In unseren Sendereihen beleuchten wir mit Gästen oder ohne kulturelle Mirabilia, historische Phänomene und das Leben überhaupt – mal aufreizend-poppig, mal in akademischem Trance.
Im 14.–17. Jahrhundert begannen große Gruppen von Menschen im Rheingebiet, scheinbar unfreiwilig und sehr ausdauernd zu tanzen. Zeitgenossen taten das als unterhaltsames oder irritierendes, aber nicht weiter tiefgreifendes Phänomen ab und waren uneins, ob das ein Fall für die Medizin oder die Kirche sei. Das änderte sich im Laufe der Jahrhunderte. Mit dem Historiker Gregor Rohmann verfolgen wir nach, wie die »Tanzwuth« als ansteckende Krankheit konstruiert wurde – und welche Vorannahmen und Denkmuster sie bis heute prägt. Das Gespräch führt uns vom Alchemiker Paracelsus bis zur NS-Propaganda und von Pest und Cholera bis zu illegalen Technobeats.
Schneiden und Kleben – das erinnert die meisten vielleicht vor allem an den Werken-Unterricht oder Laterne-Basteln. Aber: Es sind auch wesentliche Operationen der Kunst- und Wissensproduktion in der Moderne. Das jedenfalls sagt die Literaturwissenschaftlerin Juliane Vogel von der Uni Konstanz, die umfassend zur Geschichte des Schneidens und Klebens um 1900 geforscht hat: Ohne Schere und Klebstoff sei die Moderne nicht zu denken.
Statt eines einzigen Sendungsthemas haben wir diesmal zwei Themen aus unserem Freundeskreis: Johanna erzählt von ihren Recherchen in Marseille über die dortige Exilliteratur früher und heute - dabei hat sie unter anderem einen verfolgten sudanesischen Dichter getroffen. Mit Camille sprechen wir über ihre Masterarbeit: "The women's sphere - Die Küche in Architekturkonzepten des Material Feminism". Wir haben sie unter anderem gefragt, was diese Ideen aus dem 19. Jahrhunderts heute noch anschlussfähig macht. Und zu guter Letzt haben wir einen Überraschungsgast aus der Küchensphäre eingeladen...
Im Gespräch: Regisseurin Susann Neuenfeldt und Choreografin Maike Möller-Engemann von der Theatergruppe PKRK - Panzerkreuzer Rotkäppchen - ausnahmsweise aus dem Theaterhaus Mitte. Es geht um 1989, Erinnerung und Theater als Gefühlsarbeit. Musik von Hans Narva, Chafouin und Richard Savani. Mehr Infos unter http://www.4november89.de und http://panzerkreuzerrotkaeppchen.de/.
Eine halbe Unze Opium, acht Unzen Alraune und den Saft des grünen Schierlings: So wurden Menschen im 9. Jahrhundert vor einer OP in den Tiefschlaf versetzt. Wir haben Anästhesist Frank Trebus gefragt, welche Cocktails er heute mischt, wieso Kinder Ketamin bekommen und was mit dem Bewusstsein in der Vollnarkose geschieht. Eine Sendung über den professionellen Vollrausch.
Kulturwelle Dauerrauschen hatte am 8. Mai 2019 Besuch aus einem kritischen Lesekreis für rechte und neurechte Literatur. Nicht erst seit Thilo Sarrazin gibt es einen Markt für rechtes Gedankengut in der Literatur. Die Grenzen sind fließend und wer nun wirklich rechts ist und wer nicht, lässt sich nicht zwingend abschließend beantworten. Welche Motive sich durch viele dieser Bücher ziehen, ob man durch die kritische Lektüre in die Köpfe der Autoren (die meisten sind Männer) schauen kann und warum die Brüder Löwenherz da noch mit reingezogen werden, waren unter anderem die Themen dieser Sendung.
Von der Fitness-App bis zur jüngsten US-Gefängnis-Reform: Menschliches Verhalten wird heute im großen Umfang gesteuert – und zwar nicht mehr so sehr durch Befehle, Verbote und Strafen, sondern durch ‚Anreize‘ und ‚Belohnungen‘. Einer der Ursprünge dieser Verhaltenstechnologie, so die These von Constantins in Entstehung begriffener Masterarbeit, liegen in den sogenannten ‚Token Economies‘ der 1960er und 70er Jahre in den USA: Großangelegte Projekte der ‚Behavior Modification‘, die in Psychiatrien, Schulen, Gefängnissen eine Art Mikro-Ökonomie einrichteten: Erwünschtes Verhalten wurde mit einer Ersatzwährung (Münzen, Chips oder Punkten) bezahlt, unerwünschtes kostete. Und wer nicht genügend ‚Tokens‘ verdiente, der konnte eben keine ‚Privilegien‘ mehr erkaufen, sondern wurde auf das bloße Existenzminimum zurückgesetzt. In dieser Ausgabe stellt uns Constantin die Grundzüge seiner Arbeit vor. Dabei geht es nicht zuletzt um die Frage, was die Token Economies mit neoliberaler ‚Regierungskunst‘ gemein haben.
Mit seiner berühmten Analogie eines flachen Teiches entwirft der Philosoph Peter Singer ein simples Bild Globaler Armut in der wohlhabende Menschen moralischen Hilfspflichten folgen sollten. Kulturwelle Dauerrauschen spricht mit Yannick Zahay über die Implikationen von Singers These und diskutiert alternative Analogien Globaler Armut.
Kulturwelle Dauerrauschen hat die Autorin Luise Meier zu Gast und spricht über ihr Buch »MRX Maschine», das Nichtfunktionieren in unserer Gesellschaft und wie sich diese Idee auf unser Verhalten auswirken könnte.
Nach dem Ende vom Ende der Volksbühne warten viele gespannt, ob sich die Berliner Kulturstrukturen revolutionieren werden oder nicht oder beides. Im Keller in Neukölln (Karl-Marx-Str. 58) wird derweil eifrig geprobt; das Kollektiv »ihr Kollektiv« produziert Theater im Akkord und im Dienst des Befreiungsapparats. Was tun? – ist dabei nicht nur Leitfrage, sondern auch Vorlage für die kommende Premiere (27./28. Juni '18, 20.00): »Was tun wenn's brennt oder warum Karl Mag's Russisch lernt«, nach Nikolaj Tschernyschewskijs berühmten Roman »Was tun?«, für den Karl Marx Russisch lernt. Wir haben mit Philip Baumgarten (Regie/Bearbeitung) und Hannah Rumstedt (Dramaturgie) über das Stück gesprochen; über Theaterpolitik und wie man die Gesellschaft durch die eigenen Liebesbeziehungen verändert.
Wie steht es um euer Karma-Konto? Wir setzen unsere Afterhour-Staffel zu den Rändern der Ökonomie fort – und finden sie mehr mit religiösem Denken und Praxis verzahnt als es die Rede von der Religion des Kapitalismus suggeriert. Dazu entziffern wir die Ursprünge des Karma-Sparens, machen einen Abstecher in den neuesten Stand der Metapherntheorie und landen schließlich bei Joseph Vogl, der uns an das Erdbeben von Lissabon erinnert. Dazu wie immer viel Techno.
Gesammelt wird überall und so ausgefallen wie nur erdenklich. In unserer dritten Sendung der Staffel „Ränder der Ökonomie“ beschäftigen wir uns mit der Kulturtechnik des Sammelns. Wir suchen nach ökonomischen und unökonomischen Aspekten, unterscheiden zwischen dem Komplettieren einer Sammlung oder dem unendlichen Anhäufen und überlegen uns, welche Macht wohl so eine Sammlung über ihre Besitzer entfaltet.
Dass Ökonomie etwas mit Geben – mit Austausch – zu tun hat, ist allgemein bekannt. Aber wie ist es mit dem Nehmen, genauer gesagt: dem Stehlen? Die Kulturwelle Afterhour #20 geht in die zweite Runde des Staffelthemas „Ränder der Ökonomie". Wir sprechen mit dem Berliner Kulturwissenschaftler Andreas Gehrlach über Diebe und was eigentlich passiert, wenn etwas gestohlen wird.
Unsere Staffel über die „Ränder der Ökonomie“ beginnen wir mit dem, was gewöhnlich im Zentrum der Ökonomie steht: Geld. Aber frei nach unserem Motto, das Alltägliche aus einem ungewöhnlichen Winkel zu belauschen, nehmen wir uns auch das Geld von seinen Rändern her vor. Anna Echterhölter, Kulturwissenschaftlerin und Gastprofessorin an der HU Berlin, kommt zu uns ins Studio und wir sprechen mit ihr über ihre Forschung zu „Abseitigen Geldern“: Bitcoins, Lebensmittelmarken, Spielwährungen und allerlei andere randständige Zahlungsmittel haben es ihr angetan. Aus dieser verschobenen Perspektive wollen wir zu später Stunde auch darüber reden, was Geld, was Ökonomie eigentlich ist und macht. Natürlich haben wir dabei auch den alten Kalle im Gepäck: Marx-Experte Michael Heinrich erzählt uns vom Zoo der Werte und in welchem Käfig das Geld sitzt. Dazu Techno.
Zwischen den Staffeln wirft die Afterhour-Redaktion einen Blick zurück und nach vorn.
Über vier Sendungen sind wir der Vertikalen auf der Spur. Diesmal begeben wir uns zu einer Grundlage der Mathematik: in die Topologie. Mit unserem Gast Daniel Lütgehetmann denken wir darüber nach, wieso wir uns überhaupt als dreidimensional wahrnehmen, warum wir Glück haben, aufrecht zu stehen und wie ein Strandurlaub auf donutförmigen Planeten aussähe. Und dann bleibt noch die Frage, was vierdimensionale Wesen in unserer Welt alles anstellen könnten – bitte nicht vorm Einschlafen hören!
Zur Einstimmung in unsere Sendereihe rund um die »Vertikale« haben wir den Berliner DJ Grivola in das Studio eingeladen. Seinen Künstlernamen hat Grivola von einem Berg in den italienischen Alpen – und auch sonst hat er einiges zu Schichtung, Aufstieg und Drop zu sagen, bevor er unsere Gäste mit seinem 50-minütigem Set auch musikalisch hoch– und sanft wieder herunter bringt.
Was haben Kühe, gefrorenes Wasser und der Herr der Finsternis gemeinsam? Früher oder später begeben sie sich in eine vertikale Trajektorie und fallen – mit mehr oder weniger einschlägigen Konsequenzen – vom Himmel. In der Kulturwelle Afterhour #14 eröffnen wir eine neue Sendereihe. Die nächsten Sendungen drehen sich um eine weithin übersehene Raumdimension: Die Vertikale. Zum Auftakt gibt es ein Potpourri zu den großen und kleinen, gefährlichen und rettenden, glaubwürdigen und abstrusen Dingen, die – buchstäblich und metaphorisch – vom Himmel fallen. Wir hören von großen und kleinen Tieren, von uralten und überraschend jungen Kulten, von High-Tech-Maschinen mit verheerenden und wohltuenden Nebenwirkungen. Dazu durchforsten wir obskure Nachrichtenmeldungen, blättern selbstverständlich in der Bibel und müssen unter dem Gewicht der Beweise Johannas Behauptungen über gefrorene Flugzeugausstöße bestätigen. Dazu wie immer Techno unter Creative-Commons-Lizenz.
Wozu will der Sophist uns verführen? Zur Lüge? Oder zur Kritik? Zum Abschluss unserer Staffel über verdrängte Wissensformen nehmen wir uns den alten Angstgegner der Philosophen und Aufklärer vor: Den Sophismus. Wir fragen uns, was schon Aristoteles provozierte, die sprachfanatischen Provokateure dem Reich der Pflanzen zuzuordnen – und wie man heute mit so einer Einstellung umgehen kann. Mit dem Philosophen Samo Tomšič sprechen wir dazu über den Kitzel und die Produktivität des sophistischen Denkens und befragen den Rhetorikprofessor Bruce McCormiskey über die Ethik eines radikalen sophistischen Relativismus. Dazu Techno. Und Synthesizer.
1460 bringt ein Gelehrter wiederentdeckte Schriften nach Florenz: Platons Dialoge und das »Hermetische Korpus«. Letzteres gilt als die älteste Schrift der Welt, und so lässt Cosimo de' Medici den Hermetischen Korpus auch zuerst – vor Platon – übersetzen. Der Inhalt erschüttert die Grundfesten des mittelalterlich-christlichen Weltbilds: Der Mensch wird darin als »Bruder« Gottes beschrieben, der auch in den Schöpfungsprozess eingreifen darf und soll. Was folgt, ist eine das 15. und 16. Jahrhundert umspannende Telenovela, in der allerlei Alchemiker variierender Dubiosität genauso mitspielen wie ein junges Königspaar, das in Prag eine »alchemische Dynastie« gründen will (was vom 30-jährigen Krieg verhindert wird). Auch ein gewisser Isaac Newton steckt tiefer mit drin, als man heute denken würde. Im Rahmen unserer Reihe zu nicht-hegemonialen Wissensformen nehmen wir uns diesen Freitag der Alchemie an. Welche Vorstellungen von Wissenschaft und Religion, von Materie und Geist prägen sie – und was ist ihre politische Position zwischen Aufklärung, Reformation und Frühkapitalismus? Diese und andere Fragen klären wir im Gespräch mit unserem Studiogast, dem Historiker und Kulturwissenschaftler Stefan Laube.
In der Kulturwelle Afterhour setzen wir unsere Staffel zu verdrängten Wissensformen fort. Dazu machen diese 11. Ausgabe zur Astrohour. In einer bunt gemischten, mal versöhnlichen, mal streitlustigen Runde mit dem Astrologen Markus Jehle, dem Religionshistoriker Kocku von Stuckrad und dem Soziologen Edgar Wunder versuchen wir uns heranzutasten, wie man über Kontexte und Strukturen der heutigen Astrologie nachdenken kann.
Die Kulturwelle Afterhour leitet eine neue Staffel ein: In den nächsten vier Sendungen holen wir verdrängte Wissenschaften aus der Versenkung. Als Einstimmung gibt es den vielleicht größten Stoff der deutschen Literaturgeschichte: Goethes Faust. Die schönsten Szenen aus Teil I und II (inkl. der klassischen Walpurgisnacht mit Mephistopheles, Homunculus, Thales), dazu wie gewohnt Techno – und die Frage, welche Konzepte von Wissen in den 17.000 Versen auftauchen.
Am Sonntag werden die Oscars verliehen, die Berlinale ist gerade vorbei gegangen - Grund genug, mal eine ganze Sendung lang über Filme zu reden. Zu Gast im Studio sind Sven Angene und Karen Dohr, die die Berlinale 10 Tage lang begleitet und auf ihrem Blog 4Kinderund1Feldbett darüber berichtet haben. Mit ihnen unterhalten wir uns über die Höhe- und Tiefpunkte des diesjährigen Festivals, die Besonderheiten der deutschen Filmlandschaft und über das Verhältnis von Kino und Politik. Als Komoderatorin begrüßen wir in dieser Sendung zum ersten Mal Rosa Gruner.
Greifen, spüren, hören. Kleine Härchen bewegen sich im Ohr, sie fühlen Schallwellen und machen daraus Klang. Das Tasten ist dabei nicht nur Metapher, eigentlich arbeitet unser Gehör haptisch – es ertastet die Druckschwankungen in der Luft. Aber der Schall fließt auch durch Materialien – als Vibration einer Eisenstange oder in der Membran eines Mikrofons. Jeder Stoff gibt die Schwingungen an seine Umgebung weiter. Ist Tasten also nicht nur Lesen, sondern auch Schreiben? Um diesen uneindeutigen Funktionen des Tastens in und jenseits des Körpers nachzuspüren, unternimmt das Afterhour-Team eine Reise durch die Materie. Dabei streifen wir so unterschiedliche Phänomene wie die nass schwappenden Windungen des Innenohrs, das Inferno des Luftschiffs Hindenburg und eine Cicero-Rede auf dem überfüllten Forum in Rom. Unterwegs spekulieren wir mit dem Medienwissenschaftler Wolfgang Ernst über das tastende Auslesen der gesamten Welt, lauschen der abgetasteten Musik des Klangkünstlers Martin Kay – und besprechen mit der Archäologin Erika Holter, was schon heute ganz konkret möglich wird, wenn wir erst einmal beginnen, Abtastvorgänge zu modellieren und dynamisch zu nutzen.
Wann ist ein Körper eigentlich vollständig? Woher kommt unsere Angst vor der Unvollständigkeit? Und wie wird damit in unterschiedlichen Medien umgegangen? Nachdem wir uns in unserer Themenreihe zum Körper bereits mit Klangkörpern, politischen Körpern und den kulturellen Verflechtungen eines bestimmten Körperteils beschäftigt haben, wenden wir uns in der aktuellen Sendung der Afterhour der Bedeutung unvollständiger Körper zu. Wir sprechen mit dem Kulturwissenschaftler Gerhard Scharbert über Verstümmelung im Film, fragen die Literaturwissenschaftlerin Irmela Marei Krüger-Fürhoff nach ‚versehrten‘ Alternativen zum ganzheitlichen Schönheitsideal und unterhalten uns mit dem Medienwissenschaftler Jan Claas van Treeck über die Ökologie der Körpergrenzen – und was Cyborgs damit zu tun haben. Dazu wie immer Techno – bis uns die Ohren abfallen.
In Nikolaj Gogols Erzählung "Die Nase" von 1836 findet ein Barbier eine abgeschnittene Nase in seinem Frühstücksbrot. Gleichzeitig erwacht ein Beamter - wie sonst - ohne Nase. Er macht sich auf die Suche, begenet sogar seiner Nase, allerdings entwischt sie ihm. Seit Gogols modern-surrealistischer Erzählung avant la lettre muss sich niemand mehr wundern, so schreibt die Zeit zu Gogols 200. Geburtstag, wenn er eines morgens als Käfer erwacht. In der Afterhour #6 nehmen wir uns der Nase an - nicht nur der Erzählung, sondern des Körperteils, der so sehr ins Auge springt und seit der Aufklärung doch verdrängt scheint. Wo Gott Adam den Lebenshauch einflößte, ist heute der Sitz zweifelhafter Konnotationen - Nasen werden in fremde Angelegenheiten gesteckt, wer lügt bekommt eine lange Nase, ihr wisst, was man über Männer mit langen Nasen sagt - den Verbindungen vieler dieser Redewengungen und Klischees zum historischen und gegenwärtigen Antisemitismus wollen wir besondere Aufmerksamkeit schenkten. Ist die Nase ein verdrängter Körperteil, der immer wieder zurückkehrt? Außerdem: Techno und Nasenflötenmusik.
Was hat Körperlichkeit mit dem Aufstieg des Rechtspopulismus zu tun? Hat die Trennung zwischen einem »vernünftigen«, politischen Kopf und dem »unvernünftigen«, triebhaften Körper jemals funktioniert? Ist Hillary Clinton nicht Präsidentin geworden, weil sie einen Frauenkörper hat? Die jüngsten politischen Entwicklungen stellen die Frage nach dem Zusammenhang von Körper und Politik mit neuer Dringlichkeit. In der Kulturwelle Afterhour #05 sprechen wir mit dem Affektforscher Rainer Mühlhoff und der Kulturwissenschaftlerin Claudia Bruns darüber, wie Politisches »verkörpert« wird und Körper politisch werden – und fragen danach, wie wir über die Geschichte und Theorie politischer Körper unsere Gegenwart besser verstehen können.
Die vierte Ausgabe der Kulturwelle Afterhour eröffnet eine kleine Reihe zum Thema »Körper«. Zu Gast in der ersten Episode haben wir den Geigenbauer Peter Volkmer. Wir lauschen seinen selbstgebauten Instrumenten, sinnieren über den Effekt von Saitenzahlen und Stradivari, über Pink Floyd und das Mellotron. Dabei suchen wir den Klangkörper: Als experimentell geformtes Holz, als unstetes Gespann aus Musiker und Instrument und als die mal weniger, mal mehr geplante Hörsituation. Mit dem Kulturtheoretiker Jacques Attali zur Hand fragen wir uns, auf welche Arten diese Verbindungen lesbar sind und wie hier Körpergefühl, Klangfarbe und soziale Organisation zusammenspielen.
In der dritten Ausgabe der Kulturwelle Afterhour haben wir den Philosophen und Lacanianer Samo Tomšič zu Gast. Mit seiner Hilfe forschen wir dem Verhältnis von Arbeit und Feiern aus psychoanalytischer Perspektive nach. Dazu nehmen wir die Diagnose von Karl Marx und den Tiefenblick Jacques Lacans mit in den Technoclub. Wie viel Politik, wie viel Produktivität und wie viel Subversion lassen sich hier eigentlich aufspüren – zwischen der alltäglichen Genussoptimierung und der maschinengestützten Tanzekstase? Dazu wie üblich Musik aus unserem Creative Commons-Fundus.
In der Kulturwelle Afterhour #002 rufen wir die Filmwissenschaftlerin Barbara Flückiger in den österreichischen Bergen an und fragen nach, wie man in unserer digitalen Gegenwart Wirkung und Bedeutung von Filmfarben untersuchen kann.
In der Kulturwelle Afterhour #001 sprechen wir mit Luis Manuel Garcia über seinen Weg zur Ethnomusikologie und Feldforschung in Technoclubs und befragen Andre Sommer vom Startup HiDoc zum digitalen Tracken der Volkskrankheit Reizdarmsyndom.
Sie umgeben uns, wann immer wir die Augen öffnen: Farben – zugleich materielle Struktur und physiologischer Effekt; Bedeutungsträger und emotionale Stimulanz. Welche Signale senden uns die Farben? Worin besteht ihr Signal? Gibt es eine unschuldige Farbe? Diese Fragen beleuchten wir in einer Sendung der gesamten Redaktion. Unser Spektrum reicht vom Regenbogen als Symbol der LGBTI-Bewegung bis zu den Farbchakren der Lebensmittel, wir prüfen die Stabilität von Wahrnehmung – wieso beschreibt Homer das Meer der Ägäis als »weinrot«? – und diskutieren, ob farbwandelnde Katzen künftige Generationen vor den Gefahren von Atommüll retten können. Und schließlich die Farbe als Material: Yves Kleins berühmtes Blau lässt sie in absoluter Form erstrahlen. Vantablack hingegen, ein Stoff aus der Oberflächenforschung, verschluckt alles Licht in einem nahezu perfekten Schwarz.
Wie viele Schritte bin ich heute gegangen? Wie effizient meditiere ich? Um wieviel produktiver werde ich durch ein Stück Butter im Kaffee? Und was sagen meine gesammelten Tippfehler über mein Selbst aus? Mit Selftracking-Apps und Smartphone-Zubehör sind Fragen wie diese zu alltäglichen Begleitern geworden. Schlanke Fitness-Armbänder messen Puls und Kalorienverbrauch nicht nur beim Sport, sondern auch beim Treppensteigen oder beim Tanzen im Club. Die Selbstvermessung, die viele nur nebenbei betreiben, ist sogar zum Hauptinteresse einer ganzen Bewegung geworden, die sich »Quantified Self« nennt. Nach dem Leitspruch »Selbst-Erkenntnis durch Zahlen« wird versucht, neuen und tieferen Wahrheiten über das eigene Selbst auf die Spur zu kommen. Die philosophische Aufforderung des antiken Orakels: »Erkenne dich selbst« scheint dabei einem Aufruf zur Datenerhebung zu weichen: »Quantify thyself«. In der Sendung nehmen wir den Trend zur digitalen Selbstvermessung zum Anlass, mit unserem Studiogast Antonio Lucci der Kulturgeschichte der Selbstbeobachtung nachzuforschen: Wie sahen frühere Strategien aus, sich dem »Selbst« zu nähern? Welche Selbsttechniken wurden dazu genutzt? Und was ist eigentlich neu am »Quantified Self«? Dabei spielt auch die Geschichte der Messtechnik eine wichtige Rolle, zu der wir die Kulturwissenschaftlerin Anna Echterhölter befragt haben. Ein historischer Blick verrät, dass die Selbstvermessung nicht nur als Mittel der Erfahrung und Emanzipation verstanden werden kann, sondern dass das Verhältnis zwischen dem Selbst und seiner Quantifizierung wesentlich komplexer ist. Die Vermessung findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern in einem engen Netz aus Machtbeziehungen und Interessen, das wir in unserer Live-Sendung erkunden.
War der Wald lange Zentrum der täglichen Lebensgestaltung vieler Menschen, empfinden vor allem Stadtbewohner inzwischen eine Distanz zu ihm. Annäherungen werden versucht in der Pädagogik, Technik und Kunst. In der Wildnisschule können überreizte Städter das Spurenlesen, die Sprache der Vögel oder das Entfachen eines Feuers ohne technische Hilfsmittel erlernen. Ökologen und Klangforscher hingegen widmen sich der auditiven Entschlüsselung des Waldes durch moderne technische Verfahren. Wichtig ist dabei das Überschreiten von Grenzen: Des physisch errichteten Waldsaums, aber auch von konstruierten Verständnis- und Sinnesschwellen. Auch der Tod als die Grenze schlechthin wird oft mit dem Wald in Verbindung gebracht. Die Geschichte dieser Verbindung reicht dabei vom Wald der Selbstmörder in Dantes göttlicher Komödie bis zur zunehmend populären Bestattung im Friedwäldern. Der gleichzeitig physisch wie metaphorisch von uns gestaltete Wald lädt schon immer ein zum Gratwandern, Hinübertreten, sich Verändern. Mit der Kulturhistorikerin Jasmin Mersmann erörtern wir in der 42. Sendung der Kulturwelle, was es mit diesen Schwellen auf sich hat. Wir begeben uns in den Wald, hören in Bäume und Literatur hinein – und spüren so zwischen den Disziplinen den Wurzeln des Waldes als Ortes der Veränderung und Transformation nach. Eine Sendung über das Verhältnis von Waldbild und Umgang mit dem Wald – zwischen Leben, Tod, Lernen und Verstehen.
Niklas Luhmanns Zettelkasten enthält 90.000 Zettel. Er lagert an einem hoch geheimen Ort an der Universität Bielefeld und wird zurzeit digitalisiert. Das Verweissystem zwischen den verschiedenen Zetteln ist so komplex, dass mehrere Wissenschaftler jahrelang mit der Rekonstruktion der Ordnung beschäftigt waren. Noch komplizierter die Zettel des Schriftstellers Arno Schmidt, denen wir einen Beitrag widmen: 120.000 an der Zahl, sind sie geordnet mit Reitern wie “Schöne Stelle. Zerstört”, “Borken” oder “Planeten und Meteore”. Ist das Ordnung oder Chaos? Warum ordnen wir unsere Wissensbestände und wie? Die 40. Ausgabe der Kulturwelle wirft einige Schlaglichter auf verschiedene Modi der Wissensorganisation in Vergangenheit und Gegenwart. Dazu blicken wir in die Bibliothek von Alexandria genauso wie in die verwirrende Wolke Big Data. Im Live-Gespräch mit den Beitragsautor_innen fragen wir, wie Ordnung unser Leben produktiver macht, aber auch wie sie mit Macht zusammenhängt. Dafür haben wir vor der Sendung auch mit Prof. Dr. Christina Vagt, Kultur- und Medienwissenschaftlerin an der HU Berlin, gesprochen. Über den Mythos Big Data und wie versucht wird, ihm organisatorisch gerecht zu werden, sprechen wir mit Dr. Ramón Reichert von der Universität Wien.
»Menschheitsgeschichte wird Erdgeschichte« – konstatiert ein 2015 erschienener Sammelband. Menschliches Handeln schreibt sich zunehmend in die Erdoberfläche unseres Planeten ein. Das Holozän, das jüngste Zeitalter unserer Erdgeschichte, so scheint es, wird von einem neuen »Menschzeitalter« abgelöst: dem Anthropozän. In der 39. Sendung der Kulturwelle möchten wir etwas genauer hinsehen. Dazu werfen wir den Blick auf einen vertrauten Ort, der zugleich Zahnrad globaler Zusammenhänge ist: Die Küche. Ihr Wirkungsradius hat sich auf auf die Ebene des Anthropozän ausgeweitet: Selbst die Äpfel, die wir früher aus Omas Garten gepflückt haben, werden heute aus Neuseeland eingeflogen und mit begradigten Flüssen bewässert. Wir laden euch ein, eine geistige Brücke mit uns zu überqueren, die vom Individuum zum Kollektiv, von der Mikroebene zur Makroebene führt. Welchen Bedeutungswandel hat die Küche im Laufe der historischen Entwicklung durchlebt und welchen Einfluss hat der »kochende Mensch« auf seinen Lebensraum? Über diese Fragen sprechen wir mit Julia von Mende, Marc Schleunitz und Karl W. Grosse aus dem Exzellenz-Cluster »Bild Wissen Gestaltung«. Im Projekt »Anthropozän-Küche« arbeiten sie daran, die Küche als Knotenpunkt von Energie- und Ressourcenkreisläufen sicht- und deutbar zu machen.
Stimme – seit Jahrhunderten beschäftigt das Medium und seine Macht die Menschen. Schon in der Antike schafften es die mythischen Sirenen nur mit Hilfe ihrer Stimme, Seemänner grausam in den Tod zu reißen. Sie veranlassten den antiken Dichter Homer zu seiner berühmten Odyssee, und ihr Mythos wirkt bis heute in der europäischen Kulturgeschichte nach. Warum aber gelang es den griechischen Fabelwesen, durch ihre Stimme solch eine Macht auszuüben? mehr... Dieser Erscheinung nähern wir uns in der 38. Kulturwelle. Am Beispiel des Lachens spüren wir der sozialen Macht der Stimme gerade in ihren Extremformen nach. Gemeinsam mit dem Medienwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Ernst nähern wir uns daraufhin dem Sirenenmythos. Auf einer Expedition zu den Galli-Inseln vor der Küste Siziliens hat er selbst versucht, den medialen Bedingungen des Phänomens auf die Spur zu gehen – und den geheimnisvollen Klang der Sirenen mit moderner Tontechnik festzuhalten. Diese Reise führt uns ebenso zu den Möglichkeiten und Grenzen, das Phänomen „Stimme“ fassbar zu machen. Also schaltet ein, wenn man das griechische Meer rauschen hört, die Sirenen ihre verführerischen Stimmen zum Besten geben und wir euch auf eine kultur- wie medienwissenschaftliche Odyssee durch das Medium Stimme einladen.
„The People of New York will never go into a hole in the ground to ride!“ – war sich Russell Sage, amerikanischer Unternehmer und Politiker, Anfang des 20. Jahrhunderts ganz sicher. Dennoch bahnten sich die ersten U-Bahn-Züge 1902 in Berlin und 1904 in New York unterirdisch ihren Weg. Die subterrane Infrastruktur ermöglichte nun – für die oberirdische sichtbare Stadt auf den ersten Blick nicht wahrnehmbar – die Zirkulation von Menschenmassen. Die Stadt wurde vernetzt. Doch der Stadtraum erfuhr auch eine Dopplung. Die Oberfläche verlassend, betreten wir heute einen inkludierten und zugleich abgegrenzten Raum: den Untergrund. Er gehorcht eigenen Gesetzmäßigkeiten, aus denen wiederum spezielle Praktiken und Empfindungen resultieren. Rechts stehen, links gehen, wartend den Blick auf den Boden, die Anzeigetafeln oder das Smartphone gerichtet. U-Bahn fahren liegt uns im Blut, der Umgang mit ihr ist zur Intuition geworden – wir haben die Evolutionsstufe des Passagiers erreicht. Warum die U-Bahn mehr als nur Transportmittel ist, wie diese Entwicklung ihren Anfang nahm und wie die Reise weitergeht, sind nur einige unserer Bau- bzw. Haltestellen in der 37. Ausgabe der Kulturwelle. In den Hinter- des Untergrund begleiten wird uns Dr. Stefan Höhne vom Center for Metropolitan Studies der TU Berlin. Mit ihm erkunden wir die U-Bahn zwischen utopischem Traum und zurichtender Maschine, zwischen Spiegel der oberirdischen Gesellschaft und unsichtbarem Motor der Stadt.
Der Countdown läuft: Die 36. Ausgabe der Kulturwelle startet eine Forschungsrakete. Mit an Bord ein Logbuch voller Fragen: Wie kann das Ungedachte gedacht werden? Wie stellt man sich etwas radikal Neues vor, das es noch nicht gibt? Brauchen wir ein Subjekt, um Veränderung zu begehren und umzusetzen? Oder ist alles sowieso nur Prozess? „Ein philosophisches Buch muss einenteils eine ganz besondere Sorte Kriminalroman sein, anderenteils eine Art Science Fiction.“ Dieser Satz stammt von Gilles Deleuze und unser Feature nimmt ihn beim Wort. Während auf der Erde immer mehr Politiker_innen erklären, dass es zur bestehenden Ordnung keine Alternative gibt, bricht das „Raumschiff Utopia“ auf in den Weltraum und die Zukunft. Denn in der Science Fiction gibt es so viele gesellschaftspolitische Alternativen wie Sterne am Himmel. Motive aus der Science Fiction in der Philosophie tauchten zuletzt im Akzelerationismus auf – hier soll der Kapitalismus mithilfe einer technophilen Beschleunigungsphilosophie abgeschafft werden. Armen Avanessian, der Herausgeber der #Akzeleration-Bände, spricht im Feature über das Näheverhältnis zwischen Wissenschaft und Fiktion – science und fiction – und die Auflösung herkömmlicher Zeitvorstellungen. Deleuze-Experte André Reichert von der FU Berlin erklärt uns, was es mit dem Begriff der „Wunschmaschine“ auf sich hat und sinniert über philosophische Spielarten der Science Fiction. Einer der darin brilliert hat, kommt ebenfalls zu Wort: Douglas Adams, der große Satiriker. Und es gibt natürlich jede Menge spacigen Sound.
»Warum ist da ein Strickfehler in meinem Pullover? Egal, schnell auf dem iPhone nachsehen, wann der nächste Bus kommt. Hoffentlich geht nachher bei der Präsentation mit dem Computer alles glatt.« Längst durchdringt Computercode unsere alltäglichsten Abläufe, unsere Sprache, unser Denken. Die Welt scheint programmierbar. Wie kommt das? Welche gesellschaftlichen Entwicklungen haben das Coding so allgegenwärtig werden lassen – und welchen Einfluss hat das Coding selber ausgeübt? Auf der Suche nach den Ursprüngen des Programmierens führen wir euch in die Computerabteilung des Deutschen Technikmuseums Berlin. Gemeinsam mit Dr. Bernard D. Geoghegan, Medientheoretiker und Technikhistoriker an der HU Berlin und Mitinitiator des HKW-Projekts Technosphere, begeben wir uns auf einen Spaziergang, der uns durch die technische Entwicklung des Programmierens führt und zugleich die Chance bietet, die kulturelle, soziale und symbolische Kraft von Code in der Gesellschaft zu erkunden. Dabei stoßen wir nicht nur auf industrielle Präzisionsarbeit und eine entfesselte Vorstellungskraft im 19. Jahrhundert, sondern auch auf militärische Notwendigkeiten und verwaltungstechnische Innovationen in der jüngeren Vergangenheit. Ebenso werden wir auf kreative wie erfindungsreiche Köpfe, souveräne Frauen und weitsichtige Visionäre treffen, die allesamt der »codifizierten Gesellschaft« den Weg geebnet haben.
Schuhe zu, Mütze auf. Rucksack umgeschnallt, Brille aufgesetzt, Schirm… dabei. Handy an, EC-Karte eingesteckt, Schlüssel auch – gut, dann kann’s losgehen. So ähnlich überprüfen wir vor dem Gehen unsere Ausstattung; die kleinen Dinge, die uns umgeben auf ihre Vollständigkeit und Funktionsfähigkeit. Sie sind unauffällige Begleiter, jedoch könnten wir ohne sie kaum noch einen Schritt tun. Sie sind buchstäblich mit uns verwachsen oder gar »extensions of man«, wie der Medienphilosoph Marshall McLuhan bemerkte. Doch bereits unser Körper gehört zu unserer medialen Grundausstattung. Wir trainieren seine Belastbarkeit, steigern seine Geschwindigkeit, vergrößern die Reichweite seiner Seh- und Sprechinstrumente. Und unsere Finger sind längst zum umfassenden Interface geworden, Schnittstelle zu einer Heerschar an Möglichkeiten in der digitalen Welt. In dieser Sendung der Kulturwelle stellt sich die ganze Redaktion der Aufgabe, diesen kleinen Dingen, Praktiken und Phänomenen nachzuspüren, die unser Leben unentwegt erleichtern. Dabei ergründen wir z.B. unsere Symbiosen mit der Sicherheitsnadel, der Augenklappe, der Konserve oder der Armbanduhr, aber auch, wie wir im Jodeln unseren Körper als Instrument einsetzen. Je weiter die Dinge dabei in uns hineinwandern, umso mehr entsprechen wir der Figur des Cyborgs, für den Leben immer schon etwas »mediales« ist; der im Funktionsraum seiner Möglichkeiten nicht mehr zwischen Körper und Ding unterscheidet.
Manche gehen rasch an den Ausstellungsstücken vorüber, andere bleiben eine Stunde oder den ganzen Tag. „Im Dialog mit dem Kunstwerk sein“, sagt man. Aber kann man tatsächlich mit einem Ding – sei es nun ein Gemälde oder ein Alltagsgegenstand aus einer vergangenen Zeit – ins Gespräch kommen? Wer spricht da? Im modernen „Erlebnismuseum“ werden die Besucher_innen nicht nur in Dialog, sondern in eine körperliche und emotionale Beziehung zu den Exponaten gestellt. Alles darf und soll angefasst werden. Im Berliner DDR-Museum kann man sich in den Trabi setzen und mit dem eigenen Körper eine vergangene Realität nachspielen. Für ihren Beitrag hat Anna Hüttmann das ausprobiert und den zugrunde liegenden Konzepten nachgeforscht. Den theoretischen Kontext dieses „emotional turn“ in der Ausstellungspraxis besprechen wir im Studio mit dem Museologen Mario Schulze. Auch unser zweiter Beitrag widmet sich der emotionalen Dimension eines Ausstellungsstücks: Elisabeth Stursberg unternimmt eine imaginäre Reise auf Arnold Böcklins gespenstisches Gemälde „Die Toteninsel“. Dazu analysiert der Kunsthistoriker Dr. Julian Blunk, woraus das Gemälde seine unheimliche Wirkung bezieht. Welche Vor- und Nachteile es haben kann, wenn die Emotion im Museum den Text verdrängt, haben wir außerdem in einem Interview Juliane Brauer gefragt, die zur Geschichte der Emotionen forscht.
»Die Zukunft, die wir wollen, muss erfunden werden. Sonst bekommen wir eine, die wir nicht wollten«, sagte einmal der Künstler Joseph Beuys. Die Zukunft ist demnach radikal unbestimmt, das heißt menschliche Verhandlungsmasse, egal ob sie von Gott, einem Schicksal oder anderen Prognoseverfahren erzeugt wird. Sie ist immer schon eine Erfindung. Diese Erfindung aber müssten wir selbst immer wieder neu vornehmen und dem Herannahen einer ungewollten Zukunft prä-ventiv zuvorkommen - was nur möglich wird, indem wir den Blick in den Möglichkeitsraum der Zukunft wagen und uns vorstellen, was möglicherweise kommen könnte. Mit diesem Möglichkeitsraum - der lange Zeit vorbestimmter Raum war - wollen wir uns in der aktuellen Ausgabe der Kulturwelle befassen, sowie mit verschiedenen Zugriffen darauf, in Geschichte wie Gegenwart. Neela Janssen erforscht dafür in ihrem Feature aktuelle Techniken der Pränataldiagnostik und sucht nach Parallelen in vormodernen Techniken der Vorhersage. Darüber hinaus werden wir uns mit der Wiener Literaturwissenschaftlerin Eva Horn über das moderne Verhältnis zur Zukunft als Katastrophe unterhalten und mit dem Berliner Kulturwissenschaftler Stefan Willer über vergangene Zukunftsmodelle das aktuelle Sicherheitsdenken sowie Chancen und Risiken gegenwärtiger Präventionstechniken sprechen. Schließlich wollen wir selbst einen Blick in die Zukunft wagen und uns fragen: Wohin entwickelt sich das Zukunftswissen?
„In dem Oberteil siehst du aber ganz schön dick aus!“ Für viele eine Beleidigung. Dann doch lieber um- oder den Bauch einziehen. Und lieber nur die kleine Portion im Restaurant. Und den Nachtisch lass ich lieber ganz weg. Vielleicht doch mal diese neue Diät ausprobieren? Wer hat die Deutungshoheit über den schönen, den normalen, den begehrenswerten und den gesunden Körper? Und wie kann ein Gegenentwurf aussehen? Das erklären die drei Protagonistinnen dieses Features: Sie sind Fettaktivistinnen und Teil einer körper- und fettpositiven Gegenkultur. Die politische Bildnerin Magda Albrecht, die Aktivistin Kristina Kuličová und die Bloggerin Anna Kumher zeigen, wie Vorstellungen über Dicksein im Alltag Normen setzt – von Mode bis Medizin, Freibad bis Flugzeugsitz – und wie sie dagegen vorgehen. Ihre Strategien und Interventionen ähneln denen von anderen feministischen Kämpfen um Identitätspolitiken: Coming Out, Begriffe wieder aneignen und neu besetzen, eigene soziale Schutzräume schaffen. Warum binden soziale Normen nicht mehr? Warum erzeugen sie Abwehrreaktionen? Wie verhandeln sie die Beziehung zwischen vorherrschendem Diskurs und individuellem Körper neu? Und reicht die Aufdeckung zum Öffnen neuer Handlungsspielräume? Die Protagonist_innen zeigen uns: Das Persönliche ist immer noch politisch. Ideologien und Bewertungen werden immer kulturell hergestellt und sind alles andere als natürlich. Das gibt uns den Raum, sie zu hinterfragen und zu dekonstruieren.
Was verbindet Nikita Chruschtschew mit einem Schallplattenspieler? Der eine ist ein Apparat, der andere ein Apparatschik. Auch sonst haben beide viel miteinander zu tun: Jede politische Führung benutzt Medien, um ihre Ideologien zu verbreiten. Heute noch scheint zu gelten: Wer sich am besten auf die Medien einlässt, gewinnt Wahlen. Das bewiesen Obamas SMS-Kampagne oder Medienkanzler Gerhard Schröder. Ob Schallplatte, Radio, Fernsehen, Internet – sie alle dien(t)en als Vehikel für politische Botschaften. Doch wenn Ideologien die Inhalte der Medien formen, inwiefern formen Medien die Inhalte von Ideologien? Lassen sich Inhalt und Form hier überhaupt trennen? Zum Beispiel: Warum gab es einen Volksempfänger, aber keinen Volkssender? Die 30. Ausgabe der Kulturwelle ist dem akustischen Medium gewidmet, das Hörende und mitunter auch Hörigkeit erzeugt. Dazu berichten wir über den Krugozor, ein Schallplattenmagazin in der Sowjetunion, das neben Leninreden und Reportageliedern immer auch begehrte Westmusik enthielt. Beim Aufspüren von Ideologie(n) wird uns Theodor W. Adorno helfen, während Adorno-Archivar Michael Schwarz erklärt, warum der Frankfurter Philosoph den Rundfunk so schätzte. Im Studio begleitet uns der Medienwissenschaftler Dr. Jan Claas van Treeck durch alle Verflechtung von Ideologie(kritik) und medialen Konstellationen.
Bei ‘Mythen’ denken wir zuallererst an alte Griechen und Römer. Anders Roland Barthes: In jedem Winkel der Alltagswelt findet der französische Philosoph Narrative, die das Konstruierte als naturgegeben darstellen – so wird etwa der neue Citroën zur übermenschlichen Schöpfung. Moderne Mythen, so Barthes, sollen den Konsum fördern oder das Bürgertum seiner Weltsicht vergewissern. In einer Reihe kurzer Essays seziert Barthes die „Sprache der Massenkultur“ und deren ideologische Aufladung. In der 29. Sendung der Kulturwelle holen wir Roland Barthes’ Mythen des Alltags von 1957 in die Gegenwart: Wie viel Mythos steckt im iPhone? Welcher Mythos verbindet Theaterbühne und Tanzfläche? Wie vernünftig ist der „gesunde Menschenverstand“? Was für Alltagswelten blendet der Lonely Planet aus? Macht das Gehen den Menschen aus und ist die Welt aus Plastik? Solche und andere Mythen beleuchten und besprechen wir in der Sendung, gemeinsam mit unserem Studiogast Prof. Dr. Ottmar Ette. Der renommierte Barthes-Experte hat mehrere Bücher zum französischen Philosophen veröffentlicht und gibt uns Auskunft, wie Barthes’ semiologische Schemata in unserer Zeit zu gebrauchen sind.
In einen ekstatischen oder ungehemmten Zustand zu verfallen, kann mehr als Gefühle der Entrückung und der veränderten Selbsterfahrung hervorbringen. Rausch und Ekstase können auf verschiedenste Weise produktiv wirken: In der Suche nach persönlicher Erkenntnis ebenso wie im gemeinsamen Erleben erinnerungswürdiger Momente. Doch wo fangen diese Zustände an und wo können sie enden? Und wie kann man diese erreichen? Die Antworten darauf können höchst unterschiedlich ausfallen. In der 28. Magazinsendung begeben wir uns daher auf die Suche. Im Studio sprechen wir mit dem Kulturwissenschaftler Dr. Gerhard Scharbert über Rauschpraktiken aus Antike, Moderne und Gegenwart und spüren nach, in welcher Gestalt und in welchen Rollen das Berauschen im Laufe der Zeit in Erscheinung tritt. Unsere Redakteure haben sich zudem im Selbstversuch dem Rausch verschrieben. In diesen Experimenten werden uns unter anderem aufwühlende Kunsterlebnisse und außergewöhnliche kreative Eingebungen begegnen, die deutlich werden lassen, wie tiefgreifend Rausch unser Menschsein bestimmt.
“Diamonds Are a Girl’s Best Friend” – so besang Marilyn Monroe in den 1950er Jahren die ikonischen Edelsteine, die seit jeher als Inbegriff von glamorösem Schmuckstück gelten. Und schon diese Formulierung deutet an: Schmuck ist nicht nur Statussymbol oder schönes Beiwerk – seine Wirkmacht geht weit über seine ästhetische Funktion hinaus. Sei es das schutzbringende Amulett, die gerade modische Kette oder auch der Ring des Großvaters, in dem er anwesend scheint: Schmuck entzieht sich der Eindeutigkeit und scheint gerade heute mehr denn je Schnittstellen und Ambivalenzen zu besetzen und zu markieren. In der 27. Sendung der Kulturwelle widmen wir uns genau diesen Spannungen und wollen etwas genauer nachfragen: Was sagt uns dieses Phänomen, das uns als ästhetischer Gegenstand und zeichenhaftes Statussymbol, als banaler Zierrat und bedeutungsgeladenes Fetischobjekt begegnet? Wie gehen wir heute mit Schmuck um – und was macht der Schmuck mit uns? Im Studio begrüßen wir dazu den Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Hartmut Böhme. Wir verfolgen nach, wie und warum ein einfaches geometrisches Schmuckstück wie das Dreieck zum Erkennungsmerkmal des diffusen Sozialtyps »Hipster« aufstieg. Anhand der immer beliebteren Praktik des Umschmelzens von geerbeten Schmuckstücken erkunden wir dann, wie sich Erinnerungskulte mit modischem Anspruch vertragen – und ob wir beim Verhandeln dieser Spannung dem Schmuck nicht vielleicht doch mehr Macht über uns verleihen, als uns geheuer ist. Schließlich macht auch eine neue Rubrik Premiere. Im Druckerraum des Instituts stellen wir frischgebackenen Absolventen zwischen Papierstau und Tintenflecken die drängende Frage: “Was druckst du?”
Mama war in der Gewerkschaft, Papa saß im Betriebsrat, vielleicht demonstrierte die Tante für die Gleichberechtigung und 68 war sowieso alles anders. Früher schien politische Teilhabe noch klar strukturiert und in hart erkämpften Institutionen realisierbar. Doch sind diese Vorstellungen von Veränderungsprozessen, die weite Teile des 20. Jh. geprägt haben, heute weiterhin aktuell? Wie und wo wird heute Widerstand geleistet? In Parteien, Akademien, auf der Straße und der Bühne? Oder sind wir tatsächlich in einer politischen Lethargie gefangen, wie sie so oft von den Mahnern der Demokratie beschworen wird? In der 26. Sendung der KulturWelle wollen wir der Widerständigkeit in ihren historischen Gewändern folgen. Dazu verfolgen wir aktuelle Genderparodien mihilfe von Dr. Eva Krivanec zurück zu ihren historischen Vorläufern und betrachten beide im Lichte aktueller Theorieangebote. Im Anschluss diskutieren wir mit Juniorprof. Philipp Felsch über die problematische Kluft zwischen politischer Theorie und politischem Handeln.
Die historischen Grenzen sind gesprengt. Der Hip-Hopper sampelt Vaters alte Platten und im angesagten Café lässt sich der DJ den Apfelstrudel auf dem Blümchensofa schmecken. Die Studentin bestellt sich im Internet ihr individuell gemischtes Müsli, nachdem sie sich bei eBay ihr 90er Jahre-Outfit zusammengestellt hat. In der U-Bahn hört sich der Blogger seine Lieblingsplaylist auf Soundcloud an, während er die neuesten Tweets auf Twitter liest. Das Internet potenziert Geschwindigkeit und Distribution ins Unermessliche. Noch nie waren Kreativität und Konsum so schnell verfügbar und wandelbar wie heute. In der 25. Sendung der Kulturwelle geht es um den Remix als musikalische und kulturelle Praxis. Was ist Kreativität zwischen Genius und Scenius in Zeiten von Digitalisierung und Internet? Wie verändern sich Kompositionspraktiken? Was ist noch authentisch? Ist der Remix zu einer alltäglichen Gestaltungspraxis geworden und lässt sich die Idee des Remix auf unsere Kultur anwenden? Dazu spricht der Musikwissenschaftler Fabian Czolbe über die Relevanz des Remix und Samples in der klassischen Musik, insbesondere in den Kompositionen von Pierre Schaeffer, das Sampling im Hip Hop und die damit verbundene neue Idee von Realness erklärt uns der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Steffen Lepa, Kulturtheoretiker Eduardo Navas und Ramón Reichert analysieren den Stellenwert von Remix im Zeitalter der digitalen Reproduzierbarkeit und beschreiben damit den Begriff der “remix culture”. Dazu gibt es Musik und persönliche Erfahrungsberichte von DJ Red Rack’em und dem Loop-Künstler Nïer. Schließlich haben wir es uns auch nicht nehmen lassen, die produzierte Sendung unserem Remixer Ramsus Lauvring zu überlassen, dessen Remix die Sendung abschließt.
Spiele unterhalten, bilden und berauschen. Sie sind fester Bestandteil des menschlichen Miteinanders. Doch wo hört das Spiel auf? Dem ursprünglich aus dem Marketing-Kontext stammenden Schlagwort der „Gamification“ nach erleben wir gegenwärtig eine Ent-Grenzung des Spiels, da sich dessen Elemente und Prinzipien über die westliche Arbeits- und Alltagswelt ausbreiten. Grund genug, in der 24. Sendung der KulturWelle das Verhältnis von Game und Gesellschaft einmal ganz grundsätzlich zu problematisieren. Worin liegt die Ursache der „Spielifizierung“ und in welchen konkreten Formen „durchdringt“ sie den sozialen Raum? Diesen Fragen gehen wir mit unserem Studiogast Mark Butler nach. Er ist Spielforscher an der Universität Potsdam und Autor des in diesem Jahr erschienenen Buchs Das Spiel mit sich (Kink, Drugs & Hip-Hop). Populäre Techniken des Selbst zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Ausgangspunkt unserer Auseinandersetzung bilden zwei Sendungsbeiträge. Am Beispiel des Spielautomaten spüren wir dem ambivalenten Charakter subjektiver Spielerfahrungen nach und fragen dann, ausgehend von der schiedsrichterlosen Sportart Ultimate Frisbee, nach der Fähigkeit kulturschaffender Spiele, etablierte Gesetzmäßigkeiten aufzubrechen und neue Möglichkeitsräume zu generieren. In diesem Sinne – Let’s Play: Society!