Musik unserer Zeit bringt die Gegenwart und Zukunft ins Haus mit zeitgenössischer klassischer Musik, mit elektronischen, experimentellen und improvisierten Klängen. Wir porträtieren Komponistinnen und Interpreten, spüren Trends auf, zeigen was aktuelle Musik alles sein kann und diskutieren am rund…
Schweizer Radio und Fernsehen (SRF)
Caroline Shaw ist eine der spannendsten Komponistinnen ihrer Generation: jung, vielfach ausgezeichnet, voller Neugier. Ihre Musik bewegt sich zwischen barocken Tanzformen, zeitgenössischem A-cappella-Gesang, elektronischen Klängen und Pop – ohne stilistische Scheuklappen. Caroline Shaw (*1982) ist Sängerin, Geigerin, Komponistin, Produzentin. 2013 wurde sie für ihre «Partita for 8 Voices» als jüngste Pulitzer-Preisträgerin bekannt. Die US-Amerikanerin denkt Musik vom Klang aus, nicht vom Notenpapier. Sie arbeitete mit Rap-Star Kanye West, schrieb Film-, Orchester- und Kammermusik für Stars wie Renée Fleming und den Cellisten Yo-Yo Ma, komponierte für die Indie-Rockband The National. Ihre Musik erkundet Natur, Erinnerung und emotionale Tiefe – verspielt, genreübergreifend und stets offen für Unerwartetes. Ein Einblick in ihre Klangwelt.
Kammermusik von Olga Diener und Ruth Crawford-Seeger Olga Diener: Kin-Spiel op. 43 III Olga Diener: Bajazzomusik op. 18 Olga Diener: Kleine Sonate op. 9 Olga Diener: Kleines Klavierkonzert op. 41 Ruth Crawford Seeger: Prelude No. 7 Ruth Crawford Seeger: Study in Mixed Accents Ruth Crawford Seeger: String Quartet Ruth Crawford Seeger: Suite No. 2 Ensemble Mixed Accents: Brandon Garbot, Violine Mateusz Szczepkowski, Violine Geneviève Strosser, Viola Judith Gerster, Violoncello Simone Keller, Klavier Konzert vom 23. Februar 2025, Zunftsaal Schmiedenhof Basel Das Konzert steht unbeschränkt zum Nachhören zur Verfügung.
Vor einigen Jahren bekam die Thurgauerin einen der renommierten Schweizer Musikpreise. Und wurde damit nicht nur für ihr Klavierspiel ausgezeichnet, sondern auch für ihre unermüdliche Suche nach dem, «was im Verborgenen blüht». Nach dem klassischen Klavierstudium entfaltete sich Simone Kellers künstlerische Freiheit vollends: Obwohl sie nach wie vor auch das klassisch-romantische Repertoire liebt und pflegt, liegt ihr Fokus heute auf neuer und neuster Musik. Insbesondere hält sie stets Ausschau nach kaum bekannter oder wenig gespielter Musik, wie derjenigen von Aussenseiter:innen wie Julius Eastman oder Julia Perry. Mit ihren Ensembles wie dem Kukuruz Quartett eröffnet sie so Einblicke in vergessene Klangwelten. Immer mehr Wichtigkeit bekommt für Simone Keller Interdisziplinäres und Musiktheater. Zusammen mit ihrem Mann Philip Bartels gründete sie 2014 die Produktionsfirma ox&öl. Auch in ihren musiktheatralischen Arbeiten sind Diversität, Zugänglichkeit und Inklusion zentrale Konzeptpfeiler. Zudem engagiert sich die freiberufliche Musikerin auch in mehreren sozialen Projekten. Als Vorstandsmitglied im Verein «Save young musicians» hilft sie mit, jungen Musiker:innen aus Krisengebieten Zugang zu musikalischer Weiterbildung zu ermöglichen. Simone Keller ist also immer auf Achse, sie kann nur ganz oder gar nicht. Sich zurücklehnen und ausruhen ist ihre Sache nicht - aber sie arbeitet daran, entspannt sich etwa wenn sie Schwyzerörgeli spielt. Erstausstrahlung: 21.09.2022
Das Ostschweizer Ensemble Orbiter nimmt sich Musik vor (darunter zwei Auftragswerke für das Ensemble), die hochdifferenzierte elektronische Klänge in den Instrumentalklang hinein weben. Ergänzt werden die beiden Auftragswerke durch die Wiederaufführung von Lula Romeros «meándros y páramos II», das sie vor zwei Jahren für das Ensemble komponiert hatte. Philippe Kocher: Verflochtene Wege für Flöte, Trompete, Klavier, Kontrabass, Schlagzeug und Elektronik (2025) UA Lula Romero: meándros y páramos für Ensemble und Live-Elektronik Teresa Carrasco: Zeitgefüge für Ensemble und Live-Elektronik (2025) UA Ensemble Orbiter: Riccarda Caflisch, Flöte André Meier, Trompete Aline Spaltenstein, Kontrabass Martin Lorenz, Schlagzeug Simone Keller, Klavier Lula Romero, Modularsynthesizer/Elektronik Konzert vom 24. Februar 2025, Tonhalle St. Gallen Das Konzert steht unbeschränkt zum Nachhören zur Verfügung.
Der Anthropologe und Norient-Gründer Thomas Burkhalter reist mit dem Mikrofon durch Südasien. Er trifft Musikerinnen und Musiker zwischen Alltag, Widerstand und Wandel. Daraus entsteht – gemeinsam mit Musikproduzent Daniel Jakob – eine abstrakte Klangreise. Die Welt verändert sich rasend schnell – und Musikerinnen und Musiker durchleben schwierige Zeiten. Wir begegnen Künstlerinnen auf den Malediven, die in Touristenresorts spielen und erzählen, wie die Arbeitsbedingungen von Jahr zu Jahr härter werden. Wir treffen Musiker in Bangladesch, die im Gefängnis sassen – und nach dem Sturz der autoritären Premierministerin Sheikh Hasina neue Hoffnung schöpfen. In Delhi und Bangalore hören wir Stimmen von Künstlerinnen, die sich gegen Kommerzialisierung und das Kastensystem wehren. Einige von ihnen wollen anonym bleiben. Ihre Worte aber haben uns berührt. Wir montieren sie wie ein Mantra – zu einer abstrakten Klangreise.
Die deutsche Improvisationsmusikerin und Komponistin Magda Mayas sitzt selten auf dem Klavierstuhl und spielt auf den Tasten ihres Pianos, wie man es gewohnt ist. Viel öfter steht sie beim Spielen und greift mit den Händen in den Flügel hinein. Mit diversen Präparationen und Spieltechniken entlockt sie dem Instrument Klänge, die man oft gar nicht mit dem traditionellen Klang eines Klaviers in Verbindung bringt. Was sie antreibt, immer neue Klänge zu suchen und diese auch akribisch zu katalogisieren, erfahren wir im ersten Teil von «Musik unserer Zeit», bevor es dann auf die Livebühne geht: Ans vergangenen Jazzfestival Willisau, wo Magda Mayas mit ihrem Ensemble «Filamental» aufgetreten ist.
Teil 2: «Die Sirenen des Fliegeralarms heulten sieben oder acht Mal am Tag. Mich persönlich verschreckten sie jedoch nicht. Was mich demütigte und fast um den Verstand brachte war, wie die faschistischen Beamten jeden anstarrten, dem sie auf der Strasse begegneten.» So beschreibt der italienische Komponist Luigi Dallapiccola seine Situation in Florenz im Jahr 1944, als er seine zweite Oper zu komponieren beginnt. Es ist ein Gefängnis-Drama, das ebenfalls in einer brutalen und düsteren Zeit spielt: im Spanien des 16. Jahrhunderts zur Zeit der Inquisition. Eine düstere Geschichte. Annäherungen mit dem Kulturwissenschaftler Joachim Noller. Erstausstrahlung: 03.10.2018.
Teil 1: «Il Prigionero» von Luigi Dallapiccola ist eine Oper in einem Prolog und einem Akt. Und die Sendung ist diesmal ein bisschen anders. Heute Mittwoch kleine Annäherungen an das Werk mit dem Dirigenten Jörg Halubek, der zur Zeit eine Neuinszenierung am Luzerner Theater leitet. Am kommenden Samstag dann ein tieferes Eintauchen und Werk mit Kulturwissenschaftler Joachim Noller.
Anfang Februar ging das Finalkonzert der 5. Basel Composition Competition mit anschliessender Preisverleihung über die Bühne. Gewonnen haben Qianchen Lu (*2000) mit «Nine Odes to The Night» (1. Preis, 60.000.-), Erqing Wang (*1998) mit «The Gaze of Mnemosyne» (2. Preis, 25.000.-) Ramón Humet (*1968) mit «Bird in Space» (3. Preis, 10.000.-) und noch einmal Qianchen Lu (Publikumspreis, 5.000.-). Wir senden die 3 ausgezeichneten Werke. Erqing Wang (*1998, China) - The Gaze of Mnemosyne (2. Preis) Basel Sinfonietta Pablo Rus Broseta, Leitung Qianchen Lu (*2000, China) - Nine Odes to The Night (1. Preis) Kammerorchester Basel Tito Ceccherini, Leitung Ramón Humet (*1968, Spanien) - Bird in Space (3. Preis) Sinfonieorchester Basel Roland Kluttig, Leitung Konzert vom 2. Februar 2025, Don Bosco, Basel Das Konzert steht unbegrenzt zum Nachhören zur Verfügung.
Hardi Kurda beobachtet seine Umgebung mit allen Sinnen. Die Eindrücke verarbeitet er in Klangkunst-Performances: Die Störfrequenzen eines Radios, den Geruch eines jahrhundertealten kurdischen Teppichs, die Kurven auf einem EKG-Monitor. Den Klang achtlos weggeworfener, scheinbar nutzloser Objekte. In seinem Werk «Recycling Objects» werden sie zu Instrumenten. Als Residenzkünstler des Sonic Matter Festivals 2025 hat der kurdische Klangkünstler eine Zürcher Version von «Recycling Objects» angefertigt. Zusammen mit Festivalbesuchenden hat er eingesammelt, was auf Zürichs Strassen so herumliegt: Leere Bierdosen und Kieselsteine, Plastikdeckel und Haargummis. Hardi Kurda bringt sie zum Klingen.
Das Projekt «wachgespielt» hat die Hochschule für Musik Basel FHNW gemeinsam mit SRF Kultur auf die Beine gestellt. Talentförderung im Bereich Musik trifft hier auf das Versprechen von SRF, die eigenen Archivschätzen zu pflegen. Im elektronischen Studio der Musikakademie Basel sitzen fünf Studierende im Halbkreis hinter ihren Laptops und Samplern. In der Mitte, in grünes Licht getaucht, steht ein seltsames Gerät: eine Art Spieluhr, die in Endlosschlaufe die ersten Takte vom Lied «Z Basel a mym Rhy» erklingen lässt. Dieses Pausenzeichen gehört zum Bestand des Studios Basel. Bis in die 1960er Jahre hatte es die Aufgabe zu überbrücken - wenn von einem Studio zum anderen geschaltet wurde oder die Moderation wechselte. Mit diesem alten Gerät haben die Studierenden eine atmosphärisch dichte Performance entwickelt, ergänzt mit Sprachfetzen aus historischen SRF-Sendungen. «Es war herausfordernd nur diese wenigen Töne als Ausgangspunkt zu nehmen» sagt die Audiodesign-Studentin Lara Wolff. «Ich bin es gewohnt unendlich viele digitale Möglichkeiten zu haben». Aber in der Reduziertheit des analogen Geräts lag eben gerade der Reiz. Das Projekt «wachgespielt» hat die Hochschule für Musik Basel FHNW gemeinsam mit SRF Kultur auf die Beine gestellt. Talentförderung im Bereich Musik trifft hier auf das Versprechen von SRF, die eigenen Archivschätzen zu pflegen, zum Beispiel jene im Bereich der Neuen Musik. Durch die Vergabe von hunderten Kompositionsaufträgen hat SRF Schweizer Musikgeschichte mitgeschrieben. Einige dieser Partituren schlummern im Archivkeller des Basler SRF-Studios. Im Rahmen von «wachgespielt» wurden die Stücke nicht nur wiederaufgeführt und von SRF aufgezeichnet. Auf deren Grundlage haben Kompositionsstudierende auch Neues geschaffen. Inbar Sharet zum Beispiel hat sich einem Kompositionsauftrag von 1976 an Thomas Kessler angenommen. Er ist fasziniert von diesem Stück namens «Unisono». Drei Klarinetten versuchen zu einer Gemeinschaft zu finden, aber man hört vor allem die Unterschiede, sagt der 29-Jährige. «Ich sehe darin eine Metapher für unsere hochindividualisierte Gesellschaft». Sharets Rekomposition für drei Saxophone greift genau diesen Aspekt auf und beweist, wie gut sich manche Ideen von damals ins Heute transferieren lassen. Die Stücke aus dem SRF-Archiv, die am 2. März an der Hochschule für Musik Basel FHNW aufgeführt wurden: Robert Suter: La Scesa für drei Klarinetten und Gitarre (Kompositionsauftrag von Studio Basel 1976) Thomas Kessler: Unisono für drei Klarinetten in B (Auftrag von 1976) Hans Ullrich Lehmann: Faces für Cembalo, Flöte, Oboe, Klarinette, Violine und Violoncello (Auftrag von 1972) Jacques Wildberger: Double Refrain für Flöte, Englischhorn, Gitarre und Tonband (Auftrag von 1972) Neukompositionen mit Bezug auf das SRF-Archiv: Camilo Bornstein: I I I I I, basierend auf Klaus Hubers Orchesterstück «James Joyce Chamber Music» für Harfe, Flöte, Klarinette, Saxophon, Komtrabass und Schlagzeug (2025, UA) Inbar Sharet: 78/9, Reframing von Thomas Kesslers «Unisono», für drei Tenorsaxophone und Tonband (2025, UA)
In ihrem Orchesterwerk «Endless Sediments» geht Isabel Mundry den Spuren von zeitlich und räumlich entfernter Musik nach. Gemma Ragués Pujol hat ein kubistisches Stück geschrieben, in dem Rhythmus und Text eine Hauptrolle spielen. Ylva Lund Bergner untersucht das Wechselspiel von Wind und Bäumen. Maja Solveig Kjelstrup Ratkje will nur eines: fliegen. Und Cathy Milliken interessiert sich für 500 Millionen Jahre alte Fossilien. Isabel Mundry: Endless Sediments für Kammerorchester Gemma Ragués Pujol: Trust Me Ylva Lund Bergner: dOWN Maja Solveig Kjelstrup Ratkje: Considering Icarus für Posaune und Orchester Cathy Milliken: Earth Plays V: Ediacaran Fields für Orchester und Publikum Stephen Menotti, Posaune Gemma Ragués Pujol, Performance Basel Sinfonietta Titus Engel, Leitung Konzert vom 7. Juni 2024, Black Diamond Library, Kopenhagen (Copenhagen Avantgarde Music Festival) Das Konzert steht bis 30 Tage nach Sendetermin zum Nachhören zur Verfügung.
Kamilya Jubran spielt ein uraltes Instrument, die Oud, eine Kurzhalslaute. Und kooperiert mit Künstler*innen der elektronischen Musik. Auch in ihrem Gesang orientiert sie sich an einer beinahe untergegangen Kultur. Auch ihrer eigenen. Im besetzten historischen Palästina aufgewachsen, heute in Frankreich lebend, verkörpert Kamilya Jubran als Künstlerin und Mensch den Modellfall eines historischer Konflikts. Ihre Musik versteht sie dennoch nicht politisch. Zumindest nicht primär. Ein Porträt von Benjamin Herzog.
Fausto Romitelli: Lesson I, for eight instruments and electronics, 1998 Fausto Romitelli: Lesson II, for ten instruments, 1999 Fausto Romitelli: Lesson III, for ten instruments, 2000 Ensemble ICTUS Konzert vom 19. November 2024, Hochschule der Künste Bern Das Konzert steht unbeschränkt zum Nachhören zur Verfügung.
«Composing While Black» heisst ein Buch des Komponisten George Lewis und des Musikwissenschaftlers Harald Kisiedu. «Musik unserer Zeit» gibt Einblicke in die Vielfalt und Lebendigkeit afrodiasporischen Komponierens in der Schweiz heute, thematisiert die Schwierigkeiten ihrer Sichtbarkeit und weist ein wenig auch in die Geschichte zurück.
Der französische Avantgardist, einer der wichtigsten Musik-Persönlichkeiten der letzten 100 Jahre, würde genau heute seinen 100. Geburtstag feiern. 2016 ist er 92-jährig in Baden-Baden von uns gegangen. Eine mosaikartige Hommage, ein Portrait von Leben und Werk des grossen Pierre Boulez. Roland Wächter, früher Musikredaktor und Redaktionsleiter von DRS 2, hat ihn in Interviews und Gesprächskonzerten während Jahrzehnten journalistisch begleitet und erzählt von seinen Begegnungen mit Boulez. Und der Intendant von Lucerne Festival, Michael Haefliger, spricht über die Anfänge der Lucerne Festival Academy, die er vor mehr als 20 Jahren zusammen mit Pierre Boulez gegründet hat.
Am 13. März 2025 starb die russische Komponistin Sofia Gubaidulina im Alter von 93 Jahren. Eine Würdigung. Sofia Gubaidulina sei durchsichtig vor Hunger und Erschöpfung, hat ein Freund über sie gesagt, damals in der Sowjetunion der 1980er Jahre. Weil sie ja keine Aufträge hatte, keine Aufführungen, keine Zukunft als Künstlerin, nichts. Die sowjetische Führung warf ihr vor, nicht einfach und volksnah genug zu schreiben. Nicht genug «sozialistisch realistisch». Aber das wollte sie nicht, konnte sie nicht. Keine pathetischen Hymnen komponierte sie, keine volkstauglichen Lieder. Das führte zu immer wieder neuen Verbote, Auflagen, vernichtenden Kritiken. Trotzdem komponierte sie unermüdlich weiter, umsonst und für die Schublade. Niemand bekam ihre Musik zu hören. «Es war wirklich sehr schwierig, in dieser Situation zu überleben,» erinnerte sie sich, «manchmal bin ich fast verzweifelt.» Nach dem Ende der Sowjetunion konnte sie endlich ausreisen und wurde im Westen ein Star. Nun ist sie gestorben, im Alter von 93 Jahren. Die Musik unserer Zeit ist daher heute ein Gubaidulina-Mosaik. Im zweiten Teil senden wir Musik aus ihrem Spätwerk: Dialog: Ich und Du / Der Zorn Gottes / The Light of the End.
Schwarze Strände, gelbe Flüsse, Schroffe Klippen, wilde Schluchten, pfeifender Wind, tosende Brandung, fauchende Vulkane - die Natur in Island ist rauh. Die Natur, in der die Komponistin Anna Thorvaldsdottir aufgewachsen ist. Die Natur ist ihre grösste Inspiration, aber nicht im romantischen Sinne: Sie schreibt keine Naturprogrammmusik, ihre natürliche Umgebung wirkt bei ihr mehr als Katalysator ihrer eigenen Gefühle und musikalischen Gedanken. Anna Thorvaldsdottir komponiert für die berühmtesten Sinfonieorchester der Welt, für die New Yorker wie für die Berliner Philharmoniker. Ihre Musik berührt ein grosses Publikum, und das ganz unmittelbar. Man lässt sich gerne entführen in Thorvaldsdottirs urwüchsigen, erdigen Klanglandschaften. Für Orchester komponiert sie am liebsten und am meisten, und ihre sinfonischen Dichtungen reflektieren auch große Fragen wie unseren Umgang mit der Natur, oder auch kosmische Phänomene wie schwarze Löcher. Diese Saison ist Anna Thorvaldsdottir Creative Chair beim Tonhalle-Orchester Zürich und stellt in der Limmatstadt mehrere ihrer Orchester- und Kammermusikwerke vor.
Ganz zufällig stiess Patricia Kopatchinskaja auf den amerikanischen Komponisten Michael Hersch, als sie in einer schlaflosen Nacht im Internet surfte. Aber seine Musik nahm sie sofort gefangen. Also kontaktierte sie Hersch und gab ein Violinkonzert in Auftrag. Das Magazin Gramophone sprach von einem «musikalischen Kampf auf Leben und Tod». LF Forward: «Schmerz» Yu Kuwabara (*1984): Time Abyss für 17 Musiker*innen Katherine Balch (*1991): Chamber Music für Kammerorchester Michael Hersch (*1971): Violinkonzert Lucerne Festival Contemporary Orchestra Mariano Chiacchiarini, Leitung Patricia Kopatchinskaja, Violine Konzert vom 16. November 2024, KKL Luzern Das Konzert steht unbeschränkt zum Nachhören zur Verfügung.
Künstliche Intelligenz kann mittlerweile vieles. Aber kann sie auch komponieren? Und wenn ja, kann sie es besser als wir Menschen? Die Meinungen gehen auseinander. Und die klingenden Antworten sind denkbar vielfältig: von Beethovens «Zehnter» bis hin zu Chatbots, die personalisierte Songs kreieren. Jeder kennt das: Man gibt einen anderssprachigen Text in ein Übersetzungsprogramm im Internet ein. Heraus kommt eine Übersetzung, die zwar verständlich ist, aber vielleicht ungelenk formuliert oder sogar fehlerhaft. Trotzdem sind genau das die spannenden Momente. Denn wenn die Maschine überfordert ist, entsteht oft wunderbar aparte Poesie: Sätze oder Wortfolgen, die keinen Sinn ergeben, missinterpretierte Zusammenhänge oder bizarre Sprachbilder. Solche «Lücken» intelligenter Systeme lassen sich kreativ nutzen – nicht nur für Texte, sondern auch in der Musikproduktion. Auf denkbar unterschiedliche Weise arbeiten Komponistinnen und Komponisten der Gegenwart mit Künstlicher Intelli-genz. Jennifer Walshe trainiert digitale neuronale Netze mit ihrer eigenen Stimme, Genoël von Lilienstern programmiert seine KI-Modelle gleich selbst und das «Intelligent Instruments Lab» in Island stattet traditionelle akustische Instrumente mit Computertechnologie aus. Mit - Genoël von Lilienstern, Komponist - Jennifer Walshe, Komponistin - Thor Magnusson, Gründer des Intelligent Instruments Lab Reykjavik - Alexander Schubert, Komponist/Informatiker Erstausstrahlung: 15.02.2023
Wie ein kristallines Mobile an silbernem Faden dreht sich ihre Musik in sich selbst und aus sich heraus. Die Komponistin Catherine Lamb arbeitet mit reiner Stimmung und kreiert multidimensionale harmonische Klangräume. Ein Studienaufenthalt in Indien hat Catherine Lamb die Ohren geöffnet. Dhrupad gilt als ältester Gesangsstil der nordindischen klassischen Musik und inspiriert die künstlerische Entwicklung der noch jungen Komponistin. Zurück in den USA beginnt Catherine Lamb ihr Studium bei James Tenney, einem Schüler von John Cage und Pionier in der Erforschung der mikrotonalen Harmonik und Akustik. Von Tenney lernt sie das Konzept des Harmonic Space, des harmonischen Raums, kennen. Schliesslich beginnt Catherine Lamb mit reiner Stimmung (engl.: just intonation) zu experimentieren. Reine Intervalle, von der Obertonreihe abgeleitet, bestimmen seit über 20 Jahren ihre künstlerische Forschung. Seit 2013 lebt die US-amerikanische Komponistin in Berlin und tüftelt mit gleichgesinnten Musikerinnen und Musikern im Harmonic Space Orchestra an den Möglichkeiten der reinen Stimmung, des Harmonic Space und an kollaborativen künstlerischen Prozessen.
György Kurtág ist der Meister der komplexen Reduktion. Und einer der skrupulösesten Komponisten aller Zeiten. «Eigentlich weiss ich nicht, wie ich komponiere», sagt er. «Manchmal habe ich so Lähmungen. Nicht nur Monate, sogar jahrelang. Und in dieser Zeit weiss ich gar nicht, wie man komponiert. Das heisst, ich kann es nicht. Ich kann ein Stück nicht anfangen, wenn ich will. Nur, wenn es will.» Am 19. Februar wird Kurtág 99 Jahre alt. Daher widmen wir ihm die Musik unserer Zeit. Mit Interviewausschnitten. Mit einem Workshop, den er vor 15 Jahren gegeben hat und der deutlich macht, wie detailversessen Kurtag ist. Im zweiten Teil der Sendung seine Oper «Fin de partie», die er mit über 90 Jahren geschrieben hat.
Das Genfer Schlagzeug-Kollektiv hat sich einen frischen Geist bewahrt, bleibt am Puls der Zeit. Das zeigte sich am Festival Sonic Matter in Zürich. Eine Reportage in zwei Teilen - Teil 2 Musik für Streichhölzer. Eine wummernde Klangskulptur. Glühlampen in minimalistischer Aktion. Eklekto ist nicht nur etwas fürs Ohr, sondern auch fürs Auge. Die Grenzen zur bildenden Kunst überschreitet das Kollektiv mit Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit. Ein Porträt.
Das Genfer Schlagzeug-Kollektiv hat sich einen frischen Geist bewahrt, bleibt am Puls der Zeit. Das zeigte sich am Festival Sonic Matter in Zürich. Eine Reportage in zwei Teilen - Teil 1 Musik für Streichhölzer. Eine wummernde Klangskulptur. Glühlampen in minimalistischer Aktion. Eklekto ist nicht nur etwas fürs Ohr, sondern auch fürs Auge. Die Grenzen zur bildenden Kunst überschreitet das Kollektiv mit Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit. Ein Porträt.
Welche Musik hören wir immer wieder, welche spielen wir immer wieder? Und welche nicht? Wann, wie und warum wird ein Werk zu gängigem Repertoire und Teil des Kanons? Zuallererst braucht ein neues Werk enthusiastische Interpret:innen, welche es spielen, es bekannt machen, sich dafür einsetzen und es so zum Leben erwecken und am Leben erhalten. Es muss aber auch den Weg zum Publikum finden, dieses unmittelbar ansprechen, bewegen oder ergreifen. Ein innovativer Kompositorischer Ansatz oder ein technische Neuerung kann zum Erfolg verhelfen, wie auch eine knackige Story oder ein originelles Programm. Und schliesslich müssen auch Veranstalter, Opernhäuser und weitere Ensembles auf den Erfolgszug aufspringen um ein Stück schliesslich nachhaltig im Kanon zu etablieren. Moritz Weber spricht darüber mit dem Musikwissenschaftler, Musikjournalisten und Kurator Thomas Meyer und mit dem Mondrian Ensemble. Erstausstrahlung: 22.05.2024
Uraufführung des Bratschenkonzertes von Dieter Ammann: Der Komponist zusammen mit dem Solisten Nils Mönkemeyer im Gespräch über das neue Werk. Der Zofinger Komponist, der vor zwei Jahren seinen 60. Geburtstag feiern konnte, gilt als Langsamschreiber. Seine Musik ist hingegen meist schnell, vital, ständig in Bewegung und vorwärts drängend. Da wird nichts, aber auch gar nichts dem Zufall überlassen, jede Sekunde ist essentiell. Auch sein neustes Werk, das in Basel uraufgeführt wird, entstand in einem langen Prozess. Der Ukrainekrieg, der Tod seines Freundes Wolfgang Rihm und weitere Impulse von aussen waren prägend dabei und führten dazu, dass Dieter Ammann zum ersten Mal «auf die andere Seite» ging, nämlich zur «unverstellten Tonalität». Gleichwohl wird diese Tonalität immer wieder instabil und mit anderen klanglichen Zuständen kombiniert. Wichtig ist auch die Kommunikation zwischen Solobratsche und Orchester. Der Solist Nils Mönkemeyer sagt dazu: «Bratsche und Orchester treten in einen eng umschlungenen Dialog, wobei das Orchester oft so etwas wie ein Schatten der Solostimme ist, und es zu einem Wechselspiel der Energien kommt.»
Ein Klavierzyklus des Zürchers Edu Haubensak Zehnmal hat sich Edu Haubensak den Flügel verstimmen, d.h. skordieren lassen, jedesmal auf andere Weise. Daraus entstanden über zwei Jahrzehnte hinweg zehn einzigartige Klavierstücke. Erstmals wurde dieser Zyklus «Grosse Stimmung I-X» nun in Wien integral aufgeführt. Thomas Meyer unterhält sich mit dem Zürcher Komponisten darüber, wie sich sein musikalisches Denken dabei gewandelt hat. Erstausstrahlung: 13.01.2021
Dieses elektronische Musikinstrument aus dem frühen 20. Jahrhundert hat nicht nur dem Hitchcock-Horrorstreifen «The Birds» Töne verliehen, es hat überhaupt eine ganz spannende Geschichte. Annäherungen mit dem Fan, Kenner und Tontechniker Chris Weber.
Mit Leonie Klein und Fritz Hauser (Schlagzeug) auf der Suche nach ungeahnten Klangwelten und Klangabenteuern. Die Musik unserer Zeit hat ein neues Gewand! Und heisst nur noch «Musik unserer Zeit»: Teil 1 am Mittwoch 20 – 21 Uhr (und in Wiederholung Samstag 21 – 22 Uhr) ist der thematische Teil: Porträt, Klassiker der Moderne, Reportage, Story, Archivperle oder Gespräch Teil 2 am Mittwoch 21 – 22 Uhr ist dann das «Konzert»
Für neue Musik braucht es neue Instrumente. Im 20. und 21. Jahrhundert hat sich das Instrumentarium deshalb weit über die klassischen Orchesterinstrumente hinaus entwickelt. Seien das nun Flugzeugmotoren, Kakteen, Karotten, Abfall oder sogar unser Gehirn. Bringt dieses neue Instrumentarium einen Mehrwert oder ist es nur Klamauk, geht es um Effekthascherei oder handelt es sich bei den Kompositionen mit schrägen Instrumenten um Qualitätsmusik? Mariel Kreis spricht darüber mit dem Komponisten Michel Roth. Erstausstrahlung 01.11.2013
Musik, die uns mit kalten Klängen fröstelt, die an tanzende Schneeflocken erinnert, oder eine prachtvolle Winterlandschaft huldigen soll: viele Künstlerinnen und Künstler haben im Schnee und Eis schon Inspiration gefunden. Mit dem Glaziologen Leo Hösli hören wir uns zeitgenössische Stücke an, die im, über, und für Schnee und Eis geschrieben wurden. Wir reden über die Musik und vergleichen unsere Assoziationen – und wir lernen dabei noch etwas über Glaziologie. Erstausstrahlung: 14.02.2024
Der Schweizer Komponist und Perkussionist Michael Wertmüller steht für hochenergetische grenzüberschreitende Musik. Virtuos und wild verschränkt er in seinen Werken Ansätze aus Jazz und zeitgenössischer Musik. Von der Miniaturkomposition bis zum raumumspannenden Musiktheater siedeln sich diese in verschiedenen Kontexten an und verbinden oft unterschiedliche Klangkörper. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit seiner «Lieblingsband» Steamboat Switzerland, die ihrerseits seit ihren Anfängen Jazz, Rock, Metal und Improvisation mit zeitgenössischer Musik verbindet. Gemeinsame Projekte erstrecken sich von Miniaturkompositionen, die der Komponist den drei Musikern auf den Leib schrieb, bis zu umfangreichen Musiktheaterprojekten, in denen die Band akustisch und visuell Motor oder Kontrast zu weiteren Klangkörpern bildet. Zudem setzt Wertmüller die Musiker des Trios auch laufend solistisch ein. Michael Wertmüller und die drei Steamboat Switzerland-Musiker Marino Pliakas (E-Bass), Dominik Blum (Hammond-Orgel) und Lucas Niggli (Schlagzeug) im Gespräch zu Verbindendem und gemeinsamen Projekten.
Auf der Suche nach der Geschichte der zeitgenössischen Musik Wo ist die Geschichte der zeitgenössischen Musik? Kann es noch Erzählungen oder gar eine Erzählung geben, die Werke, Personen, Ereignisse ordnet und in Zusammenhänge stellt? Natasha Loges, Marco Blaauw, Harald Kisiedu und Martina Seeber diskutieren über Perspektiven und Macht, über den Traum einer postkolonialen Geschichtsschreibung, und wie genau die vielleicht nicht nur Sichtweisen, sondern auch Identitäten verändert.
Seit einem halben Jahrhundert lebt er in Wien, hat dort das Klangforum Wien gegründet, eines der weltweit wichtigsten Ensembles für zeitgenössische Musik. Er ist ein introvertierter, leiser Dirigent und Schöpfer suggestiver Musik, kompositorischer Expeditionen ins Unwirtliche. Auch Bedrohliche. Oft reduziert, tastend. Fragmentiert. Furrer lässt seine Musik oft ins Leere laufen, verwischt sie – oder splittert sie auf und verpasst ihr multiple Persönlichkeiten. Er ist eine der spannenden Stimmen unserer Zeit, der Musik existenziell ernst nimmt und dabei – ganz ohne Elektronik Video und Performance - Klänge mit Sogkraft entwickelt. Erstausstrahlung: 12.11.08
Der so sanftmütig wirkende Komponist aus Bern, der mit feinsten Klangschattierungen faszinierte und mikrotonale Reibungen aushörte, der auch jähzornig aufbrausen konnte - am 30. November würde er seinen 100. Geburtstag feiern. Eine Hommage. Erst relativ spät konzentrierte sich Klaus Huber aufs Komponieren, nachdem er jahrelang als Lehrer tätig gewesen war. Nach einem Geigenstudium bei der berühmten Stefi Geyer und Kompositionsunterricht bei seinem Götti Willy Burkhard verwendete er schliesslich für seine eigenen Werke verschiedene Techniken der Avantgarde, wandelte sie aber zugleich ab und schnitt sie auf seine eigene Klangsprache zu. Hubers Leben ist mit seinem Œuvre eng verbunden. Er komponierte etwa zu drei seiner wichtigsten Beziehungen zu Frauen jeweils eine «Gründungsmusik». Trennung von Werk und Biografie? Fehlanzeige! Seine Geliebten Regula von Sparr, Susanne Bitter und Younghi Pagh-Paan sind in diesen Werken denn auch auf unterschiedliche Art und Weise präsent, sei es durch ihre Co-Autorschaft, durch die Klangfarbe oder durch eine bestimmte Kompositionstechnik. Auch politische Zäsuren und Prozesse inspirierten ihn zu Musik: Die Revolution in Nicaragua zu seinem Opus Magnum, dem monumentalen Oratorium «Erniedrigt - Geknechtet - Verlassen - Verachtet...» (1975-1983). Und der zweite Golfkrieg war der Auslöser für seine Beschäftigung mit arabischer Musik ab 1991, was ihn seine Faszination für die Dritteltönigkeit entdecken liess. Huber interessierte sich zudem für Spiritualität und Mystik, seinen internationalen Durchbruch hatte er denn auch mit seiner Kammerkantate «Des Engels Anredung an die Seele» (1959) geschafft. Unter anderem solche Wechselwirkungen zwischen Leben und Werk beleuchtet die Musikwissenschaftlerin Corinne Holtz in ihrer neuen Biografie über Klaus Huber «Welt im Werk» (Schwabe Verlag, 2024). Sie ist Gast in der Sendung und erläutert im Gespräch weitere Einzelheiten zu dieser Ausnahmeerscheinung der Schweizer Musikgeschichte.
Sie ist eine der grossen Persönlichkeiten des europäischen Jazz und eine Pionierin des Free Jazz. Als Irène Schweizer im Juli 83jährig starb, war das Medienecho gewaltig. Auch unzählige Musikerinnen und Musiker trauerten um ihre Freundin und Bühnenpartnerin und der Wunsch war stark, sie noch einmal gemeinschaftlich zu feiern. So lud Schweizers Label «Intakt» zu einer musikalischen Abschiedsfeier. Das traf auch beim Publikum einen Nerv: Innert weniger Stunden war der Abend am 4.November ausverkauft. Der Anlass war ja auch einzigartig: Sechzehn renommierte Musiker:innen aus dem In- und Ausland reisten extra an, um in bisher ungehörten Konstellationen Irène Schweizer zu ehren. Ein Abschied voller Grosszügigkeit, Zärtlichkeit - und auch der Schalk kam nicht zu kurz. Musik unserer Zeit zeigt mit Rüdiger Carl, Sarah Chaksad, Sylvie Courvoisier, Hamid Drake, Maggie Nichols, Lucas Niggli, Günter «Baby» Sommer, Co Streiff, Yves Theiler und Omri Ziegele einen Ausschnitt des dreistündigen Konzertabends.
Die deutsche Komponistin Lucia Kilger realisiert das erste Auftragswerk für digitalen Raum der Donaueschinger Musiktage. «Smonize» ist eine künstlerische, erfahrbare Reflexion der Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Wirklichkeiten. Sie spielt Elektronik wie Streichinstrumente, baut digitale Räume und Klanglandschaften. Ihr Publikum lässt Lucia Kilger allerdings selbst erkunden, ohne ihnen eine Landkarte mitzugeben. Die Titel ihrer Werke sind kryptisch, die Begleittexte assoziativer Art. «Sprache kann manchmal ein Gefängnis sein.» Ihre Musik ist treibend, so schleichen sich Groove und Beats gekonnt in die Sound-Sphären, ohne Überhand zu nehmen. Die Performance steht über instrumentaler Virtuosität. Die Arbeit mit Multimedia zieht sich wie ein roter Faden durch Lucia Kilgers Werk. Was nicht erstaunt, denn sie startet ihre professionelle Laufbahn als Mediengestalterin in Bild und Ton. In einem Praktikum des Experimentalstudios in Freiburg im Breisgau vertieft sie sich zum ersten Mal in die Zeitgenössische Musik und wusste sofort, da gehört sie hin. Nach Bachelor- und Master-Studiengängen in Trossingen, Frankfurt und Köln ist sie heute gefragte Komponistin und Klangregisseurin und lehr als Professorin an der Hochschule für Musik in Detmold.
Der berühmteste Komponist Japans verbindet Ost und West - östliche und westliche Klangsprachen, östliche und westliche Philosophie. In seiner Musik sei jeder Moment ein wichtigster Moment, jeder Moment eine Ewigkeit. Erst während seines Studiums in Deutschland entdeckte der aus Hiroshima stammende Hosokawa die Schönheit der traditionellen Künste seiner Heimat. Er fand seine künstlerische Identität und erkannte, wie wichtig auch für ihn zentrale Elemente dieser Kunstformen waren: Der Prozess der Seelenheilung im N?-Theater, die, wie er sagt, «kosmischen» Klänge der höfisch-zeremoniellen Gagaku-Musik und der Mundorgel Sh?, oder die Prägnanz der Kalligrafie. Zudem ist ihm die Natur eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Am Meer oder im Wald schöpft er Kraft und findet seine innere Ruhe. In seiner Kunst stellt er die Natur in all ihrer Schönheit und Reinheit dar, aber auch in ihrer Grausamkeit und Gewalt. Viele von Hosokawas Werken sind von Naturkatastrophen inspiriert oder sind Klagelieder für deren Opfer, wie seine beiden letzten Opern «Stilles Meer» oder «Erdbeben. Träume» über das T?hoku-Erdbeben von 2011. Und Hosokawa schreibt bereits an seiner nächsten Oper, welche ebenfalls von den Auswirkungen von Katastrophen erzählt und in etwa zwei Jahren uraufgeführt werden soll. Der 67-Jährige sieht sich auch als Komponist einer Urkraft, welche in der japanischen Kultur «Ki» genannt wird. Er empfange und vertonte das, was bereits da sei im ewigen «Fluss der Töne». Wie ein Schamane wolle er so die spirituelle Welt mit uns verbinden. Erstausstrahlung: 22.03.2023
«Es klingt fein und ist ganz einfach zu hören und zu spielen, worauf ich äusserst stolz bin. Ich konstatiere mit Befriedigung, dass meine Sachen besser und einfacher werden (wird auch Zeit).» Das sagte Paul Hindemith über sein 4. Streichquartett. Reden wir darüber, über diesen Klassiker der Moderne – mit der weltbesten und doch so geerdeten Bratschistin Tabea Zimmermann. Reden wir über Hindemith-Vorurteile, über Spiel und Innovation. Erstausstrahlung: 25.01.2023
Der New Yorker Komponist, Theoretiker und Kurator George Lewis ist ein Wegbereiter in der Dekolonisation der zeitgenössischen Musik. 1952 geboren öffnete er seit den achtziger Jahren den Blick auf postkoloniale Strukturen im klassischen Musikbetrieb. Pionier der interaktiven Computermusik dreht sich sein kompositorisches Werk um Technologie, Improvisation, Race und Identity. Interdisziplinäre Kompositionen, interaktive Musikvideos oder intermediale Installationen gehören genauso sehr dazu, wie Werke für Kammermusik, grosses Orchester oder Oper, meist in Kombination mit Computer und Improvisation. Seit 2004 Professor an der New Yorker Columbia University, trägt Lewis mit Texten wie seiner Handlungsanweisung «Acht schwierige Schritte zur Dekolonisation Neuer Musik» oder «Composing while black – afrodiasporische Neue Musik heute» laufend zur Erweiterung der weiss dominierten Musikgeschichte bei, hin zu einer globaleren Perspektive. George Lewis im Gespräch zu seinem Werk, zu Dekolonisation der zeitgenössischen Musik und zur Musikavantgarde der Afrodiaspora. Erstausstrahlung: 09.08.2023
... also sehr alte Musik. Nämlich von der ersten bekannten Komponistin Europas, Kassia (810 bis 862). Aber auch von Guillaume de Machaut (geboren um 1300)und weiteren, anonymen, Komponisten der so genannten Ars Nova. Deren Musik stellt die Flötistin Silvia Berchtold in den zeitgenössischen Kontext neu geschriebener «Antworten» darauf. Im Konzertabend «Doppio» spiegelt sich also alte in neuer Musik. Und «doppio» ist auch das Instrument, das Berchtold spielt: eine Doppelflöte.