Ein Hörbuch ist ein Buch, das seine Potenziale verschenkt. Denn erst beim darüber Sprechen wird einem klar, worüber man eigentlich schreiben wollte. Daher drehen wir es hier um. Erst das Gespräch, dann das Buch. Seid dabei, seid ihr ohnehin, in der “Rentnerrepublik”.
Tja, vorgestern noch Party mit Elizabeth Warren, gestern Arrangement mit Bernie Sanders, heute Pflichtprogramm mit Joe Biden. Ich schaue kurz in den Super Tuesday und nach Texas, wo sich beispielhaft aufzeigen lässt, wie Demographie und Demokratie inzwischen überkreuz liegen und einfaches Aufsummieren zu Ergebnissen, aber nicht unbedingt zu Lösungen führt. Aber was sind eigentlich die Probleme? Erschreckenderweise ist es mal wieder Stephen Bannon der sie kennt, bennent und eventuell in Wahlkampf umsetzt.
Was sich mit Geld nicht kaufen lässt, erledigen Freunde. Und was die Gesellschaft nicht leisten kann, bietet die Familie. So verständlich, so problemtatisch in Deutschland. Wenn die erste Miete gleich zwei Gehälter verschlingt und die Betreuung der Kinder ungelöst bleibt, muss eine Familie ziemlich viel leisten. Kinderwunsch und Sicherheitsbedürfnis heißt dann: Der Mann rackert, die Frau steckt zurück. Ist das eine Retraditionalisierung, wie Familienministerin Franziska Giffey verwundert anmerkt, oder wird hier die kommende Rentnerrepublik organisiert? Ich schaue in die Pressekonferenz der neuen Shell-Jugendstudie. Sie ermöglicht einen Blick ins Missverhältnis von Demografie und Demokratie und zeigt erschreckend ratlose Forscher und Politiker.
Youtube bringt die einen durchs Abitur und lehrt die anderen Terror. Die einen nutzen es für Yoga und Meditation, die anderen brauchen es für ihre Spektakel. Zwei Milliarden Menschen nutzen es, aber jeder nur für sich. An zehn Stunden Bildschirmzeit pro Tag hat Youtube als Videomonopolist der kommenden Gesellschaft einen gehörigen Anteil, und die kommende Gesellschaft ist jetzt gerade. Darüber spreche ich mit Wolfgang M. Schmitt in Sinzig vor Publikum. Wir danken der Ahrtkomm in Sinzig für die Einladung, es war ein sehr guter Abend.
Es fehlen Lehrer, und zwar zunehmend mehr, da künftig wieder mit 100.000+ mehr Kindern pro Jahrgang gerechnet wird als in den vergangenen Jahrzehnten. Das ist kein großes Problem, da sich der Lehrerbedarf einfach ausrechnen lässt und die Attraktion des Berufs hoch ist. Ok soweit. Nun steht das Lehramt als sozialer Beruf allerdings in Konkurrenz zur Altenpflege. Denn das Erwerbspersonenpotenzial ist klein - Deutschland erlebt nicht nur einen Rekordwert an Rentnertn und eine neue Kinderflut, sondern dazwischen liegt ein demografisches Tal mit eine Knappheit an Berufstätigen. Nachwuchskräfte, die gerne mit Menschen arbeiten, werden sich fragen, ob sie lieber mit Kindern oder mit Senioren ihre Berufslaufbahn verbringen möchten. Und politisch setzt der Ökonom Raj Chetty noch einen drauf: Investitionen in Kinder zahlen sich häufig von selbst. Die Alten dagegen kosten.
Wie man das Klima rettet? Präsidentenwahl gewinnen -> an den Resolute Desk im Oval Office setzen und per Executive Order alle Ölbohrungen im Meer verbieten -> zum Bureau of Economic Analysis gehen und die Entwicklung einer Alternative zur BIP-Kennziffer in Auftrag geben -> jedem Bürger 1000 Dollar geben, damit diese den Kopf für große Probleme frei haben -> noch 100 Democracy Dollar hinterhergeben, die jeder selbst an NGO & CO verteilt, um dem Lobbybusiness der Konzerne was gegenüberzustellen -> Klimaschutz neben den Waffenschutz in die Verfassung aufnehmen -> Paris-Abkommen um Handlungspflichten ergänzen -> Freihandelsverträge um Klimakapitel erweitern -> Vertrauen in den Staat stärken, so dass Klima- und Umsiedlungsprogramme nicht gegen den Bürger, sondern mit ihm gestaltet werden. Wiederwählen lassen. Die CNN-Debatte zum Klima war langweilig, bis auf eine Ausnahme. Andrew Yang war eine Sensation!
Es wird gewählt. Aber niemand weiß wirklich, was zu entscheiden ist und es wird auch keinen Unterschied machen, wer letztlich regiert. So ist es zumindest im deutschen Osten, wo zuweilen acht Mal weniger Menschen pro Quadratmeter (MeckPom) leben als im Westen (NRW). In Amerika steht dagegen Andrew Yang auf der Bühne und redet plötzlich über soziale Wahrheiten des Landes, statt über psychologische Unzulänglichkeiten des Präsidenten. Das könnte einen Unterschied machen. Welchen? Das erklärt Yuval Harari in einem Talk bei Google auf der Bühne. Der Historiker kümmert sich nicht um die Vergangenheit, sondern um die Wandel - und damit meint er das liebste Forschungsgebiet des Silicon Valley, die Zukunft. Und er nutzt die Chancen, Google eins auszuwischen.
Wenn Politiker debattieren, sind die Sätze geschliffen und die Gedanken klar. Aber sogar Polit-Strategen wie David Axelrod sehen ein, dass man so am Kern der Probleme vorbeidiskutiert. Das Outsourcing der Arbeitswelt in die Maschinen und die Diversifizierung der Parlamente macht manchen Menschen so viel Angst, dass sie nur im Amoklauf einen Ausweg sehen. Worüber sollte man eigentlich mal sprechen? Ich gucke heute in die Diskussion von Yuval Noah Harari und Mark Zuckerberg vom April, die immer aktueller wird. Der Philosoph hat dem Praktiker den Knüppel übergezogen und ihm - und uns - ordentlich den Kopf gewaschen.
Donald Trump ist der bisher einzige amerikanische Präsident, der erst mit über 70 Jahren ins Amt kam. Bislang gab es nur zwei Präsidenten, die im Amt überhaupt so alt wurden. Aber bei den Demokraten ist Elizabeth Warren mit 70 die jüngste im derzeitigen Top-3-Bewerberfeld für das Amt. Liegt darin eigentlich ein Problem? Nein, eher im Gegenteil. Im hohen Alter der Kandidaten liegt eine große Chance, sofern die Kandidaten im hohen Alter diesselben politischen Überzeugungen zeigen wie damals, als sie halb so alt waren. Ausgerechnet in diesem Punkt ist Trump der Archetyp des erfolgreichen politischen Überzeugungstäters.
Yuval Harari gilt als der Denker unserer Zeit, ein Historiker, der die Zukunft erforscht. Seine drei aktuellen Bücher über die "kurze Geschichte der Menschheit", die "Geschichte von Morgen" und seine "21 Lektionen für das 21. Jahrhundert" sind allesamt Bestseller. Aber steckt in ihnen mehr als eine homozentrische Meditation, die uns nochmal - vielleicht abschließend - zum Maß der Dinge erklärt? Harari erklärt uns den Dataismus als elektronisches Duplikat unserer biologischen Algorithmen, die fleißig arbeiten und alles bestimmen. Vorm Lesen der Bücher gucken wir uns Harari erstmal im Fernsehen an und fragen uns, wo er die Welt gelassen hat, in der wir leben.
Es waren junge Menschen in den alten Medien. Manche von ihnen haben auf ihrem Kanal mehr Publikum als in den Talkshows, waren dort aber gänzlich unbekannt. Es war eine besondere Woche, ausgelöst von Rezo und U60-Europawählern, aber abrupt beendet von Andrea Nahles. Inzwischen verdrängt das Horse Race in den alten Volksparteien wieder vieles. Aber es bleibt eine Frage: Kann neben dem Klima auch das Soziale wieder politisches Thema werden? Oder anderes: Kommen in der Rentnerrepublik auch die wieder zur Geltung, die diesseits - statt nur jenseits - der eigenen Handlungsmöglichkeit nach politischen Lösungen suchen?
Bei der Europawahl hat die CDU in allen Altersklassen Wähler verloren. Die Grünen haben in allen dazugewonnen. Warum? Weil junge Youtube-Nutzer eine politische Erfahrung gemacht haben, von der sie ihren Eltern erzählten? Auch. Bemerkenswert ist aber vielmehr, wie sehr Rezos Video überhaupt Inhalte in die politischen Diskussionen geholt hat - nicht nur bei Youtube. Menschen fühlen sich von den Nachrichten betroffen und manche entwickeln sogar Angst. Und die Politik zeigt keinen guten Umgang mit dieser Welt, in der wir leben. Desto mehr sie sich ihr inhaltlich stellt, desto weniger trauen wir mancher ihrer Kompetenzdarstellung.
Politik ist Schauspiel, klar. Aber selbst wenn man ihr derzeit auf die Hinterbühne schaut, sieht man nur einen Schurken, Heinz-Christian Strache, der alle strukturellen und politischen Probleme des Rechtspopulismus verdeckt, weil seine Bösewichtigkeit so fasziniert. Journalisten, die an der Aufdeckung des Videos beteiligt waren, sehen ihn politisch rehabilitierbar und handeln ihn schon als möglichen Bürgermeister von Wien. Wie kann das sein? Die Antwort ist bei Game of Thrones zu finden und bei Zeynep Tufekci, die klug erklärt, was psychologisches Storytelling vom vernünftingen Umgang mit Themen unterscheidet. Fictionen oder Fakten, das ist hier schon egal geworden. Es geht um Protagonisten und ihr Psychogramm. Das alte Publikum verlangt nach ihnen und die neuen Medien liefern.
Jungsozialist Kevin Kühnert wird im Sommer 30 Jahre alt. Und doch zählt er zum jüngsten Zehntel der deutschen Wähler, so alt ist unsere Rentnerrepublik. Entsprechend verlaufen die Diskurse, wenn jemand wie er etwas sagt. In der "Zeit" schlug er (sprechend denkend) vor, wieder Wert darauf zu legen, dass nicht egal ist, wer regiert. In einer marktwirtschaftlichen Demokratie kann die Politik Entscheidungen treffen und einen Unterschied machen. Politiker waren erschrocken und erzürnt, SPDler und CDUler kritisieren Kühnerts angeblichen Weg in eine DDR 2.0. Unter Wählern und in der Wissenschaft läuft die Diskussion dagegen anders: Unsere Marktwirtschaft werde missbraucht, sagt DIW-Chef Marcel Fratzscher und Radiohörer jubeln für Kevin Kühnert.
Die Grundsteuerreform steht an. Sie muss dieses Jahr erledigt werden und wird kommende Woche im Bundestag verhandelt. Frage: Ist jeder deutsche Quadratmeter gleich viel wert, oder lässt sich der höhere Bodenwert durch allgemeine Infrasturktur wie Supermärkte und Kindergärten in Fußweite, U-Bahn-Anbindungen zum Hauptbahnhof und Sicherheit durch Polizeistreifen irgendwie steuerlich abbilden? Können sich Eigentümer und Infrastrukturbauer (Kommunen) die Miete als Rendite nicht fairer aufteilen? Hamburg und Bayern sind strikt dagegen. Private Wohnungsbaugesellschaften argumentieren wie die AfD. Die Gründe dafür sind beim Profitkalkül zu suchen, doch da hängt doch noch einiges im Schlepptau. Wir diskutieren es heute vorsichtig an.
Vor 300.000 Jahren wurden die ersten homo sapiens geboren. Seit dem bevölkerten 100 Milliarden von ihnen die Erde. Das bedeutet: Rund 7 Prozent der gesamten Menschheit lebt jetzt gerade. Paul Morland bezeichnet dieses Phänomen eine Menschenwelle, "The Human Tide", die über den Planeten hinwegschwappt und er bietet in seinem Buch Überlegungen an, die Menschheitsgeschichte der vergangenen 300 Jahre mit ihren Kriegen, Ausbeutungen und Verheißungen auch demografisch zu betrachten. Denn Demografie sei ein relevanter Akteur der Geschichte. Wir nehmen dieses Denkangebot an und gehen den roten Faden Demografie punktuell durch. Denn viele Fragen der kommenden deutschen "Rentnerrepublik" werden hier mit globalem Blick behandelt.
Wer sind wir bloß und wenn ja, wie viele? An dieser harten Frage scheiterten bislang alle Regierungen. Haus- und Telefonnummern machten uns zur Person mit Rechten. Aber wehe, man war unterwegs. Die Lücke zwischen dem Passagier und seinem Papier ließ sich nie wirklich schließen. Das Smartphone macht es dann richtig kompliziert. 1993 sollte jedes technische Gerät einen "Clipper-Chip" erhalten, um seinen Nutzer erkennbar zu machen, doch das Volk lehnte ab. Seit 2011 gibt es die "National Strategy for Trusted Identities in Cyberspace" (Nstic), deren Anspruch noch niemand gerecht wurde. Doch jetzt, da der Staat es nicht mehr versucht und Public-Private-Partnerships angesagt sind, keimt wieder Hoffnung auf. Kann Facebook endlich liefern, was sich das Weiße Haus wünscht? Digitale Identitäten, und zwar für jeden nur eine - zum Steuern zahlen, Flüge buchen und Medikamente protokollieren? Mark Zuckerberg erfindet Facebook heute nicht neu, er erinnert sich. Die Deutschen sind dabei außen vor. Doch wenn das Experiment gelingt, wird Facebook in unseren Behörden so präsent sein wie Microsoft es heute schon ist. Die Rentnerrepublik braucht diese Innovation.
Apple braucht mal wieder eine neue Idee, heißt es. Denn Bildschirme sehen inzwischen alle gleich aus, und Kunden verstehen immer weniger, warum manche fünf Mal mehr kosten sollen. Apples Argument war einmal: Design. Heute ist es: Privacy. Der datensouveräne Kunde braucht s!einen Supercomputer im handlichen Format. Doch die Datenverarbeitung wandert, schon seit einer Weile, vom Gerät ins Netzwerk. 5G, sagt nun der Chef von AT&T, bedeute dass bald alles im Netzwerk passiere. Bildschirme, ok. Aber wozu noch Datenspeicher und Prozessorkraft im Gerät? Es begann mit dem Streamen von Filmen. Es setzt sich mit Streaming für Spiele fort. Die Rentnerrepublik wird sich im Netzwerk verlieren. Was in ihm wirklich geschieht, weiß niemand. Was die Netze können, zeigt China. Auf die Services zu verzichten, wird unmöglich. Es gelingt vielleicht jungen Hippstern noch, aber alte Menschen brauchen Spracherkennung, automatisierte Beförderung, Logistik bis zur Haustür und Telemedizin - latenzfrei. Das Smartphone allein kann das nicht leisten, es hat ausgedient.
Ausgerechnet CSU. Von der bayrischen Partei wissen wir zwei Dinge. Sie mag Obergrenzen und sie stellt den Bauminister. Bauen war Horst Seehofer so wichtig, er hat das Thema an sich gezogen, weg vom Umweltministerium, weg von der SPD. Doch dann ließ er die Wohnungsnot links liegen und führte einen Regentanz gegen Flüchtlingsströme auf. Magischerweise ergibt eins und eins tatsächlich zwei. Ja, eine Obergrenze ist für die CSU möglich - bei den Mitpreisen. Das schrieb jüngst ein Berliner Jurist an renommierter Stelle. Die Bundesländer dürften sie beschließen, obwohl Bauen Bundespolitik ist. Denn das Grundgesetz schützt lediglich Eigentum, aber nicht Renditen darauf. Und die Föderalismusreform gibt den Ländern die Kompetenz, Mietrenditen abzuschöpfen. Und dann ist da ja noch die Reform der Grundsteuer.
"Der Babyboom war nur eine Anomalie", sagen Bricker und Ibbitson in "Empty Planet". Die Lebensfreude nach dem Krieg und die gestiegene Lebenserwartung täuschten uns darüber hinweg, dass wir schon seit einem Jahrhundert in einer eurasischen Rentnerrepublik leben. Und wir merken: Wir haben keinen Plan, wie mit schrumpfenden Bevölkerungsgrößen und Volkswirtschaften umzugehen ist. Doch das sei die neue Frage nach Krieg und Frieden. Auf der Suche nach den Gemütszuständen hören wir noch ein bisschen Eva Illouz zu und verfolgen japanische Rentner ins Gefängnis, wo sie endlich jemanden zum Reden finden.
Kann man Twitter eigentlich richtig benutzen? Naja, richtig oder falsch. Keine Ahnung. Man kann Twitter jedenfalls nicht nicht nutzen. Sogar Oma Erna werden abends Tweets in den Nachrichten verlesen, wenn Trump - der Diktator über die politische Zeit - es will. Aber wie diskutieren wir darüber? Bislang gar nicht. Mit Robert Habeck verließ nun ausgerechnet einer der progressivsten Politiker die "neuen" Medien. Da steckt also einiges drin, insbesondere für unsere Sicht auf die Rentnerrepublik. Twitter ist nämlich schon heute, und morgen erst recht, unser Schicksal. Und ja, "Twitter" ist Chiffre dafür, dass wir unsere soziale Welt allmählich in Simulation und Spiel der Computer auflösen. Darüber konnte, als Computernetze schon da waren aber die "sozialen Netze" noch nicht, aufschlussreich geredet werden.
Conan, der Comedian, fährt nach Japan und mietet sich bei "Family Romance" eine Fake-Familie. Was in der Fernsehshow sehr unterhaltsam ist, funktioniert aber tatsächlich. Die Fake-Familien sind echt, man muss sie nur bezahlen. In Japan braucht man nämlich einen Fake-Ehemann, sonst bekommt man keinen Kindergartenplatz. Und manchmal lassen sich die Arbeitskollegen mit einer Trophäe an der Seite beeindrucken. In Deutschland gibt's das nicht. Oder doch? Hierzulande mieten sich alte Männer als Sugar Daddies junge Frauen, die sich ihrerseits gleich von mehreren Männern anmieten lassen. Soziale Beziehungen lassen sich durch Geldzahlungen sehr viel besser aushalten. Vielleicht ist es ein Erfolgsrezept für die #Rentnerrepublik, die Erfolge im Kampf gegen Einsamkeit sucht.
In Deutschland sterben wir, ganz selbstverständlich, in den Häusern, die wir mit dreißig finanziert und gebaut haben. Genauso unhinterfragt ist Einsamkeit eines der größten Probleme, insbesondere alter Menschen. Gibt's da denn keine Lösung? Wohnt man in der Schweiz in einer Genossenschaft, muss man umziehen, wenn die Kinder aus dem Haus sind. In Deutschland ist dieser Weg zum dichteren peer-group Wohnen häufig verbaut. Zu wertvoll sind uns unsere Wohnungsschätze, deren Preis wohl auch von der Mafia getrieben wird. Transparency International schätzt, dass zehn Prozent des deutschen Immobilienmarkts aus Geldwäsche besteht. Nur das Fernsehen bietet einen Ausweg und simuliert mit abendlichen Talkshows Geselligkeit im leeren Wohnzimmer.
Gute Reportagen schreiben und mit ihnen Journalistenpreise gewinnen ist "auch ein ethisches Problem", schrieb Claudius Seidl schon 2010. Denn gute Reportagen verführen ihren Autor, zu verschleiern, dass sie nicht aus "Fleisch, Blut oder quietschenden Autoreifen" bestehen, auch wenn sie davon handeln, sondern nur aus Worten, die ein Autor wählt, mit denen er wie ein Gott durch das Erleben seiner Leser pflügt. Doch wo ist die "asketische moralische Strenge", die sich aus dieser Verantwortung ergibt? Beim Spiegel hat nicht nur ein Autor betrogen, sondern ein System versagt. Und ein ganzes jouranlistisches Genre ist daran gescheitert. Nur eingestehen will man es sich wieder einmal nicht. Fürs Schreiben der Rentnerrepublik denke ich heute etwas in Zeitnot darüber nach.
Wenn man in Japan hundert Überstunden in einem Monat ansammelt und im nächsten stirbt, geht man in die Karoshi-Statistik der Regierung ein. Es sei denn, man tötete sich selbst, dann ging man den freiwilligen Helfern der Präventionsvereine durch die Lappen, die um Brücken und Clippen spazieren, um Menschen vom Suizid abzuhalten. Man rutscht dann in eine andere Statistik. Wenn sie die Arbeitswelt überleben, ist die Chance inzwischen 50:50 für Neugeborene, einmal hundert Jahre alt zu werden. Mit nichts davon haben wir hier Erfahrung, doch in zehn Jahren sind das alles auch unsere Probleme. Es sei denn, wir denken über Migration neu nach und schaffen es, mehr als 1,57% Erbschaftssteuer zu erheben. Wir sind Protagonisten im spannendsten - und geheimsten - Thriller der westlichen Welt.
Ein Geist geht um in den Feuilletons. Plötzlich, heißt es, gibt's keine Millennials mehr, keine Babyboomer und keine Generation X. Die 68er haben ja damals schon versagt. Alles nur eingebildet, herbeigetrickst und ausgedacht. Jetzt wird natürlich fleißig nachgeplappert, was man immer schon wusste. Aber, was liest man wirklich in Martin Schröders Text über den Generationenmythos? Steht da eine Absage an die Generationen drin? Welche X-, Y-, Z-Zuspitzungen sind wirklich "Kokolores", wie er selbst im Deutschlandfunk sagt? Mit ihrer neuen Sicht auf die Unterschiede der Generationen stellen die Zählmeister der quantitativen Sozialforschung der Soziologie mal wieder ein Bein.
Wir haben die alten Institutionen noch, und zwar nicht nur aus Tradition. Aber mit purer Existenz ist noch nicht geklärt, was sie noch leisten können - die CDU, die Kirchen, die Universitäten und die Medien. Sebastian Kurz und Emmanuel Macron haben das neue Gefüge schon auf die Probe gestellt: Möglichst unauffälliges Kompromissefinden und Strippenziehen und wenn es um nichts geht trumpfen sie medial auf. Konkrete Probleme, selbst wenn sie auf der Straße liegen, haben es heute schwer. Der identitätspolitisch begründete, moralische Punkt lässt sich aber immer gut setzen, insbesondere, wenn man mit ihm die Opferolympiade ein Stück weiterdrehen kann. Ist das die Zukunft? Wenn ja, reicht der Treibstoff Tradition zur Aufrechterhaltung der alten Institutionenordnung vielleicht nicht. Der Weg durch die Rentnerrepublik wird lang.
Hundert Jahre, ist das eigentlich alt? In Deutschland hat heute jeder Unterzehnjährige gute Chancen, sein hundertstes Lebensjahr zu erreichen. Also, ja, hundert ist alt, aber bald auch normal. In Japan, wo es heute 60.000 Hundertjährige gibt, plant man schon für sie die neue Gesellschaft. Mit weniger „Hektik und Gedränge“, das ist gut. Aber was ist mit der Freude im Alltag? In Japan altern inzwischen alle Regionen, außer Tokio. Das bedeutet auch, dass die Gesellschaft schrumpft. Japan hat seinen Bevölkerungspeak vor drei Jahren überschritten. In den nächsten dreißig Jahren fällt ein Viertel der Bevölkerung weg. Das ist nicht bloß ein Problem des Gesundheitssystems, sondern der Gesellschaft allgemein. Und Roboter sind keine Lösung.
Der Fortschritt macht uns das Leben leichter. Schön für ihn und alle, die Spaß am Gerät haben. Bücher sind aber noch keine Geräte, sondern weiterhin tote Bäume, und für die gilt was anderes: Die Tollen strengen uns an. Die ausgezeichnete Inger-Marie Mahlke spricht vom Buch als „Zumutung“, die uns was abverlangt und Vergänglichkeitserfahrung macht, wie sonst nichts. Und genau das suchen und wollen wir doch. Aber warum müssen die tollen Bücher zugleich die teuren sein. Denis Scheck lobt die Essay-Sammlung von David Foster Wallace, die schlappe 30 Euro in der elektronischen Variante kostet. Kein Wunder, dass die Buchmesse von uns nichtssagenden Influencern gestürmt wird, wenn uns jeder Blick tiefer als ins Buch-Cover ruiniert. Die Leser sind schon länger weg. Der Kaviar verschwand in diesem Jahr. Es beginnen die Gespräche darüber, wie viel Freiheit das gute Buch braucht. Und vielleicht folgt bald eine Diskussion darüber, wie der unaufhaltsame technologische Fortschritt die Leichtigkeit ins literarische Leben zurückholen kann.
"Ungelöste Rätsel der Wirtschaftswissenschaften" lautet der Untertitel eines wichtigen Buchs, das heute schon eher Geschichtsbuch ist. Wir besitzen (Wirtschaft), also regeln wir (Recht) und klären vorher, nach welchen Prämissen (Politik). Aber wer besitzt denn noch, und was? Die Filme die wir schauen, die Bücher die wir lesen und die Musik die wir hören lizensieren wir. Wir besitzen, verleihen und verkaufen sie nicht mehr. Wer ein Haus hat, hat Glück. Großes Eigentum wird heute nicht mehr erarbeitet, sondern verteidigt. Solche Strukturbrüche verändern die DNA einer Gesellschaft und es dauert lange, bis man sich darüber verständigen kann. Wir schlagen einen Bogen von Rom ins 12. Jahrhundert bis heute.
Was treibt denn nun die Gesellschaft auseinander? Sind es arme Protestwähler, die sich vom Staat im Stich gelassen fühlen, oder sind es Eigenheimbesitzer, die vor lauter Grübeln über ihr materielles Fortkommen die Welt vor ihrer Haustür übersehen? Die wissenschaftliche Literatur gibt mehrere Antworten zu den Fremdheitserfahrungen, aber eine klare Tendenz. Und die Politik? Sie investiert - je nach Deutung - in die Fliehkräfte, auch wenn sie es anders meinte.
Stell dir vor, es ist Bundestagswahl und du kannst nur zwischen Philip Amthor, Kevin Kühnert und Paul Ziemiak wählen? Im Fernsehen ist es schon so weit, da werden die Bewerbungsreden der neuen Generation gehalten und die drei wissen, womit sie es zu tun haben. Es ist Rentnerrepublik. Inhalte sind überwunden, wir reden heute übers Bücher herstellen. Eigentlich ist es ganz einfach, man muss es schreiben, speichern und verschicken. Doch was seit der Erfindung der E-Mail für alle Alltag ist, braucht ausgerechnet beim Buch noch eine Weile. Es führt kein Weg an der Druckerpresse vorbei, so absurd es ist. Ich rechne es heute ein wenig durch. Vertage mich aber selbst, um bei der Buchmesse nochmal genauer zu recherchieren, was nötig ist.
Geld ist gut. Für alle! Insbesondere für Erben. Aber was vererbt eigentlich, wer keins hat? Ich diskutiere heute, wie breit der Begriff "Erbe" ausgelegt werden kann. Vielleicht lässt sich Angst nämlich noch viel besser vererben als Geld. Außerdem diskutieren wir die enge Verknüpfung von Demokratie und Wohlstand, denn das scheint eine deutsche Besonderheit zu sein, die wir zu selten hinterfragen. Das ein oder andere Selbstverständnis - beispielsweise das zur Selbstverwirklichung - diskutieren wir dabei gleich mit.
Was geschieht, wenn den kritischen Alten die aufmüpfigen Jungen fehlen und sie sich neue Opfer suchen? Ich reformuliere #Chemnitz neu mit Hilfe einer DLF-Sendung und Wolfgang Thierse bei Anne Will.
Wir diskutieren das Hören und Lesen von Büchern, reden über Schreibwerkzeuge und machen einen ersten Ausflug in die Rentnerrepublik
Hier entsteht ein Buch und zum Einstieg klären wir erstmal Formatfragen.