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Vier Tage in der Woche arbeiten und dafür den gleichen Lohn bekommen? In Großbritannien wurde das im vergangenen halben Jahr von rund 70 Unternehmen getestet - mit spannenden Erkenntnissen, so Philipp Frey, Arbeitsforscher vom Institut für Technik-und Systemanalyse (ITAS) in Karlsruhe.
Technik war in der Kulturgeschichte der Menschheit stets ein entscheidendes Medium für Erfolg und Wohlstand. Dabei ist die Technik nicht bloß Objekt, sondern kann Menschen verändern, individuell wie kollektiv: Handlungsweisen, Lebensstile und Gewohnheiten, Freizeitverhalten und Arbeitswelt, aber auch Werte und Wertschätzungen. Technik wirkt auf ihre Erzeuger und Nutzer zurück. Diese Rückwirkungen tragen zu den Vorstellungen bei, die Menschen von sich machen, aber auch von Natur und Umwelt. Die Frage nach der Technik führt daher auf die Frage nach dem Menschen zurück, beide Fragen sind untrennbar verbunden. Wortschöpfungen wie der homo creator als der schöpferische Mensch, der nachhaltige Mensch, der sich gegen äußere Einflüsse abschottende homo immunis, der homo deus (Harari) als der gottähnlich werdende Mensch, aber auch der auf ein biologisches Wesen reduzierte homo naturalis legen Zeugnis ab von den Verbindungen zwischen Mensch und Technik. Im Vortrag gehe ich diesen Verbindungen nach, beginnend historisch, jedoch mit Schwerpunkt auf gegenwärtigen Herausforderungen menschlicher Selbstverständnisse angesichts von Digitalisierung und Biotechnologie. Armin Grunwald studierte Physik, Mathematik und Philosophie, wurde in Physik promoviert und in Philosophie habilitiert. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit den Folgen technischer Entwicklungen, mit Technikphilosophie sowie nachhaltiger Entwicklung und hat dazu zahlreiche Bücher geschrieben. Seit 1999 leitet er das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und hält dort auch eine Professur für Technikethik und Technikphilosophie. Seit 2002 berät er außerdem den Deutschen Bundestag in Fragen der Technikfolgenabschätzung. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech). Christof Schulz (Geschäftsführer Volkshochschule SüdOst) Claus Luedenbach (Geschäftsführer Volkshochschule Erding) Die Veranstaltung fand am 16. November 2021 online statt.
Die Philosophin Dr. Janina Loh an der Universität Wien untersucht inklusive Denkansätze, an deren Ende es nicht mehr so wichtig ist, ob sich jemand als Mensch oder als Maschine bezeichnet. Die Autorin des suhrkamp-Buchs „Roboterethik“ geht emotionalen Bindungen zwischen Mensch und Roboter in unterschiedlichsten Anwendungsfeldern auf die Spur, sowie möglichen Verhältnissen, die zueinander entstehen können. Als kritische Posthumanistin regt sie an, auch bei der Herstellung von Robotern auf Diversität zu achten und vielfältige Roboter herzustellen. Fragensteller in dieser Folge: Jascha Bareis, M.A., Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Autor: Karsten Wendland Redaktion, Aufnahmeleitung und Produktion: Matthias Gerz Licence: CC-BY, DOI: https://doi.org/10.5445/IR/1000125862 In dieser Folge erwähnte Quellen: Janina Loh: Roboterethik. Eine Einführung, suhrkamp taschenbuch 2019. Artikel bei Zeit.de über die Roboterforscherin Kate Darling vom MIT und das Beispiel von Mienenrobotern. Thomas Nagel: Aufsatz "What is it like to be a bat?" (Wie ist es, eine Fledermaus zu sein?), 1974. Artikel bei ze.tt über eine Berlinerin, die eine Beziehung zu einem Modellflugzeug führt. Homepage von Janina Loh auf der Homepage der Universität Wien: https://ufind.univie.ac.at/de/person.html?id=61692
Für den Robotiker Prof. Dr. Antonio Chella, Leiter des Robotic Labs und des Forschungszentrums für Wissenstechnologien an der Universität von Palermo, geht Bewusstsein deutlich über das Gehirn hinaus. Für den Herausgeber des Journal of Artificial Intelligence and Consciousness kann nur eine empathische Maschine auch eine ethische Maschine sein. Deshalb sei es erstrebenswert, Maschinen mit Gefühlen zu bauen, und aus deren Verhalten schließlich auch mehr über unser eigenes phänomenales Bewusstsein erfahren zu können. Viele KI-Leute haben seiner Beobachtung nach kein Interesse an philosophischen Debatten, weswegen er versucht, praktische Brücken zwischen den Disziplinen zu bauen und interdisziplinäre Diskurse zu unterstützen. Fragensteller in dieser Folge: Prof. Dr. Armin Grunwald, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Autor: Karsten Wendland Redaktion und Produktion: Annalena Hörth Aufnahmeleitung: Tobias Windmüller Synchronsprecher: Konstantin Kleefoot Licence: CC-BY, DOI: http://doi.org/10.5445/IR/1000125589 In dieser Folge erwähnte Quellen: Antonio Chella: Journal of Artificial Intelligence and Consciousness. Zitat von Woody Allen: “You rely too much on brain. The brain is the most overrated organ.“ Der US-amerikanische Science-Fiction-Film „Nummer 5 lebt“ (Englischer Originaltitel: „Short Circuit“), 1986. Artikel bei Zeit.de über den rassistischen Chat-Bot Tay (vom 24.03.2020). Das Science-Fiction-Drama Ex Machina von Alex Garland, 2015. Der Science-Fiction-Film 2001: Odyssee im Weltraum (Originaltitel: 2001: A Space Odyssey) von Stanley Kubrick, 1968. Der Schwarzweißfilm Frankenstein von Mary Shelley, 1931. Der Stummfilm Der Golem von Paul Wegener und Heinrich Galeen, 1914. Antonio Chella auf der Homepage der University of Palermo: https://www.icar.cnr.it/en/associati-di-ricerca/esterno-1/
Thema heute: KIT: Diskriminierungsrisiko: Vom Algorithmus benachteiligt Nicht nur Unternehmen, auch staatliche Institutionen setzen verstärkt auf automatisierte Entscheidungen durch algorithmenbasierte Systeme. Ihre Effizienz spart Zeit und Geld – birgt jedoch vielfältige Gefahren der Benachteiligung einzelner Menschen und ganzer Bevölkerungsgruppen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Technikfolgenabschätzung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Ob bei der Kreditvergabe, der Auswahl neuer Mitarbeitender oder bei juristischen Entscheidungen – in immer mehr Bereichen werden Algorithmen dazu eingesetzt, menschliche Entscheidungen vorzubereiten oder sie ihnen gleich ganz abzunehmen. „Dass dies zwangsläufig zu objektiveren und damit faireren Entscheidungen führt, erweist sich heute leider oft als Trugschluss“, so Carsten Orwat, vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT. „Kritisch wird es insbesondere dann, wenn die Algorithmen mit tendenziösen Daten arbeiten und auf eigentlich geschützte Merkmale zurückgreifen“, so der Autor. Hierzu gehören vor allem Alter, Geschlecht, ethnische Herkunft, Religion, sexuelle Orientierung oder Behinderungen. Welche Ursachen diese Formen der Diskriminierung haben, wie sie sich auf die Gesellschaft auswirken und sich Diskriminierungsrisiken künftig verringern lassen, hat Carsten Orwat im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eingehend untersucht. Die Studie „Diskriminierungsrisiken durch Verwendung von Algorithmen“ veranschaulicht anhand von 47 Beispielen, wie Algorithmen auf unterschiedliche Weise diskriminieren können und wie man dies nachweisen kann. Der Autor der Studie beschreibt beispielsweise Vorgänge auf dem Immobilien- und Kreditmarkt oder im Strafvollzug. In den USA gebe es mehrere dokumentierte Fälle, in denen die Algorithmen Sozialer Medien Wohnungsanzeigen zugelassen hätten, die durch den ‚Fair Housing Act‘ geschützte Personengruppen nicht zu sehen bekamen – etwa Migranten, Menschen mit Behinderung oder Nicht-Weißer Hautfarbe, so der Studienautor. In Finnland wurde ein Kreditinstitut zu Strafzahlungen verurteilt, weil sein Algorithmus bei der automatisierten Online-Kreditvergabe Männer gegenüber Frauen und finnische gegenüber schwedischen Muttersprachlern bei der Kreditvergabe benachteiligte. Eine Ungleichbehandlung, die nach dem finnischen Antidiskriminierungsrecht verboten ist. US-amerikanische Richter arbeiten bei der Entscheidung über vorzeitige Haftentlassungen mit einem umstrittenen System, das Risikoscores berechnet. Diesen Beitrag können Sie nachhören oder downloaden unter:
Thema heute: KIT: Auf dem Weg zur selbst-bewussten KI? Alexa, Sophia, Watson: Die uralte Idee einer dem Menschen ähnlichen, zugleich mit übermenschlichen Fähigkeiten ausgestatteten Maschine hat durch die Fortschritte der KI-Forschung neue Nahrung erhalten. Einige Akteure stellen die Entwicklung einer ihrer selbst bewusstwerdenden „Superintelligenz“ in Aussicht. Doch wie realistisch ist das? In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt „Abklärung des Verdachts aufsteigenden Bewusstseins in der Künstlichen Intelligenz“ gehen Technikfolgenforscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) dieser bislang kaum erforschten Fragestellung auf den Grund. Als im Oktober 2017 der Roboter „Sophia“ auf einer Konferenz im saudi-arabischen Riad ans Rednerpult trat und dem halb amüsierten, halb staunenden Publikum sein Selbstverständnis einer lernenden und kommunizierenden Maschine in Menschengestalt erläuterte, war dies in der öffentlichen Wahrnehmung ein Meilenstein auf dem scheinbar immer kürzer werdenden Weg zu einer „erwachenden“, ihre Individualität und ihre internen Zustände reflektierenden Künstlichen Intelligenz. Auch KI-gestützte Systeme wie der Smart Speaker „Alexa“, IBMs dialogfähiges Superhirn „Watson“ oder Googles selbstlernender Schachgigant „AlphaZero“ befeuern die Vision einer in absehbarer Zeit realisierbaren „Superintelligenz“, die alles Dagewesene in den Schatten stellt. Renommierte Akteure in Wissenschaft und Kunst warnen vor den Folgen eines solchen Epochenwechsels, andere verweisen auf die nachgerade utopischen Chancen. Die grundlegende Frage, was „bewusste KI“ überhaupt sei und was an den Szenarien von Maschinen mit einer eigenständigen Existenz „dran“ sein könnte, wird erstaunlicherweise selten gestellt. An dieser Stelle setzt das zweijährige Forschungsprojekt „Abklärung des Verdachts aufsteigenden Bewusstseins in der Künstlichen Intelligenz (KI-Bewusstsein)“ an. „Uns geht es darum, das Thema KI-Bewusstsein zu entmystifizieren“, sagt Projektleiter Professor Karsten Wendland vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT. „Manche halten es für ausgeschlossen, dass Maschinen, insbesondere KI-Systeme, irgendwann einmal ‚bewusst‘ werden. Andere behaupten, bewusste KI-Systeme seien schon längst da und versteckten sich noch vor uns. Hier möchten wir ein transdisziplinär tragfähiges Verständnis erarbeiten und die Ergebnisse in den öffentlichen Diskurs einbringen.“ Diesen Beitrag können Sie nachhören oder downloaden unter:
Der Begriff Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Doch was heißt das eigentlich konkret? Bedeutet Rücksicht auf die Umwelt und Nachwelt zu nehmen, grundsätzlich Verzicht? In jedem Fall sind dicke Bretter zu bohren, denn es geht um nichts weniger als einen Kulturwandel, der sich in vielen kleinen Schritten vollzieht. Einen umfassenden Ansatz probiert man nun im Maßstab eines Karlsruher Stadtteils ganz praktisch aus. Dazu weiß Oliver Parodi mehr. Am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), das zum Karlsruher Institut für Technologie KIT gehört, beschäftigt er sich vor allem mit Fragen nachhaltiger Stadtentwicklung. In einem „Reallabor“ wollen Wissenschaftler und Stadtentwickler gemeinsam mit Bürgern eine umfassende nachhaltige Entwicklung der Karlsruher Oststadt auf den Weg bringen, und zwar für die Themen Energie, Mobilität, sozialer Raum und Konsum. In dem von Parodi geleiteten Reallabor werden also Praktiker aus Kommunen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft von Anfang an in den Forschungsprozess einbezogen und arbeiten miteinander auf Augenhöhe, um konkret die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern. Das Projekt erhielt 2019 den Forschungspreis Transformative Wissenschaft, den das Wuppertal Institut gemeinsam mit der Zempelin-Stiftung im Stifterverband verleiht. Oliver Parodi vereint selbst verschiedene wissenschaftliche Welten in seiner Person. Ursprünglich hat er Bauingenieurwesen studiert und sollte eine der Familie gehörende Baufirma übernehmen. Doch dann schloss er lieber ein Studium der Angewandten Kulturwissenschaft an. Heute will er an der zum KIT gehörenden Karlsruher Schule der Nachhaltigkeit durch transdisziplinäre Ausbildung die Ansprüche von Mensch, Technik und Umwelt zusammenführen.
Am 18. November 2016 fand an der Fachhochschule Bielefeld ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der FH Bielefeld angebotener Workshop zu Einzelaspekten rechtswissenschaftlicher Begleitforschung statt, an dem Johannes Hirsch, Markus Winkelmann und Sebastian Ritterbusch teilnahmen. Im Gespräch und diesem Text werden zwar rechtswissenschaftliche Fragen angesprochen, die Aussagen sind aber keinesfalls als Rechtshinweise oder Rechtsberatung zu verstehen. Eine juristische Begleitforschung ist ein Aspekt der ELSI-Begleitforschung, die die Betrachtung von ethischen (ethical), rechtlichen (law) uns sozialen (social) Fragestellungen zu Projekten umfasst. Diese Themen stehen im Zentrum des vom Institut für Technologiefolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) vorangetriebenen Forschung. Im Projekt QuartrBack befasst sich Johannes Hirsch mit der Begleitforschung um eine intelligente Notfallkette im Quartier für Menschen mit Demenz. In rechtlicher Sicht wurden hier insbesonders Aspekte des Datenschutz beleuchtet. Auch in anderen Themenbereichen werden diese Fragestellungen untersucht, so wurde der Institutsleiter Prof. Dr. Armin Grundwald in die von Bundesminister Alexander Dobrindt eingesetzte Ethik-Kommission zu automatisierten Fahren berufen. Auch zu Energiethemen hat Markus Winkelmann am ITAS gesellschaftliche, rechtliche und soziale Fragestellungen betrachtet und begleitet das Terrain-Projekt durch Begleitforschung. Für Sebastian Ritterbusch von der iXpoint Informationssysteme GmbH sind die rechtlichen Fragestellungen einmal für das Projekt Terrain insgesamt aber auch speziell für die Entwicklung der Anwendungen für die Nutzenden von großem Interesse. Der Workshop begann mit einem Vortrag von Frau Prof. Dr. jur. Brunhilde Steckler der FH Bielefeld und behandelte Rechtsaspekte im Projekt KOMPASS: Es ging um die Vertraulichkeit und Integrität von Rechtssystemen, was im Rechtssystem alleine schon Aspekte des Persönlichkeitsrechts, Datenschutz, Telemedien, Vertrags- und Haftungsrecht berührt. In der betrachteten Anwendung ging es im Projekt um den Bereich Wearables und Fitness und wie hier Dienste rechtssicher angeboten werden und den Nutzenden die Datenverarbeitung transparent dargestellt werden können. Wie auch häufiger im Verlauf des Workshops kam sie auch auf die besondere Rolle der neuen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) der Europräischen Union zu sprechen, die ab Mai 2018 anzuwenden ist und insbesondere auch die Datenschutz-Folgenabschätzung eingeführt (Art. 35 DS-GVO) . Der folgende Vortrag von Dipl.-Inf. Christian Burkert (@cburkert_de), früher praemandatum GmbH und jetzt wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hamburg, behandelte Privacy-by-Design in der Produktentwicklung. Von Privacy-enhancing Technologies (PETs) aus den 90ern über Ann Cavoukians 7 Prinzipien des Privacy by Design zog er den zeitlichen Rahmen zur EU-Datenschutzreform von 2012. Die 7 Prinzipien des Privacy by Design geben direkte Handlungshinweise für die Einbettung des Datenschutzes in den Entwicklungsprozess, die im Sinne mit der Datenschutzgrundverordnung DS-GVO als „Datenschutz durch Technikgestaltung“ im Artikel 25 besonderen Einzug in die zukünftige Gesetzeslage gefunden haben, deren Umsetzung durch Verantwortliche mit Maßnahmen gesichert werden soll. An Hand der zwei Beispiele von den „Privacy Czars“ bei Apple und den „In-House Consultants“ bei Google stellte er dar, dass die Verankerung im Unternehmen sehr unterschiedliche Ausgestaltung haben kann. Wie wichtig die Verankerung von Datenschutz in Geschäftsprozesse ist, sieht man schon daran, wie eindeutig Menschen im Netz durch ihren Browser identifiziert und verfolgt werden können, beispielsweise durch das Browser Fingerprinting oder mit Cookies. Ein Beispiel für Intervenierbarkeit durch den Nutzer ist das Google Privacy Dashboard, in dem man den Zugriff auf gewisse persönliche Daten widerrufen kann. Im Vortrag von Prof. Dr. jur. Iris Kirchner-Freis der MLS LEGAL GmbH Rechtsanwalts- und Fachanwaltsgesellschaft ging es um Datenschutz bei Gesundheitsdaten am Beispiel des Projekts Adaptify. Dies beginnt schon mit der Frage der genauen Definition von Gesundheitsdaten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) §3 Absatz 9 zu verstehen sind und besonders geschützt werden müssen: Dies umfasst sicher medizinische Informationen, können aber auch körperliche Leistungsdaten betreffen, die im Einsatz von Trackern beim Sport anfallen können. Das White Paper „Annex – health data in apps and devices“ der europäischen Union versucht hier die Definition zu konkretisieren. Bei der Frage der Einwilligung, Datensicherheit und Pseudonymisierung spielt für die Umsetzung in mobilen Lösungen insbesondere das Telemediengesetz (TMG) eine besondere Rolle. Grundlegend müssen nach BDSG den Nutzenden auch das Auskunftsrecht, Löschungs- und Sperrungsrecht und das Berichtigungsrecht eingeräumt werden und technisch-organisatorische Maßnahmen wie beispielsweise Zutritts- und Zugangskontrolle serverseitig umgesetzt werden. Die Einbettung von Privacy by Design durch Legal Process Modelling war das Thema des Vortrags von Frau Prof. Dr. jur. Beatrix Weber der Hochschule Hof. Die verpflichtende Datenschutz Compliance der DS-GVO zu Privacy by Design und Default und der Umsetzung interner Strategien für organisatorische Maßnahmen sind unter einer Risikoabwägung umzusetzen: Hier fließt neben dem Stand der Technik, Implementierungskosten und der Art der erhobenenen Daten auch die Eintrittswahrscheinlichkeit und zu erwartende Schwere der Risiken für bedrohte Rechte und Freiheiten mit ein. Dabei sieht sie die Unternehmens-Compliance als Geschäftsprozess, der auch weitere Rechtsthemen wie Urheberrecht, Kartellrecht und ethische Normen abbildet, und grundsätzlich in Phasen der Konzeption, Umsetzung und Adjustierung strukturiert werden kann. Von Herrn Prof. Dr. jur. Wolfgang Schild der Universität Bielefeld erhielten wir einen Einblick in rechtliche Fragen der Einwilligung vulnerabler Personengruppen. Grundsätzlich ist eine Einwilligung ein Aufopferungsakt, da man auf einen zustehenden rechtlichen Schutz verzichtet. Der rechtliche Grundsatz wird durch den lateinischen Ausdruck volenti non fit iniuria beschrieben, die Umsetzung muss dafür aber auch rechtlichen Anforderungen genügen: So muss die einwilligende Person den Fähigkeiten der intellektuellen Einsicht und voluntativen Willensbildung befähigt sein, und Informationen erhalten, was geschieht, auf was man verzichtet und welche Risiken, Chancen und Alternativen mit der Einwilligung einhergehen. Dabei ist die Einwilligung keine rechtliche Willenserklärung sondern ein Ausdruck des Selbstbestimmungsrecht und kann im Gegensatz zu geschlossenen Verträgen jederzeit widerrufen werden. Der abschließende Vortrag von Dr. jur. Thilo Weichert vom Netzwerk Datenschutzexpertise behandelte die Themen Sensorik, automatische Entscheidungen und Persönlichkeitsschutz. Mit den technischen Entwicklung unter anderem im Mobile Computing und Social Communities wird es möglich automatisiert personalisierte Entscheidungen zu treffen. Beispiele sind hier unter anderem in Medizin, Spiel, Werbung und Arbeitswelt, die auch große Risiken beinhalten können: Durch intransparente Kreditscoring-Verfahren kann das Leben von Menschen beispielsweise radikal beeinflusst werden. Ebenso drohen der Verlust der Vertraulichkeit und Wahlfreiheit, es wird Tür und Tor der Diskriminierung und Manipulation geöffnet und Menschen können schaden nehmen. Daher muss es sowohl eine unbedingte Beachtung der datenschutzrechtlichen Grundlagen und gleichzeitig eine Achtung vor Kernbereichen privater Lebensgestaltung ganz im Sinne von Artikel 7 der europäischen Grundrechte-Charta geben, was in globaler Sicht große Herausforderungen beinhaltet. Der Workshop bot ein gebündeltes Bild zur rechtwissenschaftlichen Begleitforschung und war für die Teilnehmenden in vielen Aspekten relevant und lehrreich. Die Darstellung der Fragestellungen und Erkenntnissen aus thematisch verwandten Projekten wird für die Umsetzung im Terrain Projekt eine große Hilfe sein. Besonderer Dank gilt Prof. Dr. Wolfgang Schild und Dr. Thilo Weichert, dass sie uns für persönliche Kommentare in dieser Folge zur Verfügung standen. Weiterführende Informationen Das Recht muss mit den technischen Entwicklungen Schritt halten, Pressemitteilung der FH Bielefeld zum Workshop, 22.11.2016.
Nora Weinberger und Sebastian Ritterbusch unterhalten sich über Innovationsprozesse in der Technologieentwicklung und das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT): Die Analyse von Technikfolgen und den Wechselwirkungen von Technik und Gesellschaft ist äußerst interessant für Themenfelder wie beispielsweise die sozialen Medien in der Wissensgesellschaft, die Endlagersuche für nukleare Endprodukte im Energiesektor, wie auch den Umgang mit dem demographischen Wandel und der Nachhaltigkeit. Viele der Themen sind gesellschaftliche Grand Challenges und werden teilweise schon aus historischen Gründen am KIT länger untersucht: Das in das KIT eingeflossene ehemalige Forschungszentrum Karlsruhe hatte einen Forschungsbereich zur Kernkraft. Der Institutsleiter Prof. Dr. Armin Grunwald war so auch am Abschlussbereicht der Kommission zur Lagerung hoch radioaktiver Abfälle beteiligt und ist Mitglied im unabhängigen Nationalen Begleitgremium zur Endlagersuche. Das ITAS ist nicht nur räumlich vom KIT Campus Nord in die Innenstadt und die Gesellschaft gezogen, sondern sucht in vielen Richtungen den Kontakt zu den eigentlichen Experten für den „Lebensalltag“. Ein Beispiel, wie das ITAS die Ergebnisse und Kontroversen zur Diskussion aktiv zu den Bürgerinnen und Bürgern bringt, ist die Veranstaltungsreihe Technik Kontrovers: Hier werden nicht nur Themen vorgestellt, sondern intensiv die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern in Entscheidungsprozesse gefördert. Das Arbeitsgebiet von Nora Weinberger im Terrain Projekt liegt im Bereich der Innovationsforschung: Unter dem Begriff Innovation versteht man hier sowohl die technische Innovation als auch die soziale Innovation in Kombination. Die Betrachtung des Begriffs stellt auch die Frage, welche Innovationen und Technik sich betroffene Menschen eigentlich wünschen. Denn zu leicht können technische Innovationen an den Bedürfnissen der Gesellschaft vorbeigehen. So kann man auf der einen Seite noch im Innovationsprozess unerwünschten Technikfolgen entgegentreten und durch die frühe Beteiligung auch eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz erzeugen. Die Veränderungen, die sich in der Gesellschaft durch technische Innovationen ausbilden können, sind ein Aspekt der sozialen Innovationen, die die technische Seite im optimalen Fall begleiten und unterstützen, aber auch eine ganz eigene Entwicklung ausbilden können. Eine besondere Herausforderung ist dabei die Technikvorausschau, die in Zusammenarbeit mit Experten verschiedener Bereiche erstellt wird. Dabei wird jedoch keine Zukunft vorhergesagt, sondern es werden mögliche Zukünfte, also mögliche Zukunftsszenarien, diskutiert und analysiert. Wirksam werden die verschiedenen Zukünfte durch ihre Wirkungen, und in der neutralen Bewertung der Folgen können Risiken von Entwicklungen sachlich behandelt und damit beispielsweise politische Entscheidungsträger beraten werden. Dies ist unter anderem ein Arbeitsgebiet des durch das ITAS betriebene Büro für Technikfolgenabschätzung am Bundestag (TAB). Ein großes Themengebiet der ITAS ist der demographische Wandel, also der Alterung der Gesellschaft und den unter anderem damit verbundenen steigenden Anforderungen im Bereich der Pflege. Wo zunächst eine Abneigung gegen technische Lösungen vorwiegen kann, ermöglicht die Teilhabe und Partizipation eine gesteigertes Akzeptanzbewusstsein und Interesse an neuen Verfahren. Ein Aspekt der alternden Gesellschaft ist die stark steigende Anzahl von Menschen mit Demenz. Demenz ist dabei ein Sammelbegriff für ein Phänomen, das fortschreitend verläuft und durch schwere Verluste höherer kognitiver Funktionen, insbesondere des Gedächtnisses, des Denkens, der Orientierung, der Lernfähigkeit, der Sprache, aber auch des Urteilsvermögens, gekennzeichnet ist. Neben den beschriebenen kognitiven Einbußen gehen Veränderungen des Gefühlslebens, aber auch des Verhaltens mit der Demenz einher, die sich zu Depressivität, Wahn und extremer Unruhe entwickeln können. Mit dem Fortschreiten der Demenz ist ein zunehmender Verlust der geistigen Leistungsfähigkeit festzustellen, der sich unter anderem in einer abnehmenden Fähigkeit zeigt, Alltagsprobleme eigenständig zu lösen, sodass Menschen mit Demenz einen zunehmenden Selbständigkeitsverlust erleben und immer mehr auf Unterstützung angewiesen sind. Die extreme Unruhe von Menschen mit Demenz kann sich dabei in einem hohen Bewegungsdrang (sog. „Wandering“) äußern. In Kombination mit den beschriebenen Defiziten können diese zu einem Selbstgefährdungspotential führen, weil eine örtliche Orientierung kaum oder gar nicht mehr möglich ist. Andererseits wird gerade Bewegung als Intervention zur Aktivierung der Gehirnfunktion und zur Teilhabe am sozialen Leben empfohlen. Die Bewegung kann damit als eine wirkungsvolle und nebenwirkungsarme Schlüsselkomponente bei der Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz angesehen werden. Mit ihr ist sowohl eine motorische als auch eine sensorische, aber auch eine soziale Aktivierung verbunden, die sich auf die subjektive Lebensqualität und den funktionellen Status der Menschen mit Demenz auswirken und dazu beitragen, Stürze, Kontrakturen sowie Dekubitus zu verhindern. So können bestehende Ressourcen so lange wie möglich erhalten, und eine hohe Pflegeintensität kann hinausgezögert werden. Die Realisierung von Bewegung vor allem außerhalb der Einrichtung stellt allerdings die Pflegenden, die Bewohner und deren Angehörige, aber auch die Bürger im Quartier vor eine dilemmatische Situation: Einerseits soll die Selbstständigkeit der Menschen mit Demenz gefordert und gefördert werden, andererseits besteht in Abhängigkeit von der Tagesform und den individuellen kognitiven Fähigkeiten der Wunsch der Pflegenden und der Angehörigen nach Sicherheit, was dann häufig mit Formen von Freiheitsentzug korreliert. Dies führt dazu, dass die eigentlich gewollte Selbstbestimmung und Selbstständigkeit durch Sicherheitserwägungen und Furcht vor Selbstgefährdung eingeschränkt wird. Hieraus folgend muss es in der pflegerischen Praxis darum gehen, das dargelegte Spannungsfeld von Freiheit und Selbstbestimmung versus Sicherheit mit den Beteiligten zu thematisieren und Bewegung innerhalb und außerhalb der Einrichtung zu ermöglichen. Ziel ist es, das „Draußen aktiv“ unter dem Motto: „So viel Freiheit wie möglich, so viel Schutz wie nötig“ zu gestalten. Ausgehend von diesen spezifischen Problemlagen widmete sich das Movemenz-Projekt der Fragestellung, ob und wie zu entwickelnde technische Artefakte Formen der Unterstützung anbieten können, um die Grundanforderung „Bewegung“ in einem gerahmten Pflegesetting aufrechterhalten, bzw. zu unterstützen. Dafür hat das Forschungsteam die Institutionen für einige Wochen zur teilnehmenden Beobachtung besucht und anschließend mit den beteiligten Personen (Betroffenen, Pflege- und Betreuungskräften, Angehörigen und Ehrenamtlichen sowie Vertretern des Quartiers) die auf Mobilitätsaspekte bezogenen Ergebnisse besprochen. In einem weiteren Schritt wurden die Beobachtungen mit einem Team von Technikentwicklern diskutiert, um technische Lösungsansätze und Entwicklungsmöglichkeiten zu erforschen. Basis für die Vorgehensweise im Projekt war der Ansatz der Grounded Theory: Hier wurden alle für die Forscher und Allgemeinheit verfügbaren Informationen wie Webseiten oder die teilnehmende Beobachtung genutzt, um daraus unbeeinflusste Thesen zu formulieren und zu begründen. Die Grounded Theory ist ein weit akzeptiertes sozialwissenschaftliches Vorgehen, um strukturiert und begründet Erkenntnisse erhalten, und erinnert in gewisser Weise nach einem Design Pattern aus der Informatik. Im skandinavischen Film Kitchen Stories von 2003 wird das gewählte Vorgehen der teilnehmenden Beobachtung einer kritischen und gleichzeitig humoristischen Betrachtung unterzogen. Ein Ergebnis und Beispiel für eine mögliche Innovation, die sich statt aus einem Technology Push aus den Beobachtungen, Diskussionen mit Betroffenen und den Technikentwicklern also einem Demand Pull herausgebildet hat, ist die Möglichkeit Menschen mit Ortslokalisierung zu helfen. Diese Technikdee wird zusammen mit einer starken sozialen Innovation einem unterstützenden Helfernetz im QuartrBack-Projekt untersucht. Den Ansatz neben dem Technology Push auch den Demand Pull zu setzen und im Vorfeld die Technikfolgen zu beachten wird auch im Terrain Projekt umgesetzt: So werden entsprechend interdisziplinäre Experten befragt, um weitere Anforderungen und Aspekte frühzeitig in die Entwicklung einfließen zu lassen. Ebenso werden im Projektverlauf mit Bürgerbeteiligung auch intensiv mögliche Technikfolgen und vorab Bedenken, aber auch Chancen des Technikeinsatzes untersucht. Publikationen und weiterführende InformationenN. Weinberger, J. Hirsch: Welche Art von mobilitätsfördernder Technologie ist im Pflegearrangement von Menschen mit Demenz zur Bedarfserfüllung notwendig? Aushandlungsprozesse zwischen Pflegekräften und Technikentwicklern. In: VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (Hrsg.): Zukunft Lebensräume. Proceedings des 9. AAL Kongresses 2016. Berlin, Offenbach: VDE 2016, S. 216-220 T. Zentek, N. Weinberger, C. Brändle, J. Hirsch: Analyse von Anforderungen an eine intelligente Notfallkette für Menschen mit Demenz im Quartier – Das Projekt QuartrBack. In: VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (Hrsg.): Zukunft Lebensräume. Proceedings des 9. AAL Kongresses 2016. Berlin, Offenbach: VDE 2016, S. 213-215 N. Weinberger, B.-J. Krings, M. Decker: Enabling a mobile and independent way of life for people with dementia – Needs-oriented technology development. In: Dominguez-Rué, E.; Nierling, L. (Hrsg.): Ageing and technology. Perspectives from the social sciences. Bielefeld: transcript 2016, S. 183-204 M. Decker, N. Weinberger: Was sollen wir wollen? Möglichkeiten und Grenzen der bedarfsorientierten Technikentwicklung. In: Weidner, R.; Redlich, T.; Wulfsberg, J.P. (Hrsg.): Technische Unterstützungssysteme. Berlin Heidelberg: Springer Vieweg 2015, S. 19-29 N. Weinberger, M. Decker: Technische Unterstützung für Menschen mit Demenz? Zur Notwendigkeit einer bedarfsorientierten Technikentwicklung. Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis 24(2015)2, S. 36-45 N. Weinberger, M. Decker, B.-J. Kriegs: Pflege von Menschen mit Demenz–Bedarfsorientierte Technikgestaltung. Schultz, T.; Putze, F.; Kruse, A.(Hg.): Technische Unterstützung für Menschen mit Demenz, Symposium. Vol. 30. No. 1.10. 2014. Podcast A. Grunwald: Armin Grunwald und die Zukünfte, Gespräch mit H. Klein im Resonator Podcast Folge 25, Holger Klein/Helmholtz-Gemeinschaft, 2014.