Aus dem Kiez in die Welt, von der Oper in den Boxring – mit täglich einer Zeitungsnachricht aus der Hauptstadtpresse heute vor 100 Jahren tauchen wir ein in die Fragen und Debatten, die das Berlin von 1920 bewegten. Halte dich informiert und bleib auf dem Laufenden über eine Welt, die uns heute doch…
Jan Fusek, Fabian Goppelsröder und Robert Sollich

Heute weitgehend in Vergessenheit geraten, beging man den Advent früher als eine Fastenzeit. Daraus ergab sich ein traditionelles Festessen für den Heiligen Abend, das hierzulande mittlerweile gleichfalls deutliche Popularitätseinbußen zu verzeichnen hat: der sogenannte Weihnachtskarpfen. Vor einhundert Jahren war dieser Essensbrauch noch deutlich weiter verbreitet und verfügte über zahlreiche historische, regionale und wohl auch individuell-familiäre Varianten. Die Bergedorfer Zeitung stellte am 15. Dezember 1925 einige davon vor und ist dabei in ihren Beschreibungen der Rezepte so detailfreudig, dass sie durchaus zum Nachkochen einladen. Rosa Leu macht uns den Mund wässrig – und ein bisschen schlammig.

Dass der Advent auch schon vor einhundert Jahren ein beliebter Moment war, nostalgisch in die ‘gute alte Zeit‘ zurückzuschauen, haben wir hier bereits vor wenigen Tagen mit unserer Folge über den Hamburger Dom und andere Weihnachtsmärkte dokumentiert. Heute entführt uns der Hamburgische Correspondent vom 14. Dezember 1925 abermals tief in die Historie und erinnert sowohl an alte winterliche Bräuche, mit dem Schlitten über Elbe und Alster in die Nachbarstädte zu reisen und dort den verschiedensten jahreszeitlichen Lustbarkeiten zu frönen, als auch an die Gesetze, die gegen diejenigen erlassen wurden, die es mit dem Schlittenrennen allzu toll trieben. Klimatisch wären derlei Vergnügungen auch in den 1920er Jahren vielleicht noch möglich gewesen; die Zwänge der modernen Wirtschaftswelt, die ganzjährig einen eisfreien Hamburger Hafen verlangte, hatten dem jedoch einen Riegel vorgeschoben. Frank Riede wagt sich für uns auf Eis und Schnee.

Verkaufsoffene Sonntage in der Vorweihnachtszeit waren in den 1920er Jahren eine feste Institution. Im Einzelhandel zählte man seinerzeit nicht den ersten, zweiten, dritten und vierten Advent, sondern freute sich auf den kupfernen, silbernen und goldenen Sonntag, an dem Menschenmassen in die Innenstädte strömten und große Teile ihrer Weihnachtseinkäufe verrichtete. Der Hamburgische Correspondent berichtet in seiner Ausgabe vom 13. Dezember 1925 von diesem Brauch, der 1957 durch das „Gesetz über den Ladenschluss“ eine starke Einschränkung erfuhr. Auch wenn die Gesetze in den letzten Jahrzehnten wieder sukzessive liberalisiert wurden, scheint der „Silberne Sonntag“ heute in den meisten Regionen als Begriff deutlich weniger verbreitet als der „Black Friday“. Rosa Leu hat sich für uns ins Getümmel gestürzt.

Dass Tageszeitungen in der Vorweihnachtszeit hommes und seit geraumer Zeit auch femmes de lettres Bücher zum Fest empfehlen lassen, ist guter alter publizistischer Brauch. Wohl nur selten allerdings konnte ein Blatt dabei eine so illustre Runde von literarischen Experten vorweisen wie die Altonaer Nachrichten, die für ihre Ausgabe vom 12. Dezember 1925 Bücher-Tipps der Gebrüder Mann, von Stefan Zweig, Hermann Bahr, Siegfried Jacobsohn und Max Brod einzuholen vermochten. Während Heinrich Mann die Anfrage ausschließlich zur Bewerbung eigene Werke nutzt, zeigen sich vor allem Bruder Thomas sowie Stefan Zweig auch in fremder Sache außerordentlich belesen und vermögen mit ihren Vorschlägen hier und da durchaus zu überraschen. Vor allem dass nicht nur bei Max Brod, sondern auch bei Thomas Mann – wie schon vor wenigen Tagen in anderem Zusammenhang hier im Podcast – der Name Franz Kafka fällt, hätte man auf dem Gabentisch des Jahres 1925 vielleicht eher nicht erwartet. Es lesen Rosa Leu und Frank Riede.

Die Konsequenzen der Ratifizierung des Vertragswerkes von Locarno für die deutsche Innenpolitik waren auch Mitte Dezember 1925 noch nicht abschließend geklärt. Die Deutschnationale Volkspartei hatte die Beschlüsse abgelehnt und daraufhin das Kabinett von Reichskanzler Luther verlassen, ein neues sich noch nicht gebildet. Die Bergedorfer Zeitung berichtete am 11.12. vom Stand der möglichen Entwicklungen und blickte dabei zum einen auf die SPD und die Voraussetzungen, unter denen diese sich bereit zeigte, einer neuen Regierung anzugehören. Zum anderen lässt sie Außerminister Stresemann noch einmal in einer Ansprache erklären, warum seine Partei, die Deutsche Volkspartei, einst eine Zusammenarbeit mit der DNVP, nun aber eine Reichsregierung ohne diese anstrebte. Es liest Rosa Leu.

Vom sogenannten Münchener Dolchstoßprozess haben wir in diesem Podcast bereits am 31. Oktober berichtet: Martin Gruber, Chefredakteur der sozialdemokratischen Münchener Post, hatte die Süddeutschen Monatshefte wegen der Verbreitung der Dolchstoßlegende der Geschichtsverfälschung bezichtigt, woraufhin deren Herausgeber Paul Nikolaus Cossmann Gruber verklagte. Politisch eingefärbte Urteile in solchen Verfahren waren in Weimarer Tagen keine Seltenheit, der Münchener Richterspruch ging jedoch als besonders bizarr in die deutsche Rechtsprechung ein. Zwar konstatierte er in Cossmanns Argumentation zahlreiche historische Irrtümer und sachliche Fehler. Da dies jedoch keine aktive Verfälschung der Geschichte darstelle, verurteilte er Gruber dennoch zu einer Geldstrafe von 3000 Reichsmark. Auch schon der Hamburger Anzeiger vom 10. Dezember 1925 kommentierte das Urteil einigermaßen verständnislos, wie wir gleich von Frank Riede erfahren werden. Ein Nachtrag noch zur Personalie Cossmann: Diesem sollte sein energischer Kampf gegen die Republik später unter den Nazis ebenso wenig helfen wie seine frühe Konversion vom Judentum zum Christentum 1905. Er wurde 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert, wo er im selben Jahr im Krankenhaus verstarb.

Der Aufschwung des alpinen Skisports zu einem Massenvergnügen wird gemeinhin in den Nachkriegsjahrzehnten verortet; zwischen 1950 und 1975 soll die Zahl der Skifahrer weltweit von 5 Millionen auf 35 Millionen hochgeschnellt sein. Wie so vieles hatte indes auch diese Entwicklung offensichtlich eine Vorgeschichte in den 1920er Jahren, die, scheint es, sogar bis in norddeutsche Tieflande ausstrahlte. Warum sonst hätte der Hamburger Anzeiger vom 9. Dezember 1925 sonst seine Leserschaft so ausführlich über neue Trends des Skikurs- und Skischulwesens in den Alpen informieren sollen? Auch schon damals, erfahren wir, scheinen soziale Gesichtspunkte beim Ausflug in die verschneiten Berge nicht völlig nachrangig gewesen zu sein, und auch schon damals sehnte sich manch Snob nach den ruhigeren früheren Zeiten auf den Hängen und Pisten zurück. Rosa Leu hat sich für uns auf die Bretter gestellt.

Als Franz Kafka am 3. Juni 1924 starb, war er, trotz immerhin 46 Publikationen zu Lebzeiten, ein der Literaturwelt weithin unbekannter Autor. Außer seinem Freund und Nachlassverwalter Max Brod hatte kaum jemand in Kafka den Jahrhundertkünstler erkannt, als der er später posthum auf dem Parnass einzog, und so darf der Artikel eines Autors namens Heinrich Dreyfuß, den wir in den Altonaer Nachrichten vom 8. Dezember 1925 fanden, wohl als echte Entdeckung gelten. Dreyfuß, über dessen Person wir leider keine belastbaren Erkenntnisse einzuholen vermochten, empfiehlt Kafka nicht einfach als Geheimtipp einem neugierigen Publikum; er stellt ihn unumwunden in Reihe mit Granden der deutschen Literaturgeschichte wie Goethe und E.T.A. Hoffmann. Dass auch ein Jakob Wassermann in dieser Reihe auftaucht, mag ebenso überraschen wie der Vergleich Kafka'scher Syntax mit gotischer Sakralarchitektur – interessant, ja brisant ist Dreyfuß‘ Argument allemal. Frank Riede stellt es uns vor.

Auf eine organisierte Form von Tierschutz stößt man in den 1920er Jahren, jedenfalls vermittelt durch die von uns rezipierten Tageszeitungen, eher noch nicht. Dass es, nun ja, kulturelle Traditionen gab, die die Würde der Kreatur zutiefst verletzten – dieses Gefühl war indes offenbar schon verbreitet, wobei die Haltung zu dieser Problematik, bedingt eben durch diese unterschiedlichen Traditionen, von Region zu Region, Land zu Land stark divergierte. Der Wandsbeker Bote blickt in seiner Ausgabe vom 7. Dezember 1925 relativ verständnislos nach England, wo man zwar Spanier und Franzosen den Stierkampf verübelte, selbst aber ungeniert zu Tierjagden und -hetzen blies und die Tierquälerei dabei auch noch durch flankierende Wettspiele verschlimmerte. Frank Riede berichtet von sadistischen Praktiken, die teilweise auch heute noch nicht ausgestorben sind. Rosa Leu ist leider aktuell verhindert und wird erst ab dem 9.12. wieder lesen.

Wahrscheinlich ist es uns allen schon einmal passiert, dass wir nach dem Friseurbesuch bereuten, uns für eine neue Frisur entschieden zu haben. Aber die wenigsten von uns haben im Anschluss den Friseur wegen Körperverletzung verklagt. Diese spezielle Option spielt, im Kontext eines Wechsels von langem Haar zu einem Bubikopf, der Landgerichtsrat Dr. Bergmann aus Cottbus im Hamburgischen Correspondenten vom 6. Dezember 1925 durch. Sein Fallbeispiel betrachtet diese juristische Fragestellung – man ist versucht zu sagen: natürlich – aus der Perspektive eines Mannes, dessen Tochter, die neuerdings einen Bubikopf trägt, minderjährig ist und ihr Taschengeld sowieso nur ausgeben darf für Zwecke, die der Vater billigt. Zu welchen Schlüssen der Jurist kam, und ob die Friseure 1925 einen Grund hatten, nervös zu werden, teilt uns Frank Riede mit.

Es steht einer Demokratie nicht gut zu Gesicht, wenn sich die Parlamentarier (hier ist das Maskulinum angemessen) im Sitzungssaal ohrfeigen, prügeln oder mit Gegenständen bewerfen. Daher geht es auch weltweit durch die Presse, wenn in einem Parlament mal wieder die Fäuste und Fetzen flogen. Die sozialdemokratische Zeitung aus Cuxhaven Alte Liebe stand wenig verwunderlich der faschistischen Herrschaft in Italien sehr kritisch gegenüber und lies es sich auch nicht nehmen in ihrer Ausgabe vom 5. Dezember 1925 von den Zuständen im italienischen Parlament zu berichten, die sie mit dem Begriff „Rinnsteinatmosphäre“ umriss. Frank Riede weiß wer rund um die Gesetze gegen die Freimaurer und zum faschistischen Gewerkschaftsmonopol wen tätlich angegriffen hat. Rosa Leu ist leider aktuell verhindert und wird erst ab dem 9.12. wieder für uns lesen.

Die Tageszeitungen des Jahres 1925 berichteten ihrer Leserschaft nicht nur von den Neuigkeiten auf den Konzert-, Theater-, Opern- und Operettenbühnen und von den aktuellen „Streifen“ in Lichtspielhäusern, sie besuchten außerdem regelmäßig die Varietébühnen, denn nicht selten waren die dortigen Attraktionen das Gespräch der Stadt. So sorgte im Herbst 1925 der dressierte Seelöwe „Jackie“ mit seinen Auftritten im Berliner Wintergarten für Furore. Er konnte zum großen Erstaunen des Publikums beim balancieren und jonglieren auch noch singen und lachen. Als er bei seinem Gastspiel im Hansa Theater Hamburg das Militärlied „So leben wir, so leben wir“ zum Besten gab, schrieb der wahrscheinlich männliche Kolumnist mit dem Pseudonym „Nemo“ für die Harburger Anzeigen und Nachrichten vom 4. Dezember einen launigen Erfahrungsbericht zum Seelöwengesang. Seine Eindrücke übermittelt uns Frank Riede.

Wirtschafts- und Regierungskrisen waren während der 1920er Jahre in vielen europäischen Ländern an der Tagesordnung. Unter Aleksandar Skrzyński nahm im November 1925 etwa bereits das dreizehnte Kabinett der sieben Jahre zuvor begründeten Zweiten Polnischen Republik seine Arbeit auf und sah sich neben vielen drängenden politischen Fragen mit Problemen einer galoppierenden Inflation konfrontiert. Für den Wandsbeker Boten, der sich am 3. Dezember der finanziellen Nöte im Nachbarland annahm, war die Hauptursache klar: ein überzogener Militärhaushalt, der die staatliche Handlungsfähigkeit in anderen Bereichen dramatisch einschränkte. Frank Riede liest für uns einen Text – von dem man wirklich nicht behaupten kann, dass die Geschichte ihm Recht gegeben hätte. Rosa Leu ist leider aktuell verhindert und wird erst ab dem 9.12. wieder lesen.

Auf den Tag genau ist bekanntermaßen Spezialist für Zeitreisen in die Welt vor einhundert Jahren, aber gelegentlich bieten wir, wie regelmäßige Hörerinnen und Hörer wissen, auch Trips in noch ferne historische Epochen an. Das geschieht immer dann, wenn bereits unsere Fundstücke in die Vergangenheit schauen – so wie der Hamburgische Correspondent vom 2. Dezember 1925, der beim Gang über den aktuellen „Dom“, den Hamburger Weihnachtsmarkt, von nostalgischen Anwandlungen befallen wird. Dankenswerterweise bleibt er dabei aber nicht bei einem „Letztes Jahr war mehr Lametta“ stehen, sondern schaut in ungenannte Chroniken und entführt uns in tiefere geschichtliche Schichten des Hamburger Vorweihnachtstrubels, in denen sich manches, noch von heutigen Christmärkten Bekanntes auffindet, aber auch gänzlich in Vergessenheit geratene Bräuche und Gaben zum Vorschein kommen. Frank Riede hat für uns, nein, keinen Glühwein getrunken.

Vor zwei Tagen haben wir an dieser Stelle von der Ratifizierung des Vertragswerkes von Locarno durch den deutschen Reichstag berichtet, heute können wir seine Unterzeichnung in London vermelden. Mit dem feierlichen Procedere hält sich der Kommentar aus dem Hamburger Anzeiger vom 1. Dezember 1925 indes nicht auf, sondern bekennt sich noch einmal sehr nüchtern und doch mit aller Verve zu den Vertragsinhalten. Der Autor ist sich sicher, eine historische Stunde erlebt zu haben, und will die abschließende Beurteilung doch nachfolgenden Historikergenerationen überlassen. Von dem traurigen Ende der Vereinbarungen von Locarno durch das Hitler-Regime, das 1936 einen im Vorjahr abgeschlossenen französisch-sowjetischen Beistandspakt zum Vorwand nahm, den Vertrag zu kündigen und ins entmilitarisierte Rheinland einzumarschieren, konnte er naturgemäß nichts ahnen. Es liest Frank Riede.

Zu den wenigen Längengraden, über den unser kleiner Podcast in den zurückliegenden bald sechs Jahren noch nicht geschippert ist, zählt ausgerechnet der 180., der, wie Eingeweihte wissen, heute, wie auch schon 1925, die Datumsgrenze markiert. Für Arnold Höllriegel, Autor für Auf den Tag genau fast seit der ersten Stunde, war es ebenfalls eine Premiere, als das Luxusschiff Aorangi, das er vermutlich in Vancouver bestiegen hatte und das damals, soeben in Dienst gestellt, als das schnellste Motorschiff der Welt galt, nach Zwischenhalt auf Hawaii Kurs auf die Fidschi-Inseln nahm – und er, also Höllriegel, mit Schrecken feststellen musste, dass ihm auf diesem Weg ein ganzer Tag ins Wasser fiel. Der 7. Oktober 1925 fand nicht statt, jedenfalls nicht für Arnold Höllriegel, der dafür den 30. November 1925 mit Hilfe der Altonaer Nachrichten um den folgenden Text bereicherte, den für uns Frank Riede liest.

Vorträgliche Glückwünsche zum Geburtstag gelten hierzulande mittlerweile als unüblich, in den 1920er Jahren war man diesbezüglich aber noch nicht so streng. Rainer Maria Rilke feierte seinen 50. erst am 4. Dezember 1925, die Hamburger Nachrichten gratulierten aber bereits am 29. November. Sein Laudator Hans Bethge war selbst Schriftsteller und vor allem für seine Nachdichtungen orientalischer Lyrik bekannt. Gustav Mahlers berühmtes Lied von der Erde geht auf Gedichte Bethges zurück, der, wie bekanntlich auch Rilke, teilweise im Worpsweder Künstlerkreis verkehrte. Dass er ein intimer Kenner von Rilkes Lyrik war, verrät sein Text allemal – obwohl man über die These, Rilke habe niemals ein Liebeslied gedichtet, gewiss trefflich streiten kann. Es liest Rosa Leu.

Die Regierungskoalition war darüber zerbrochen, aber mit den Stimmen der nach dem Austritt der DNVP verbliebenen Koalitionäre von Zentrum, DVP, BVP und DDP sowie denen der oppositionellen SPD ratifizierte der deutsche Reichstag die Verträge von Locarno dennoch mit klarer Mehrheit. Der Hamburger Anzeiger widmete diesem Ereignis am 28. November 1925 weite Teile seiner Titelseite. Statt für den Sachbericht haben wir uns für den Kommentar entschieden, der sich – wenig überraschend bei der liberalen Ausrichtung dieser Zeitung – sehr erleichtert von dem Abstimmungsergebnis zeigt. Von Euphorie hält der mit C.P. zeichnende Autor sich fern, erläutert aber mit hanseatischer Sachlichkeit die Vorteile der neuen europäischen Friedensordnung gegenüber dem vorangegangenen Zustand. Dass sich Lob für den Reichstag mit vorsichtiger Kritik an Kanzler Luther mischt – das und noch mehr hören wir von Frank Riede.

Auch im Jahre 1925 fand in Berlin an den Messehallen am Funkturm die Deutsche Automobilausstellung statt. Während der Fokus der Presse in der Regel auf den Personenkraftwagen lag, und dort besonders auf den erschwinglichen Kleinwägen, interessiert sich der Berichterstatter der Wilhelmsburger Zeitung für landwirtschaftliche Maschinen. Waren in den Großstädten die Pferde-Busse und Kutschen durch motorisierte Gefährte ersetzt, so stand eine Motorisierung der Landwirtschaft noch bevor. Was bot also die Ausstellung dem Landwirt, wenn er seine Zugpferde und -ochsen durch Nutzmaschinen ersetzten wollte? Und war das überhaupt erschwinglich? Antworten darauf gab es in der Ausgabe vom 27. November zu lesen. Die große Bedeutung dieser Leistungsschau der deutschen Auto-Industrie unterstrich auch schon 1925 die Anwesenheit wichtiger Politiker und des Präsidenten Hindenburg. Wer genau da war bei der Eröffnung und welche Nutzmaschinen es zu bestaunen gab, erfahren wir von Rosa Leu.

10 Jahre nach der Hauptstadt Berlin, aber immerhin fast 60 Jahre vor einer weiteren bekannten deutschen Großstadt an der Isar eröffnete 1912 auf der Strecke Barmbek-Rathausmarkt die erste Hamburger Untergrundbahn. Erweiterungen des damit begonnenen Hamburger Hochbahnnetzes erfolgten schrittweise. 1915 war die geplante Ringbahn mit Zweiglinien nach Eimsbüttel, Ohlsdorf und Rothenburgsort komplettiert, bis 1918, also mitten während des Krieges, wurden mehrere weitere Streckenverlängerungen in Betrieb genommen. Nach einer außerplanmäßigen Unterbrechung des Baubetriebes während der Krisen- und Inflationsjahre wurden Mitte der 1920er Jahre wieder neue Pläne geschmiedet: Der Jungfernstieg sollte endlich auch ins Netz eingebunden und weitere Vorstädte angeschlossen werden. Es berichteten am 26. Novembern 1925 die Altonaer Nachrichten, es liest für uns Frank Riede.

Während des Ersten Weltkriegs und noch lange danach war er Mangelware, jetzt Mitte der Zwanziger Jahre lag er endlich wieder in ausreichender Menge und Qualität vor: der Deutschen liebster Trunk aus der Kaffeebohne. Als Hafenstadt war Hamburg naturgemäß auch Standort wichtiger Röstereien, und eine davon, deren Namen man auch heute noch kennt, besichtigte der Hamburgische Correspondent am 25. November 1925. Bemerkenswert an dem Bericht erscheint nicht nur die Komplexität des Prozesses, sondern auch der hohe Grad an Technisierung, der damals bereits gegeben war, um die Bohne in die Tasse zu bringen. Die passionierte Kaffeetrinkerin Rosa Leu hat sich für uns umgesehen – und umgerochen.

Die Branchen und Geschäftsideen, in denen bzw. durch die die Super-Reichen dieser Welt ihr Vermögen machen, mögen sich über die Zeit erheblich verändern – die Statussymbole, mit denen sie ihren bisweilen obszönen Reichtum zur Schau stellen, variieren historisch erstaunlich wenig. Auch schon die Vanderbilts, die als Reeder und Eisenbahnunternehmer zu einer der ersten Familien in den USA des Gilded Age im späten 19. Jahrhundert aufgestiegen waren, protzten mit palastartigen Domizilen an der neuenglischen Küste sowie mit gigantomanen Yachten, auf denen sie um die Welt schipperten. Die Neugier der Menschen war ihnen ebenso gewiss wie den Oligarchen unserer Tage, und auch seinerzeit fanden sich bereitwillig Pressevertreter, die sich für die Erlaubnis, einmal hinter die mondänen Kulissen zu blicken, mit ehrfurchtsvollen Homestories revanchierten. Die Harburger Anzeigen und Nachrichten waren dabei nicht einmal selbst an Bord der „Ara“, sondern stützten sich bei ihrem Ausflug in das Genre des Luxury Lifestyle Journalism vom 24. November 1925 auf die Eindrücke schwedischer Kollegen, die für uns wiederum Frank Riede reproduziert.

Zur Kabinettskrise Frankreichs des Jahres 1925 führte nicht unbedingt eine Kontroverse rund um die Unterzeichnung des Vertrags von Locarno. Grund war vielmehr das endgültige Zerbrechen des „Cartel des gauches“, des Links-Bündnisses, welches nach den Wahlen 1924 an die Macht gekommen war. Premierminister Paul Painlevé versuchte, der hohen Staatsverschuldung mit einer Austeritätspolitik zu begegnen, und wurde darob (aber auch als Reaktion auf andere Kompromisse mit dem bürgerlichen Lager) vom linken Flügel am 22. November gestürzt. Painlevé war ein renommierter Mathematiker, mit dem Spezialgebiet der nicht-linearen Differentialgleichungen zweiter Ordnung, deren eine Eigenschaft heute als Painlevé-Eigenschaft bezeichnet wird. Im Zuge der Dreyfus-Affäre trat er, bereits Mitglied der Liga für Menschenrechte, in die Politik ein. Er pflegte gute Beziehungen nach Deutschland, sprach wohl fließend Deutsch und war ein glühender Anhänger der Mahlerschen Musik. Zudem begeisterte er sich fürs Fliegen, war 1908 der erste französische Passagier beim Flug Wilbur Whrigts und begründete die Lehre der Aeronautik an den französischen Universitäten… Aber: In der heutigen Folge liest Rosa Leu für uns aus der Bergedorfer Zeitung vom 23. November die damals aktuellsten Nachrichten und Agenturmeldungen über den Sturz Painlevés.

Dass die Kommunikation zwischen den Soldaten an der Front und ihren Familien daheim eine wertvolle Informationsquelle zur Stimmungslage der Soldaten ist, war der militärischen Führung im 1. Weltkriegs sehr bewusst, weshalb sog. Militärische Überwachungsstellen geschaffen wurden, die die Feldpost mitlasen, zensierten und Berichte, man könnte sagen, zur Lage in den Köpfen der Soldaten verfassten. Ob der Geheimrat L. Gülle ein Historiker, ein Militär war, oder ein Pseudonym ist, konnten wir nicht feststellen. Jedenfalls berichtet er sehr freimütig und konkret im Hamburgischen Correspondenten vom 22. November 1925 über diese Zensur-Stellen und über die Aufgaben der dort tätigen Offiziere, dass man vermuten müsste, der Autor selbst wäre einer dieser Offiziere gewesen. In seiner „Skizze“ erfahren wir recht detailliert, wie sich im Kriegsverlauf die Stimmung, die aus der Feldpost sprach, wandelte. Frank Riede gibt uns Einblick in die Stimmungen im Schützengraben.

Den Totensonntag des Jahres 1925, der auf den 22. November fiel, nahm in der Schiffbeker Zeitung ein gewisser Gustav Lindt zum Anlass, über unterschiedliche aktuelle und historische Totenbräuche zu berichten. Sein Artikel stellt diese Praktiken recht unsystematisch zusammen, enthüllt dabei aber vielleicht noch unbekannte und überraschende Fakten, was ihn sicherlich zu einem Artikel macht, den man leicht überarbeitet alle paar Jahre publizieren konnte. Rosa Leu führt uns also von China bis in die „Toten-Tram“ Göteborgs.

Die Vertragsverhandlungen von Locarno waren – wir berichteten im Podcast ausführlich – zwar zu einem erfolgreichen Abschluss gekommen. Deutschland stürzten sie jedoch abermals in eine schwere Regierungskrise, da die Deutschnationale Volkspartei die Beschlüsse nicht mittragen wollte und ihren Auszug aus dem Kabinett Luther beschloss. Weniger Widerstand, erfahren wir aus dem Hamburgischen Correspondenten vom 20. November 1925, wurde dem Vertragswerk aus den deutschen Ländern entgegengebracht, die dessen Konsequenzen mitzutragen hatten und deren Zustimmung deshalb, neben der des Reichstags, für die Annahme der Vereinbarungen unabdingbar war. Außerdem informiert der Correspondent sein Publikum noch über Reaktionen auf Locarno aus England bzw. über die Reaktionen deutscher Tageszeitungen wiederum darauf. Paula Leu lichtet den Nebel.

Im Herbst des Jahres 1925 herrschte in vielen europäischen Staaten eine politische Instabilität. Im Deutschen Reich ließ die DNVP die Regierung platzen, das Kabinett Painleve wurde in Frankreich gestürzt – aber auch im Osten konnten Regierungen sich nicht behaupten. Die Schiffbeker Zeitung vom 19. November informierte ihrer Leserschaft über die Lage in der Tschechoslowakei und in Polen – und liefert durchaus treffende Prognosen zur weiten Entwicklung. Die Krise des Kabinetts Švehla (Schwehla) in der Folge der tschechoslowakischen Parlamentswahl des 15. Novembers will sie nicht allzu hoch hängen. Und tatsächlich folgte im Dezember auf das Kabinett Švehla 1, das Kabinett Švehla 2. Gravierender schätzt die Zeitung die Situation in Polen ein, wo der Ministerpräsident Grabski am 13. November sein Amt niederlegte. Die Rolle, die Marschall Piłsudski spielen sollte, der zwar kein Amt bekleidete, aber enormen Einfluss beim Militär und in der Politik besaß, deutet der Artikel ebenfalls an. Im Mai 1926 würde er einen Putsch führen und die Macht an sich reißen. Frank Riede ist für uns am Mikro.

Mit den Nobelpreisen in den 1920er Jahren verhält es sich teilweise etwas unübersichtlich. Der Nobelpreis für Physik des Jahres 1925 etwa wurde erst im Folgejahr gemeinsam mit dem für 1926 verliehen. Dafür erhielt der schwedische Forscher Manne Siegbahn 1925 den Preis für 1924, wo man auf eine Auszeichnung zunächst verzichtet hatte. Siegbahn war nicht nur, wie die Fachwelt befand eine der Sache nach, sondern auch geographisch naheliegende Entscheidung. Wirkte er doch seit 1923 unweit der Stockholmer Königlichen Akademie der Wissenschaften an der Universität Uppsala und revolutionierte von dort aus die Physik auf dem Gebiet der Röntgenspektralanalyse. Den dankenswerten Versuch die Entdeckungen von Siegbahn (dessen Sohn Kai übrigens 1981 ebenfalls mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wurde) auch interessierten Laiinnen und Laien nahezubringen, unternahmen am 18. November 1925 die Hamburger Nachrichten. Für uns tut dies Rosa Leu.

Nichts, heißt es in einem bekannten Bonmot, sei so alt wie die Tageszeitung vom Vortag, und insofern ist es wohl durchaus etwas unfair von uns, dass wir in diesem Podcast beständig in uralten Sachen wühlen und schauen, wie gut sie gealtert sind. Unser heutiges Fundstück aus dem Pinneberger Tageblatt vom 17. November 1925, soviel steht fest, ist von der Geschichte eher widerlegt worden: „Die beginnende Auflösung des Islam“, die der Artikel, inspiriert vor allem von kemalistischen Tendenzen und Autoren in der Türkei, damals diagnostiziert, will aus dem Rückblick von einhundert Jahren nicht als das letzte Wort der Geschichte erscheinen. Als Dokument einer Zeit, in der sich der Orient, teils freiwillig, teils unter Zwang rasant dem Westen öffnete, ist er dennoch von größtem historischem Interesse. Einige Begriffe, die der Text verwendet, hatten vermutlich damals bereits einen pejorativen Klang, für andere gilt dies zumindest in unseren Ohren. Es liest Frank Riede.

Er gilt bis heute als einer der größten Zirkuskünstler aller Zeiten: Enrico Rastelli, in Russland geborener Spross einer Artistenfamilie aus dem italienischen Bergamo, schlug in den 1920er Jahren das Publikum mit seinen Jonglage Shows weltweit in seinen Bann. Nach Paris, Wien, Budapest oder New York verschlug es Rastelli 1925 erstmals an den legendären Berliner Wintergarten, wo er fortan jährlich das Parkett füllte. Aber auch am berühmten Hamburger Hansa-Theater am Steindamm in St. Georg machte Rastelli in diesem Jahr Station, was der Hamburger Anzeiger zum Anlass nahm, ihm in seiner Ausgabe vom 16. November ein ausgiebiges Porträt zu widmen. Dessen jugendlicher Autor Hans Feld sollte sich später als Filmkritiker und Produzent einen Namen machen. Wie Rastelli die Gesetze der Schwerkraft außer Kraft setzte, schildert uns Rosa Leu.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fungierte das Ruhrgebiet noch ein letztes Mal als Motor der deutschen Industrie während des Wirtschaftswunders, danach geriet die Region zunehmend in Strukturprobleme, die sie bekanntlich bis heute nur zum Teil für sich hat lösen können. Der Artikel eines ehemaligen Regierungsbaumeisters Müller aus dem Hamburgischen Correspondenten vom 15. November 1925 sieht eine solche Entwicklung interessanterweise bereits vor einhundert Jahren voraus und macht diese weitsichtig an einem bevorstehenden Bedeutungsverlust der Kohle fest. Es sind jedoch nicht fossile Brennstoffe wie Öl oder Gas, die er die Steinkohle perspektivisch unrentabel machen sieht; Müller ist seiner Zeit noch weiter voraus und antizipiert bereits einen Siegeszug erneuerbarer Energien. Wie man sich 1925 das Ruhrgebiet des Jahres 2025 vorstellte, weiß Frank Riede.

Der Starkult rund um Schauspieler*innen und ihr Privatleben, ihren Luxus und ihr Beziehungsleben kommt spätestens mit dem Studio-System der Filmproduktion auf und wird sich an der Verehrung anderer Künstler*innen aus Theater und Oper orientiert haben. Und während die Fans von einem sorglosen und entspannten Leben in Berühmtheit und Prunk träumen, widersprechen die Stars in ihren „Homestories“ aus ihren riesigen Villen stets mit dem Verweis darauf, wie hart der Beruf eigentlich ist. Im Falle des heutigen Artikels aus dem Hamburgischen Correspondenten vom 14. November 1925 bietet ein Dr. Karl Grunert den ernüchternden Blick hinter die Fassade des Lebensalltags einer idealtypischen Filmdiva. Es liest Rosa Leu.

Hjalmar Schacht – Reichsbankpräsident sowohl in der Weimarer Republik, als auch später wieder bei den Nazis, bei diesen aber 1939 in Ungnade gefallen und in den letzten Monaten des Regimes erst Gestapo-Häftling, dann in verschiedenen Konzentrationslagern interniert – war der einzige Angeklagte beim Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess, der in allen Punkten freigesprochen wurde. Von dieser biographischen Wendung konnte naturgemäß niemand etwas ahnen, als Schacht genau zwanzig Jahre zuvor in seiner Eigenschaft als höchster deutscher Banker ausgiebig die USA bereiste und dort intensiv um Kredite warb, die der durch die Kriegsfolgen nach wie vor gebeutelten deutschen Wirtschaft wieder Schwung verleihen sollten. Das Pinneberger Tageblatt vernahm seine Bemühungen mit Wohlwollen, wie der von Frank Riede gelesene Artikel vom 13. November 1925 verrät.

Am 25. Oktober 1925 fanden die Schweizer Parlamentswahlen statt, bei denen sich, glauben wir Wikipedia, ein Linksrutsch vollzog, da sowohl Sozialdemokratie, als auch die Kommunisten dazugewinnen konnten. Ganz so deutlich fasste es der Hamburgische Correspondent am 12. November nicht und verwies lieber auf die konstante, unaufgeregte und bürgerliche Politik der Schweiz. Rosa Leu geht mit uns die Ergebnisse durch und erläutert dabei das eigentümliche Wahlsystem der Schweiz.

Zwischen 1912 bis 1956 war das vormals stolze Sultanat Marokko zu einem französischen Protektorat herabgesunken. Mochte die Macht des nominell im Amt belassenen Sultans aus der Dynastie der Alawiden seither begrenzt gewesen sein – dem traditionellen Prunk und der Prachtentfaltung tat diese Degradierung keinen Abbruch. Entsprechend reizvoll ist das orientalische Gemälde, das der Reiseschriftsteller Otto Zeltin am 11. November 1925 in den Altonaer Nachrichten von den Feierlichkeiten zum Ende des Fastenmonats Ramadan zeichnet. Neben manchem Klischee aus 1001 Nacht, das dabei gestreift wird, fallen in dem Text auch einige heute nicht mehr gebräuchliche, da rassistisch aufgeladene Begriffe. Wir senden den Artikel dennoch, weil er einen faszinierenden Blick sowohl hinter die Kulissen des herrschaftlichen Palasts von Rabat, als auch auf die politischen Realitäten des späten Kolonialzeitalters in Nordafrika wirft. Für uns tut dies Frank Riede.

Bayern und der Rest des Landes – dieses ewig junge Thema haben wir verschiedentlich auch schon hier im Podcast bespielt. Politische Querschüsse, die zuverlässig immer wieder bis nach Berlin hallten, schafften es auch in Weimarer Zeit regelmäßig in die norddeutsche Tagespresse, so am 10. November 1925 Nachrichten darüber, dass man südlich des Weißwurst-Äquators an einer Restituierung des Wittelsbacher-Monarchie arbeite. Die bayerische Staatsregierung dementierte entsprechende Berichte zwar, die Altonaer Nachrichten stürzten sich trotzdem drauf, und auch wir mochten nicht davon lassen. Es liest Frank Riede.

Der Ausbau der faschistischen Herrschaft in Italien zu einer totalitären Diktatur erfolgte schrittweise. Ein Schlüsseldatum hierbei war das gescheiterte Attentat des Freimaurers und sozialistischen Parlamentsabgeordneten Tito Zaniboni auf Faschistenführer Benito Mussolini am 4. November 1925. Vom Balkon seines Zimmers im römischen Hotel Dragoni gegenüber vom Palazzo Chigi hatte Zaniboni auf Mussolini schießen wollen, um die Ermordung seines Parteifreundes und sozialistischen Parteivorsitzenden Giacomo Matteotti zu rächen; doch seine Geliebte Marisa Romano hatte ihn und seine Pläne verraten. Zaniboni wurde bei Betreten des Hotels in der Lobby verhaftet und die faschistische Staatsführung nahm diese Vorfälle nach bekanntem Muster zum Anlass, den Partito Socialista Unitario sowie dessen Parteizeitung aufzulösen und drastische Gesetze gegen die Freimauerei durchs Parlament zu bringen. Vieles von den Umständen wie den Konsequenzen dieses ausgefallenen Attentates ist am 9. November 1925 noch Gerücht, als die Harburger Anzeigen und Nachrichten davon berichteten. Es liest Rosa Leu.

1904 wurde der Longacre Square in New York, an dem Stellmacher und Pferdestallungen angesiedelt waren, nach dem Bau des Hochhauses der New York Times in Times Square umbenannt. In der Folge wandelte sich der Platz, der an der Kreuzung Broadway und Seventh Avenue liegt, zu einem Kristallisationspunkt für noble Hotels, Austernbars und vor allem Theater-, Cabaret- und Musicalbühnen. Früh wurden an den Fassaden der Gebäude Lichtreklamen angebracht, die zunächst aus weißen Lampen bestanden, was dem Broadway den Namen „The Great White Way“ bescherte. Wie beeindruckend sich die Beleuchtung im Jahre 1925 darstellte und wie sehr die Lichtreklame der Theater von den angebrachten Produktwerbungen abgelöst worden war, sendete der Korrespondent mit dem Kürzel L. A. H. über den großen Teich an den Hamburgischen Correspondenten, der seinen Bericht am 8. November abdruckte. Zwischen Hafergrütze. Kaugummi und flammenden Kreuzen hat sich für uns Rosa Leu herumgetrieben.

n einer Phase des europäischen und amerikanischen Kinos, in der sich das System der Studios durchgesetzt hatte und die Filmproduktionen in den riesigen Ateliers, wie wir sie gestern in Babelsberg besuchten, die ganze Welt, zumindest wie man sie sich so vorstellte, nachbauten, war der Film „Die Leuchte Asiens“ des Jahres 1925 eine aufsehenerregende Ausnahme. Dieser Film, der die Lebensgeschichte des Buddha erzählt, war die erste deutsch-indische Koproduktion und wurde weitestgehend in Indien „on location“ mit Laiendarstellern gedreht. Der Film begründete eine lange Zusammenarbeit zwischen dem Regisseur Franz Osten und dem Hauptdarsteller Himansu Rai, für dessen Firma Bombay Talkies Osten bis 1939 unzählige Filme drehte, bevor er, das sei nicht verschwiegen, der NSDAP beitrat. Vom Hamburgischen Correspondenten am 7. November erfahren wir, dass das Passagetheater bei der Hamburger Erstaufführung „indisch“ dekoriert war und es im Foyer eine kleine Ausstellung zum Heimatland Buddhas gab. Die sehr zahlreiche Berichterstattung zu dem Film wimmelt oft von auf Rasselehren basierenden Überlegungen zum Aussehen der indischen Schauspieler*innen und zur Nähe von Europa und Indien. Die entsprechenden Sätze im heutigen Artikel, den Frank Riede liest, stellen eine verhältnismäßig zurückhaltende Variante dieser Überlegungen dar.

Ganz großes Kino! Sie hören gerade die 2000ste Folge von „Auf den Tag genau“. Vom 1. Januar 1920 an haben wir, mit einer kleinen Unterbrechung, täglich, an Wochenenden, in den Ferien und an Feiertagen gesendet und dabei einen einzigartigen Blick auf die Weimarer Republik geboten. Ob es im Januar 1926 weitergeht, ist ungewiss, aktuell eher unwahrscheinlich. Wir warten also immer noch auf Enthusiast*innen und Mäzen*innen oder Institutionen, die uns ein Weiterleben ermöglichen. Das wäre wahrlich größtes Kino….womit wir beim Thema der heutigen Folge wären. Die Harburger Anzeigen und Nachrichten, die von ihrem Glück, uns den Stoff für die Jubiläumsfolge zu liefern, nichts ahnten, trieben sich am 6. November 1925 in der deutschen Antwort auf Hollywood herum, gelegen in Neubabelsberg. Rosa Leu führt uns also über das UFA-Gelände mit seinen Kulissen, Lagern und einem eigenen Zoo. Dabei gibt es auch erste Bauten für den kommenden Filmklassiker Metropolis zu entdecken. Mögen wir auch noch 1927, also 2027, in unserer 2500 Folge von dessen Premiere berichten.

Die allermeisten Zeitungstexte, die sich in den 1920er um im weitesten Sinne technische Dinge drehen, sind von einem aus dem Rückblick fast rührend anmutenden Fortschrittsoptimismus erfüllt. Auch unser heutiger Artikel über „Das Haus von übermorgen“ aus der Schiffbeker Zeitung vom 5. November 1925 macht da vordergründig keine Ausnahme. Von der Zentralheizung über die Klimaanlage bis zum Elektroherd malt er sich die Zukunft in den buntesten Farben aus – und liegt mit einigen antizipierten Entwicklungen, wie so oft, gar nicht falsch. Im zweiten Teil nimmt er dann aber doch eine etwas unerwartete Wendung, indem er die Frage aufwirft, ob von den ganzen technischen Annehmlichkeiten, mit denen man so rechnete, unter dem Strich wirklich ein nachhaltig positiver Effekt auf die Lebensqualität zu erwarten sei. Frank Riede artikuliert für uns diesbezüglich so einige Zweifel.

Dass den Zeitungen mit dem Radio ein mächtiger Konkurrent heranwuchs, der an ihrer Stellung als dem Leitmedium der Zeit rüttelte, erkennen wir nicht nur an der Berichterstattung über die Radioprogramme der Sender und über technische Innovationen auf dem Gebiet der Tonübertragung. Immer häufiger kam es vor, dass die Zeitungen sich gezwungen sahen, über Radioansprachen zu berichten, und damit nachzuliefern, was die Radiohörerinnen bereits kannten. Am 3. November 1925 hatte der Außenminister Gustav Stresemann im Radio über den Vertrag von Locarno gesprochen und für den Kurs der Regierung geworben. Welche Argumente er dabei ins Feld führte, können wir uns nicht im Original anhören, da diese Radioaufnahme nicht mehr vorliegt, sondern erfahren es aus den Altonaer Nachrichten vom 4. November. Von Audio zu Text und nun zurück zur Stimme… im Jahr 2025 der von Rosa Leu.

Die Zahl der Arbeitslosen war bereits auch schon vor der großen Weltwirtschaftskrise, in den ökonomisch relativ stabilen Jahren Mitte der 1920er ein gewichtiges Problem der deutschen Politik. Wie den Bedürftigen helfen, ohne falsche Anreize zu schaffen und durch hohe Abgaben die Konjunktur zu bedrohen – dieser alte Widerstreit scheint auch im Hamburgischen Correspondenten vom 3. November 1925 auf, der das Problem der Arbeitslosenversicherung thematisiert und dieses dabei, dem konservativen Profil der Zeitung folgend, relativ konsequent durch die Brille der Hamburgischen Handelskammer betrachtet. Wie sehr uns die Argumente aus den aktuellen Debatten um das Bürgergeld bekannt vorkommen dürfen, erfahren wir von Frank Riede.

Die deutsche Regierungskrise, sie zog immer weitere Kreise. Nach wie vor stand nach dem Ausscheiden der deutschnationalen Minister aus dem Kabinett die Ratifizierung der Vereinbarungen von Locarno durch den Reichstag auf Messers Schneide. Die SPD zierte sich, den Mehrheitsbeschaffer zu spielen, und auch Zentrum und DDP übten Druck auf Kanzler Hans Luther aus, die Vorlage nicht ohne Aussicht auf eine stabile Regierung einzubringen. Das Szenario ‘Neuwahlen‘ war weiterhin nicht vom Tisch, und auch die Option, die Zustimmung zu Locarno in einem Volksentscheid abzufragen, wurde offensichtlich ernsthaft diskutiert. Das behaupten jedenfalls am 2. November 1925 die Altonaer Nachrichten, in denen für uns Rosa Leu geblättert hat.

Erst vor drei Tagen waren wir mit dem Podcast in Damaskus und sahen uns dort mit der blutigen Bürgerkriegsgegenwart des Jahres 1925 konfrontiert. Am 1. November schaute nun der Hamburgische Correspondent gleichfalls in die syrische Hauptstadt, dabei aber zurück ins Jahr 1898, als Kaiser Wilhelm II. Damaskus einen Besuch abgestattet hatte, und zeichnete dabei das gewaltig weichgezeichnete Bild einer orientalischen Märchenmetropole. Nostalgisch verklärt an den Erinnerungen des deutschbaltisch-österreichischen Reiseschriftstellers Bernhard Stern-Szana, der ‘Seine Majestät‘ damals angeblich begleitete, mutet ferner nicht nur die eigene Bedeutsamkeit im Reisetross an, sondern auch der Blick auf die vermeintliche Herrlichkeit der Kaiserzeit. Dass sich der Autor aus dieser zumindest den exzessiven Franzosenhass bewahrt hat, dokumentiert sich spätestens im letzten Satz. Ihn, wie auch alle davor, liest Rosa Leu.

Die Dolchstoßlegende, dergemäß wahlweise Linke, Demokraten und/oder Juden Schuld an der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg gewesen seien, zählte zu den wirkmäßigsten rechten Verschwörungstheorien der Weimarer Republik. Im Herbst 1925 wurde um sie in München sogar ein Prozess geführt: Martin Gruber, Chefredakteur der Münchener Post, hatte die Süddeutschen Monatshefte wegen der Verbreitung der Dolchstoßlegende der Geschichtsverfälschung bezichtigt, woraufhin deren Herausgeber Paul Nikolaus Cossmann Gruber verklagte. Prominente Personen der Zeitgeschichte wurden in den Zeugenstand gebeten, unter ihnen etwa der ehemalige Reichskanzler Philipp Scheidemann, von dessen Vernehmung in seiner Ausgabe vom 31. Oktober auch der Hamburger Anzeiger berichtete. Es liest Frank Riede.

Der berühmt-berüchtigte französische Zentralismus, er bildet sich auch in der deutschen Frankreich-Berichterstattung der 1920er Jahre und darüber vermittelt unvermeidlich in diesem Podcast ab. Immer wieder hat es uns in den zurückliegenden Jahren nach Paris verschlagen. Auf Ausflüge in den kleinen Rest des Landes, den man vom Kirchturm von Notre Dame aus nicht überblicken kann, sind wir dagegen selten gestoßen; zweimal in Reims, einmal in der Provence, ein Blick ins Elsass – viel mehr sind wir bislang nicht herumgekommen. Walter Hasenclever indes wollte sich mit diesem Radius nicht begnügen und zog in seiner Sommerfrische hinaus bis weit aufs Mittelmeer, wo die Franzosen den Genuesen im 18. Jahrhundert die stolze Insel Korsika abgeknüpft hatten. Deren mittelalterlichem Charakter, stellt Hasenclever im Hamburger Anzeiger vom 30. Oktober 1925 fest, hatte dies zumindest stellenweise aber wenig Abbruch getan. Davon hat sich für uns Frank Riede überzeugt.

Über viele Jahrhunderte, seit dem späten Mittelalter bis zum Ersten Weltkrieg, standen weite Teile des Vorderen Orients unter türkischer Herrschaft. Nach der Niederlage des Osmanischen Reiches an der Seite der Mittelmächte fielen das alte Zweistromland, der heutige Irak, sowie Palästina nun als Mandatsgebiete an das Vereinigte Königreich, Syrien und der Libanon gerieten unter französische Verwaltung, und hier wie dort regte sich schnell Widerstand gegen die neuen Kolonialherren im fernen Europa. Insbesondere im multiethnischen und multikonfessionellen Syrien führte dies Mitte der 1920er Jahre zu blutigen Aufständen, die vom französischen Militär höchst gewaltsam bekämpft wurden. Die Ergebnisse der Geschichtsforschung lassen befürchten, dass die Opferzahlen, die die Wilhelmsburger Zeitung in ihrer Ausgabe vom 29. Oktober 1925 allein aus Damaskus vermeldet, nicht altem anti-französischem Ressentiment in Deutschland entsprangen, sondern relativ realistisch waren. Es liest Rosa Leu.

Wie stark Zölle die wirtschaftliche Dynamik zu behindern und den gesellschaftlichen Wohlstand auszubremsen vermögen, ist dieser Tage wieder zu besichtigen. Vor einhundert Jahren, in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, war dies nicht nur eine transatlantische, sondern auch eine innereuropäische Thematik, denn nach dem Ersten Weltkrieg frönten teilweise auch die kleinsten der neuentstandenen Nationalstaaten dem Ideal der Autarkie. Dass dies dem Kontinent ökonomisch kaum wieder auf die Sprünge helfen würde, wurde relativ schnell klar, weshalb die vorsichtig positiv stimmenden Ergebnisse der Konferenz von Locarno vielerorts zum Anlass genommen wurden, über den Weg in eine europäische Zollunion nachzudenken. Entsprechende Vorgriffe auf eine europäische Einigung finden sich mit etwas ungeklärter Autorschaft auch in den Altonaer Nachrichten vom 28. Oktober 1925 formuliert. Frank Riede hat sie sich angesehen.

Erst im Januar 1925 war das Kabinett Luther I, bestehend aus Mitgliedern der DVP, der DNVP, des Zentrums, der DDP sowie der BVP, gebildet worden – im Oktober stand es bereits wieder vor dem Aus. Grund dafür war das in Locarno ausgehandelte Vertragswerk, welches von großen Teilen der deutschnationalen Fraktion abgelehnt wurde. Auch die Interventionen des der DNVP eigentlich nahestehenden Reichspräsidenten Hindenburg vermochten das Blatt nicht zu wenden, so dass der Hamburgische Correspondent am 27. Oktober das bevorstehende Ausscheiden dreier Minister vermeldete und über die weiteren politischen Konsequenzen spekulierte. Drohte die Ratifizierung von Locarno gar zu scheitern? Stand Deutschland mal wieder vor vorgezogenen Neuwahlen? Oder fand sich im bestehenden Reichstag eine neue Regierungsmehrheit? Rosa Leu kennt den Stand der Spekulationen.

Ein paar Tage lang tagten die Gremien, stritten die unterschiedlichen Parteiflügel, dann war klar: Die Deutschnationale Volkspartei, seit den Wahlen des Jahres 1924 zweitstärkste Fraktion im Reichstag und größte Regierungspartei im Kabinett von Reichskanzler Hans Luther, war nicht gewillt die Ergebnisse der Verhandlungen von Locarno mitzutragen und drohte offen mit dem Koalitionsbruch. Interessant an der Begründung dieses Schrittes ist die Tatsache, dass die deutschnationale Interpretation des Vertragstextes offensichtlich eher der französischen und britischen Lesart entsprach, als der offiziellen deutschen Sicht von Kanzler Luther und Außenminister Stresemann. So deuteten es jedenfalls am 26. Oktober 1925 die Altonaer Nachrichten, in die für uns Frank Riede schaut.