Auf den Tag genau

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Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch…

Jan Fusek, Fabian Goppelsröder und Robert Sollich


    • Jul 24, 2023 LATEST EPISODE
    • daily NEW EPISODES
    • 7m AVG DURATION
    • 1,311 EPISODES


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    Latest episodes from Auf den Tag genau

    Walther von der Vogelweide in Kufstein

    Play Episode Listen Later Jul 24, 2023 7:51


    Über das Leben oder auch nur die Herkunft Walthers von der Vogelweide, des bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikers des Mittelalters, ist bis heute erstaunlich wenig Gesichertes bekannt. Lange Zeit ging man fest davon aus, dass er aus dem Tirolerischen stammte, was wohl auch der Grund dafür gewesen sein dürfte, dass man im Sommer 1923 auf der zu Lebzeiten Walthers erstmals urkundlich erwähnten Festung Geroldseck in Kufstein am grünen Inn sommerliches Freilufttheater zu seinen Ehren veranstaltete. Ein wenig ist man hier geneigt, Parallelen zum Setting des Jedermann auf dem nahen Salzburger Domplatz zu ziehen. Nicht nur der Untertitel „Ein vaterländisches Burgenspiel“, sondern auch einige Begriffe aus der Besprechung des Berliner Lokal-Anzeigers vom 24. Juli legen indes nahe, dass die Ausrichtung dieser Burgfestspiele, verglichen mit dem sehr österreichischen Charakter der Salzburger Festspiele, eher in die deutschnationale Richtung gegangen sein könnte. Es liest Frank Riede.

    Curt Glaser über Jacopo Tintoretto

    Play Episode Listen Later Jul 23, 2023 10:27


    Dass ästhetische Vorlieben historischem Wandel unterworfen sind, ist eine Binse. Jacopo Tintoretto, der große venezianische Meister des Manierismus wurde lange Zeit an den Maßstäben der vorangegangenen Renaissance gemessen und sein Schaffen entsprechend kritisch beurteilt. Folgt man Curt Glaser und dessen Ausführungen im Berliner Börsen-Courier vom 23. Juli 1923, so setzte eine Neubewertung seiner Person und seines Werkes erst im 20. Jahrhundert ein. Drei frisch erschienene Monographien taugen Glaser zur Untermauerung dieser These. Alle drei streift sein Text aber nur am Rande, um stattdessen seinem eigenen Blick auf Tintoretto weit größeren Raum zu geben. Das ist dennoch höchst interessant, denn Glaser war ein ausgewiesener Kenner und auch bedeutender Sammler der Kunst von der Renaissance bis zur Gegenwart. Große Teile dieser Sammlung musste Glaser in die Auktion geben, als er sich 1933 zunächst ins schweizerische, dann ins italienische und schließlich ins amerikanische Exil begab, wo er 1943 verstarb. Es liest Frank Riede.

    Auf der Jagd nach Nachrichtenfilmen

    Play Episode Listen Later Jul 22, 2023 6:23


    Der Hunger nach bewegten Bildern von großen Ereignissen, Katastrophen oder herausragenden Leistungen nahm vor hundert Jahren ordentlich Fahrt auf. Was später in Formaten wie der Tagesschau und anderen Nachrichtensendungen kanalisiert wurde, waren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert die kurzen Nachrichten-Schauen, die in den Kinos vor dem Hauptfilm gezeigt wurden. Natürlich erreichten die Bilder die Kinos erst Tage oder gar Wochen nachdem sie aufgenommen worden waren, und dennoch galten sie als brandheiße News. Die Berliner Börsen-Zeitung gab in ihrer Ausgabe vom 22. Juli 1923 einen Einblick hinter die Kulissen dieser aufkommenden Nachrichtenindustrie, schildert den großen Aufwand der betrieben wurde, um die Kameraleute möglichst schnell zum Ereignis und das Material möglichst schnell wieder zur Produktionsfirma zu bringen. Was es bedeutete „Neues vom Tage“ zu bebildern, als es noch keine Bevölkerung von Handy-Hobbyfilmern gab, die bei jedem Ereignis Bilder produzierten, erzählt uns Paula Rosa Leu.

    Der arme Dieb - Spitzweg gestohlen

    Play Episode Listen Later Jul 21, 2023 5:18


    In der Alten Nationalgalerie wird ein Gemälde von Carl Spitzweg gestohlen und wir finden am Folgetag in vielen Tageszeitungen keinen Bericht darüber, und da, wo wir fündig werden, handelt es sich um eine kurze, völlig unaufgeregte Meldung auf Seite 5 darüber, dass das Bild bestimmt bald wieder vom Dieb selbst zurückgebracht wird. Heutzutage völlig unvorstellbar. So ähnlich aber vor genau 100 Jahren passiert. Damals hieß die heutige „Alte Nationalgalerie“ noch „Nationalgalerie“. Ein Dieb stahl ein Gemälde von Spitzweg und es war vielen Zeitungen keine Notiz wert. Lediglich im Berliner Lokal-Anzeiger vom 21. Juli fanden wir folgenden sehr entspannten Artikel, den Frank Riede für uns liest.

    Handball, ein aufstrebender Sport

    Play Episode Listen Later Jul 20, 2023 6:05


    König Fußball war Anfang der 1920er Jahre bereits im Begriff, den Thron bestiegen, von seiner heutigen Allmacht über sonstige Arten der Leibesertüchtigung aber noch weit entfernt. Etliche andere Sportarten konkurrierten annähernd auf Augenhöhe um die Gunst der Öffentlichkeit, von denen sich die Deutsche Allgemeine Zeitung am 20. Juli 1923 eine herausgriff, die es bislang noch gar nicht in unseren Podcast geschafft hat und der hier eine große Zukunft prophezeit wird: Handball. Wir erfahren, dass es sich beim Handball damals noch um ein überraschend junges Spiel handelte, dass es offenbar als Ergänzungssport für Turner und Leichtathleten entwickelt wurde und nicht in der Halle, sondern auf einem großen Rasenfeld gespielt. Ganz ähnlich also wie der Fußball, hinter dem sich der Handball dem Autor zufolge nicht verstecken müsste. Aber hört selbst, was Paula Rosa Leu noch zu berichten weiß.

    Oskar Maria Graf: Bunte Bilder aus Bayern

    Play Episode Listen Later Jul 19, 2023 12:09


    Der deutsche Schriftsteller Oskar Maria Graf, der 1923 achtundzwanzig Jahre jung war, veröffentlichte expressionistische Gedichte, war in München in den revolutionären politischen Kampf nach Ende des ersten Weltkriegs verwickelt und arbeitete als Dramaturg an einem Arbeitertheater. Sein literarischer Durchbruch gelang ihm erst 1927 mit dem Buch „Wir sind Gefangene“. Mit seiner scharfen Kritik des monarchistischen Bürgertums und des aufkommenden Faschismus überrascht es nicht, dass er 1933 erst in die Tschechoslowakei und später in die USA emigrierte, wo er fortan lebte und 1967 verstarb. In einer losen Reihe mit dem Titel „Bunte Bilder aus Bayern“, die Graf 1923 in der Berliner Volks-Zeitung veröffentlichte, führt er uns satirisch und voller beißendem Spott die Untiefen der Provinz Bayerns vor Augen. In der Ausgabe vom 19. Juli beschreibt er eine Denkmalsenthüllung auf dem Lande, in der ein tiefsitzender Antisemitismus, Antirepublikanismus, Militarismus und Preußenhass zum Ausdruck kommen, und lässt uns deutlich sehen, warum der Nationalsozialismus, zumindest in diesem Milieu, sehr anschlussfähig war. Frank Riede liest für uns den Artikel, und darin auch die karikierenden Reden der anwesenden Vereinsmeier und Militärs, in denen all das vorher Genannte explizit ausgesprochen wird.

    Wetter und Sterblichkeit

    Play Episode Listen Later Jul 18, 2023 6:30


    Dass sich Extremwetter nicht nur unmittelbar auf die Volksgesundheit auswirken, sondern tatsächlich sogar die Mortalität in die Höhe treiben kann, ist gesichertes Wissen nicht erst seit den Zeiten der fortschreitenden Erderwärmung mit ihren immer neuen Temperaturrekorden. Auch schon vor einhundert Jahren wusste man dies, wie der nachfolgende Artikel aus dem Friedenauer Lokal-Anzeiger vom 18. Juli 1923 sehr deutlich illustriert. Überraschend signifikant manifestieren sich sowohl Hitzeperioden im Sommer, als auch verschärfte Frostphasen im Winter in den herangezogenen Statistiken, wobei immer auch andere, vor allem sozial-ökonomische Faktoren hier in die Deutung miteinbezogen werden. Ein gravierender Unterschied zu heutigen Bilanzen fällt indes schlagend ins Auge: Von alten Menschen ist bei den Opferzahlen damals kaum die Rede. Stattdessen schlagen die Wettererscheinungen vor allem in einer erhöhten Säuglings- und Kleinkindsterblichkeit zu Buche. Paula Rosa Leu kennt die traurigen Details.

    Die ausgestorbenen Sommerwagen

    Play Episode Listen Later Jul 17, 2023 6:34


    Wer kennt sie nicht – die unangenehme Situation einer überfüllten Trambahn im Hochsommer. Die Luft bewegt sich keinen Millimeter und verzweifelte Passagiere reißen an den kleinen Klappfenstern herum, die sich oftmals nicht öffnen lassen. Man denkt an die wohlhabenden Automobilist:innen, die in Cabriolets umherfahren. „Ach gäbe es doch ein Tram-Cabrio!“ Diesen Ausruf finden wie sinngemäß in der Vossischen Zeitung vom 17. Juli 1923. Dort allerdings nicht als Phantasiegebilde, sondern als die Forderung nach der Rückkehr eines konkreten Tram-Typs, der als Sommerwagen bezeichnet wurde, kein Verdeck hatte, der aber tatsächlich im Betrieb gewesen war, bevor er Anfang der 20er Jahre von den Schienen der Trambahn verschwand. Aktuell ist so eine Tram undenkbar, da offene Straßenbahnen durch die in Deutschland gültige Straßenbahn Bau- und Betriebsordnung verboten sind. Frank Riede stimmt in die Wehklage um die Sommerwagen für uns mit ein.

    Ein Wimmelbild vom Strandbad Wannsee

    Play Episode Listen Later Jul 16, 2023 11:38


    Das Strandbad Wannsee des Architekten Richard Ermisch zählt zu den ikonischen Bauten der Neuen Sachlichkeit und darf in keinem Buch über das Berlin der Weimarer Republik fehlen. Errichtet wurde es freilich erst Ende der 1920er Jahre, nachdem ein Brand das alte Bad teilweise zerstört hatte und dessen Kapazitäten zuvor ohnehin an ihre Grenzen gestoßen waren. Einen lebendigen Eindruck, von dem Andrang, der an heißen Sommertagen hier tatsächlich geherrscht hatte, gibt ein Bericht aus dem 8-Uhr-Abendblatt vom 16. Juli 1923. Obwohl der Wannsee erst 1907 zum Baden freigegeben worden war, präsentiert er sich hier bereits als die berühmt-berüchtigte Badewanne der Berliner, von der der namenlos bleibende Autor mit kräftigem Pinsel ein eindrucksvolles Wimmelbild zeichnet. Paula Rosa Leu hat es sich für uns angesehen und eingelesen.

    Bei der jüdisch-orthodoxen Gemeinde Adass Jisroel

    Play Episode Listen Later Jul 15, 2023 11:53


    Auch wenn die große Mehrheit der Berliner Jüdinnen und Juden vor einhundert Jahren ähnlich säkular lebte wie ihre christlichen Nachbarn, nimmt es sich doch etwas überraschend aus, wie wenig wir aus den damaligen Tageszeitungen aus dem hiesigen jüdischen Gemeindeleben erfahren und via Podcast weitergeben können. Zum Glück ist auf Erdmann Graeser Verlass, der bei seinem seriellen „Rundgang durch religiöse Gemeinschaften in Berlin“ auch bei der „Israelitischen Synagogengemeinde Adass Jisroel“ in der Artilleriestraße, der heutigen Tucholskystraße in Mitte vorbeigeschaut hat. Bei dieser, erfahren wir in seinem Artikel aus der Vossischen vom 15. Juli 1923, handelte es sich um eine orthodoxe Abspaltung der liberal und reformerisch orientierten Berliner Mehrheitsgemeinde mit eigenem Gotteshaus und eigenem Friedhof – als die sie auch heute in Berlin wieder besteht und neben Synagoge und Gemeinsehaus u.a. auch ein Café und einen koscheren Lebensmittelladen unterhält. Es liest Frank Riede.

    Der Kapp-Führer Ehrhardt geflohen

    Play Episode Listen Later Jul 14, 2023 6:34


    Hermann Ehrhardt führte nach dem Ersten Weltkrieg das nach ihm benannte Freikorps Marinebrigade Ehrhardt, das wegen seiner Verstrickung in den Kapp-Putsch 1920 aufgelöst wurde. Aus dessen Mitgliedern und weiteren antisemitischen und antirepublikanischen Militärs rekrutierte er den Geheimbund „Organisation Consul“, der in den Folgejahren u.a. Matthias Erzberger und Walther Rathenau ermordete. Hermann Ehrhardt zog bei dieser von wohlhabenden Antirepublikanern finanzierten und streng hierarchisch strukturierten Organisation die Fäden. Er war ins Ausland geflüchtet, kehrte allerdings nach Deutschland zurück und wurde im November 1922 verhaftet. Im Juli 1923 sollte ihm in Leipzig der Prozess gemacht werden. Wenige Zeit vor Prozessbeginn gelang ihm die Flucht. Die Berliner Volkszeitung konnte sich in ihrem Bericht darüber am 14. Juli ätzende Kommentare in Richtung der Justizvollzugsorgane nicht verkneifen. Ehrhardt blieb erneut nicht lange im Exil und kehrte im Herbst 23 zurück nach München. Da er sich gegen den Hitler-Ludendorff Putsch stellte, hatte er später, im Nationalsozialistischen Deutschland keine politische Karrieremöglichkeit und lebte bis zu seinem Tode 1971 unbehelligt als Landwirt in Österreich. Es liest Paula Rosa Leu.

    Das Theatrophon

    Play Episode Listen Later Jul 13, 2023 4:33


    In machen europäischen Ländern laufen im Fernsehen fremdsprachige Filme in der Regel im Original mit Untertiteln, die Mehrzahl erstellt aufwändige Synchronfassungen der Filme, bei denen Schauspieler:innen die Aussagen der Originalschauspieler:innen “nachspielend” einsprechen. In Polen hingegen las (oder liest immer noch?) eine männliche Stimme nüchtern, sachlich, monoton die Texte aller Filmfiguren hintereinander weg, wobei die Zuschauer:innen leise das Original im Hintergrund hörten. Wahrlich eine sehr interessante Seh- und Hörerfahrung. Eine dem polnischen Synchronisierungsmodell geistesverwandte Erfindung stellte am 13. Juli 1923 das 12 Uhr-Blatt vor: das Theatrophon. Wer etwa in der Oper den Text nicht verstand, konnte zu einem Hörer greifen und den Wortlaut der Arie trocken und monoton vorgelesen bekommen. Frank Riede liest den Zeitungstext für uns in gewohnter Lebhaftigkeit und Dynamik.

    Der Damenhut mit der Radiostation

    Play Episode Listen Later Jul 12, 2023 6:39


    Heutzutage kenn jeder überall, auch unterwegs, dank seines Mobiltelefons und kabellosen Kopfhörern ganz bequem Podcasts, wie etwa diesen hier, hören – über Streams natürlich auch Radiosender. Die heutige Folge ist ein Beleg dafür, dass schon vor 100 Jahren Erfinder:innen sich daran gemacht haben, einen Radio-Hut zu entwickeln, bei dem ein Radioempfänger und Kopfhörer in einen Hut integriert waren, so dass, in diesem Fall, frau auch bei einem Spaziergang ihre Lieblingsradiosendung nicht verpasste. Die BZ am Mittag vom 12.7. berichtete von diesen technischen Innovationen in Amerika, sie wusste aber noch nicht, dass sich dieser Radiohut nicht kommerziell durchsetzen würde. Erst Ende der 1940er Jahre entwickelte sich der „Man From Mars Radio Hat“ für ein paar Jahre zu einem Verkaufsschlager. Von den Anfänger der Kopfbedeckung mit Radio liest Paula Rosa Leu.

    Mit Goethe, Faust und Helena in Griechenland

    Play Episode Listen Later Jul 11, 2023 7:36


    Theodor Däubler kam in der Welt viel herum. 1876 im damals noch österreichischen Triest geboren, lebte er später an verschiedenen Orten in Italien, aber auch in Paris, Berlin und Dresden sowie seit 1921 für einige Jahre in Griechenland, von wo er mehrere Reisen in den Orient unternahm und uns zuletzt am Neujahrstag einen Gruß von den Kykladen in den Podcast übersandte. In seinem Artikel aus dem Berliner Börsen-Courier vom 11. Juli 1923 hatte er indes wieder Festlandsboden unter den Füßen. In die byzantinische Ruinenstadt Mystras auf der Peloponnes, nordwestlich des antiken Sparta, begab er sich, um Goethe, Faust und Helena mit der Seele zu suchen – und wurde, scheint's, durchaus fündig. Mit von der Partie für uns ist Frank Riede.

    Spannungen im amerikanisch-chinesischen Verhältnis

    Play Episode Listen Later Jul 10, 2023 10:40


    Das amerikanisch-chinesische Verhältnis, zur Zeit bekanntlich in aller Munde, war dem Berliner Tageblatt auch schon am 10. Juli 1923 einen eigenen Artikel wert. Der weltpolitische Kontext war seinerzeit natürlich noch ein ganz anderer. Der Weltmächte gab es mehr als heute, und wahrscheinlich hätte man China damals nicht einmal dazu gezählt. Vielmehr verband die Vereinigten Staaten und das ‘Reich der Mitte‘ neben der Größe ihrer Staatsgebilde und dem daraus resultierenden volkswirtschaftlichen Potential ihr Gegensatz gegenüber den großen europäischen Kolonialmächten, wie auch gegenüber der sich zunehmend imperial gerierenden pazifischen Macht Japan, der sie – so entnehmen wir dem Artikel – in gewisser Weise zu natürlichen Bundesgenossen machte. Frank Riede weiß für uns aber auch bereits über Risse in diesem Bündnis zu berichten.

    Selma Fischer: Die Tragödie vom gerissenen Rock

    Play Episode Listen Later Jul 9, 2023 9:35


    Der Volkspark Humboldthain in der Nähe des Bahnhofs Gesundbrunnen konfrontiert heutige Besucher:innen weithin sichtbar mit dem Erbe des Zweiten Weltkrieges – sind doch die Hügel des Parks auf den Trümmern eines Hochbunkers und eines Flakturms entstanden. Vor 150 Jahren begann die Berliner Stadtverwaltung mit dem Bau eines Alexander von Humboldt gewidmeten Volksparks, der sich nach seiner Fertigstellung 1876 vor Allem dadurch auszeichnete, dass es der erste Park war mit einem Spielplatz für Kinder. Um eine kreisförmige, den Kindern gewidmeten Fläche standen Parkbänke für die die Kinder begleitenden Erwachsenen. Auf einer dieser Sitzgelegenheiten ließ sich 1923 die Autorin Selma Fischer nieder und beobachtete das Treiben. Weniger die Kinder als ein Arbeitsloser mit zerschlissener Kleidung erregte ihr Interesse. Das Gespräch mit diesem verarbeitete sie in ihrem Artikel „Die Tragödie vom gerissenen Rock“, den die Berliner Volks-Zeitung am 9. Juli veröffentlichte. Paula Rosa Leu lebt zwar nicht in dieser Gegend, begibt sich für uns aber auf die Parkbank im Humboldthain.

    Die Gandhi-Bewegung in Indien

    Play Episode Listen Later Jul 8, 2023 13:00


    Wer im Berlin der 1920er Jahre täglich eine oder mehrere Tageszeitung las, war nicht nur über die Entwicklungen vor der Haustür und im nahen europäischen Ausland detailliert unterrichtet, sondern wusste auch aus erster Hand, was sich in Nord- und in Südamerika, in China oder in Japan so abspielte – ein Netz von gut informierten und emsig telegraphierenden Korrespondenten machte dies auch damals schon möglich. Anders verhielt sich die Sache mit Indien. Nur äußerst spärlich waren die Nachrichten aus diesem größten Land des British Empire, was unseren heutigen Artikel aus der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 8. Juli 1923 zu einer kostbaren Ausnahme macht. Ein Autor namens Kober verfügt offensichtlich über profunde Kenntnisse der jüngsten Entwicklungen auf dem indischen Subkontinent seit dem Weltkrieg und macht sein Publikum möglicherweise erstmals mit einem Namen vertraut, der für die weitere Geschichte der Dekolonisation von allergrößter Bedeutung werden sollte: Gandhi. Dessen Konzept eines „passiven Widerstands“ gegen die britischen Kolonialherren gibt der Artikel bemerkenswert präzise wieder, mag bei aller Sensibilität für das Spezifische der indischen Situation aber dennoch nicht davon absehen, auch den einen oder anderen Bogen vom fernen Ganges an die heimische Ruhr zu schlagen. Es liest Frank Riede.

    Berliner Kabarett - ein Überblick

    Play Episode Listen Later Jul 7, 2023 12:19


    Unter der Sammelbegriff Kabarett, der heutzutage sehr stark auf das politische Kabarett zugespitzt ist, verbarg sich vor hundert Jahren ein bunter Strauß unterschiedlichster Kleinkunst auf eher kleinen Bühnen. Und so waren manche Szenen berühmt für ihre Freizügigkeit, manche für die Chansons, manche für die Artisten, manche für die Tanznummern, manche für einen legendären Conférencier und andere für all das zusammen. Auf einen Streifzug durch verschiedene Kabarett-Bühnen Berlins begab sich ein gewisser Erich Wulf und veröffentlichte seine Eindrücke in der Ausgabe vom 7. Juli 1923 im Berliner Tageblatt. Frank Riede war beim Bühnen-Hopping dabei.

    Chinesisch Essen gehen in Charlottenburg

    Play Episode Listen Later Jul 6, 2023 10:28


    Das Reisen in die große weite Welt war den allermeisten Deutschen im Inflationsjahr 1923 durch die schlechte Valuta verwehrt, dafür ließ sich die große weite Welt immer mehr daheim in Berlin blicken. Touristen, Diplomaten, aber zunehmend auch Studenten aus fernen Ländern zog die deutsche Hauptstadt in jenen Jahren an und prägte darüber in der Folge zumindest Ansätze von kultureller Diversität aus. Erst vor wenigen Wochen berichteten wir hier im Podcast von einem neueröffneten japanischen Restaurant in Schöneberg. Heute war die Autorin Margit Freud für uns bzw. für das 8-Uhr-Abendblatt vom 6. Juli 1923 in einem von gleich zwei chinesischen Lokalen essen, die innerhalb weniger Monate an der Kantstraße in Charlottenburg eröffnet hatten. Ihr Artikel ventiliert auch sprachlich ein paar nicht mehr zeitgemäße Klischees und Begriffe, ist jedoch erkennbar von großer Neugier und Sympathie für die ihr völlig fremde Kultur geprägt. Es liest Paula Rosa Leu.

    Die Schreckensurteile der französischen Kriegsgerichte

    Play Episode Listen Later Jul 5, 2023 8:56


    Der Protest gegen und die Empörung über die Urteile der französischen Besatzungsjustiz fand in allen Zeitungen und auch in diesem Podcast seinen Widerhall. Immer wieder wurden im Ruhrgebiet und im Rheinland Menschen wegen tatsächlicher oder angeblicher Beteiligung an Sabotageakten zu Tode verurteilt und hingerichtet. Daher bat die Vossische Zeitung den Präsidenten des Reichsgerichts Dr. Walter Simons um eine Einordnung zur Rechtslage in den besetzten Gebieten. Seine Ausführungen druckte sie in ihrer Ausgabe vom 5.7.1923. Wie es bei diesem Staatsmann zu erwarten war, fallen sie sehr nüchtern und sachlich aus, unterstreichen aber gerade in ihrer Differenziertheit wo, aus der Sicht des internationalen Rechts, der eigentlich skandalöse Machtmissbrauch der Besatzungsbehörden genau zu finden ist. Für uns liest Frank Riede.

    Sommerbrief aus Bad Gastein

    Play Episode Listen Later Jul 4, 2023 8:42


    Was tut man, wenn es einem im Sommer zwar nach Panoramaaussicht und frischer Bergluft gelüstet, man aber auch in der heißen Jahreszeit nicht auf die Annehmlichkeiten des großstädtischen Lebens verzichten möchte? Ganz einfach, man nimmt die Wiener Ringstraße, errichtet ihr Ebenbild mitten in den Alpen um einen schroffen Wasserfall herum und schließt diese Installation an die Bahn an. Herausgekommen bei diesem Experiment der Belle Époque ist der Kurort Bad Gastein im Salzburger Pongau, wo zu Lebzeiten nicht nur Kaiser Wilhelm I. und sein Reichskanzler Bismarck nebst vielen anderen Reichen und Schönen gerne urlaubten, sondern auch ein Autor namens Mehls, der seine Reise zumindest wohl teilweise durch einen Bericht finanzierte, der davon im Berliner Lokal-Anzeiger vom 4. Juli 1923 erschien. Die meisten Deutschen, erfahren wir dort, konnten sich Österreich seinerzeit nämlich nicht mehr leisten. Näheres weiß Paula Rosa Leu.

    Das Gastspiel der Berliner Staatsoper in Oslo/Christiania

    Play Episode Listen Later Jul 3, 2023 9:10


    Im Unterschied zu anderen Staaten, die aufgrund ihrer Rohstoffaufkommen jüngst zu Reichtum gekommen sind, hat man in Norwegen davon abgesehen, markige Skylines in den Himmel zu bauen oder sich in große europäische Fußballclubs einzukaufen. Stattdessen setzte man hier auf Nachhaltigkeit, hat mit seinen Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft den größten Staatsfonds der Welt geschaffen – und in die Kultur investiert. Eines der prominentesten Zeugnisse dieser Politik ist das architektonisch hochgelobte 2008 neueröffnete Osloer Opernhaus, das, man höre und staune, im Grunde das erste seiner Art ist, das in Norwegen errichtet wurde. Den Norske Opera war zuvor in angemieteten Räumen des alten Volkstheatergebäudes untergebracht gewesen, vor 1960 hatte es gleich gar keinen festen Opernbetrieb gegeben. Die großen Stücke des Repertoires waren bis dahin höchstens im Rahmen von Gastspielen in Oslo, bis 1924 Christiania, zu erleben gewesen, und ein solches gab im Frühsommer 1923 unter recht unorthodoxen Bedingungen zum Beispiel die Berliner Staatsoper. Mit von der Partie war auch der Berliner Lokal-Anzeiger, dessen Reisebericht vom 3. Juli für uns Frank Riede liest.

    Nachruf auf Fritz Mauthner

    Play Episode Listen Later Jul 2, 2023 8:42


    Erst vor wenigen Wochen, genauer: am 21. Mai 1923, hatte Fritz Mauthner seinen ersten Auftritt in diesem Podcast. Es war zugleich die letzte Gelegenheit für einen Text von ihm, da er kurze Zeit später verstarb. Die enorme Bedeutung, die dieser Sprachphilosoph, Schriftsteller und Journalist im späten Kaiserreich und in der frühen Weimarer Republik im öffentlichen Bewusstsein einnahm, lässt sich auch an der Anzahl der Nachrufe ablesen. In nahezu jeder der Zeitungen, die wir durchforsten, fanden wir einen kürzeren oder längeren Nekrolog. Aus der Fülle, der allerding über Wochen hinweg, auftauchenden Würdigungen bringt heute Paula Rosa Leu den Text der BZ am Mittag vom 2. Juli zu Gehör. Verfasst hat ihn der Schriftsteller und Satiriker Alexander Moszkowski.

    Religiöse Gemeinschaften in Berlin (I): Mormonen

    Play Episode Listen Later Jul 1, 2023 10:59


    Für die Vossische Zeitung schrieb im Sommer 1923 der uns mittlerweile, dank dieses Podcasts, wohlbekannte Autor Erdmann Graeser eine Serie von Artikeln, in denen er religiöse Gemeinschaften in Berlin besuchte, an deren Ritualen teilnahm und sich mit Gemeindemitgliedern unterhielt. Dabei reflektiert er auch die Vorurteile, die diesen kleineren religiöseren Gruppierungen entgegengebracht wurden. Den Auftakt dieser Reihe machten die Mormonen-Gemeinden, die sich selbst als die „Heiligen der Letzten Tage“ bezeichnen. Frank Riede hat sich für uns unter die Gläubigen gemischt.

    Was will die deutsche Frau?

    Play Episode Listen Later Jun 30, 2023 8:09


    Zumindest mit dem Blick ins Ausland empfand sich die deutsche Frauenbewegung 1923 als sehr erfolgreich, hatte „frau“ doch schon viele Rechte für sich erkämpft. Im heutigen Artikel aus der Auslandsbeilage der Vossischen Zeitung vom 30. Juni verdeutlicht Dr. Margarete Meseritz, die 1913 in Nürnberg in Jura promoviert wurde und Mitbegründerin des Deutschen Juristinnenverbandes war, was für ein Weg noch zu gehen ist und was die weiteren Schritte sein könnten. Sie thematisert aber auch wie die Frauen sich politisch wirksamer organisieren sollten. Paula Rosa Leu liest.

    Jessner versus Degner: Briefwechsel zwischen Intendant und Rezensent

    Play Episode Listen Later Jun 29, 2023 7:16


    Kurier, Bote, Post – die Namen vieler Presseorgane künden bis auf den heutigen Tag von der Abstammung der Zeitung von einer älteren Form der papierenen Sendung, der des Briefes. Abgesehen von der Rubrik der Leserbriefe sind solche, in der Zeitung abgedruckt, jedoch die Ausnahme. Eine solche indes findet sich im Vorwärts vom 29. Juni 1923, in dessen Morgenausgabe sich Leopold Jessner, Intendant des Staatlichen Schauspielhauses zu Berlin, direkt an den „sehr geehrten“ Kritiker Ernst Degner wendet und wegen einer Rezension zur Inszenierung von Hölderlins „Empedokles“ an seinem Haus wegen vorgeblicher sachlicher Unrichtigkeiten beschwert. Die Antwort ließ nicht lang auf sich warten: Degner formulierte einen Antwortbrief und sparte sich bei dessen Versendung bereits in der Abendausgabe desselben Tages gleich gänzlich den Weg zum Postkasten. Als lesender Kurier fungiert für uns Frank Riede.

    Alfred Döblin über die Psychoanalyse

    Play Episode Listen Later Jun 28, 2023 12:15


    „Bruno Alfred Döblin“, heißt es lapidar und in dieser Reihenfolge in seinem Wikipedia-Eintrag, „war ein deutscher Psychiater und Schriftsteller“. In der Tat praktizierte Döblin, auch als er längst ein erfolgreicher Romancier war, weiter als Internist und Nervenarzt in eigener Praxis im Arbeiterstadtteil Friedrichshain – und war deshalb gleich in mehrfacher Weise kompetent, sich zu Fragen der Psychoanalyse zu äußern. Am 28. Juni 1923 tat er das in der Vossischen Zeitung und warb dort für einen differenzierten Umgang mit ihren Möglichkeiten. Als medizinische Therapieform sieht er ihre Potentiale noch lange nicht ausgeschöpft und wundert sich ein wenig, wie reduziert sie dort noch immer zur Anwendung kommt. Sektenartige Zirkel zumeist von Geisteswissenschaftlern, die die Psychoanalyse zur Welterklärungsformel erhöhen, sind Döblin hingegen ziemlich suspekt. Es liest Frank Riede.

    Lasker-Schüler: Kolberg und der Leberreim

    Play Episode Listen Later Jun 27, 2023 12:15


    Der Leberreim ist ein auf das 16. Jahrhundert zurückgehendes Scherzgedicht, welches oftmals improvisiert wurde und die Funktion eines Trinkspruchs erfüllte. Der Name leitet sich von den Anfangsworten ab, da diese Vierzeiler immer mit „Die Leber ist…“ beginnen. Im Berliner Börsen-Courier vom 27. Juni 1923 stoßen wir auf zwei Varianten des Leberreims in einem Text der großen expressionistischen Literatin Else Lasker-Schüler. Dementsprechend fällt ihr Bericht von ihrem Aufenthalt im pommerschen Ostseebad Kolberg alles andere als nüchtern aus. Durch diesen mal lyrischen, mal realistischen, mal berichtenden, mal schwelgenden Text mit Leberreimen führt uns Paula Rosa Leu.

    Henry Ford - Präsidentschaftskandidat?

    Play Episode Listen Later Jun 26, 2023 9:40


    Bei unserem Blick in die Welt vor hundert Jahren stellen sich manchmal ganz zwangsläufig Parallelen mit aktuellen Ereignissen her. Da der Präsident der USA alle vier Jahre gewählt wird, finden wir, während sich 2023 das Republikanische Kandidatenfeld rund um Trump formiert für die Wahl nächstes Jahr, in der Weimarer Presse Spekulationen über mögliche Bewerber für die Wahl 1924. Ein Name, der dort gehandelt wurde, und der nicht eine kalendarische, sondern eine gesellschaftspolitische Kontinuität belegt, war der reichste Unternehmer der USA Henry Ford. Für den Berliner Börsen-Courier berichtete am 26. Juni 1923 Virgil Jordan aus den Staaten über die großen Chancen, die ein Kandidat Ford hätte, besäße er doch die finanziellen Mittel, um eine Wahlkampfapparat aufzubauen und sich Meinung zu kaufen. Fran Riede liest.

    Cuno und die Stützung der Mark

    Play Episode Listen Later Jun 25, 2023 4:53


    Im Juni 1923 fand im ostpreußischen Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, eine landwirtschaftliche Messe statt. Die alleine hätte es wohl nicht zum Leitartikel auf der Titelseite der Vossischen Zeitung vom 25. Juni 1923 gebracht, wenn nicht der amtierende Reichskanzler Cuno dort eine Ansprache gehalten hätte, mit der er die neuesten währungspolitischen Maßnahmen zur Stützung der Mark rechtfertigte. Nicht, dass wir ein tieferes Verständnis von der Einschränkung des Devisenfreiverkehrs und der internationalen Arbitrage hätten, zeitlos ist aber an der Rede, die wörtlich wiedergegeben wird, wie der Wirtschaftsexperte Cuno Maßnahmen begründet, die unter „normalen“ Bedingungen, ohne extreme Inflation und Ruhrbesetzung, eigentlich als Lenkungsmechanismen undenkbar wären. Paula Rosa Leu kennt den genauen Wortlaut.

    Eine Hymne zum Todestag auf Walther Rathenau

    Play Episode Listen Later Jun 24, 2023 4:23


    Ein Jahr ist es her, dass wir hier im Podcast über Tage nur ein einziges Thema kannten: die Ermordung des deutschen Außenministers Walther Rathenau am 24. Juni 1922 und die anschließende wochenlange, letztlich zumindest teilweise erfolgreiche Fahndung nach seinen Mördern. Dass dieses Attentat einen schweren Schlag gegen die junge Republik darstellte, dessen waren sich bereits damals alle Kommentatoren bewusst und dieses Bewusstsein durchzieht auch die zahlreichen Artikel zum ersten Jahrestag zwölf Monate später. Neben ‘klassischer‘ Todestagsprosa nebst daraus abgeleiteten aktualisierten politischen Analysen finden sich in gleich mehreren Zeitungen interessanterweise auch lyrische Hymnen, die Rathenaus politische Leistung post mortem in Versen preisen. Eine solche erschien unter anderem in der Berliner Volks-Zeitung vom 24. Juni 1923 aus der Feder des heute kaum noch bekannten Autors Henning Duderstadt. Rezitiert wird sie für uns von Frank Riede.

    Die Kapotte der Schauspielerin wird Ihnen präsentiert von …

    Play Episode Listen Later Jun 23, 2023 5:34


    Dass Theater im Bereich des Ausstattungswesens mit Modelabels kooperieren und dabei die kostenlose Zur-Verfügung-Stellung von hochwertigen Textilien für die Einkleidung der Schauspieler mit einer dankenden Erwähnung der Hersteller im Programmheft vergüten, ist heutzutage verbreiteter Usus. In den 1920er Jahren steckte eine solche „Anbiederung“ von Kulturbetrieben an die profitgetriebene kapitalistische Konsumwelt in Deutschland dagegen offensichtlich noch in den Kinderschuhen. Höchst irritiert von dieser Praxis zeigt sich jedenfalls eine Autorin der Berliner Börsen-Zeitung nach dem Besuch einer Inszenierung von Leo Tolstois „Der lebende Leichnam“ in einem Berliner Theater und versucht die Kleidungsstücke daraufhin polemisch-streng im Sinne der Figurenpsychologie zu semantisieren. Ihre entsprechende Glosse vom 23. Juni 1923 liest für uns Paula Rosa Leu.

    Hitlers Auslandsmillionen

    Play Episode Listen Later Jun 22, 2023 4:48


    Bis heute ist eine vieldiskutierte Frage innerhalb der Geschichtswissenschaft, wie sich die frühe NSDAP vor dem Putsch 1923 finanzierte. Sie hatte zweifelsfrei hohe Ausgaben für ihre Propaganda- und Werbeaktionen, allerdings auch Einnahmen durch die Eintrittskarten zu ihren Veranstaltungen. Aber: Inwieweit erhielt sie Gelder von der Industrie, eventuell sogar aus dem Ausland, etwa vom bekennenden Antisemiten Henry Ford? Nach jahrzehntelanger Forschung und Kontroversen, gilt als gesichert, dass die Großindustrie die NSDAP in ihren ersten Jahren nicht wesentlich finanziert hat, was sie nicht von ihrem Anteil am Scheitern der Weimarer Republik exculpiert. Aber in unserer heutigen Folge hören wir die Vermutungen der Zeitgenossen aus dem Vorwärts vom 22. Juni 1923, die sogar vor Gericht verhandelt wurden und die Frank Riede für uns liest.

    25 Jahre Berliner Morgenpost

    Play Episode Listen Later Jun 21, 2023 6:33


    Einen Podcast aus einhundertjährigen Zeitungsartikeln zu bestreiten, bedeutet tagtäglich in eine untergegangene Welt zu blicken. Keine Autorin, deren Texte wir lesen, ist heute noch am Leben, und auch kein Mensch, von dem diese Texte handeln. Nicht einmal die britische Queen hat bis zum hundertsten Jahrestag ihrer Geburt durchgehalten, von der wir 2026 möglicherweise eine Nachricht versenden können. Damit jedoch nicht genug: Selbst die Tageszeitungen, die wir sichten, gibt es als solche heute nicht mehr – mit einer Ausnahme: Die Berliner Morgenpost wurde 1945 zwar wie alle bestehenden deutschen Zeitungen vom Alliierten Kontrollrat verboten, 1952 jedoch von Rudolf Ullstein, einem Sohn des Verlagsahnherrn Leopold Ullstein, nach Rückkehr aus seinem britischen Exil neugegründet. In diesem Herbst feiert sie somit bereits ihr 125jähriges Jubiläum, was wir zum Anlass nehmen, sie sich selbst zu ihrem 25jährigen gratulieren zu lassen. Der Artikel vom 21. Juni 1923 kam zwar eingestandenermaßen ein paar Monate zu früh, enthält aber ein schönes und gewiss nicht unaktuelles Plädoyer für die Pressefreiheit. Happy Birthday to me sagt Paula Rosa Leu.

    Valutareise nach Tschechien

    Play Episode Listen Later Jun 20, 2023 8:48


    In der Nachwendezeit erregte das deutsch-tschechische Grenzgebiet durch Gartenzwerge am Straßenrand, Drogenschmuggel und besonders die dort allgegenwärtige Prostitution Aufmerksamkeit. In jedem, noch so verfallenen Grenzdorf blinkten Leuchtreklamen, die auf einen Nachtclub aufmerksam machten. Die Lage entspannte sich erst, als sich das Wohlstandsgefälle zwischen den beiden Ländern verringerte. Der Ausflug deutscher Männer über die Grenze ins Bordell war wohl schon vor dem Ersten Weltkrieg eine übliche Praxis, wie wir dem schwelgenden Reisebericht „Valutareise nach Tschechien“ von Hans Merz aus dem 12-Uhr-Blatt vom 20. Juni 1923 entnehmen können. Für die sonst doch recht prüden Zeitungen der frühen Zwanziger überrascht es schon, wie deutlich der Autor sich positiv an seinen eigenen Sextourismus erinnert, alle üblichen misogynen Frauenbilder inklusive. Für uns liest dieses Zeitdokument dennoch Frank Riede.

    Der Ausbruch des Ätna

    Play Episode Listen Later Jun 19, 2023 6:50


    Der Ätna, der höchste aktive Vulkan Europas, auf der Insel Sizilien gelegen, bedroht die umliegenden Dörfer und Städte seit Jahrtausenden immer wieder durch größere und kleinere Eruptionen. Allein im 21. Jahrhundert ist kein Jahr vergangen ohne eine kleinere Aschewolke, oder einen größeren Lavastrom. Am 17. Juni 1923 kam es aber zu einem der zwei heftigsten Ausbrüche der 1920er Jahre - der andere ereignete sich 1928 -, bei dem Lavaströme Dörfer bedrohten und tatsächlich auch verwüsteten. Zwei Tage später waren erste Berichte über das Ausmaß bis nach Berlin gedrungen, die Berliner Morgenpost druckte sie ab und Paula Rosa Leu liest sie für uns.

    Die Frau von heute - eine Umfrage unter deutschen Männern

    Play Episode Listen Later Jun 18, 2023 11:39


    Dass in den Zeitungen der 1920er Jahre zumeist Männer für Männer schreiben, auch und gerade wenn sie über Frauen schreiben, lässt sich in einem Podcast wie dem unseren schwerlich verheimlichen. Ein besonders eklatantes Beispiel für diese Matrix liefert uns das 8-Uhr-Abendblatt vom 18. Juni 1923, das eine Umfrage unter deutschen Männern verschiedener Berufsgruppen, was sie von der Frau „von heute“ hielten, vermutlich mehr fingierte als wirklich empirisch geführt hatte. Die Ergebnisse, man kann es sich denken, strotzen nur so vor paternalistischen-misogynen Klischees und bedeuten für eine vermeintlich liberale Großstadtzeitung aus dem historischen Rückblick eine schwere Peinlichkeit. Als Zeitdokument sind sie für uns aber natürlich gerade deshalb hochinteressant und von Paula Rosa Leu unserem Audio-Archiv hinzugefügt worden.

    Badereise nach dem Wedding

    Play Episode Listen Later Jun 17, 2023 9:49


    Karlsbad, Kissingen, Bad Ems oder Spa – man kann sich zahlreiche mondäne Ziele für eine Bäderreise mit anschließendem Zeitungsbericht vorstellen. Die Badereise, die die Vossische Zeitung am 17. Juni 1923 unternahm, führte sie inflationsbedingt jedoch nicht an einen der dafür berühmten Kurorte, sondern in Berlins wohl ärmsten Arbeiterbezirk, den Wedding, wo Ludwig Hoffmann noch in den Jahren der Kaiserzeit einen seiner großzügigen Volksbäderbauten hingesetzt hatte. Die politisch-ökonomischen Krisen der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg hatten den Betrieb freilich auch hier zurückfahren lassen, was in Verbindung mit den für viele Berlinerinnen und Berliner nicht bezahlbaren Preisen wiederum die Auslastungszahlen drückte und die Wirtschaftlichkeit des Bades zunehmend in Frage stellte. Um die Volksgesundheit sorgt sich angesichts dieser Situation für uns Frank Riede.

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    Blutiger Umsturz in Bulgarien

    Play Episode Listen Later Jun 16, 2023 6:34


    Die Korrespondentennetze der Berliner Tageszeitungen waren auch schon in den 1920er Jahren eng geknüpft. Nach dreieinhalb Jahren Auf den Tag genau muss man die Regionen Europas, in denen wir noch nicht vorbeigeschaut haben, entsprechend mit der Lupe suchen. Relativ unterbelichtet blieb tatsächlich ein Land im Südosten des Kontinents, das als Kriegsverbündeter der Mittelmächte nach 1918 in noch ärgere politische Turbulenzen geraten war als Deutschland oder Österreich: Bulgarien. Seit 1919 regierte hier als bald schon quasi alleinherrschender Ministerpräsident Aleksandar Stambolijski von der radikalen Bauernpartei, der in Opposition zur alten königlichen Regierung bereits während des Weltkriegs eine militärische Kooperation mit der Entente gefordert hatte. Diese alten Verbindungen halfen ihm nun aber auch nicht wirklich, als es in den Verhandlungen von Neuilly darum ging, die territorialen Verluste Bulgariens in Grenzen zu halten. Entsprechend groß war der Hass seiner innenpolitischen Gegner, die einen Urlaub Stambolijskis in seinem Heimatdorf im Frühsommer 1923 dazu nutzten, ihn von der Macht zu putschen. Die äußerst blutigen Details seiner Ermordung spart die Deutsche Allgemeine Zeitung vom 16. Juni vielleicht auch deshalb aus, weil sie in ihm nach alter Weltkriegslogik noch immer den Anti-Deutschen sah. Es liest Frank Riede.

    Der Hundertjährige

    Play Episode Listen Later Jun 15, 2023 5:59


    Medienberichte über Menschen, die ein Alter von 100 Jahren und mehr erreicht haben, stellen heute wie früher die Frage danach, wie man so etwas vollbringt. Spielte eine besondere Ernährung oder Lebensführung eine Rolle? Auch unser heutiger Artikel aus dem Berliner Börsen-Courier vom 15. Juni 1923 macht da keine Ausnahme. Aber unabhängig davon, ob täglich drei Prisen Schnupftabak zu hohem Alter verhelfen – wohl eher nicht –, überrascht im Leben des Hundertjährigen, das Paula Rosa Leu für uns ausbreitet, wieviel er in der Welt rumgekommen ist. Zumindest er straft unsere Vorstellung von geringer Mobilität in der Arbeiterschicht des Kaiserreichs Lügen.

    Ein neuer Urlaubstrend: Camping

    Play Episode Listen Later Jun 14, 2023 9:46


    Den Deutschen eilt seit Menschengedenken der Ruf voraus, ein Volk von Urlaubern zu sein, das selbst dann noch der Reiselust frönt, wenn es sich jeden Tag vom Munde absparen muss. Wie dramatisch diesbezüglich die Not in Zeiten galoppierender Hyperinflation war, kann man sich lebhaft vorstellen. Aber da Not bekanntlich aber auch erfinderisch macht, versucht die Berliner Volks-Zeitung am 14. Juni 1923 ihrem Publikum eine alternative Form des Reisens schmackhaft zu machen, die sich bis heute längst nicht mehr nur in Kreisen mit niedrigen Urlaubsbudgets anhaltender Beliebtheit freut: das Campen. Nach heutigen Maßstäben mögen die Beschreibungen aus den Brandenburger Wäldern reichlich archaisch klingen. Das Grundprinzip dieser Art der „Sommerfrische“ ist aber durchaus widererkennbar. Frank Riede zieht, soweit wir wissen, andere Formen des Travelling vor; für uns hat er sein Zelt aber dankenswerterweise trotzdem in die märkische Forst gestellt.

    Dr. Alice Salomon: Amerikabriefe

    Play Episode Listen Later Jun 13, 2023 9:56


    Die 1872 in Berlin geborene und in einem großbürgerlichen Milieu in der Nähe des Anhalter Bahnhofs aufwachsende Alice Salomon litt darunter, dass für sie, neben dem Erlernen der praktischen Haushaltsführung, keine weitere Bildung vorgesehen war. Über die Mitarbeit in Frauenvereinen kämpfte sie als junge Erwachsene und ihr Lebe lang für Frauenbildung aller und erreichte für sich, dass sie, obwohl ohne Abitur, studieren durfte. In ihrer Dissertation untersuchte sie dann „Die Ursachen der ungleichen Entlohnung von Männer- und Frauenarbeit“. Ob sie für den Artikel aus dem Berliner Tageblatt vom 13. Juni 1923 weniger asugezahlt bekam als ihre männlichen Kollegen, entzieht sich unserer Kenntnis. Jedenfalls betätigt sie sich darin als Auslandsreporterin und teilt ihre Eindrücke aus Amerika mit, die teilweise zeigen, wo die Wurzeln unseres heutigen Amerikabildes liegen, teilweise aber auch überraschende Beobachtungen enthalten. Es liest Paula Rosa Leu.

    Die reichsten Leute der Welt

    Play Episode Listen Later Jun 12, 2023 7:08


    Das Wirtschaftsmagazin Forbes publiziert seit 1987 jedes Jahr eine Liste der reichsten Menschen der Welt, wobei Diktatoren und Mitglieder von Königshäusern nicht berücksichtigt werden. Aktuell steht der Besitzer des französischen Luxusgüterimperiums Bernard Arnault ganz oben auf der Liste, vor Elon Musk und Jeff Bezos. Die vor 106 Jahren gegründete Zeitschrift listete aber schon in ihren ersten Ausgaben die 30 reichsten Amerikaner auf. Forbes hatte aber diese Statistik nicht für sich gepachtet, auch die New York Times machte sich 1923 auf die Suche nach den größten Vermögen – und was sie zusammenstellte, darüber berichtete die Berliner Volks-Zeitung vom 12. Juni. Frank Riede dröselt für uns die verschiedenen Rockefellers auf.

    Wer wird deutscher Meister? H-H-H-HSV!

    Play Episode Listen Later Jun 11, 2023 12:13


    „Wer wird deutscher Meister? H-H-H-HSV!“ In unseren Tagen hört man dieses alte Lied wohl allenfalls noch aus der gegnerischen Kurve und dann hämisch gemeint. Vor einhundert Jahren war das ganz anders und der ehrwürdige Hamburger Sportverein tatsächlich das Nonplusultra im hiesigen Fußball. Nachdem das Finale 1922 zwischen dem HSV und dem ‘Club‘ aus Nürnberg noch unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen abgebrochen werden musste und die Hamburger, obwohl zunächst zum Sieger erklärt, den Titel dann nicht führen wollten oder durften, klappte es nun ein Jahr später endlich auch offiziell mit dem ersehnten ersten deutschen Meistertitel. Gegner im Finale 1923, erfahren wir aus der B.Z. am Mittag vom 11. Juni, war der Vorgänger eines Vereins, der aktuell, anders als der HSV, in der Bundesliga für ziemlich viel Furore sorgt – der aber vor einhundert Jahren, wie uns Paula Rosa Leu zu berichten weiß, überraschenderweise als Zweitplatzierter sogar noch einen Tick besser notiert war als heutzutage.

    Kinder auf der Straße - In der Nacht

    Play Episode Listen Later Jun 10, 2023 8:42


    Vor 10 Jahren wurde der Roman „Blutsbrüder – ein Berliner Cliquenroman“ wiederentdeckt. Dieses Werk des Autors Ernst Haffner, das 1932 erschienen war und nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten umgehend verboten wurde, schildert sehr eindrücklich das Leben und Überleben von obdachlosen Minderjährigen auf den Straßen von Berlin. Das Problem der auch in der Nacht umherziehenden Kindern und Jugendlichen bestand schon Anfang der 1920er und wurde etwa im Vorwärts vom 10. Juni 1923 thematisiert. Heute erfahren wir also, dank Paula Rosa Leu, welche Kinder der Vorwärts bei seinen nächtlichen Recherchespaziergängen angetroffen hat.

    Die Rote Fahne über die Situation an Rhein und Ruhr

    Play Episode Listen Later Jun 9, 2023 7:54


    Von der nationalkonservativen Deutschen Allgemeinen Zeitung bis zum sozialdemokratischen Vorwärts: Der Ton der Entrüstung, mit dem seit Monaten – auch bei uns im Podcast – über die französisch-belgische Besetzung im Ruhrgebiet berichtet wird, unterscheidet sich zwischen den politischen Lagern bzw. der ihnen nahestehenden Presse nur in der Nuance; wechselseitig überbietet man sich mit täglichen Artikeln über die dort verübten Gräueltaten. Ein etwas anderes Bild vermittelt demgegenüber unser heutiger Blick ins noch linkere politische Spektrum, wo die KPD-Parteizeitung Rote Fahne am 9. Juni 1923 mit dezidiert abweichenden Beobachtungen aus der besetzten Zone aufwartet. Erwartungsgemäß werden hier, statt den nationalen, Klassenunterschiede und -gemeinsamkeiten betont, die zumindest in diesem Bericht tatsächlich auch keine Rassenschranken kennen. Das Vokabular ist zwar noch rassistisch kontaminiert, in der Sache werden bei den Opfern von Militarismus und Imperialismus allerdings sehr ausdrücklich keine Unterschiede hinsichtlich der Hautfarbe gemacht. Es liest Frank Riede.

    Fridericus Rex in Brüssel

    Play Episode Listen Later Jun 8, 2023 6:04


    Erst vorgestern hatten wir hier im Podcast einen äußerst hoffnungsfrohen Zeitungsartikel über Ansätze zu einem wieder anlaufenden internationalen Kulturaustausch und dessen friedenstiftendes Potential in Nachkriegszeiten. Ganz anders gelagert als die dort besprochene Lesereise Thomas Manns in das vom Weltkrieg verschonte Spanien verhielt es sich freilich mit der Auslandswirkung des patriotischen Erbauungsfilms Fridericus Rex des ungarischen Regisseurs Arzen von Cserépy über Friedrich den Großen, der wegen seiner vermeintlichen Verherrlichung des preußischen Militarismus etwa in den USA scharf kritisiert wurde. Einen anderen Weg des Umgangs ging man offensichtlich in Belgien, wo der Streifen aus dem gleichen Grund ein gefundenes Fressen war, vor einem ungebrochenen aggressiven Nationalismus in Deutschland zu warnen und die eigene Politik der Ruhrbesetzung damit indirekt zu legitimieren. Das Berliner Tageblatt blickt am 8. Juni 1923 wegen dieser propagandistischen Ausschlachtung seinerseits empört nach Brüssel. Es liest Paula Rosa Leu.