Comedikation (Glukokortikosteroide und 5-ASA). Bei Patienten mit Morbus Crohn konnte in 31% der Fälle eine Remissionsinduktion mit Azathioprin erreicht werden. Die selbe Ansprechrate zeigte sich auch bei Patienten mit Colitis ulcerosa. Diese niedrige Ansprechrate ist wahrscheinlich auf die in der vorliegenden Arbeit zu niedrige Dosierung von Azathioprin (1,6 mg/kg/Tag) bzw. auf die sehr strenge Definition von Remission zurückzuführen (kein Bedarf an Steroiden für mindestens 3 Monate wobei 5-ASA gelegentlich genommen wurde). Verschiedene Studien (96,97,123,124) konnten einen guten Effekt von Azathioprin in der Remissionserhaltung sowohl bei Morbus Crohn, als auch bei Colitis ulcerosa zeigen. Die Patienten mit Morbus Crohn konnten in dieser Studie zu 64% dauerhaft in Remission gehalten werden. Bei Colitis ulcerosa waren es 62%. Die Therapiedauer wird für einen Mindestzeitraum von 3-5 Jahren empfohlen. Die Wertigkeit einer im unteren Normbereich liegenden Leukozytenzahl wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Patienten mit Morbus Crohn, die unter Purinanaloga in Remission gelangten, wiesen im Vergleich zu Patienten, die nicht in Remission gelangten, signifikant niedrigere Leukozyten/µl auf. Der p-Wert betrug 0,004 bei einem 95%- Konfidenzintervall von 1272 bis 5863 (siehe Punkt 4.1.2.2.). Eine erniedrigte Leukozytenzahl/µl wurde auch bei Patienten mit Colitis ulcerosa gefunden (siehe Punkt 4.2.2.2.). Möglicherweise stellt die Beobachtung der Leukozytenzahl ein praktikables Verfahren zur optimalen Dosierung von Purinanaloga dar. Die Dosis sollte soweit erhöht werden, bis ein Wert für Leukozyten im unteren Normbereich erreicht ist. Eine Leukopenie ist dabei nicht anzustreben. Es gilt als gesichert, dass unter Azathioprintherapie Glukokortikosteroide eingespart werden können. Die Steroiddosis konnte in dieser Arbeit bei Morbus Crohn und bei Colitis ulcerosa unter Azathioprintherapie signifikant gesenkt werden (p=0,004 respektive 0,000...).
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 05/19
Diese retrospektive Arbeit untersucht die Sensitivität, Spezifität und Genauigkeit der Multi-Detektor-Computer-Tomographie (MDCT), für die Entdeckung und Lokalisation von tumorösen Veränderungen des Harntrakts. Material und Methoden: Native MDCT-Aufnahmen und MDCT-Aufnahmen mit Kontrastmittel (nephrographische Phase und CT-Urographie) der Nieren und des Harntrakts wurden für 27 Patienten (14 Patienten mit einem Urothelkarzinom (UC) in der Vorgeschichte und dem Verdacht auf ein Tumorrezidiv und 13 Patienten mit schmerzloser Makrohämaturie) in axialer und koronarer Ebene rekonstruiert (Alter der Patienten 72 ± 11 Jahre, 22 männlich, 5 weiblich). Die MDCT-Aufnahmen wurden von einem Facharzt für Radiologie (Untersucher 1) und einer Weiterbildungsassistentin für Urologie im letzten Ausbildungsjahr (Untersucher 2), unabhängig von einander, auf das Vorliegen einer tumorösen Veränderung hin untersucht. Der Harntrakt wurde in 17 Segmente unterteilt (rechts und links, obere, mittlere und untere Kelchgruppe, Nierenbecken, Infundibulum, oberer, mittlerer und unterer Ureter, sowie die Harnblase). Die Ergebnisse der Befundung der MDCT-Aufnahmen wurden entweder mit dem pathologischen Befund aus Operationspräparaten oder anderen invasiven Untersuchungen, sowie bildgebender Nachuntersuchungen für ein Jahr einschließlich MDCT, intravenöser Urographie und Cystographie oder Cystoskopie verglichen. Ergebnisse: Von 27 Patienten hatten 18 ein UC (TNM 2002 pTa, n=3, pT1– pT3, n = 15), bei neun Patienten konnte kein Tumor nachgewiesen werden. Beide, Untersucher 1 und Untersucher 2, erkannten einen Tumor bei 17 Patienten (Sensitivität 94 %, 95%-Konfidenzintervall 84 - 100%) und schlossen ihn bei 7 Patienten (Spezifität 78 %, 95%-Konfidenzintervall 51 – 100 %) aus und entdeckten 10 Tumore von 11 des oberen Harntrakts. Auf die einzelnen Segmente des Harntrakts bezogen ergab sich für Untersucher 1 eine Sensitivität von 78% (95%-Konfidenzintervall 66 - 90%) und eine Spezifität von 96% (95%-Konfidenzintervall 94 – 98%) Für Untersucher 2 ergab sich auf die einzelnen Segmente des Harntrakts bezogen eine Sensitivität von 57% (95%-Konfidenzintervall 42 – 71%) und eine Spezifität von 98% (95%-Konfidenzintervall 97 – 100%) Für die 35 Segmente mit und die 308 Segmente ohne UC ergab die ROC-Analyse bei Betrachtung alles MDCT-Phasen für Untersucher 1 eine Genauigkeit (aerea under the curve) von 0,910 ± 0.035 (95%- Konfidenzintervall 0,842 - 0,979) und für Untersucher 2 eine Genauigkeit von 0,749 ± 0,055 (95%-Konfidenzintervall 0,642 - 0,857). Schlussfolgerung: Mit der MDCT ist es möglich Tumore des oberen Harntrakts mit hoher Sensitivität und guter Spezifität zu entdecken. Die hohe Übereinstimmung der beiden Untersucher (Untersucher 1 und Untersucher 2) mit jeweils unterschiedlichem Ausbildungsstand legt nahe, dass die Tumore sowohl von entsprechen vorgebildeten Radiologen als auch von Urologen erkannt werden können.
Tierärztliche Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 02/07
Zur Schätzung der Prävalenz der felinen Hyperthyreose wurde eine überwachende epidemiologische Untersuchung unter Praxisbedingungen durchgeführt. Hierzu wurde eine Stichprobe zur Erhebung anamnestischer Daten, einer klinischen Untersuchung und eine Screening-Blutuntersuchung bei Katzen mit einem Mindestalter von acht Jahren veranlaßt. Innerhalb von sechs Monaten sind auf diese Weise n = 105 Katzen in dieser Stichprobe untersucht worden. Bei der Auswertung der Stichprobe konnte die Prävalenz der felinen Hyperthyreose für mindestens acht Jahre alte Katzen mit 11,4 % geschätzt werden. Die hier diagnostizierten hyperthyreoten Katzen hatten ein Mindestalter von 13 Jahren, was die Bedeutung der felinen Hyperthyreose als im Alter vorkommendes Syndrom belegt. Mit der Eingrenzung der Zielgruppe auf ein Mindestalter von 13 Jahren steigt die geschätzte Prävalenz der felinen Hyperthyreose für die Studienpopulation auf 25 % mit einem 0,95-Konfidenzintervall von 13 bis 37 %. Beim Vergleich der weitverbreiteten und typischen Endokrinopathie älterer Katzen, dem Diabetes mellitus, mit der felinen Hyperthyreose wird deutlich, dass in vergleichbaren Populationen für den Diabetes mellitus mit einer niedrigeren Prävalenz als für die feline Hyperthyreose zu rechnen ist. In der Diagnostik der felinen Hyperthyreose spielt neben der klinischen Untersuchung die Bestimmung der Gesamtthyroxinkonzentration im Serum die zentrale Rolle. Die zusätzliche Bestimmung der Konzentration des freien Thyroxins mit einem Enzym-Immuno-Assay ist aufgrund der hier festgestellten starken Korrelation von freiem und Gesamtthyroxin nicht notwendig. Mit dieser Untersuchung konnte gezeigt werden, dass im Rahmen einer Screeninguntersuchung die Bestimmung der Enzymaktivitäten der Alkalischen Phosphatase und der ALT sensitive Parameter für das Vorliegen einer Hyperthyreose sind, die jedoch durch eine spezielle Schilddrüsendiagnostik ergänzt werden muß. Im Zusammenhang mit dieser Untersuchung wurde anhand der Daten von n = 740 toten Katzen aus der Klientel der Praxis die Lebenserwartung geschätzt, wobei bestätigt werden konnte, dass die mittlere Lebenserwartung von Katzen eine steigende Tendenz aufweist.
Tierärztliche Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 02/07
Die Prävalenz von Antikörpern gegen Leptospiren wurde bei 3463 Seren aus 1213 zufällig gewählten bayerischen Milchvieh- und Mutterkuhherden bestimmt. Zirka drei Blutproben je Herde von Rindern im Alter von 6 Monaten bis ca. 2 Jahre wurden mittels MAR (mikroskopische Agglutinationsreaktion) gegen sechs Serovare untersucht. Die Prävalenz von Seren mit Titern von ≥ 1:100 lag für die Serovare hardjo bei 1,04 %, canicola bei 0,09 %, grippotyphosa bei 0,75 %, icterohaemorrhagiae bei 0,26 %, pomona bei 0,00 % und für Serovar bratislava bei 0,14 %. Auf Herdenbasis wurde Serovar hardjo wegen des enzootischen Charakters der Hardjo-Infektion getrennt betrachtet. Basierend auf der Hypothese, dass drei seronegative Proben aus einer Herde eine enzootische Infektion nahezu ausschließen, wurde die Prävalenz von Hardjo-Verdachtsherden mit 1,48 % (18 von 1213 Herden) berechnet. Die 18 Betriebe wurden alle in Südbayern entlang der Alpen gefunden. In dieser Region liegt die Herdenprävalenz bei 5,86 % bei einem Konfidenzintervall von 4,10 %-8,56 % (Binomialverteilung, Vertrauensbereich 95 %). Für die übrigen Serovare war keine regionale Anhäufung zu erkennen. Bei 1,98 % der Herden (Konfidenzintervall 1,45 %-2,76 %) war mindestens eine der drei Proben seropositiv. Zum Zeitpunkt der Blutentnahme wurden die Landwirte zu aktuellen und früheren klinischen Erkrankungen, Leistungsdaten (Milchertrag, Reproduktion) und epidemiologischen Daten befragt. In Herden mit Verdacht auf L.-Hardjo-Infektionen bzw. Infektionen mit anderen Serovaren im Vergleich zu Herden ohne Reagenten war kein signifikanter Unterschied bezüglich aktueller oder zurückliegender Anhäufung von klinischen Erkrankungen mit einem Verdacht auf Leptospirose gefunden worden. Auch war bei den Reproduktionsdaten und bei der Milchleistung kein signifikant negativer Effekt erkennbar. Bei den Herden mit Reagenten gegen Serovar hardjo wurde die Abgabe von Pensionsvieh höchst signifikant öfter praktiziert als bei den übrigen Herden (p < 1,95-14, Fisher´s Exact Test). Dieses Merkmal ist auch abhängig von der Region, da die Sammelweiden im Alpenbereich sehr weit verbreitet sind. Abortfrüchte (N = 154), die von Hoftierärzten zur Diagnostik eingesandt wurden, wurden mittels Leptospira-spezifischer Real-time-PCR untersucht. Als Probe wurde Labmageninhalt verwendet. Bei einem Fetus konnte Leptospira-interrogans-spezifische DNS nachgewiesen werden. Die Anzucht der Leptospiren aus dem Labmageninhalt gelang nicht. Begleitende Seren von Kühen mit Fehlgeburt und Seren von anderen Rindern des Bestandes wurden aus 47 Betrieben zusätzlich zur Abortfrucht eingesandt. Bei 7 (15 %) Betrieben wurden Serovar-hardjo-spezifische Antikörper (MAR 1:200–1:3200) diagnostiziert.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/19
Das Hyper-IgE-Syndrom (HIES) ist ein seltener primärer Immundefekt, charakterisiert durch die klinische Trias: chronisches Ekzem mit einem Gesamt-IgE über 2000 IU/ml im Serum, rezidivierende Infektionen (insbesondere Abszesse, Infektionen des Respirationstraktes wie Pneumonien mit Pneumatozelenbildung und Candidainfektionen) und skelettbezogene Symptome (vergröberte Gesichtszüge, Milchzahnpersistenz, Skoliose, Spontanfrakturen und Überstreckbarkeit der Gelenke). Durch das Auftreten von skelettbezogenen Symptomen neben der klassischen immunologischen Trias (rezidivierende Abszesse, rezidivierende Pneumonien und erhöhtes Gesamt-IgE) wird das HIES nach Grimbacher et al. heute als Multisystemerkrankung bezeichnet (Grimbacher et al. 1999a). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind Ätiologie und Pathogenese noch unbekannt, so dass Definition und Diagnosestellung nur anhand klinischer Parameter zu stellen sind. Ziel einer Kooperation mit einer Arbeitsgruppe der National Institutes of Health (NIH) in Bethesda, USA, war es einen molekulargenetischer Nachweis eines Gendefektes zu finden. In dieser Arbeit wurden 68 Patienten mit Anfangsverdacht auf ein HIES analysiert. Bei 13 Patienten konnte ein HIES diagnostiziert werden. Bei 12 dieser Patienten fand sich ausnahmslos ein chronisches Ekzem (bei 75% bereits vor der vierten Lebenswoche manifest), Staphylokokken-Abszesse der Haut (bei 83% auch Organabszesse), rezidivierende Infektionen des HNO-Bereiches, eine Candidose der Mundschleimhaut sowie der Finger- und Fußnägel, ein Gesamt-IgE über 2000 IU/ml und einer Vergröberung der Gesichtszüge (HIES-typische Fazies). Bei 11 von 12 Patienten traten rezidivierende Pneumonien auf, die in 25% mit einer Pneumatozelenbildung einhergingen. Bei der Hälfte der HIES-Patienten fand sich eine IgD-Erhöhung über 100 IU/ml. 50% der Patienten hatten Spontanfrakturen, 67% eine Überstreckbarkeit der Gelenke und 60% der über sechzehnjährigen eine Skoliose. Eine Milchzahnpersistenz, ein erstmals von Grimbacher et al. beschriebener Befund, konnte mit einem Auftreten bei 73% unserer über sechsjährigen Patienten bestätigt werden (Grimbacher et al. 1999a). Der Vergleich von anthropometrischen Daten des Gesichtes mit Standardwerten der Literatur (Farkas LG 1994) ergab signifikant erhöhte Mittelwerte für die Nasenflügelbreite (z-Score=4), den äußeren (z-Score=6) und inneren Augenabstand (z- Score=2) und Normwerte für den Kopfumfang. Ein Patient hatte eine Craniosynostose. Zusätzlich traten bei jeweils einem weiteren Patienten eine zweifache Non-Hodgkin- Lymphom-Erkrankung (T- und B-Zelltyp), ein juveniler arterieller Hypertonus, eine beidseitig operationsbedürftige Katarakt, eine Echinococcus alveolaris-Infektion der Leber und eine Hämophilie A auf. Familiarität könnte bei diesen 12 Patienten nicht beobachtet werden. Eine vergleichbare infektions-immunologische Symptomatik (Ekzem, rezidivierende Infektionen der Haut und des Respirationstraktes und erhöhtes IgE) wie Patienten mit klassischem HIES zeigten 5 Patienten aus 5 konsanguinen Familien türkischer Abstammung. Abgesehen von einer milden Überstreckbarkeit der Gelenke bei einer Patientin konnten keine weiteren zahn- und skelettbezogenen Symptome festgestellt werden. Zusätzlich fanden sich bei diesen Patienten eine extreme Eosinophilie (bis 16000 Eosinophile per µl; vgl. Abb. 14), ungewöhnlich starker Molluscum contagiosum Befall und cerebrale Gefäß- und Blutungsprobleme, die zu einer hohen Letalität führten. Retrospektiv konnte in 4 der Familien ein weiteres bereits verstorbenes Geschwisterkind mit HIES diagnostiziert werden. Aufgrund von Konsanguinität und familiärem Auftreten der Symptome in einer Generation wird bei diesen Familien ein autosomalrezessiver Erbgang vermutet. Dieses Krankheitsbild ist bisher nicht in der Literatur erwähnt und soll als autosomal rezessive Variante der HIES beschrieben werden. Mit diesen Familien wird aktuell eine Genom-weite Kopplungsanalyse durchgeführt. Sieben weitere Patienten zeigten durch eine geringere Ausprägung der Symptome eine milde Unterform des klassischen HIES. Differentialdiagnostisch ist eine andere Grunderkrankung wie z.B. eine schwere atopische Dermatitis nicht völlig auszuschließen. Aufgrund der klinischen Einschätzung wurden die 68 Patienten mit Anfangsverdacht auf ein HIES in vier Diagnosegruppen eingeteilt: „klinisch-gesichert HIES“, „HIESVariante“, „Verdacht auf HIES“, „kein HIES“. Wesentliche differentialdiagnostische Kriterien waren hierbei: Ekzemmanifestation vor der 6. Lebenswoche, infiltrierende Abszesse (Organabszesse), Nagelcandidose, Spontanfrakturen, Überstreckbarkeit der Gelenke und, als besonders spezifisches Merkmal, die Milchzahnpersistenz. Ein wichtiges weiteres Charakteristikum ist die HIES-typische Fazies, die nur bei den von uns persönlich gesehenen Patienten ausgewertet werden konnte. Der Vergleich der Mittelwerte für das Gesamt-IgE (95%-Konfidenzintervall) ergab keinen signifikanten Unterschied der verschiedenen Diagnosegruppen untereinander, so dass die Höhe des Gesamt-IgE zwar für HIES meist über 2000 IU/ml liegt, aber nicht als spezifisch für diese Erkrankung anzusehen ist. Diese klinischen Diagnosegruppen wurden mit dem Ergebnis eines Algorithmus, der zur Veranschaulichung des Entscheidungsprozesses bezüglich des HIES entwickelt wurde und in sechs Stufen Symptome bzw. Symptomenkomplexe des HIES auf ihr Vorhandensein getestet, verglichen. Ein vom NIH entwickeltes Scoresystem wurde auf seine Aussagefähigkeit zur Diagnosestellung überprüft (vgl. Tab. 3). Es ergab sich daraus, dass bei einem Scorewert von über 40 Punkten mit großer Wahrscheinlichkeit ein HIES vorliegt und bei einem Wert unter 20 Punkten die Diagnose verworfen werden konnte. Das NIH-Scoresystem und der Algorithmus ließen somit eine Aufspaltung zwischen den Patienten mit klinisch-gesichertem HIES und keinem HIES zu. Aus unserer klinischen Studie konnten somit konkrete Entscheidungshilfen zur Diagnosestellung gegeben werden, die es ermöglichen, das HIES früher zu erkennen, um so Lebensqualität und Prognose dieser chronischen Krankheit durch frühzeitige intensive antimykotische-antibiotische Therapie und Abszessspaltung weiter zu verbessern und assoziierte Merkmale (Milchzahnpersistenz, pathologische Frakturen, Skoliose und Lymphome) in die Therapie bzw. Prophylaxe einzubeziehen. Es wird vermutet, dass das klassische HIES einem monogenen, autosomal-dominanten Erbgang mit variabler Expressivität folgt. Mittels Linkage-Studie konnte ein signifikanter LOD score in der Region 4q21 bestimmt werden (Grimbacher et al. 1999b). Die Suche nach dem Gendefekt für das HIES ist bisher noch nicht abgeschlossen. Kopplungsanalysen von familiärem HIES am NIH und unsere klinische Studie legen nahe, dass es nicht nur unterschiedliche Phänotypen des HIES gibt, sondern auch unterschiedliche Gendefekte anzunehmen sind (Grimbacher 1999b). Sollte für das HIES ein Gendefekt nachgewiesen werden, so bestünde die Hoffnung, über die daraus resultierende biologische Störung (z.B. Proteindefekt) entscheidende Erkenntnisse zur Ätiologie und Pathogenese des HIES zu erlangen. Davon hängt schließlich die Möglichkeit einer kausalen Therapie, eventuell einer somatischen Gentherapie, ab, aber ebenso die genetische Beratung betroffener Familien und vielleicht auch Erkenntnisse für Erkrankungen des atopischen Formenkreises.