Während sich der akademische Diskurs verengt, findet sich hier ein Forum des freien Geistes. Renommierte Kultur- und Sozialwissenschaftler halten Vorträge mit universitärem Anspruch – exklusiv im Kontrafunk. Für alle, die noch konzentriertes Zuhören pflegen.
Die deutsche Sprache gilt im Ausland als „hart“ im Klang und „schwierig“ zu erlernen; der amerikanische Schriftsteller Mark Twain nennt sie in einem Essay („The Awful German Language“, 1880) eine schreckliche Sprache. Ist dieser Ruf gerechtfertigt, oder wird hier ein negatives Image der Deutschen auf ihre Sprache übertragen? Der Vortrag gibt einen geschichtlichen Überblick zu den Bewertungen der deutschen Sprache: von ihrem „Donnerklang“ im 16. Jahrhundert über die „abscheulichen Töne“ des „Offizierdeutsch“ (Nietzsche) bis zur „süßen Sprache Deutschlands“, welcher der argentinische Dichter Luis Borges 1972 eine eigene Ode widmete. Dabei wird auch erörtert, inwieweit diese Sprachurteile linguistisch begründbar sind.
Vor über hundert Jahren wurde in Frankfurt das Institut für Sozialforschung gegründet. Freundliche Historiker schreiben dieser Frankfurter Schule eine enorme politische Wirkungsmacht, gar die „intellektuelle Gründung der Bundesrepublik“, zu. Die historische Wirklichkeit sieht anders aus. Das Institut war eine Forschungseinrichtung, die sich in bewegten Zeiten behaupten musste und manche Wandlungen erfuhr. Was bleibt, sind die herausragenden Werke einzelner seiner Mitglieder, die viel zum Verständnis der modernen Gesellschaft beigetragen haben.
Migration, Demografie, Gender, Klima, Corona, Abtreibung, das christliche Europa: Es gibt Themen, über die wir nicht einmal nachdenken dürfen. Wenn wir es dennoch wagen, dazu einen eigenständigen Gedanken zu formulieren, riskieren wir, gecancelt zu werden. Die neuen Anständigen haben ihre Methoden perfektioniert, um jede abweichende Stimme zum Schweigen zu bringen. Unbewusste Abwehrmechanismen treiben diese kollektive Erregung an und machen aus jeder Kritik einen moralischen Angriff. Der Wiener Psychiater und Neurowissenschaftler Raphael Bonelli legt die psychologischen Muster offen, die hinter diesem Klima der Angst stehen und nicht nur die Meinungsfreiheit ersticken, sondern auch das Fundament unserer Kultur erschüttern. Sein Buch „Tabu: Was wir nicht denken dürfen und warum“ ist im März 2025 im Verlag Edition a erschienen.
Die Verabsolutierung der Freiheit in der westlichen Welt hat einen permanenten Prozess der Dekonstruktion von Bindungen und Grenzen mit sich gebracht. Überdehnung nach außen und Selbstauflösung nach innen sind die Folge. Der Westen muss die Werte und Strukturen rekonstruieren, die ihn einst stark gemacht haben. Europäische Union und Nato sollten daher zur Strategie einer „Selbstbehauptung durch Selbstbegrenzung“ übergehen. Die aktuelle Politik in Ungarn und den USA sowie die christliche Soziallehre werden auf ihre Beiträge zu einer solchen Rekonstruktion des Westens analysiert. Das Fazit lautet: Noch ist der Westen nicht verloren.
Vorstellungen vom besseren Leben finden sich bereits in den ältesten Urkunden des Menschengeschlechts. Mit dem Beginn der Neuzeit werden die Mythen vom „Goldenen Zeitalter“ und vom „Paradies“ abgelöst durch Gesellschaftsutopien. Daneben gibt es seit Rousseau die folgenreiche Utopie vom natürlichen Leben, und seit dem 19. Jahrhundert beherrschen sozialistische Vorstellungen das utopische Denken. Im 21. Jahrhundert verblassen die Utopien, aber ihre Restbestände bleiben weiterhin politisch wirksam.
Richtiges, kontrolliertes Atmen und psychische Gesundheit hängen eng miteinander zusammen. Im Zustand der Angst und bei Furcht- und Schreckenserlebnissen ist die Kontrolle über den Atem bedroht. An einer Angstform, der „Auftrittsangst“ – einer Extremvariante des sogenannten Lampenfiebers – wird der Zusammenhang von Angst und Atmung genauer untersucht. Welches sind die anthropologischen und psychologischen Basismerkmale der Auftrittsangst? Wie ist dieses Angstgefühl phänomenologisch genauer beschreibbar? Warum kann auch eine langjährige Auftrittserfahrung diese Angst nicht gänzlich vertreiben? Und schließlich: Verdient die Auftrittsangst, obwohl häufig leidvoll erfahren, eine ausschließlich negative Bewertung?
Foresight ist eine Technik der Verhaltensmanipulation, bei der die Steuerungsreize aus der imaginierten Zukunft kommen. Worst- und Best-Case-Szenarien werden wie Gerüchte gestreut, um die Bevölkerung auf das vom Politmanagement jeweils gewünschte Verhalten einzuschwören. Die Linguistin Katja Leyhausen erläutert die sprachliche Technik und meint: Dass sie im globalen Corona-Management bevölkerungsweit so gut funktioniert hat, das liegt auch an unserem digitalisierten Alltag. Denn an den Bildschirmen treffen wir oft keine abgewogene Entscheidung mehr, sondern lassen uns von vorfestgelegten Auswahl- und Vermeidungsoptionen reflexhaft steuern. Zukunft wird dichtgemacht.
Nach der Regierungsübernahme der rotgrünen Regierung 1998 wird ein moralischer Universalismus („Nie wieder Auschwitz“) zum Grundprinzip der deutschen Politik. Die politische Linke hat zu Beginn des 21. Jahrhunderts endgültig die kulturelle Hegemonie in Deutschland errungen. Ihre No-Border-Ideologe wird immer mehr zum Grundkonsens der polit-medialen Eliten. Im Herbst 2015 wird die Politik der offenen Grenzen schließlich angesichts der Flüchtlingsströme aus Afrika und dem Nahen Osten, in den Worten der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, alternativlos, mit allen heute sichtbaren fatalen Folgen. Parallel dazu findet seit Jahren eine kulturelle Transformation statt, die alles Bewährte, Vertraute und Gewachsene nur noch als Hindernis für die freie Entfaltung des neuen, fluiden Menschen sieht. Die Idee einer Überwindung aller Grenzen wird zur Richtschnur der westlichen Politik und trifft in Deutschland auf einen idealen Resonanzraum.
Vor kurzem machte Alice Weidel mit ihrer Behauptung Furore, Hitler sei ein Kommunist gewesen. Tatsächlich war die NS-Bewegung vor 1933 stark von sozialistischen Ideen geprägt, die bis zur Forderung nach Enteignung und Verstaatlichung der Groß- und Mittelbetriebe reichten. Dies stellte lange eine unüberwindliche Barriere für die Weimarer Banken- und Industriewelt dar, diese Partei zu unterstützen und ihr Gelder zukommen zu lassen. Der Beitrag untersucht in Form einer Analyse der Binnenentwicklung der NSDAP zwischen 1919 und 1933 die Frage, inwieweit der Aufstieg der Hitlerbewegung durch das deutsche „Big Business“ gefördert wurde, ob die Wirtschaftsmagnaten hinter den Kulissen die sogenannte Machtergreifung betrieben oder ob es sich bei der NSDAP um ein politisch wie finanziell weitgehend autonomes Phänomen handelte.
Die Naturheilbewegung blühte im 19. Jahrhundert als Gegenbewegung zur Industriegesellschaft auf. Sie bekämpfte die Zivilisationskrankheiten als Folge naturwidriger Lebensverhältnisse. Die „Abhärtung“ durch die Kaltwasserkur, wie sie Sebastian Kneipp propagierte, sollte Abhilfe unter anderem bei nervösen Leiden schaffen. Um 1900 wurde die Natur zu einem Massenidol, das unterschiedliche politische Bewegungen einschließlich der Arbeiterbewegung faszinierte. Auch gegenwärtig ist dieses Idol in der Ökologiebewegung („Klimarettung“) mächtig – ohne dass sich diese bewusst macht, dass die Naturgewalten letztlich nicht vom Menschen beherrschbar sind.
Am Anfang der Weimarer Republik stand die „Urkatastrophe“ des Ersten Weltkrieges und an ihrem Ende stand der Schritt in die Barbarei des Hitler-Regimes. Dazwischen lagen Jahre unablässiger politischer, wirtschaftlicher und sozialer Krisen. Zugleich entfaltete sich ein kulturelles Leben von historisch beispielloser Mannigfaltigkeit. Die zwanziger Jahre brachten in allen Bereichen Werke von Weltrang hervor und zugleich schufen sie eine anspruchsvolle Massenkultur, die breite soziale Schichten erreichte.
Seit vielen Jahren wird die Politisierung der Kirchen kritisch diskutiert. Dennoch schreitet sie schier unaufhaltsam fort. Immer mehr gesellt sich dazu eine religiöse Aufladung des politischen Debattierens und Handelns. Die Schnittmenge dieser Vorgänge läßt sich mit dem Begriff „Zivilreligion“ begreifen. Stefan Felber liest dazu Auszüge aus seinem Buch „Kein König außer dem Kaiser? Warum Kirche und Staat durch Zivilreligion ihr Wesen verlieren“. Es zeigt sich, daß Kirche und Staat in einer zivilreligiösen Zwangsjacke ihre Eigenarten einbüßen und den Weg zum Totalitarismus ebnen. Wege zu einer freiheitlichen Gesellschaft werden dagegen durch eine biblisch-reformatorische Sicht von Kirche und Staat eröffnet.
Im Ersten Weltkrieg werden Grenzverschiebungen bei einem erwarteten deutschen Sieg von unterschiedlichen Akteuren gefordert. Nach dem Scheitern der Weltmachtbestrebungen und dem Vertrag von Versailles versprechen die Nationalsozialisten dem „Volk ohne Raum“ eine Grenzerweiterung bis zum Ural. Mit dem Untergang des Dritten Reiches stellt die innerdeutsche Grenze dann nicht mehr eine nationale, sondern zunächst die von Verwaltungseinheiten der Besatzungsmächte dar. Nach der Grenzöffnung und dem Mauerfall 1989 sind die Grenzen des wiedervereinigten Deutschlands, vor allem im Osten, erstmals in der deutschen Geschichte klar definiert. Am Ende des 20. Jahrhunderts wird die Zukunft des Landes schließlich in einem grenzenlosen Aufgehen der deutschen Nation in Europa gesehen. Mit all den daraus sich ergebenden Folgen.
Der Ukraine-Krieg hat als Katalysator für das Ende der unipolar-globalistischen weltpolitischen Epoche gewirkt. Was zeichnete diese Epoche aus? Welche ging ihr im 20. Jahrhundert voraus? Welche könnte ihr folgen? Die Machtstrukturen weltpolitischer Epochen fungieren als übergeordneter Rahmen für binnenstaatliche Entwicklungsprozesse und Entscheidungsoptionen. Welches waren die Rückwirkungen dieser Machtstrukturen auf Deutschland? Weltpolitische Umbrüche bereiten sich subkutan in Machtverlagerungen vor, die innerhalb einer Epoche gegen deren dominante Prinzipien stattfinden. Der Niedergangsprozess des „Westens“ und derjenige Deutschlands in den letzten zwei Jahrzehnten charakterisieren derartige Machtverlagerungen. Wie lassen sie sich genauer bestimmen?
Eine Gesellschaft ohne Zensur ist eine Illusion. Jede Gesellschaft definiert Grenzen des Sagbaren und des Verbotenen, und wenn es nicht der Staat tut, dann tun es andere wirkmächtige Akteure. Wo aber diese Grenzen verlaufen, ist eine Frage von kulturellen Machtkämpfen. Bestimmte Muster kehren immer wieder, aber neue Gesellschafts- und Medienverhältnisse führen auch zu neuen Konstellationen von Meinungsfreiheit und Zensur: Von den „Karlsbader Beschlüssen“ des Jahres 1819 zum „Digital Services Act“ der Gegenwart führt kein gerader Weg.
Wie hältst du es mit dem Christentum? Dieser Gretchenfrage sehen sich die C-Parteien immer wieder ausgesetzt. Peter Hoeres, Professor für Neueste Geschichte an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, nimmt die neuen Grundsatzprogramme von CDU und CSU zum Anlass, der Bedeutung des Christlichen für die Politik nachzugehen und die Auseinandersetzung darüber anhand der Programmgeschichte der Union nachzuzeichnen. Er betrachtet dann kritisch die aktuelle Debatte und formuliert Thesen zur Ausrichtung der Union. (Wiederholung vom 28. Mai 2023)
In der jüngeren Vergangenheit hat es spektakuläre Fälle falscher individueller Erinnerungen (die von der Person für wahr gehalten wurden) gegeben, die – passend zu ideologischen Zeitgeistmythologemen – den Betroffenen zu einer neuen Identität verhalfen: derjenigen des Opfers. Wie kommen derartige falsche Erinnerungen zustande? Was unterscheidet sie von solchen subtilen Erinnerungen an die eigene Kindheit wie der „mémoire involontaire“ Marcel Prousts, die durch Geruchsreize geweckt wurden? Wie ist autobiografisches Erinnern im Kontext moderner gedächtnistheoretischer Erkenntnisse beschreibbar? Und vor allem: Welches sind die grundlegenden Unterschiede individueller Erinnerungsleistungen zum kollektiven kulturellen Gedächtnis von Großgruppen? Im „Westen“ – und besonders in Deutschland – sind Formen kollektiven kulturellen Erinnerns hegemonial geworden, die man pathologisch nennen muss. Was sind ihre Kennzeichen? (Wiederholung vom 16. Juni 2024)
Alle Gestalten des modernen Zeitgeistes haben ihren Ursprung im Kampf der Aufklärung mit dem Christentum. Doch nach Jahrhunderten der vernichtenden Kritik sollte wieder ein Gespräch zwischen Aufklärung und Christentum möglich sein. Norbert Bolz zeigt, dass im Christentum selbst ein erhebliches Aufklärungspotenzial steckt, ja dass nur das Christentum die Aufklärung über sich selbst aufklären kann. (Wiederholung vom 29. September 2024)
Zum Problem der wissenschaftlichen Autorität im Gesundheitssystem. Die evidenzbasierte Medizin möchte nur solche Medikamente beziehungsweise Behandlungsmethoden anerkennen, deren „wahre“ Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen werden kann – das heißt ohne Placeboeffekt, der experimentell (Doppelblindversuch) oder biostatistisch zu bestimmen ist. Ihre Hauptkritik an alternativmedizinischen Heilweisen läuft darauf hinaus, dass deren Erfolge nur auf dem Placeboeffekt beruhen würden. Diese Kontroverse flammte bereits mit der Entfaltung der (Natur-)wissenschaftlichen Medizin im 19. Jahrhundert auf, wie das Beispiel der Homöopathie zeigt. Auch wenn die (positive) Bedeutung des Placeboeffekts für jede ärztliche Maßnahme inzwischen sogar von der Bundesärztekammer anerkannt wird, scheint sie doch viel zu wenig in Forschung, Lehre und Krankenversorgung berücksichtigt zu werden. (Wiederholung vom 3. März 2024)
Die „deutschen Tugenden“ haben einen zweifelhaften Ruf. Als Garanten deutscher Tüchtigkeit und wirtschaftlichen Erfolgs verschafften sie den Deutschen früher einmal hohes Ansehen in der Welt. Aber seit langem schon sind sie in Deutschland selbst in Verruf geraten, werden sogar als „Sekundärtugenden“ geächtet, mit denen man jedes mögliche Unheil anstiften könne. Im historischen Rückblick erweisen sich die „deutschen Tugenden“ als eine Zwischenstation auf dem Weg von den antiken Tugendlehren zum postmodernen „Werteverzehr“.
Lob und Tadel sind Allerweltsphänomene, und vielleicht ist deswegen nur selten – auch in Wissenschaft und Philosophie – genauer über sie nachgedacht worden. Tatsächlich aber sind diese Phänomene von hoher anthropologischer Bedeutung. Sie gehören zu den wichtigsten sozialen Werkzeugen, mit denen Gesellschaften die genuin humanen Fähigkeitspotenziale ihrer Mitglieder emporbilden. Lob und Tadel sind besondere Formen von Belohnung und Bestrafung. Wodurch unterscheiden sie sich von den anderen? Welches sind ihre soziologischen und psychologischen Implikationen? Was die Voraussetzungen dafür, dass sie auch psychisch „ankommen“ und etwas bewirken, beispielsweise Stolz, erhöhten Leistungswillen, gestärktes Selbstvertrauen, Mut oder Opferbereitschaft? Welche Rolle spielen Lob und Tadel in unterschiedlichen Lebensabschnitten und sozialen Beziehungen? Was ist ihre Funktion auf dem Wege zu persönlicher Autonomie?
Nach der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, den Befreiungskriegen und dem Sieg einer europäischen Koalition über Napoleon bleibt die Frage der Grenzen Deutschlands virulent. Der Deutsche Bund, die Dominanz Preußens und die drei Einigungskriege gegen Dänemark, Österreich und Frankreich, mit dem Ergebnis der Gründung des Deutschen Reiches 1871, führen nicht zu einer Befriedung der Situation. Als „verspätete Nation“ verlangt die von Wilhelm II. forcierte Weltmachtpolitik einen „Platz an der Sonne“ und verfolgt eine von Ungeduld und Nervosität geprägte Außenpolitik, die sich, ohne irgendwelche Grenzen zu setzen, auf alles Mögliche zugleich richtet. Diese Zieldiffusion und Grenzenlosigkeit werden am Ende in die Katastrophe des Weltkrieges führen.
Die Politik zeigt dem Bürger zwei Gesichter. Zum einen erscheint sie als ideenloses Sichdurchwursteln, zum andern präsentieren sich die Spitzenpolitiker in den Medien wie Celebritys oder Markenartikel. Norbert Bolz zeigt, warum hier keine Besserung zu erwarten ist. Eine prinzipiell ungewisse Zukunft macht alle Programme und Visionen zunichte. Und die Bürger haben in der Regel keine Kompetenz, die Kompetenz der Politiker zu beurteilen. So wird bei den Politkern Richtlinienkompetenz durch Medienkompetenz und bei den Bürgern das politische Urteil durch das ästhetische Urteil ersetzt.
An drei Beispielen von Alltagswahrnehmungen soll unsere Gegenwartsgesellschaft plastisch charakterisiert werden: Erstens wird das typische Aussehen und der Habitus vieler Einheimischer mittels des Oberbegriffs der „Vulgärdekadenz“ und milieuspezifischer Varianten derselben gedeutet; zweitens wird der „Multikulturalismus“ konkreter anhand des Aussehens und Verhaltens bestimmter Gruppen von Fremden und zwangsläufig darauf entstehender xenophober Reaktionen von Indigenen untersucht; und drittens wird am Beispiel der sogenannten Graffiti die Verwahrlosung unserer Gesellschaft in den Blick genommen.
Jede Form von Herrschaft bringt ihre eigenen Bauformen hervor. Das Mittelalter baute Kathedralen, der Absolutismus prunkvolle Schlossanlagen. Diktatoren von Stalin über Hitler bis zu Ceaușescu bevorzugen Monumentalbauten und hinterlassen ihren Nachfolgern oft ein lästiges Erbe; Demokratien bauen gerne mit Glas, um Transparenz zu signalisieren. Dazwischen liegen postdemokratische Baustile, vom EU-Parlamentsgebäude bis zum neuen Deutschen Reichstag oder zum Bundeskanzleramt.
Zuschreibungen assoziiert. Das Ideal lautet jetzt Grenzenlosigkeit als imaginiertes Paradies. In Deutschland ist insbesondere der September 2015 zum Symbol einer Politik geworden die in nationalen Grenzen und deren Verteidigung nur noch ein überkommenes Weltbild sieht, das der Vergangenheit angehört. Aber die eigene Grenze zu schützen, ist eine historische Konstante und garantiert erst das eigene Überleben. In Deutschland scheint die Erkenntnis der Grenze als Schutz nicht erst mit dem Herbst 2015 verlorengegangen zu sein. Ist die besonders vehemente Anrufung der Grenzenlosigkeit ein spezifisch deutsches Phänomen, dessen Ursachen weit in der Geschichte zu suchen sind? Die vierteilige Serie „Über die deutsche Grenzenlosigkeit“ konzentriert sich auf die Entwicklung der politischen Grenzen Deutschlands und auf die Frage, ob es ein spezifisch deutsches Verhältnis zur Grenzenlosigkeit gibt.
Das Gefühl der „Entfremdung“ bringt zum Ausdruck, dass unsere Lebensverhältnisse nicht mehr mit dem Maß des Menschen zu messen sind. Die moderne Gesellschaft ist radikal von ihrer Technik abhängig und muss dem Funktionieren der sozialen Systeme vertrauen. Norbert Bolz zeigt in seinem Vortrag, wie der souveräne Bürger diese Entfremdung bejaht, die Gefühle auf Distanz hält und auf ein Weltbild verzichtet. Damit wird eine berühmte Formel von Arnold Gehlen verständlich: „Die Geburt der Freiheit aus der Entfremdung“.
Die Corona-Maßnahmen-Pandemie und ihre sich hinschleppende Aufarbeitung haben es an den Tag gebracht: Die Wissenschaft ist ganz offensichtlich nicht allein der Wahrheit verpflichtet, sondern über vielerlei Netzwerke mit der Politik verknüpft und ihr dienstbar. Der Essay geht der Frage nach, wie es zu dieser Indienstnahme der Wissenschaft kam, deren konkrete Gestalt bis heute die eines staatlich administrierten „Kartells“ ist, dessen Hauptakteure die Max-Planck-Gesellschaft und die Deutsche Forschungsgemeinschaft sind. Sie entscheiden in Deutschland über Forschungsprojekte und deren Finanzierung.
Dass politische Gruppen Sprache benutzen, um Menschen von ihren Ideen zu überzeugen, ist ein alltäglicher Vorgang. In demokratischen Staaten stehen sie mit ihren Deutungen in Konkurrenz zueinander. In Diktaturen erhebt eine Gruppe die eigene Sprache zur Staatssprache. Totalitäre Regime gehen noch weiter und verordnen der gesamten Gesellschaft eine politische Sprache, die nahezu keine Abweichungen duldet. Genau dies war die Politik der Machthaber in der DDR. In seinem Vortrag untersucht der Historiker Dr. Hubertus Knabe anhand zahlreicher Beispiele, wie die DDR-Führung mit Sprache manipulierte und welche Instrumente sie dabei einsetzte.
Bald werden wieder weit mehr als einhundert deutsche Städte an den 80. Jahrestag ihrer Zerstörung durch die Bomben der britischen Royal Air Force im Zweiten Weltkrieg erinnern. Bis heute wird über dieses Inferno kontrovers diskutiert. War dies die Vergeltung für das, was die deutschen Bomber in England angerichtet hatten? Oder folgte das sogenannte Morale Bombing der Briten einer eigenständigen Doktrin, die auch ohne die deutschen Luftschläge zur Ausführung gelangt wäre? Auf Basis neu erschlossener britischer Dokumente gibt der Beitrag eine eindeutige Antwort und leuchtet die Hintergründe, Motive und Zielsetzungen der bis Mai 1945 andauernden nächtlichen Terrorangriffe auf die deutschen Innenstädte aus.Dr. Rainer F. Schmidt ist Professor emeritus für Neueste Geschichte und Didaktik der Geschichte an der Universität Würzburg.
Alle Gestalten des modernen Zeitgeistes haben ihren Ursprung im Kampf der Aufklärung mit dem Christentum. Doch nach Jahrhunderten der vernichtenden Kritik sollte wieder ein Gespräch zwischen Aufklärung und Christentum möglich sein. Norbert Bolz zeigt, dass im Christentum selbst ein erhebliches Aufklärungspotenzial steckt, ja, dass nur das Christentum die Aufklärung über sich selbst aufklären kann.
Dieses Buch widerlegt das Grundgesetz. „Eine Zensur findet nicht statt“ steht dort nach wie vor in Artikel 5, obwohl es längst nicht mehr möglich ist, alles zu verbreiten oder wenigstens zu sehen, was für die Meinungs- und Willensbildung nötig wäre. Der Autor liest die Kapitel vier bis sechs, leicht gekürzt: „Journalismus”, „Zensur” sowie „Cancel-Culture: Akteure und Mechanik”.
Dieses Buch (https://www.buchkomplizen.de/buecher/hintergrund-verlag/cancel-culture.html) widerlegt das Grundgesetz. „Eine Zensur findet nicht statt“ steht dort nach wie vor in Artikel 5, obwohl es längst nicht mehr möglich ist, alles zu verbreiten oder wenigstens zu sehen, was für die Meinungs- und Willensbildung nötig wäre. Der Autor liest die Kapitel eins bis drei, leicht gekürzt: „Zensur ohne Zensor”, „Internet, ‚Wahrheit‘ und ‚vierte Gewalt‘“ sowie „Propaganda“.
Alltagsästhetische Wertungen äußern sich zumeist als spontane, fraglos evidente „Empfindungstatsachen“. Was ihnen aber zugrunde liegt, wird selten genauer gewusst. An zwei Beispielen – der Erfahrung landschaftlicher und menschlicher Schönheit – wird das Zustandekommen derartiger „Empfindungstatsachen“ genauer erläutert. Danach wird nach der Bedeutung des Schönheitsbegriffs in der Kunst gefragt. Schließlich: Warum wurde das Kunstschöne in der jüngeren Vergangenheit zum Objekt endloser Angriffe? (Wiederholung vom 9. April 2023)
Mit der Errichtung des Klimastaates gerät der Umweltschutz in Bedrängnis. Um 1900 war Naturschutz Teil eines umfassenderen „Heimatschutzes“; eine bürgerliche Gegenreaktion gegen die Traditionsverluste einer sich modernisierenden Gesellschaft. In den folgenden Jahrzehnten wurde der Naturschutz zum „Umweltschutz“ politisiert, bürokratisiert und von neuen sozialen Bewegungen okkupiert. Diese Entwicklung mündete in weit ausgreifenden UN-Konferenzen und EU-Richtlinien. Mit dem „Klimaschutz“ wurde schließlich ein neues Politikfeld etabliert, das dem Naturschutz den Rang abläuft. (Wiederholung vom 19. März 2023)
Während es in der modernen Gesellschaft immer schwieriger wird, einen Zusammenhang zwischen Leistung und Prominenz zu erkennen, gilt beim Fußball immer noch: Man wird kein weltberühmter Spieler, wenn man nichts kann. Natürlich spielt beim Spiel auch Zufall eine Rolle. Gerade der Fußball vermag deshalb aus einfachsten Regeln eine hohe Komplexität aufzubauen. Es lohnt sich, überhaupt einmal über die Funktion von Spiel und Wettkampf als großem Stimulans des Lebens nachzudenken. In einer Welt, wo Leidenschaften und Enthusiasmus nur noch verloren umherirren, generiert der Fußball jene Momente der Überraschung und Aufregung, die beglückend wirken.
Brennende Bibliotheken sind wie brennende Kirchen ein Fanal: Ihre drohende Zerstörung konfrontiert uns mit der Möglichkeit, dass es mit unserer Kultur, wie wir sie kennen und schätzen, zu Ende gehen könnte. Eines der berühmtesten Fanale dieser Art ist der Brand der großen Bibliothek von Alexandria, der auf das Konto von Gaius Julius Cäsar gehen soll: Das Ende der Bibliothek ist oft als ein Zeichen verstanden worden, das das Ende der Epoche des Hellenismus markiert und den Beginn der römischen Kaiserzeit, in der Rom zum Nabel der Welt wird. Der Essay von Dr. Uwe Jochum geht nicht nur der Frage nach, was wir von der großen Bibliothek überhaupt wissen – wann sie gegründet wurde und von wem und warum und wie groß sie war. Sondern er beschäftigt sich auch mit der Frage, wie und warum die Bibliothek aus der Geschichte verschwand und nichts mehr von ihrer Existenz kündet als die Geschichten, die wir in antiken Quellen über sie erzählt finden. War es wirklich Cäsar, der Machtpolitiker, der den Untergang der Bibliothek bewirkt hatte? Oder waren es undurchsichtige Zeitläufte und einfache Vernachlässigung, die zum Verschwinden der Bibliothek geführt haben?
Den Ernstfall erkennt man daran, dass man nicht auf ihn vorbereitet ist. Auch in Demokratien werden Bürger immer wieder auf Bewährungsproben gestellt. Spätestens seit den totalitären Corona-Maßnahmen müsste jedem Bürger klar geworden sein, dass Widerstand Pflicht ist, wenn Recht zu Unrecht wird. Doch welche Formen des Widerstands sind in der aktuellen Lage erfolgversprechend? Klar ist: Es genügt nicht, nur dagegen zu sein. Es braucht auch die Arbeit an etwas Neuem. Dies ist eine Auswahl von Texten der letzten Monate von Milosz Matuschek, die auf seiner Publikation „Freischwebende Intelligenz“ und in der „Weltwoche“ erschienen sind. Sie sind Plädoyer für eine Schärfung der Urteilskraft, für eine aktive Erinnerung, für eine Veränderung von Medien- und Geldsystem sowie für einen neuen Gesellschaftsvertrag.
Mitte Juli 2022 sendete das James-Webb-Weltraumteleskop sein erstes Bild aus den Tiefen des Sonnensystems zur Erde. Seither sorgt es beinahe täglich für neue Erkenntnisse und wissenschaftliche Durchbrüche. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis wir eine zweite Erde und damit extraterrestrisches Leben entdecken. Das aber würde den Beginn einer Zeitenwende markieren, die diesen Namen tatsächlich verdient. Der Publizist Parviz Amoghli über die Perspektiven, die uns das James-Webb-Teleskop eröffnet.
Mimik, Verhüllung, Verletzung, Einzigartigkeit – Erkundungen des menschlichen Gesichts. In unserem Gesicht kristallisiert sich unser Verhältnis zu uns selbst, unsere Identität. Über die Eigenart dieses Körperorgans wird aber selten genauer nachgedacht. Wie sind seine Einzelteile aus der Perspektive der biologischen Anthropologie beschreibbar, und welche Funktion als Zeichengeber kommt ihnen zu? Welche Formmerkmale hat das Gesicht als eine Ganzheit? Welche sozialen Folgen haben Gesichtsverstümmelungen und -verhüllung? Wie ist die „Sprache des Gesichtes“ genauer deutbar, ihre physiognomischen, lebensgeschichtlichen und mimischen Ausdrucksdimensionen?
Die dramatisch wachsende Zahl der Kirchenaustritte könnte den Eindruck erwecken, dass das Christentum für unsere Gesellschaft keine Rolle mehr spielt. Das ist aber ein Trugschluss. Norbert Bolz zeigt in seinem Vortrag, wie christliche Glaubensüberzeugungen die Werte begründen, die uns lieb und teuer sind: Menschenrechte, Menschenwürde, Freiheit, Individualität, Demokratie.
Im Mai 1945 lag Deutschland in Trümmern. Zugleich entfaltete sich in den drei westlichen Besatzungszonen, und auf andere Weise auch in der Ostzone, ein reiches literarisches Leben – in dem Rahmen, den die Besatzungsbehörden mit ihrer Kulturpolitik zuließen. Über die Zukunft der deutschen Literatur wurde heftig diskutiert; die Anknüpfung an überlieferte Erzähltraditionen war ebenso eine Option wie die Simulation eines radikalen Neuanfangs oder die nüchtern-realistische Beschreibung der Kriegs- und Nachkriegswirklichkeit. Das meiste davon ist wieder vergessen. Mit der „Gruppe 47“ ging die Literatur der frühen Bundesrepublik einen anderen Weg.
Das Schwanken zwischen Selbsterniedrigung und Größenwahn ist für die deutsche Nation konstitutiv. Auf historische Katastrophen und die daraus resultierenden neuen Herausforderungen folgte immer wieder eine hysterische Politik, in deren Mittelpunkt Fantasien und Wunschträume, herbeigesehnte Szenarien der Erlösung und der Katharsis standen. Der Ausgangspunkt einer politischen Hysterie ist dabei stets eine Erschütterung, die die Belastbarkeit einer Gemeinschaft übersteigt und die daraus resultierenden Probleme unlösbar macht. In der Geschichte der Deutschen gibt es mehrere solcher Schlüsselerlebnisse, die das Verhältnis der Nation zu sich selbst prägen. Eine moralische Genugtuung, eine Art Wiedergutmachung durch die Befreiung vom seelischen Ballast vergangener Ereignisse, stand und steht dabei als Wunsch und Motiv politischer Handlungen stets im Mittelpunkt. Gegenwärtig und in der Politik der Ampelregierung deutlich sichtbar dominiert ein nicht mehr nationaler, sondern universeller Überlegenheitsrausch, eine von allen realen Friktionen abgelöste Hypermoral, die spiegelbildlich zur imperialen Phase der Deutschen eine suizidale Komponente hat.Der Politikwissenschaftler und Psychologe Dr. Alexander Meschnig geht in seinem Essay der Frage nach der Genese und den gegenwärtigen Manifestationen einer hysterischen Politik in Deutschland nach.
Die bis ins 20. Jahrhundert anhaltende Debatte über die Schädlichkeit der Onanie zeigt beispielhaft die Unterdrückung der Sexualität aus heutiger Sicht, die leidvoll erfahren wurde. Frauen in prekären Verhältnissen waren in besonderer Weise vom sexuellen Elend betroffen, da es keine zuverlässige Methode der Empfängnisverhütung gab und sie das unkontrollierte Kinderkriegen vielfach als Fluch erleben mussten. War dieses Elend mit der sexuellen Revolution (»Antibabypille«) im ausgehenden 20. Jahrhundert behoben? Angesichts von rund 100.000 Abtreibungen pro Jahr in Deutschland sind Zweifel angebracht. Offenbar läuft das Sexualleben weiterhin »unkultiviert« ab – als ein scheinbar reflexhafter »Trieb der Natur«. Demgegenüber zeigte das Konzept der US-amerikanischen Frauenärztin und Sozialreformerin Alice B. Stockham (1833-1912), wie der Sexualverkehr geistig beeinflusst, gewissermaßen kultiviert werden könnte – eine bedenkenswerte Anregung für die heutige Diskussion.
In der jüngeren Vergangenheit hat es spektakuläre Fälle falscher individueller Erinnerungen (die von der Person für wahr gehalten wurden) gegeben, die – passend zu ideologischen Zeitgeistmythologemen – den Betroffenen zu einer neuen Identität verhalfen: derjenigen des Opfers. Wie kommen derartige falsche Erinnerungen zustande? Was unterscheidet sie von solchen subtilen Erinnerungen an die eigene Kindheit wie der „mémoire involontaire“ Marcel Prousts, die durch Geruchsreize geweckt wurden? Wie ist autobiografisches Erinnern im Kontext moderner gedächtnistheoretischer Erkenntnisse beschreibbar? Und vor allem: Welches sind die grundlegenden Unterschiede individueller Erinnerungsleistungen zum kollektiven kulturellen Gedächtnis von Großgruppen? Im „Westen“ – und besonders in Deutschland – sind Formen kollektiven kulturellen Erinnerns hegemonial geworden, die man pathologisch nennen muss. Was sind ihre Kennzeichen?
Jeder weiß, dass sich das Fernsehen gut für Propagandazwecke eignet. Darüber vergisst man aber leicht, dass das Medium als solches Wirkungen hat, die weit über vordergründige Manipulationsinteressen hinausgehen. Es erzieht uns, ohne dass wir es merken. Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz zeigt in diesem Vortrag, dass der älteste Satz der Medienwissenschaft nach wie vor der wichtigste ist: The medium is the message.
Vor hundert Jahren, am 3. Juni 1924, ist Franz Kafka gestorben. Kafka ist im Prag der Jahrhundertwende aufgewachsen; hier hat er seine familiären undkulturellen Prägungen erfahren, und hier ist er seinem Beruf in der „Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt“ nachgegangen. Mit diesem Umfeld haben seineErzählungen und die Romane „Der Process“ und „Das Schloss“ mehr zu tun, als die Literaturwissenshaft lange Zeit wahrhaben wollte. Kafkas Werke sind rätselhaft, aber nicht so rätselhaft, dass sie unverständlich wären. Auch den Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts haben sie noch etwas zu sagen.
1948: Westdeutschland ist besetzt, besitzt keine Souveränität und erhält doch von den westlichen Alliierten den Auftrag, eine Verfassung zu schaffen. Nach neunmonatiger kontroverser Arbeit beschloss der Parlamentarische Rat das Grundgesetz, das als Provisorium bis zur einer möglichst baldigen Wiedervereinigung dienen sollte. Die Reaktionen auf die Verabschiedung des Grundgesetzes in der Öffentlichkeit waren eher kritisch. Zweifel an der Legitimation des Grundgesetzes, die mit Blick auf die alliierten Vorgaben und Kontrollen und die fehlenden Volksabstimmungen immer wieder vorgebracht worden sind, sind jedoch über die Zeit obsolet geworden. Die Medienöffentlichkeit, die Parteien, die Institutionen und die Bevölkerung gaben und geben tatsächlich ein plébiscite de tous les jours zum Grundgesetz. Die Gefährdung des Grundgesetzes liegt heute nicht in einer Fundamentalopposition oder Ablehnung, sondern in der schleichenden Umdeutung und Missachtung wichtiger Normen des Grundgesetzes.
Zeiten wie die unsrigen, Zeiten der Umdeutung innen- und außenpolitischer Konkurrenzbeziehungen in unüberbrückbare Freund-Feind-Gegensätze und der ungenierten Kriegsrhetorik verschaffen typischerweise auch dem Phänomen des politischen Verrats eine erhöhte Aktualität. Es gibt vier Hauptformen des politischen Verrats: Hoch- und Landesverrat, Denunziation und Kollaboration. Was sind ihre gemeinsamen Grundmerkmale? Kern aller Formen des politischen Verrats ist der Bruch eines zu unterstellenden Loyalitätsverhältnisses zugunsten feindlicher Dritter. Anhand zentraler Verratsfälle der jüngeren Geschichte (Dreyfus-Skandal, deutscher Widerstand gegen Hitler, Stalinismus, Denunziation im Nationalsozialismus, der DDR und in der Gegenwart) lassen sich moralische Kriterien für „bösen“ und „guten“ Verrat entwickeln. Ist das politische Handeln der derzeitigen deutschen „Elite“ als politischer Verrat interpretierbar?
Immer absurdere Forderungen, immer gröbere Schuldzuweisungen, ein ideologisch verursachter Geschichtsrevisionismus, immer primitivere Versuche, unsere Sprache zu zerstören, viele davon sogar noch staatlich gefördert, wie das Gendern, wie der Vegetarismus, wie die Markierung des (alten) weißen Mannes oder des Boomers als Feind, prasseln auf die Deutschen nieder. Aus den Geisteswissenschaften wurden Geschwätzwissenschaften, die letztlich nur als Autoimmunerkrankung unserer Kultur zu beschreiben sind, als der Bruch mit der Freiheit, der Wissenschaftlichkeit, vor allem mit dem Rationalismus. Deshalb muss dieser neue Irrationalismus, die Ideologie rot-grüner Herrschaft kritisiert und entlarvt werden, als das, was er ist, als Technik der Macht.