«International» befasst sich wöchentlich mit internationaler Politik und Gesellschaft. Seit 1978 am Radio und von Anbeginn auch online. Reportagen, Analysen und Geschichten zur internationalen Aktualität, meist erzählt von Auslandskorrespondenten und -korrespondentinnen von Radio SRF.
Schweizer Radio und Fernsehen (SRF)

Die Abschiebepolitik Pakistans bedroht die afghanischen Flüchtlinge. Gerade Frauen haben in ihrer alten Heimat unter den Taliban keine Zukunft. Im Talk erzählt Südasien Korrespondentin Maren Peters über ihre Eindrücke aus Pakistan und die journalistischen Herausforderungen im Land.

Jahrzehntelang galt Pakistan als sicherer Hafen für Millionen afghanische Flüchtlinge, die vor Krieg und Verfolgung in ihrer Heimat flohen. Damit ist Schluss. Bis Jahresende will Pakistan die Flüchtlinge abschieben. In Afghanistan erwarten sie Armut, Hunger und die radikal-islamistischen Taliban. Mehrafzon Jalili hatte grosse Träume. In Afghanistan studierte die 24-jährige Zahnmedizin. Dann kamen die Taliban, ihr Vater wurde ermordet, die Rest-Familie floh ins Nachbarland Pakistan. Gut vier Jahre später steht wieder alles auf der Kippe. Erst setzten sie die pakistanischen Vermieter auf die Strasse. Dann wurde auch ihr Not-Lager in einem Park in Islamabad mitten in der Nacht von der Polizei gestürmt. Pakistan will bis Jahres-Ende alle afghanischen Flüchtlinge ausschaffen. Darunter auch solche, die vor der Machtübernahme der Taliban für westliche Regierungen oder das Militär gearbeitet haben. In Afghanistan drohen ihnen Folter und Tod. Frauen wie Mehrafzon Jalili dürfen unter den Taliban nicht studieren, nicht arbeiten, nicht einmal singen. «Afghanistan ist wie ein Friedhof geworden», sagt Jalili. Pakistan - politisch instabil, hochverschuldet und vom Militär dominiert - gibt den afghanischen Flüchtlingen pauschal eine Mitschuld an den vielen Terroranschlägen in Pakistan - und bestraft sie. Die Flüchtlinge würden zu Sündenböcken gemacht, kritisieren Menschenrechtsorganisationen. Die internationale Gemeinschaft, die helfen könnte, schaut weg.

In Irland wurden uneheliche Kinder bis in die Sechziger Jahre ihren Müttern weggenommen und in Heimen vernachlässigt. Im Talk erzählt Christopher Weingart, wie er per Zufall auf die Lokalhistorikerin Catherine Corless aufmerksam wurde, die den Anstoss zur Aufarbeitung dieses nationalen Traumas gab.

Jahrzehntelang wurden ledige Schwangere im katholischen Irland dazu gezwungen, ihre Babys in Heimen zu gebären und dort zu lassen. Hunderte Kleinkinder starben in der Obhut von Staat und Ordensschwestern, andere wurden an Familien im Ausland verkauft. Ein nationales Trauma das lange verborgen blieb. Die Lokalhistorikerin Catherine Corless sitzt an ihrem Küchentisch nahe der westirischen Stadt Galway. In ihren Händen hält sie eine Liste mit Namen. 796 sind es insgesamt. Es sind die Namen der Kinder, die im nahen Mutter-Kind-Heim St. Mary's ums Leben kamen. Bis 1961 mussten ledige schwangere Frauen aus der Region ihre Kinder im St. Mary's gebären und im Alter von einem Jahr dort zurücklassen. Die Kinder wurden später adoptiert oder kamen in Pflegefamilien. Was die Mütter wollten, spielte keine Rolle. Zu mächtig war die katholische Kirche mit ihren Moralvorstellungen. Jahrzehntelang herrscht Schweigen über die toten Kinder von St. Mary's – bis Corless beginnt, ihre Liste zu schreiben. Doch mit der Liste ist ihre Suche noch nicht zu Ende. «Als mir klar wurde, dass im Heim Kinder gestorben sind, musste ich herausfinden, wo sie begraben wurden.» Corless macht sich gegen alle Widerstände auf die Suche und spürt ein Geheimnis auf, das das ganze Land verändern wird. Durch ihre Recherche hat Corless eines der dunkelsten Kapitel der irischen Geschichte ans Tageslicht geholt. «International» zeichnet ihre Suche nach und porträtiert Menschen, die die Kindheit im St. Mary's überlebt haben.

Das Goldgeschäft ist gerade in unsicheren Zeiten lukrativ. Doch was passiert eigentlich mit jenem Gold, das illegal abgebaut wird? SRF-Afrikakorrespondent Fabian Urech ist dieser Frage in Ghana nachgegangen. Im Talk erzählt er ausserdem, was das Gold in Ghana mit dem Preis von Schokolade zu tun hat.

Ghana ist der führende Goldproduzent Afrikas. Das westafrikanische Land exportiert den kostbaren Rohstoff in alle Welt – auch in die Schweiz. Doch der Abbau von Gold ist komplex, schwer kontrollierbar – und manchmal auch illegal. In Ghanas Goldregion rund um die Stadt Tarkwa liegen Welten zwischen den internationalen Industrieminen und den Goldschürfern, die illegal und oft mit einfachsten Mitteln nach dem kostbaren Rohstoff suchen. «Es ist gefährlich und schwierig, da hinunterzusteigen», erklärt ein Kleinmineur, der ohne Bewilligung arbeitet. «Aber es ist einer der einfachsten Wege, zu Geld zu kommen». Zwei Welten: Hier die gut bewachten Hightech-Minen, mit modernsten Maschinen, zertifiziertem Gold und ausgefeilter Logistik. Dort die schmutzigen, einfachen und illegalen Kleinminen. Und doch vermischen sich diese beiden Welten öfter als offiziell zugegeben wird. Denn dort, wo illegal abgebaut wird, und wo der Schürfabfall zu scheinbar wertlosen Haufen aufgeschüttet wird, liegt nicht nur Erde. Sondern sehr viel Geld. Und ein ganzer Graubereich des globalen Goldhandels.

Kaum ausgebaute Strassen, kein Handyempfang und viele kriminelle Aktivitäten: ARD-Südamerikakorrespondentin Anne Herrberg erzählt im International-Talk von Eindrücken und Hindernissen auf ihrer Reportagereise durch den Amazonas.

Eigentlich will Brasiliens Präsident Lula da Silva die Zerstörung des Regenwalds stoppen. Aber sein Projekt zum Ausbau der Bundesstraße BR-319 mitten im Amazonas könnte das Gegenteil bewirken. Die Strasse droht zu einem Einfallstor für Landräuber zu werden. Die Bundesstrasse BR-319 ist der einzige Landweg, der die Millionenmetropole Manaus im Herzen des Amazonas mit dem Rest Brasiliens verbindet. Die Fahrt auf der BR-319 ist ein Abenteuer: Es gibt keine Tankstellen, keine Werkstätten, keine Handyverbindung. Zudem besteht ein grosser Teil der Strasse nur aus einem Lehmtrassee, das die meiste Zeit des Jahres kaum befahrbar ist. Zum Glück, sagen Umweltschützer und Indigene. Viele von ihnen befürchten, dass eine ausgebaute Strasse den Raubbau am Amazonas-Urwald beschleunigen würde. Sie könnte künftig all denen als Zufahrtsweg dienen, die im Gebiet ihren illegalen Aktivitäten nachgehen wollen: Landräuber und Goldgräber. Die Gefahr ist real. Bereits jetzt ist der Regenwald von der fortschreitenden Abholzung bedroht. Der Staat vermag die illegalen Viehzüchter und Goldschürfer nicht unter Kontrolle zu bringen. Das zeigt die Reportage, die uns über die umstrittene, holprige Verkehrsader mitten durch den Amazonas führt.

Innerhalb von zwei Jahrzehnten hat die japanische Gesellschaft ihren Umgang mit Suiziden grundlegend verändert. Das einstige Tabu wurde gebrochen. Warum sich die Zungen gelöst haben und wie die landesweite Kampagne zur Prävention von Suiziden im Alltag spürbar wird, erzählt Martin Fritz in Tokio.

In Japan nahmen sich immer mehr Menschen das Leben. Das schockierte die Öffentlichkeit. Die Zivilgesellschaft rüttelte die politischen Verantwortlichen auf, der Kampf gegen die «stille Epidemie» wurde zur nationalen Priorität. Zwanzig Jahre später zeigt sich: der Kampf war erfolgreich. Jedes Jahr 14 000 Suizide weniger. Anders gesagt: 14 000 verzweifelte Menschen in Japan, die wieder Hoffnung schöpfen – so die statistischen Zahlen im Zwanzigjahresvergleich. Die kollektive Anstrengung hat sich gelohnt. Wie es dazu kam, lässt sich in Akita im Norden von Japan gut nachvollziehen, einer Region mit hoher Arbeitslosigkeit, in der besonders viele Menschen ihr Leben beendeten. Hisao Sato ist einer der Pioniere der landesweiten Präventionskampagne. Trauer um den Verlust eines engen Freundes schlug bei ihm in Zorn übers kollektive Wegschauen um. Er schuf um die Jahrtausendwende in Akita eine Anlaufstelle und begann, Verzweifelten Beratungen anzubieten. Nach und nach liessen sich die japanischen Behörden überzeugen, dass landesweit gehandelt werden müsse - und könne. Ein nationales Präventionsgesetz schuf die Grundlagen. Parallel dazu veränderte sich die Wahrnehmung: «Suizid war ein völliges Tabu. Doch die Menschen begannen, die Selbsttötungen nicht nur als Privatsache zu betrachten, sondern als gesellschaftliches Problem», sagt Sato in der Reportage aus Japan über den Erfolg der Präventionskampagne - und düstere Aspekte, die dennoch bleiben. Wer suizidale Gedanken hat, findet bei folgenden Anlaufstellen Soforthilfe: Pro Juventute für Kinder und Jugendliche, Telefon und SMS 147; Dargebotene Hand/Sorgentelefon für Erwachsene, Telefon und SMS 143.

In der Privatstadt Próspera auf einer honduranischen Insel in der Karibik experimentieren Unternehmen mit Langlebigkeit, KI oder mit Chipimplantaten. Das ist möglich, weil hier Firmen kaum reguliert werden. Anna Lemmenmeier hat in Próspera den libertären Geist der Privatstadtpioniere eingefangen.

Kaum Steuern, kaum Regulierungen, maximale Forschungsfreiheit - auf einer honduranischen Insel in der Karibik entsteht eine Privatstadt. In Próspera können Firmen ihren eigenen Rechtsrahmen wählen. Das zieht Start-Ups und Libertäre aus aller Welt an, auch Milliardäre aus dem Silicon Valley. «Ich habe sieben Chips implantiert», sagt US-Amerikaner Rich Lee. «Hier in der Hand, das ist meine Kreditkarte, damit kann ich bargeldlos an der Kasse bezahlen.» Das löse viele schräge Blicke aus, erzählt der 47-jährige lachend. Rich Lee glaubt, dass der menschliche Körper aktiv verbessert werden müsse. «Unsere Sinne und Fähigkeiten müssen erweitert werden, egal, ob durch Gentherapie oder Cyborg-Implantate.» Er probiert seine Forschungsergebnisse gleich an sich selber aus. Das ist möglich in Próspera. Hier gibt es keine Gesundheitsbehörde und keine Ethikkommission. Wer ein Unternehmen registriert, braucht lediglich einen Versicherer, der bereit ist, das Risiko zu übernehmen. Bezahlen kann man in Bitcoin. Alles in privater Hand. Próspera gilt als Vorzeigemodell in der sogenannten Privatstadtbewegung, die durch Geld und Macht aus dem Silicon Valley vorangetrieben wird. Libertäre Milliardäre wie Paypal-Gründer Peter Thiel oder Brian Armstrong, der Gründer von Coinbase, investieren darin. Der Staat Honduras, zu dem die Karibikinsel mit Próspera gehört, hat das Nachsehen.

Im Flussdelta des Mississippi geht das Land im Meer unter. Damit geht ein natürlicher Schutz verloren für die Region, die 2005 schwer von Hurricane-Katrina getroffen worden ist. USA-Korrespondent Andrea Christen war in der Gegend, wo ihm nicht immer klar war, wo das Land endet und das Meer beginnt.

Die Küste des US-Bundesstaates Louisiana geht unter. Damit verschwindet ein natürlicher Schutz vor den verheerenden Hurricanes. Manche wollen den Mississippi entfesseln, damit er mit seinen Sedimenten das Meer zurückdrängt. Andere sehen dadurch ihre Lebensgrundlage bedroht. Für Louisiana steht viel auf dem Spiel, etwa eine natürliche Barriere, die auch die Stadt New Orleans vor den verheerenden Hurricanes schützen soll. Vor 20 Jahren fegte Hurricane Katrina über die Gegend und hinterliess grosse Zerstörung. In der Folge gründete der Bundesstaat eine Küstenschutzbehörde, die sich dem Meer entgegenstemmt. Der Mississippi hätte dafür ein wichtiges Instrument sein sollen: Massenhaft sollten mit «Diversionen» Flusswasser und Sedimente in die Feuchtgebiete geleitet werden, um sie zu nähren – und um neues Land zu bilden. Am «Nepunte Pass», an einem natürlichen Seitenarm des Mississippi, sieht der Wissenschaftler Alex Kolker Beweise dafür, wie der mächtige Fluss Land bildet – wenn man ihn lässt. Doch Fischer kämpften gegen die Sedimentumleitung, weil sie wegen des Süsswassers um ihre Austern und Shrimps fürchteten. Der Gouverneur von Louisiana stellte sich auf ihre Seite und stoppe zwei Diversionen. Damit fehlen zentrale Projekte im Kampf gegen den Landverlust. Die Zukunft von Louisianas Küste ist ungewiss.

Seit dem Sturz von Langzeitdiktator Bashar al-Assad vor knapp einem Jahr hat unser Korrespondent Thomas Gutersohn Syrien mehrere Male besucht. Im International-Talk erzählt er, was sich seit den euphorischen Tagen im Dezember 2024 verändert hat, und warum der Neustart in Syrien schwierig ist.

Der Neuanfang in Syrien wird zur Herausforderung. Der Vielvölkerstaat ist geprägt von unterschiedlichen Ideologien, Erwartungen und Hoffnungen. Übergangspräsident Ahmad al-Sharaa stösst vor allem im kurdisch dominierten Nordosten des Landes auf viel Misstrauen. Knapp ein Jahr ist seit dem Sturz des syrischen Langzeitherrschers Bashar Al-Assad vergangen. Der Umsturz wurde nach dem zerstörerischen Bürgerkrieg auch in vielen westlichen Ländern euphorisch begrüsst. In Syrien selbst bleibt die Situation schwierig: Während Übergangspräsident Ahmad al-Sharaa in der Hauptstadt Damaskus von Anhängern euphorisch gefeiert wird, schlägt dem ehemaligen Islamistenführer im kurdisch geprägten Nordosten des Landes Skepsis entgegen. Das neue, versöhnliche Image, dass sich die Regierung geben will, kauft ihr dort niemand ab. Die Erinnerungen an die früheren Gräueltaten der Islamisten sind in der Region allgegenwärtig. Die Kurden haben im Gebiet östlich des Euphrats einen autonomen Verwaltungsapparat aufgebaut, setzen auf basisdemokratische Selbstverwaltung, mit sozialistischer und feministischer Ausprägung. Ihre Mentalität unterscheidet sich stark von jener der neuen Regierung um Al-Sharaa. Deren Pläne, die Verwaltungs- und Verteidigungsstruktur der Kurden in den syrischen Staat zu integrieren, stossen im kurdischen Gebiet auf Ablehnung. Wie also weiter in Syrien? Werden die einstigen Konfliktparteien zusammenfinden? Oder droht gar ein neuer Bürgerkrieg?

Sie arbeiten im chaotischen Kleidermarkt oder in der modernen Start-Up-Szene. Im International-Talk erzählt die freie Afrika-Korrespondentin Leonie March von ihren Begegnungen mit Menschen in Angola, die der Armut trotzen und der Wirtschaft neuen Schub geben wollen.

Der Ölsektor dominiert alles im Land. Sind die Ölpreise tief, leidet die ganze Wirtschaft. Alternativen sind daher gesucht, doch Unternehmergeist allein reicht nicht. Die meisten Angolaner und Angolanerinnen arbeiten im informellen Sektor. Ohne staatliche Kontrolle, aber auch ohne soziale Absicherung. Von den Gewinnen der Ölindustrie profitiert nur eine kleine Elite mit Verbindungen in die Politik. Menschen, die etwas dagegen unternehmen wollen, haben es schwer. Zwar gibt es eine lebendige Start-Up Szene. Doch sie kämpft mit der ausufernden Bürokratie und Korruption im Land. Die junge und dynamische Gründerszene wünscht sich daher mehr Unterstützung vonseiten des Staates. Dieser wird seit Jahrzehnten autoritär von der Partei MPLA regiert. Doch auch sie scheint erkannt zu haben, dass der Privatsektor gestärkt werden muss. Auf Gesetzesebene will sie es Gründerinnen und Gründern erleichtern, Unternehmen aufzubauen und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Mithilfe ausländischer Investoren soll zudem die Infrastruktur ausgebaut werden. Im weiterhin unterentwickelten und vom Bürgerkrieg gezeichneten Land, sehen viele dies als zentralen Schlüssel für Wirtschaftswachstum. Doch trotz aller Bemühungen bleibt die Frage: Kann die Diversifizierung der Wirtschaft gelingen, nachdem es bislang schon viele erfolglose Versuche gab?

Die Nachwehen der Diktatur sind in Spanien bis heute zu spüren, erst recht im fünfzigsten Todesjahr des Diktators Franco. Noch immer liegen tausende von Opfern des Regimes in Massengräbern. Im Talk erzählt Auslandredaktor Beat Vogt, wie er mit Angehörigen sprechen konnte und wie sie damit umgehen.

Vor Jahrzehnten umgebracht und anonym vergraben: Noch immer ruhen in spanischen Massengräbern tausende Überreste von Menschen, die dem Regime des Diktators Franco zum Opfer fielen. Ihre Exhumierung bleibt umstritten. Spanien tut sich schwer im Umgang mit der eigenen Geschichte. Eigentlich könnte dieses Jahr in Spanien als Jubiläumsjahr der Demokratie gelten. Denn genau vor 50 Jahren starb Diktator Francisco Franco, der das Land während fast vier Jahrzehnten mit harter Hand regiert hatte. Sein Tod am 20. November 1975 ebnete den Weg zu einer demokratischen Ordnung. Trotzdem herrscht in Spanien heute nicht durchgehend Feierlaune. In Sachen Aufarbeitung der eigenen Geschichte zieht sich ein weiter Graben durch die Gesellschaft. Stellvertretend dafür stehen die nach wie vor pendenten Exhumierungen von Opfern des Regimes. Viele Angehörige warten noch immer darauf, dass die Gebeine ihrer Grossväter oder Grossmütter in den Massengräbern identifiziert werden. Währenddessen streitet die Politik darüber, wie das Land mit dem Erbe der Diktatur umgehen soll. Wie soll es weitergehen mit den Ausgrabungen? Oder: Was soll mit dem gigantischen Monument «Valle de los Caídos» geschehen, das Francisco Franco im nordmadrilenischen Bergland errichten liess?

Auslandredaktorin Susanne Brunner bekam Anfang Jahr ein Mail vom unabhängigen Recherche-Kollektiv Viewfinder. Aus der einfachen Anfrage wurde eine journalistische Zusammenarbeit über die Landesgrenzen hinweg: USA, England, Deutschland und Israel.

Die israelische Armee erklärt Angriffe auf Ziele in Gaza und Libanon in Videos mit 3D-Grafiken. Der angebliche Beweis für Terror-Zentralen in Spitälern und Häusern ist jedoch irreführend. Eine Google-Karte des Libanon. Die Video-Animation zoomt ein auf den Süden, auf die Dörfer dort, dann, verschwommen, auf eine bestimmte Ortschaft. Eine 3D-Grafik zeigt, mit Röntgenblick, das Innere der Häuser: rot leuchten überall versteckte Raketen. Nur: Ein Dorf mit dieser Gebäude- und Strassenstruktur gibt es dort gar nicht. Seit Oktober 2023 hat die israelische Armee mindestens 43 solcher Erklärvideos veröffentlicht, darunter auch das Modell einer angeblichen Hamas-Kommandozentrale unter dem Shifa-Spital in Gaza, das sie mehrfach angegriffen hat. Ein Merkmal der Videos: Die gezeigten Räume sind ausgestattet mit 3D-Grafiken von bekannten Online-Plattformen, die man aus Science-Fiction- und Fantasy-Animationen für Filme und Videogames kennt. Die israelische Armee redet von «Illustrationen». Aber im Gegensatz zu den minutiös recherchierten OSINT-3D-Grafiken zur Ermittlung von Gewaltverbrechen, sind die Armee-Grafiken zur Rechtfertigung von Angriffen auf zivile Infrastruktur nicht überprüfbar. Dennoch verbreiten sie auch Mainstream-Medien. Eine Recherche /Reportage in Zusammenarbeit mit SRF-Rundschau, +972 Magazine und dem Viewfinder-Kollektiv.

Regelmässige Erdbeben und Vulkanausbrüche in dicht besiedelten Gebieten: Für «International» hat sich SRF-Italienkorrespondent Franco Battel auf eine Reise durch Italiens Gefahrengebiete gemacht. Im Talk erzählt er, wie die Bevölkerung zwischen Sorge und Schicksalsgläubigkeit schwankt.

Alle fünf bis zehn Jahre bebt es in Italien heftig. Noch öfters spucken Vulkane Feuer und Lava. Zwar haben die Leute sich daran gewöhnt, dass der Boden in Bewegung ist. Doch die Gefahren werden grösser. Italien liegt auf der Bruchstelle der Erdplatten Europas und Afrikas. Das lässt den Boden erzittern und Vulkane Lava speien. In den letzten Jahrzehnten haben Erdbeben in verschiedenen Regionen Italiens Tausende Todesopfer, viele Verletzte und immense Schäden gefordert. Heute liegt der Fokus auf der Region Neapel. Dort brodelt der unterirdische Supervulkan unter den Campi Flegrei, unter den Brennenden Feldern. Der Vulkan hebt und senkt die Erdkruste, löst Erdstösse aus und könnte eines Tages gar explodieren. Die Gefahren bestehen seit langem, doch anders als früher leben heute Hunderttausende Menschen rund um Ätna und Vesuv. Könnte man die Bevölkerung bei einem grossen Knall rechtzeitig evakuieren?

Insgesamt 18 Auslandskorrespondenten und Korrespondentinnen berichten weltweit für Radio SRF. SRF-Auslandschefin Susanne Brunner spricht im Talk über die aktuellen Herausforderungen im Auslandsjournalismus in einer immer autoritäreren Welt und dem Wandel im Journalismus.

Fussball-WM, Frauenrechte, Hochhäuser, Luxus-Tourismus: Der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman will sein Land modernisieren. Der Herrschaftsanspruch seiner Königsfamilie allerdings bleibt unangetastet. Die Reformen des Kronprinzen finden weltweit Beachtung. Frauen dürfen seit einigen Jahren Auto fahren, nachdem sie zuvor das Haus kaum allein verlassen durften. Auch der Arbeitsmarkt steht ihnen offen. Kinos und Sportangebote entstehen, internationale Popstars geben Konzerte, Hollywood-Stars eröffnen ein Filmfestival und sorgen so für ein breites Unterhaltungsangebot. Damit soll ein Signal des Aufbruchs und der Modernisierung ausgesendet werden. Gleichzeitig sollen junge Talente im Land gehalten werden und die Wirtschaft von der Abhängigkeit des Erdöls gelöst werden. Kritikerinnen und Kritiker bemängeln: Dies alles diene nur der Sicherung der Macht Bin-Salmans. Eine wirkliche Gleichberechtigung habe nicht stattgefunden. Mit den Reformen wolle der Kronprinz die weiterhin gravierenden Menschenrechtsverletzungen übertünchen. Noch immer würden Aktivisten und Aktivistinnen, die den Herrschaftsanspruch der Königsfamilie in Frage stellen, verfolgt und hingerichtet. Doch die junge Generation nimmt die Reformen begeistert auf. Vor allem junge Frauen geniessen die neuen Freiheiten und erobern den Arbeitsmarkt. Dem Land gelinge der Spagat zwischen Öffnung und dem gleichzeitigen Bewahren der Tradition und Identität, erzählen junge Menschen auf den Strassen Riads.

Österreich ist in der Schweiz kaum bekannt, abgesehen von den üblichen Klischees. Dabei ist es spannend zu vergleichen, wie das ähnlich kleine Österreich mit Problemen umgeht, die auch die Schweiz hat. Und bei näherer Betrachtung ist das Land beunruhigend instabil.

Österreich ist nicht mehr nur schön und harmlos, Kaiserschmarrn und Kultur. Österreich ist instabil: Nur die Angst vor Herbert Kickl hält die Regierung zusammen, die Wirtschaft ist einer tiefen Krise, sicherheitspolitisch ist das Land Europas weiche Flanke. Österreich ist klein, aber explosiv. Herbert Kickl, Chef der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) hat die Wahl im Herbst 2024 zwar gewonnen und nur Angst vor ihm haben sich die Wahlverlierer zu einer Regierung gegen ihn zusammengefunden. Doch Kickl hat zum Abschied gedroht: «Heute ist nicht aller Tage, ich komm' wieder keine Frage». Das ist ein Zitat aus der Zeichentrickserie «Pink Panther» und heute ein Erkennungssignal der Rechtsextremen. Österreich scheint wie immer zu sein: Kaiserschmarrn, Droschken, Sachertorte, Musik und Theater, noch immer mit etwas Glanz der königlich-kaiserlichen, der k.u.k. Monarchie. Ein Irrtum: In Tat und Wahrheit ist die Republik Österreich instabil: Zurzeit liegt Kickls FPÖ in den Umfragen bei 36%, ein Rekordwert. Seine Partei dominiert die sozialen Medien und erreicht einen Drittel der Bevölkerung mit eigenen Medien. Das moderne Österreich ist in der tiefsten Wirtschaftskrise seit seiner Unabhängigkeit vor genau 70 Jahren. Und sicherheitspolitisch drohe es «ein schwarzes Loch in Europa zu werden», warnen Militärs. Doch die ukrainische Grenze ist von Wien aus näher als Bregenz am Bodensee.

Afrika-Korrespondentin Sarah Fluck musste sich bei ihrer Reise nach Khartum von einem Bewacher begleiten lassen, der Interviews ständig unterbrach. Wie ihn ablenken? Am besten mit einer üppigen Mahlzeit, in der Hoffnung, er werde danach ein Nickerchen machen. Ob das funktioniert hat?

Die sudanesische Hauptstadt Khartum war einst das Zentrum afrikanischer Zukunft. Nun liegt sie in Trümmern. Die Reportage. Alle Khartumerinnen und Khartumer wissen noch genau, wo sie waren an jenem Samstag, vor beinahe zweieinhalb Jahren. Als in den frühen Morgenstunden plötzlich Schüsse fielen. Als Explosionen den Flughafen erschütterten. Den Präsidentenpalast. Das Herz der Stadt.Als zwei rivalisierende Armeefraktionen begannen, Krieg zu führen – mitten in der zivilen Schlagader des Sudans. In den darauffolgenden dreiundzwanzig Monaten wurde Khartum zum Schlachtfeld. Die beiden Kriegsparteien kämpften sich Viertel um Viertel durch die Stadt. Hunderttausende flohen, Häuser, Spitäler, Museen – geplündert, zerstört. Seit März kontrolliert nun die sudanesische Armee die Hauptstadt allein. Sie spricht von Befreiung, ruft zur Rückkehr auf, will Normalität zeigen. Doch was bedeutet Befreiung in einer Stadt, die ausgebrannt, geplündert und traumatisiert ist? Die Reportage aus der einstigen Lebensader des Sudan, in der vielleicht die einzige Hoffnung zurück in eine Zukunft die Musik, die Kunst ist.

Deutschlandkorrespondentin Simone Fatzer wollte durch die Berliner Clubszene ziehen. Doch Aufnahmen fürs Radio sind dort nicht erwünscht. Im Talk erzählt sie, wie das UNESCO Weltkulturerbe Techno und die vielen Clubs Berlin prägen und wie sich die Ausgangsmeilen gerade am Verändern sind.

Ob Technobeats oder Dreigroschenoper – Berlins Status als Kulturmetropole scheint in Europa unumstritten. Hunderttausende Partygänger pilgern in die Clubszene, Künstlerinnen aus aller Welt sorgen für einen pulsierenden Kulturmikrokosmos. Doch die Szene steht unter Druck. Berlin muss sparen. Es ist die einzigartige Geschichte der einst geteilten und dann wiedervereinten Stadt Berlin, welche den Boden für Subkultur und eine riesige freie Szene schaffen konnte. Die Technokultur Berlins ist sogar UNESCO-Welterbe. 1.5 Milliarden Euro generierte allein der Clubtourismus 2023 in der deutschen Hauptstadt. Doch die Kulturszene ist bedroht. Gentrifizierung, Clubsterben, Covidfolgen und der Rechtsrutsch in Deutschlands Politik machen den Kulturschaffenden Sorgen. «Ich war immer sehr verliebt in Berlin, aber nun überlege ich mir häufiger wieder von hier wegzugehen», erzählt die Italienerin Magdalena Mitterhofer. Berlin verliert seinen Standortvorteil. Und ausgerechnet jetzt greift die linke Regierung in Berlin zum Rotstift – 12 Prozent weniger Geld für Kultur, gibt es allein in diesem Jahr. Berlins Identität als Kulturmetropole wird gerade neu verhandelt. Und mit Angst verfolgt: «Die Clubszene zu verlieren, bedeutet das Herzstück Berlins zu verlieren», bedauert Emiko Gejic, die bei der Clubkommission für die Szene lobbyiert. Der Puls der Stadt verändert sich.

Ukrainekorrespondentin Judith Huber ist in eines der stärksten radioaktiv verseuchten Gebiete der Welt gereist: Zum havarierten Atomkraftwerk von Tschernobyl. Im Talk erzählt sie, wie die Sperrzone heute aussieht und wie gefährlich es dort ist.

Drei aktive Atomkraftwerke, ein abgeschaltetes unter russischer Kontrolle und die Überreste des Unfallreaktors von Tschernobyl in einem Land, in dem Krieg herrscht. Eine gefährliche Ausgangslage mit grossem Gefahrenpotenzial. Als Russland im Februar 2022 die Ukraine überfällt, besetzen russische Truppen das Areal des ehemaligen Atomkraftwerks von Tschernobyl. Auch fast vierzig Jahre nach dem bislang grössten Atomunfall der Geschichte ist das Gebiet lebensgefährlich verstrahlt. Die russischen Truppen benutzen es dennoch als Rückzugsgebiet in ihrem Angriffskrieg. Nur dank dem Einsatz der ukrainischen Spezialisten, die trotz Besatzung weiterarbeiteten, konnte eine weitere Katastrophe verhindert werden. Mittlerweile ist Tschernobyl wieder unter ukrainischer Kontrolle. Doch die atomare Bedrohung ist weiterhin real. Erst Anfang Jahr wurde die Schutzhülle über dem Unfallreaktor von einer Drohne getroffen. Doch auch das Atomkraftwerk Zaporischschja bleibt ein Risiko. Es steht seit März 2022 unter russischer Kontrolle und befindet sich in umkämpftem Gebiet. Das Atomkraftwerk ist derzeit zwar ausgeschaltet, doch eine Beschädigung durch Kampfhandlungen hätte trotzdem verheerende Folgen. Hinzukommen drei weiterhin aktive AKWs unter Kontrolle der Ukraine. Eigentlich müssten diese aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden. Doch die Ukraine ist auf den Atomstrom angewiesen, da die meisten nicht nuklearen Kraftwerke des Landes mittlerweile von Russland zerstört wurden. Viele in der Ukraine gehen davon aus, dass Russland bewusst mit der Angst vor dem Atomunfall spielt. Sie ist Teil einer Kriegsstrategie, die auf Terror und Zermürbung der Bevölkerung ausgelegt ist. Die möglichen, verheerenden Folgen für Mensch und Umwelt, weit über die Ukraine hinaus, werden dafür in Kauf genommen.

Auf einer Reise durch Panama stellte Karin Wenger erstaunt fest, dass es auf dem Markt keine Bananen zu kaufen gibt. Ausgerechnet in einem Land, in dem der Export der süssen Frucht ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Im «Talk» erzählt Wenger, was sie auf ihrer Recherche im Chiquita-Land erlebt hat.

Um eine Rentenreform abzuwenden, haben die Bananeros auf den Chiquita-Plantagen in Panama die Arbeit diesen Frühling niedergelegt. Die Bananenarbeiter waren damit zwar erfolgreich: Die Regierung nahm die Reform zurück. Doch gewonnen haben die Arbeiter trotzdem nicht. Als die panamaische Regierung im vergangenen März das Gesetz 462 verabschiedet, gehen im ganzen Land die Lehrerinnen, Bauarbeiter und Vertreterinnen anderer Berufsgruppen auf die Strasse und protestieren. Im April schliessen sich auch die Bananenarbeiterinnen und -arbeiter an und beginnen zu streiken. Sie befürchten, dass sie länger arbeiten müssen und weniger Rente erhalten werden. Dabei sind die Arbeitsbedingungen auf den Chiquita-Plantagen besonders hart. Die Bananeros und Bananeras wollten mit ihrem Streik die Regierung zum Einlenken bringen. Denn der Export von Bananen ist für Panamas Wirtschaft von grosser Wichtigkeit, und die Firma Chiquita als wirtschaftlicher Motor ist unverzichtbar. Die Hoffnung der Plantagenarbeiterinnen und -arbeiter: Weil der Bananenstreik der panamaischen Wirtschaft grossen Schaden zufügt, wird die Regierung schon einlenken. Der Plan der Bananeros und Bananeras geht zwar auf, aber gewonnen haben sie trotzdem nicht. Weshalb, das zeigt die Reportage aus dem Plantagengebiet in der Provinz Bocas del Toro.

Das Binnenland Armenien liegt eingeklemmt zwischen der Türkei und Aserbaidschan, mit denen es seit Jahren im Clinch ist. SRF-Korrespondent Calum MacKenzie hat für «International» die Grenzgebiete bereist. Im «Talk» erzählt er von seinen Begegnungen, von verwaisten Gräbern und holprigen Strassen.

Armenien, das kleine Land im Südkaukasus, hat kaum Freunde in der Region: Es sieht sich bedroht von den beiden grossen Nachbarn Aserbaidschan und Türkei, daran vermag auch das aktuelle Friedensabkommen (noch) nichts ändern. Eine Reise durch das verängstigte Bergland. Die Lage ist ungemütlich, seit Jahrzehnten schon. Im Osten Armeniens liegt Aserbaidschan, das Land, das vor zwei Jahren die armenische Bevölkerung aus Bergkarabach vertrieben hat und wo der Machthaber sogar Ansprüche auf ganz Armenien formuliert. Im Westen wiederum grenzt Armenien an die Türkei. Das Land, das sich bis heute weigert, anzuerkennen, dass es im Ersten Weltkrieg an der armenischen Bevölkerung einen Völkermord verübt hat. Bemühungen darum, das Verhältnis zum grossen Nachbarn zu normalisieren, stocken weiterhin. Zwar konnte sich das kleine Armenien lange auf Russland als Schutzmacht abstützen. Doch seit dem Ukrainekrieg setzt der Kreml seine Prioritäten anders. Dafür verkündet Donald Trump, mit einem neuen Abkommen Frieden in den Südkaukasus gebracht zu haben. Doch sein Vertrag mit Armenien und Aserbaidschan ist unverbindlich und lässt viele Fragen offen. Eine Reise durch die Grenzgebiete Armeniens zeigt: Die Unsicherheit im Land ist gross, die Debatte um den richtigen Umgang mit den Nachbarn nimmt die gesamte Politik in Beschlag. Trotzdem hat die Armenierin Schahane Chatschikjan Hoffnung: «Wir werden nie mit allen beste Freunde sein, aber gute Verhältnisse sind möglich.»

Die Heilige Stadt hat ein Verkehrsproblem: Die Altstadt mit der Klagemauer, dem Tempelberg und der Grabeskirche ist mit öffentlichem Verkehr schwer zu erreichen. Doch das Projekt einer Gondelbahn zu den Altstadtmauern ist aus vielen Gründen höchst umstritten. Jerusalem ist den drei monotheistischen Religionen heilig und nimmt in den Herzen vieler Gläubigen einen besonderen Platz ein. Gleichzeitig ist die Stadt politischer Zankapfel. Der Status Jerusalems soll in Friedensverhandlungen geklärt werden, diese sind jedoch in weiter Ferne. Derweil gibt es im israelisch besetzten Ostjerusalem, das Palästinenserinnen und Palästinenser als Hauptstadt eines unabhängigen Palästinas beanspruchen, laufend mehr israelische Siedlungen und Bauprojekte. Zum Beispiel die Gondelbahn. Sie soll Touristinnen und Stadtbewohner von Westjerusalem via Silwan in Ostjerusalem zur Altstadt transportieren, in Zehnergondeln. Kritiker finden, die Seilbahn würde die einmalige Skyline der Stadt verschandeln. Ausserdem sei sie ein weiteres politisch-ideologisches Projekt, das den Anspruch Israels auf die ganze Stadt untermauern solle. Der stellvertretende Stadtpräsident hingegen sagt: Die Gondelbahn ist die billigste und einfachste Variante, den motorisierten Verkehr zu reduzieren und die grosse Masse an Touristinnen und Pilgern in die Altstadt zu führen. Und er sieht das Bauprojekt auch in einem religiösen Kontext: Als Beitrag, die Ankunft des Messias herbeizuführen. Erstaustrahlung: 30. Mai 2025

Gut drei Monate ist es her, dass das Assad-Regime in Syrien gestürzt wurde, nach mehr als 50 Jahren Diktatur und 13 Jahren Krieg. Nun wünscht sich die syrische Zivilgesellschaft Freiheit und Demokratie. Doch was die neuen Herrscher wollen, ist ungewiss. «Wir sind wie Blinde, die einen noch unbekannten Raum ertasten müssen»: So schildert die politische Aktivistin Malak Shanawani die Situation, in der sich die syrische Zivilgesellschaft derzeit befindet. Lange Jahre hätten sie auf Veränderungen in ferner Zukunft hingearbeitet, und nun seien diese Veränderungen plötzlich Wirklichkeit, sagt Shanawani. Das ist herausfordernd: «Es gibt jetzt Millionen Dinge zu besprechen. Wo sollen wir nur anfangen?» Unter der Diktatur des Assad-Clans war politisches Engagement so gut wie unmöglich. Jetzt ist Syrien von der Last des alten Regimes befreit, und politisch interessierte Syrerinnen und Syrer beginnen, ihre Freiheiten zu erkunden. Doch wie frei ist das neue Syrien? Und welche Vision haben die neuen Machthaber unter Interimspräsident Ahmad al-Sharaa für das Land? «International» unternimmt eine Reise durch ein Land im Wandel. Erstaustrahlung: 22. März 2025

Vor zwanzig Jahren brannten Frankreichs Vorstädte. Heute wird im Norden von Paris an einer besseren Zukunft gebaut. Rückkehr nach Seine-Saint-Denis, ins ärmste Département Frankreichs, wo 2005 eine beispiellose Welle von Jugendgewalt ihren Anfang nahm. Zehntausende Autos wurden abgefackelt, Schulhäuser, Postgebäude, Polizeikommissariate in Brand gesteckt. Innenminister Sarkozy verhängte über ganz Frankreich den Ausnahmezustand, er brachte dennoch zwei Wochen lang die Lage nicht unter Kontrolle. Die Politik wirkte hilflos angesichts der jugendlichen Zerstörungswut. Zwanzig Jahre danach hat sich das berüchtigtste Hochhausquartier in Aulnay-sous-Bois verändert. Der heruntergekommene, dreihundert Meter lange Wohnriegel ist verschwunden, Mietshäuser in humanerem Massstab stehen an seiner Stelle, umgeben von Geschäften. Eine Baustelle kündigt die Erschliessung durch die Metro an, sie soll die Vorstadt auf zwanzig Minuten an Paris heranbringen. Auch im benachbarten Clichy-sous-Bois wird gebaut. Wieweit hat sich auch die soziale Situation verbessert? International redet mit Jugendlichen und politischen Verantwortlichen in der Banlieue über Jugendkriminalität, Polizeigewalt, Drogenmafias - und die Hoffnung auf ein besseres Leben. Erstaustrahlung: 3. Mai 2025

Seit Jahrzehnten kämpfen die Sahraouis, das Volk der Westsahara, für ihren eigenen, unabhängigen Staat in der «letzten Kolonie Afrikas», der Westsahara. Gegen einen Gegner, der andere Pläne hat: Marokko. Es ist einer jener Konflikte, die die Welt fast vergessen hat. Gelöst ist er bei weitem nicht. «Es gibt ganz offensichtlich Menschen, die mehr wert sind als andere». Der Ingenieur Lehbib Mahjoub Abdelfatah sagt diesen Satz, ein bisschen verärgert und vielleicht auch verbittert. Wovon er spricht? Vom Wunsch seines Volkes, dass die Einhaltung des Völkerrechts nicht der «Realpolitik» weicht. Seit rund einem halben Jahrhundert lebt ein Grossteil der Sahraouis im Exil im Südwesten Algeriens, angeführt vom Frente Polisario, der politisch-militärischen Organisation der Sahraouis. Sie leben in einer der unwirtlichsten Gegenden der Welt: Wüste, so weit das Auge blicken kann, kaum Wasser, kaum Vegetation. Die Menschen hier sind Flüchtlinge, einst geflohen vor der Armee Marokkos, das einen Grossteil ihres angestammten Gebietes besetzte: der Westsahara. Seither warten die Sahraouis darauf, dass sie zu ihrem Recht kommen: dem Recht, selbst darüber bestimmen zu dürfen, ob sie in der Westsahara ihren eigenen Staat errichten oder zu Marokko gehören wollen. Sie warten. Und bereiten sich vor. Auf den Tag der Unabhängigkeit, den sie einst nahe glaubten, und der inzwischen weit in die Ferne gerückt ist. Augenschein in den sahraouischen Flüchtlingslagern in Algerien, bei Menschen, die ohne fremde Hilfe nicht überleben können, für die aber Aufgeben auch keine Option ist. Erstaustrahlung: 29. März 2025