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Das Hodgkin-Lymphom zählt bei Menschen im Alter zwischen 15 und 35 Jahren zu den 5 häufigsten Krebsdiagnosen. Dank moderner Therapieansätze bestehen jedoch besonders bei früher Diagnose und raschem Therapiebeginn gute Heilungschancen. Dennoch bringt die Erkrankung – wie jede Krebserkrankung – sowohl psychische als auch physische Belastungen mit sich, die aus der Diagnose selbst wie auch aus der Behandlung resultieren. In der aktuellen Folge von O-Ton Onkologie beleuchten wir Morbus Hodgkin aus der Perspektive einer jungen Betroffenen. Das Hodgkin-Lymphom, auch Morbus Hodgkin oder umgangssprachlich Lymphdrüsenkrebs genannt, zählt gemeinsam mit dem Non-Hodgkin-Lymphom zu den malignen Lymphomen. Die genauen Ursachen sind bislang nicht abschließend geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass genetische Faktoren und Infektionen – insbesondere mit dem Epstein-Barr-Virus – eine Rolle spielen. In Deutschland erkranken jährlich etwa 2.400 Menschen an Morbus Hodgkin. Typisch ist das Auftreten in zwei Altersgipfeln: zwischen 15 und 30 Jahren sowie erneut bei Personen über 50 Jahren. Die 25-jährige Studentin Marlene erhielt im Jahr 2023 die Diagnose Hodgkin-Lymphom. Im Gespräch mit Dr. med. vet. Astrid Heinl schildert sie ihre Erfahrungen mit der Erkrankung und ihren Umgang damit. Sie berichtet wie ihr ihre Freundinnen und ihre Familie dabei geholfen haben diese schwere Zeit zu überstehen und wie sie es geschafft hat positiv zu bleiben. Zur Folgen-Übersicht: https://bit.ly/3NJPbAC Weiterführende Inhalte: SZ-Artikel über Marlene: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-krebsdiagnose-junger-mensch-aengste-zukunft-lux.2UEs7K4wGmbt2hJwzEjhmN?reduced=true Diese Podcast-Staffel wird ermöglicht durch Fortimel - medizinische Trinknahrung. Wir danken unserem Partner für die Unterstützung der Produktion dieses Audio-Formats. Unsere Sponsoring-Partner haben keinen Einfluss auf die Inhalte. Fortimel Trinknahrungen sind Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät). Zum Diätmanagement bei krankheitsbedingter Mangelernährung. Nur unter ärztlicher Aufsicht verwenden.
Inhaltswarnung: In dieser Folge wird über das Thema Suizid gesprochen. Unser Gast ist dieses Mal Dr. Katja Bonardi, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Beleuchtet werden die Schnittstellen der Zusammenarbeit zwischen Hausärzten/innen und Psychiater/innen. Katja Bonardi gibt einen Einblick in den Arbeitsalltag in ihrer psychiatrischen Praxis, erzählt von ihren Schwerpunkten und gibt Tipps zum Umgang mit psychischen Erkrankungen für Allgemeinmediziner/innen. Sie berichtet z.B., welche zentrale Rolle Hausärzte/innen bei der Diagnose und dem Therapiebeginn insbesondere der Depression spielen können und wie der Umgang mit Suizidalität aussehen kann. Darüber hinaus werden Prävention, einzelne Krankheitsbilder, Weiterbildungsmöglichkeiten und die eigene Resilienz thematisiert. Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass z.B. genannte Dosierungsempfehlungen immer nur dem aktuellen Wissensstand entsprechen und sich ändern können.
Bereits ihr Mann ist an Krebs gestorben. Nun hat Evi P. selbst die Diagnose erhalten: Mit 78 Jahren ist sie an Eierstockkrebs erkrankt und erhält nun eine Chemotherapie. Die Wahl der Therapie stellte – nur schon aufgrund ihres Alters – eine Herausforderung dar. «Ältere Patienten vertragen Chemotherapien, Bestrahlungen oder Operationen oft schlechter», erklärt Marcus Vetter vom Kantonsspital Baselland. Der Spezialist für Krebs im Alter setzt sich deshalb dafür ein, dass ältere Krebsbetroffene nicht einfach nach Schema X behandelt werden. In dieser Podcast-Folge erzählt er, welche Tests er bei älteren Patientinnen und Patienten vor Therapiebeginn durchführt, vor welchen Herausforderungen diese bei der Behandlung stehen und weshalb Forschung in diesem Bereich wichtig ist.
MS-Perspektive - der Multiple Sklerose Podcast mit Nele Handwerker
Prof. Dr. Mathias Mäurer erklärt, wie die MS funktioniert, wie man sie am besten unter Kontrolle bekommt und wie Therapietreue schützt. Hier geht es zum Blogbeitrag: https://ms-perspektive.de/therapietreue-bei-ms/ Willkommen zu Folge #132 vom MS-Perspektive-Podcast. Heute begrüße ich erneut Prof. Dr. Mathias Mäurer zu Gast im Interview. Wir sprechen über die Bedeutung der verlaufsmodifizierenden Therapie und wie wichtig es ist, seine Therapie auch langfristig so durchzuführen, wie es gedacht ist. Gerade im Social Media Bereich gibt es leider so einige Influencer, die zwar Patienten, aber eben keine Experten auf dem Gebiet der Behandlung von MS sind und Empfehlungen aussprechen, die wissenschaftlich betrachtet kompletter Unfug sind. Diese Folge soll helfen, wissenschaftlich basierte Fakten einfach verständlich zu erklären und Dir auf Deinem Weg mit der Erkrankung sinnvolle Tipps mitzugeben. Inhaltsverzeichnis Begrüßung Was passiert denn genau im Körper, wenn die MS aktiv ist? Wie viel von dieser Aktivität spürt man denn als Patient bewusst im schubförmigen Verlauf? Verkürzt die Kortison-Stoßtherapie vor allem die Dauer eines Schubes oder hat sie einen Einfluss auf die Langzeitprognose? Gibt es einen Unterschied was die Langzeitprognose angeht, bei der Blutwäsche? Können Sie bitte erklären, was man genau mit der verlaufsmodifizierenden Therapie erreichen will? Und wie sie wirkt? Was bedeutet denn genau Therapietreue? Welche medizinisch sinnvollen Gründe gibt es, eine verlaufsmodifizierende Therapie zu wechseln oder gar auszusetzen? Welche Therapieoptionen haben Frauen mit Kinderwunsch, die eine aktive MS haben? Was passiert denn, wenn ich eine aktive MS mit einer verlaufsmodifizierenden Therapie zum Stillstand gebracht habe und denke, jetzt ist alles gut und jetzt setze ich die Medikamente ab? Welche Risiken sind mit einem wiederholten Wechsel von Therapie und Therapieabbruch verbunden? Welcher Prognose sehen Menschen entgegen, die die MS mit, in Anführungsstrichen, nur einer gesunden Lebensweise eindämmen wollen? Wie sieht die Prognose von MS-Patienten aus, die eine wirksame Therapie nutzen, wo wirklich die Aktivität komplett unterdrückt wird, auch im subklinischen Bereich? Wie umkehrbar sind Spätfolgen, die sich im progredienten Verlauf der MS zeigen, nach aktuellem Stand der Forschung und Behandlungsoptionen? Sind Ihnen denn schon Patienten begegnet, die ihre frühere Entscheidung gegen verlaufsmodifizierende Medikamente bereut haben? Möchten Sie den Hörerinnen und Hörern noch was mit auf den Weg geben zum Schluss? Begrüßung Nele Handwerker: Hallo Herr Professor Mäurer, ich freue mich sehr, dass Sie da sind und heute den Hörerinnen und Hörern noch mal was zum Thema Therapietreue sagen. Muss ich nur Medikamente nehmen, wenn die MS aktiv ist? Danke, dass Sie sich so spontan Zeit genommen haben. Prof. Mathias Mäurer: Ja, sehr gerne, Frau Handwerker. Schön, dass ich mal wieder dabei sein darf. Und ich freue mich natürlich auf Ihre Fragen. Nele Handwerker: Wer Professor Mäurer nicht kennt, er hat einen Master of Health Business Administration, ist Chefarzt der Neurologie und neurologischen Frührehabilitation am Klinikum Würzburg Mitte, am Standort Juliusspital. Und ich hatte ihn schon mal zu Gast, In Folge 89 hat er sich ein kleines bisschen mehr vorgestellt. Hör gerne noch mal in die Folge rein. Aber kommen wir zu dem, worum es heute geht. Was passiert denn genau im Körper, wenn die MS aktiv ist? Prof. Mathias Mäurer: Ja, also letztlich ist der Schub ja an sich das, was die MS ausmacht. Den merkt der Patient und danach richtet sich natürlich so ein bisschen das, wie die MS bewertet wird. Aber im Endeffekt muss man natürlich sagen, was die MS wissenschaftlich ausmacht, ist die Attacke des Immunsystems auf das zentrale Nervensystem. Das kann nicht nur im Sinne von Schüben manchmal passieren, sondern wir haben generell eine entzündliche Aktivität, die wir teilweise nur im Kernspintomogramm sehen. Man kann ungefähr rechnen, dass auf einen klinischen Schub circa zehn Läsionen in der Kernspintomographie kommen. Das heißt, der Schub alleine ist jetzt kein unbedingt ausreichender Maßstab, um die Aktivitäten der MS zu bewerten, sondern meistens ist es die Kombination aus dem, was klinisch passiert, der Kernspintomographie und dem, wie sich der Patient fühlt. Da werden ja auch teilweise bei uns Screening Methoden gemacht wie die Gehstrecke, das Stäbchen stecken oder auch kognitive Tests, und Fatigue-Skalen, wo man insgesamt bewerten kann, wie aktiv die Erkrankung zum Zeitpunkt ist. Nele Handwerker: Hmm, okay. Genau dieses 1:10, das kannte ich auch. Das hatte mich damals auch ein bisschen schockiert, aber auch sofort davon überzeugt, dass ich besser was gegen die MS bei mir unternehmen sollte. Wie viel von dieser Aktivität spürt man denn als Patient bewusst im schubförmigen Verlauf? Nele Handwerker: Also Sie haben es jetzt schon im Prinzip gesagt und im verborgenen…. Prof. Mathias Mäurer: Ja, wobei ich, ich kann es gerne auch noch so ein bisschen spezifizieren. Es ist ja tatsächlich so, das zentrale Nervensystem ist groß. Gerade das Gehirn hat natürlich Regionen, wo es Stellen gibt, wo Sie Entzündungen haben können, ohne das jetzt direkt zu merken. Also Sie merken die Entzündung in der Regel meistens nur dann, wenn Sie einen Entzündungsherd in einer eloquenten Region haben. Unter eloquent verstehen wir Regionen, die wirklich klar einer Funktion zugeordnet sind. Also wenn Sie irgendwo in einer motorischen Bahn was haben, dann haben Sie eine Lähmung. Wenn Sie im Sehnerv was haben, sehen Sie nichts. Aber wenn das irgendwo im Parietallappen liegt oder irgendwo periventrikulär , dann müssen Sie nicht unbedingt von einer entzündlichen Aktivität was merken. Es gibt Theorien, dass man sagt, dass vielleicht die Fatigue sozusagen auch so eine Art, ja, Summenmarker für Entzündungsaktivität ist. Also wenn Patienten auch merken, sie fühlen sich irgendwie doch sehr leistungsgemindert, dass es unter Umständen auch ein Zeichen dafür sein kann, dass sich da irgendwas tut. Aber in der Regel können gerade Läsionen im Gehirn selber häufig stumm sein. Im Rückenmark merkt man sie eher, weil da viele wichtige Bahnen eng beieinander liegen. Aber im Gehirn selber ist es manchmal als Patient gar nicht wahrscheinlich, dass man merkt, was da passiert. Nele Handwerker: Passt genau zu dem, was ich erlebt habe, auch wenn mein einer Fall nicht statistisch relevant ist. Bevor ich mit einer Therapie begonnen habe, hatte ich mit der Fatigue total Probleme. Nachdem meine Therapie nach drei Monaten gegriffen hat, hat sich zum Glück alles zurückentwickelt. Da geht es auch so ein bisschen um die neurologische Reserve. Das Gehirn hat gewisse Kapazitäten zum Umbauen und wenn die aufgebraucht sind, rutscht man in den chronischen Verlauf. Prof. Mathias Mäurer: Genau, die Sache mit der neurologischen Reserve oder Brain Reserve, wie es auch genannt wird, in der Fachliteratur, das ist schon eine ganz, ganz wichtige Sache. Und das muss man sich eben auch vor Augen halten, dass man natürlich als junges Gehirn, und bei vielen MS-Patienten fängt die Erkrankung ja doch in sehr jungen Jahren an, eine extrem große Kompensationsreserve hat. Also man kann vieles was dann passiert, gerade in den jungen Jahren, einfach wegstecken. Und dadurch letztlich zwischen den Schüben überhaupt nichts merken. Man fühlt sich vielleicht bis auf die Fatigue relativ gesund. Es gibt aber sehr schöne Studien. Ich weiß nicht, ob ich die mal schildern darf. Das ist so funktionelle Kernspintomographie, wo man letztlich sehen kann, wie viel Hirn muss eigentlich jemand aktivieren, um eine bestimmte Aufgabe durchzuführen. Da gibt es sehr schöne Untersuchungen. Bei einem Gesunden, wenn der eine Bewegung macht, dass Finger so hin und her tappen, da wird im Prinzip nur der motorische Cortex und ein paar prämotorische Areale aktiviert. Wenn das gleiche ein MS-Patient macht und der muss überhaupt nicht irgendwie im Bereich der Handfunktion betroffen sein, das reicht, wenn es jemand war, der eine Sehnervenentzündung hatte und vielleicht ein paar entzündliche Flecken, dann sieht man, dass der für die selbe Motoraufgabe letztlich viel mehr Hirnsystem aktivieren muss. Das heißt, der nutzt schon viel mehr von seiner Reserve um das gleiche auszuführen. Ich vergleiche das immer mit so einem Motor, der letztlich viel, viel höher dreht als der Motor von einem Gesunden. Und genauso wie beim Auto, wenn Sie das lange machen, dann haben Sie irgendwann einen Motorschaden. Und das ist es, was bei der MS passieren kann. Wenn sie lange immer wieder ihre Kompensationsfähigkeit belasten, ist sie irgendwann aufgebraucht. Und in dem Moment merkt man die MS dauerhaft. Und das ist häufig, aber erst im mittleren Lebensalter der Fall. Sprich, derjenige, der die MS früh bekommt und seine Reserve aufbraucht, weil er halt sonst nichts machen möchte, der wird nach einer gewissen Zeit in Schwierigkeiten laufen. Jetzt ist mir auch ganz wichtig, ich möchte nicht mit Ketten rasseln, weil das immer ein bisschen doof ist, wenn man mit irgendwelchen Konsequenzen droht. Nicht jede MS ist gleich und das heißt nicht bei jedem, wenn er jetzt, sagen wir mal, therapeutisch komplett ablehnend ist, dass das gleich im Desaster landen muss. Aber es gibt halt, sagen wir mal, vielleicht so prozentual allenfalls 20 bis 30 %, die auch da Glück haben mit der Erkrankung. Bei der überwiegenden Mehrzahl läuft es halt doch so, wie ich es sage, ja, dass man eben unter Umständen in Probleme reinläuft, wenn man das System zu sehr stresst. Nele Handwerker: Und das ist dann schon arg, quasi Roulette spielen mit der eigenen Gesundheit. Jetzt kommen wir mal zur Kortison-Stoßtherapie. Ich habe oft genug von Leuten gehört, die denken, dass es ganz wichtig ist, super hilft, und auch die Langzeitprognose positiv beeinflusst. Verkürzt die Kortison-Stoßtherapie vor allem die Dauer eines Schubes oder hat sie einen Einfluss auf die Langzeitprognose? Prof. Mathias Mäurer: Es gibt keine verlässlichen Studien, die irgendwie zeigen, dass Kortison an der Langzeitprognose der Multiplen Sklerose was macht. Das hat sich nie in Studien wirklich beweisen lassen. Es ist noch nicht mal so, dass man jetzt unbedingt sagen kann, dass Kortison auch im Schub irgendwas macht. Es gibt sogar Arbeiten, also im Tiermodell, die zeigen, dass Kortison schädlich sein kann bei einer Opticus Novartis. Wir gehen davon aus, dass Kortison schon in der Lage ist, gerade hoch dosiert, bestimmte Entzündungszellen in den programmierten Zelltod zu schicken. Also dass die Entzündungszellen Selbstmord begehen, und dass dieser Selbstmord, relativ positiv ist für die Entwicklung des Schubes. Aber eben nur als Akutmaßnahme und sicherlich nicht als Langfrist-Maßnahme. Ich weiß, dass viele Patienten auf diese wiederholten Kortisonstöße schwören, gerade auch in späteren Krankheitsphasen. Das hat aber unter Umständen damit zu tun, dass Kortison auch ein bisschen euphorisierend wirkt, dass es anti-spastisch wirkt und dass es natürlich so einen doch kurzen Effekt hat, das man sich besser fühlt. Aber diese langfristigen Effekte, die manche auch propagieren, die sind wirklich nie bewiesen worden. Also man kann das Kortison, und das machen wir ja auch im akuten Schub, natürlich einsetzen und das ist auch eine wichtige therapeutische Maßnahme, aber für die Langzeitprognose der Erkrankung und für den Langzeitverlauf zählt eigentlich nur die immunmodulatorische Therapie und da zählt das Kortison gar nicht dazu. Weder als Hochdosis und schon gar nicht als orale Dauertherapie. Auch diese Meinung ist manchmal noch anzutreffen und da schlage ich immer die Hände über dem Kopf zusammen. Weil das, was wir bei der MS machen, das funktioniert ja auch nur bei diesen wirklich sehr, sehr hohen Dosen. Kortison niedrig dosiert, da nimmt man nur die Nebenwirkungen mit und hat eigentlich diesen Vorteil, dass man Entzündungszellen in den programmierten Zelltod schickt überhaupt nicht. Da braucht man Hochdosis-Konzepte dafür und nicht diese niedrig dosierten oralen Konzepte. Also ich würde ganz klar propagieren Kortison bitte aus der Liste der Langzeitprophylaxen komplett streichen. Das ist eine Schubtherapie. Nele Handwerker: Ja. So hatte ich es auch verstanden. Aber Ihre Erläuterungen dazu sind nochmal sehr wertvoll. Gibt es einen Unterschied was die Langzeitprognose angeht, bei der Blutwäsche? Nele Handwerker: Wenn man die vornimmt, ist da schon irgendwas klar? So lange wird die Blutwäsche ja noch nicht eingesetzt. Prof. Mathias Mäurer: Ja, also das ist gar nicht so einfach zu beantworten die Frage. Es gibt natürlich bestimmte MS-Pathologien, wo auch Antikörper eine Rolle spielen. Das kann man aber im Moment jetzt noch nicht unbedingt von außen festlegen. Deswegen ist es so, die Blutwäsche spielt dann eine Rolle, wenn die Kortisontherapie in einem Schub keine deutliche Verbesserung bringt. Das Schema ist ja so, dass man erst mal einen Kortisonstoß geben soll. Wenn das nicht zu einer Verbesserung führt, dann kann man so nach ein zwei Wochen entweder den Steroidschuss wiederholen oder alternativ die Blutwäsche einsetzen. Und wenn man da sehr gute Erfolge dann hat, dann ist es unter Umständen auch bei den nächsten Schüben sinnvoll man fängt gleich mit der Blutwäsche an, weil dann scheinbar die Antikörperpathologie im akuten Schub eine größere Rolle spielt als die T-Zell-Pathologie. Wahrscheinlich ist es bei jedem irgendwo eine Mischung sein. Aber vermutlich gibt es individuell Unterschiede, wie viel Anteil pathologische Antikörper im Schub haben, um eine Funktionsstörung hervorzurufen und wie viele Anteile die zelluläre Immunität hat. Das ist dann leider ein bisschen Versuch und Irrtum. Man kann nicht von außen vorhersagen, wer auf was besser anspricht. Deswegen ist es zumindest bei den ersten schweren Schüben immer Versuch und Irrtum. Aber da die Blutwäsche ein bisschen invasiver ist als die Kortisongabe, man braucht ja in der Regel einen sehr großvolumigen Katheter in der Jugularvene, das ist nicht so angenehm, wird man das nicht bei milder Schubsymptomatik machen. Das sind Maßnahmen, die für schwere Schübe mit Erblindung, mit schwerer motorischer Störung, mit einer schweren Gleichgewichtsstörung vorbehalten sind. Wenn es nur kribbelt, verzichtet man auf Blutwäsche. Das wissen vielleicht auch viele Zuhörer, so ein sensibler Schub, der kann manchmal hartnäckig sein und länger dauern, bis er wirklich komplett weggeht. Kortison ist k eine Garantie dafür, dass das Kribbeln weggeht. Da muss man manchmal ein bisschen Geduld haben. Denn wir müssen immer Nutzen und Risiko gegeneinander abwägen, auch in der Schubtherapie. Deswegen die Blutwäsche hat eine wichtige Bedeutung, vor allen Dingen eben bei schweren Schüben, wenn das mit dem Kortison nicht so klappt, wie man es sich wünscht. Nele Handwerker: Ja, so war es bei mir auch. Ich hatte vor Therapiebeginn einen Sensibilitätsschub. Da wurde nichts gemacht, sondern einfach gesagt, okay, jetzt bitte die verlaufsmodifizierende Therapie beginnen, weil beim Abwägen von Nutzen und Risiko, entschwieden wurde auf Kortison zu verzichten. Und die Blutwäsche habe ich zum Glück bisher noch nicht benötigt. Meine Therapie wirkt. Prof. Mathias Mäurer: Ja, das ist tatsächlich eine Methode, die eher seltener angewandt wird auf die Gesamtzahl von Schüben. Wie gesagt, die meisten Schübe der MS sind ja so, dass man sie unter Kontrolle kriegt. Und häufig haben sie nicht so ein ganz extremes Ausmaß. Nele Handwerker: Ja, zum Glück. Jetzt haben Sie schon die verlaufsmodifizierende Therapie angesprochen. Können Sie bitte erklären, was man genau mit der verlaufsmodifizierenden Therapie erreichen will? Und wie sie wirkt? Prof. Mathias Mäurer: Na ja, alle verlaufsmodifizierenden Therapien, also die ganze Palette von, ich glaube, jetzt mehr als 17 Medikamenten, die wir haben, sind Medikamente, die versuchen das Immunsystem ein wenig zu unterdrücken. Also MS ist ja eine Erkrankung, wo kein Immundefekt vorliegt, im Gegenteil, MS-Patienten haben eher ein Immunsystem, was ein bisschen zu gut funktioniert. Und alle diese Medikamente versuchen dieses etwas zu gut funktionieren wegzunehmen, die Spitzen wegzunehmen, und dennoch die normale Immunfunktion zu erhalten. Das Prinzip ist letztlich bei allen das Gleiche, das Immunsystem auf irgendeine Art und Weise zu beruhigen. Und da gibt es verschiedene Strategien. Unterschiedliche Wirkstoffklassen haben unterschiedliche Ansätze. Grundsätzlich ist es so, dass man versucht, diese Überaktivität des Immunsystems langfristig runterzufahren. Und das ist genau das, was dabei hilft, dass es nicht zu Attacken auf das zentrale Nervensystem kommt und das auch die subklinische Krankheitsaktivität unterbunden wird, die man vielleicht als Patient gar nicht merkt. Letztlich geht es langfristig darum, Entzündungsaktivität, egal ob das jetzt Schübe sind oder neue MRT-Läsionen möglichst effizient zu unterdrücken. Nele Handwerker: Und damit auch die neurologische Reserve zu schonen, damit es dann bitte nie in den chronischen Verlauf übergeht. Prof. Mathias Mäurer: Genau, Sie können jetzt nämlich eigentlich fragen, ja, was bringt mir das, wenn ich jetzt selten Schübe habe und vielleicht auch gar nicht so viele MRT-Läsionen, ist das dann wirklich sinnvoll, so was auch zu machen? Das Problem ist, dass wir mittlerweile ganz gut wissen, dass diese Entzündungseinwirkungen auf das Gehirn auch am Hirngewebe selber wahrscheinlich irgendeine Art von, ich sage mal, Sollwertverstellung macht. Also irgendwie wissen wir, dass wohl die ortständigen Entzündungszellen im Gehirn anfangen überzureagieren. Und dass es dann sogar unabhängig von Schüben, die ja von außen, also im peripheren Immunsystem getriggert werden, auch im Hirn selber eben gewisse Veränderungen des ortständigen Immunsystems gibt. Wir haben vor allen Mikrogliazellen im Verdacht, dass sind so ortständige antigenpräsentierende Zellen, Unterstützungszellen für Entzündungszellen, dass die anfangen so ein bisschen durchzudrehen. Und die drehen umso mehr durch, je mehr man letztlich auch Entzündungsreaktionen hat einwirken lassen. Man hat im Moment schon die Ahnung, dass das wahrscheinlich bereits mit Beginn der Erkrankung losgeht, diese Gefahr, dass man so eine, ja, wir nennen das Entzündung im Hirnkompartement selber bekommt. Deswegen bin ich ein Freund davon, auch wenn das sich am Anfang vielleicht harmlos anlässt, so eine MS, von Anfang an wirklich sehr, sehr konsequent zu therapieren, weil die Konsequenzen wahrscheinlich noch umfangreicher sind, als wir bisher gedacht hatten. Und der Nutzen, den man gerade früh erreichen kann, der scheint noch größer zu sein, als wir bisher gedacht haben. Ich bin wirklich dafür, von Anfang an Therapien zu empfehlen. Und dieses ‚Watch and Wait‘ ist nicht mein Ding, ja, weil ich einfach die MS doch als ernsthafte Bedrohung für die langfristige Gesundheit sehe. Nele Handwerker: Ich auch. Und diese Aufklärung, wie sie es gerade machen, ist mit ein Grund, warum ich diesen Podcast mache. Prof. Mathias Mäurer: Wie gesagt, am Anfang wird das alles gut weggesteckt. Am Anfang ist das kein Problem. Da tut man die paar Schübe, die paar Entzündungsläsionen mit seiner Hirnreserve relativ gut kompensieren, also ungeschehen machen. Aber man verbraucht natürlich einen Kredit. Und das halte ich für sehr gefährlich. Deswegen ist mein Ansatz, bei allem, sagen wir mal Verständnis, dass man natürlich als junger Mensch nicht unbedingt dauerhaft Medikamente nehmen will oder dass man auch Angst hat, sich da irgendwie zu belasten oder unnötige Nebenwirkungen einzukaufen, dass man eben nicht vergessen soll, dass dagegen durchaus eine Bedrohung von einer Erkrankung steht, die einem im Laufe des Lebens einfach Ärger machen kann. Und man ist ja nicht immer 20. Also ich kann es jetzt sagen, man möchte auch mit Mitte 50 noch ein gutes Leben haben. Und nicht unbedingt an irgendwelchen Symptomen leiden, auch wenn es nur Kleinigkeiten sind. Auch eine Blasenstörung kann einem das Leben vermiesen zu dem Zeitpunkt. Und wenn eine Chance hat, das zu unterdrücken, dann würde ich die nehmen und würde mich nicht auf irgendein Achtsamkeitsgeschwurbel einlassen, dass man auf die Therapie auch verzichten kann und dass man selber entscheiden kann. Natürlich kann man selber entscheiden, was man macht, aber bitte auf einer Wissensbasis entscheiden und nicht auf irgendeinem Blödsinn, der verbreitet wird. Oder was, was man sich vielleicht selber ausdenkt oder sich von irgendwelchen Influencern im Internet abgeguckt hat. Bitte mal die Fachliteratur lesen. Ich bin total liberal, wenn ich merke, der Patient hat sich sorgfältig informiert und trifft die Entscheidung wirklich auf einer informierten Basis. Da gehe ich mit. Weil letztlich jeder für sich selber entscheiden muss. Aber wo ich echt aggressiv werde ist, wenn man mir irgend so einen Scheiß erzählt, der überhaupt keinerlei Entsprechung hat in dem, was wir wissenschaftlich im Moment wissen. Irgendein Mist, der so mit Allgemeinplätzen und, ja, ich sag mal, Wellness-Blabla bestückt ist. Also da kann ich überhaupt nicht mit. Nele Handwerker: Ja, das habe ich ja auch schon zum Teil angesprochen. Es ist eine Sache, wenn man wissend, sehenden Auges da reinläuft und sagt, ich kann damit leben, dass ich irgendwann mal chronisch belastet sein könnte. Prof. Mathias Mäurer: Oder auch sagt, ich gehe das Risiko ein. Das ist in Ordnung. Aber nicht praktisch mit so einer kompletten Beschränktheit. Also dann erwarte ich schon, wenn man sagt, ich stehe für mich selber ein, dass ich mich dann auch anständig informiert habe. Und anständig informieren heißt eben auch nicht irgendeinem, sagen wir mal, Laien auf den Leim gehen, sondern sich wirklich bei denen informieren, die auch ein bisschen Ahnung haben von dem Thema. Nele Handwerker: Ja, übrigens, was Sie angesprochen haben, ist ja diese ‚Hit Hard and Early‘-Strategie. Für dich da draußen, falls du es noch nicht kennst. Dazu hatte ich eine Folge mit Professor Schwab aufgenommen. Er erklärt darin sehr schön, warum man zeitig mit einer hochwirksamen Therapie einsteigen sollte und das ganze Drumherum. Und ich hatte jetzt neulich erst von einem guten amerikanischen Podcast gehört, dass die eine Studie in Schweden durchgeführt wurde, wo Daten mit Dänemark verglichen wurden. Ähnliche Gesundheitssysteme und Rahmenbedingungen, und wer zeitig und stark einsteigt… Prof. Mathias Mäurer: Ja das ist eine sehr, sehr, sehr spannende Geschichte der skandinavischen Register, die sind ja sehr, sehr gut. Da wird jeder Patient auch sehr sorgfältig eingeschlossen, also die Datenqualität ist super. Und es ist tatsächlich so, dass die Schweden wesentlich aggressiver therapieren als der Rest von Europa. Die haben halt Rituximab für sich entdeckt, also so eine B-Zellen depletierende Therapie, die wird da auch staatlich unterstützt, dass man sie gibt. Und da ist ein sehr, sehr hoher Prozentsatz der schwedischen MS-Patienten, die Rituximab kriegen. Ich glaube, um die 34 %, wohingegen in Dänemark mit so einer Therapie nur in knapp 7 % der Fälle begonnen wird. Und wenn man die Dänen und die Schweden einfach so nebeneinander laufen lässt ge-machted, dann haben die Schweden ein wesentlich niedrigeres Progressionsrisiko als die Dänen. Und das ist echt eine gut gemachte Studie. Die finde ich auch von der Anzahl her gut. Es wurde eine hohe Anzahl an Patienten eingeschlossen. Bei anderen Studien gab es immer die Kritik, das sind viel zu wenig Patienten, die ihr da aus den Registern rauszieht, aber bei diesen beiden Registern, das sind schon so knapp 2000 Datensätze, die man miteinander vergleichen kann, das ist schon ein Wort. Und dementsprechend verhärtet sich die Theorie, dass eine konsequente Therapie gleich am Anfang wirklich Sinn macht. Was bedeutet denn genau Therapietreue? Prof. Mathias Mäurer: Ja, also sagen wir mal, man kann das wissenschaftlich als sogenannte Medikation Procession Rate ausdrücken. Praktisch bedeutet es, dass man einfach die eingenommene Medikation mit den Tagen abgleicht, wo sie hätte eingenommen werden sollen. Man sagt eine gute Therapietreue ist, wenn 80 % der Medikation genommen wurde. Mehr wäre wünschenswert, aber man weiß ja, wie das Leben so ist, dass man das nicht immer auf die Reihe kriegt ein Medikament regelmäßig zu nehmen. Und dementsprechend sind wir mit 80 % schon ganz zufrieden. Aber man weiß auch, wenn der Wert unter 80 % fällt, dann kriegt man nicht mehr die volle Wirkung des Medikamentes. Also Therapietreue ist schon ein ganz entscheidender Punkt, weil Medikamente, die nicht genommen werden können nicht wirken. Und natürlich ist es dann auch entscheidend, was habe ich für eine ‚Burden of Therapy‘, also eine Therapiebelastung habe. Die steht immer dagegen. Deswegen sind wir durchaus begeistert von Medikamenten, die nur relativ selten gegeben werden müssen. Wo man eventuell mit halbjährlichen Infusionen oder eben auch mit Tabletteneinnahmen zweimal im Jahr gute Ergebnisse erzielt. Denn da hat man meistens eine sehr hohe Adherenz. Ich bin mir manchmal nicht so sicher, ob Tysabri auch gerade deswegen so ein Knaller war als Medikament ist, weil es eben immer von Ärzten gegeben wurde. Schließlich hat man die Patienten somit immer voll unter Kontrolle. Und da war die Therapietreue natürlich wahnsinnig hoch. Wohingegen wir wissen, dass zum Beispiel Interferon, was ja auch unangenehm zu nehmen ist, manchmal nur so eine Medikation Possession Rate von um die 40 % hat. Und da können Sie natürlich die Wirkung vergessen. Also von daher Adhärenz, ist ganz wesentlich. Natürlich entdecke ich manchmal auch dieses Schema. Ich gehe immer davon aus, dass ein Patient sich bemüht, die Medikamenteneinnahme ganz gut zu machen. Dennoch frage ich auch immer nach, ob man es geschafft hat, das einzuhalten. Ich gehe gar nicht davon aus, dass das regelmäßig ist. Jemand, der mir sagt, ich habe es immer genommen, dem glaube ich sowieso nicht, weil das geht nicht. Geht mir auch selber so, ich versage schon bei Antibiotika, die regelmäßig einzunehmen, was ja wirklich wichtig ist und kurz. Von daher fragt man eher, wie viel haben Sie jetzt versäumt oder hat es ganz gut geklappt oder nicht? Und ja, das ist letztlich schon ein wesentlicher Punkt mit der Therapietreue, dass man verhindert, dass dann so Schemata aufkommen wie, ich nehme das nur, wenn es mir schlecht geht. Also wenn man so was entdeckt, dann muss man noch mal ernsthaft miteinander reden, dass das so nicht gedacht ist. Und man kann ja auch über alles reden. Wenn das Schema wirklich zu anstrengend ist für jemanden durchzusetzen, dann muss man schauen, was noch an Alternativen möglich ist. Es gibt ja durchaus die Möglichkeit zu einer individualisierten Therapie, eben weil wir so viele Präparate haben. Irgendwas wird man finden, was mit dem persönlichen Leben gut vereinbar ist. Aber dieses, ich mach das mal so zwischendurch, wenn es mir nicht so gut geht oder mal nach einem Schub, das geht am Ziel vorbei. Nele Handwerker: Ja, da bin ich doch froh, dass meine Eltern mir klare Linie beigebracht haben. Ich musste mein Medikament die ersten Jahre siebenmal die Woche spritzen, irgendwann wurde das Präparat angepasst und seitdem muss ich mir nur noch dreimal die Woche spritzen. Und ja, ich habe mir dann mal zum Geburtstag frei gegeben oder zu Weihnachten. Aber ansonsten, wenn es ging, nachgeholt. Prof. Mathias Mäurer: Da habe ich auch ganz hohen Respekt, wenn das jemand so durchzieht. Ich finde das schon bewundernswert und ich kann mir vorstellen, dass das schwierig ist. Deswegen, versuche ich meine Patienten immer zu ermuntern, dass sie klar sagen, was sie meinen zu schaffen und was eben nicht. Grundsätzlich ist das, wie wir eben besprochen haben, mit der Therapietreue eine ganz, ganz wesentliche Sache, um auch Therapieerfolge zu erzielen. Und ich finde, jeder Patient hat das Recht zu sagen, ja, das schaffe ich oder das schaffe ich nicht. Es macht ja keiner mir zuliebe. Davon sollte man sich lösen. Mir tut niemand einen Gefallen damit, wenn er seine Medikamente regelmäßig einnimmt. So erwachsen muss man sein, dass man sagt, das ist letztlich für mich. Ich bin nur dafür da, um zu helfen, wie man es möglichst optimal hinbekommt. Welche medizinisch sinnvollen Gründe gibt es, eine verlaufsmodifizierende Therapie zu wechseln oder gar auszusetzen? Nele Handwerker: Es gibt ja bestimmt welche, wo Sie sagen, das ist okay an der Stelle. Prof. Mathias Mäurer: Na ja, wir haben über den Convenience-Aspekt gesprochen. Da darf man natürlich wechseln. Man darf wechseln oder man soll sogar wechseln, wenn das Medikament nicht das macht, was es tun soll. Man darf natürlich auch wechseln, wenn irgendwie Nebenwirkungen nicht beherrschbar sind. Das sind alles Gründe. Und natürlich darf man auch das Absetzen mal ins Feld führen. Wir haben da auch von den Leitlinien schon eine klare Vorstellung, wo man sagen kann, hier kann ich auf ein Medikament verzichten. Also wenn tatsächlich jemand über Jahrzehnte mit einer Basistherapie komplett stabil war und auch nach den initialen Schüben nichts mehr gekommen ist, kann man selbstverständlich auch mit dem Patienten, wenn es dann schon ein höheres Lebensalter ist, über 45, besprechen, dass man es absetzt. Es gibt die Leitlinien die sagen, nach fünf Jahren mit einer moderat wirksamen Therapie kann man darüber sprechen. Ich habe viele gesehen, die dann doch wieder Schübe bekommen haben. Von daher, bin ich da etwas vorsichtiger, auch bei den moderat wirksamen und würde sagen, eigentlich sollte man vor dem 45. Lebensjahr die Diskussion nicht unbedingt beginnen. Aber wenn es in diese Altersklasse geht und die MS war lange stabil und es war jetzt auch keine allzu schwere Verlaufsform, dann kann man darüber reden. Ein bisschen anders ist es bei den hochaktiven Patienten, die von Anfang an eine sehr hohe Krankheitlast gehabt haben, die man nur mit sehr hochwirksamen Medikamenten still bekommt. Da wäre ich insgesamt sehr, sehr zurückhaltend überhaupt abzusetzen, weil das häufig in die Hose geht. Letztlich muss man sich ja auch vor Augen halten, wenn so eine MS stabil ist, die einen als chronische Erkrankung begleitet über zumindest das mittlere Lebensalter, dann hat man genau das erreicht, was man will. Und dann ist das Absetzen zwar ein verständlicher Wunsch, aber eigentlich hat man wahrscheinlich nur durch das Medikament diese Situation erreicht und dementsprechend sollte man es beibehalten. Also ich bin immer so ein bisschen zurückhaltend, aber klar, man kann auch Absetzen besprechen unter bestimmten Voraussetzungen. Nele Handwerker: Also ich kann dazu nur sagen, bei mir war die MS auch lange stabil und ich nutze quasi Medikamentenklasse 1, Basismedikation. In der Schwangerschaft habe ich anderthalb Jahre ausgesetzt und ich hatte nach der Geburt auch eine kleine sensitive Störung und habe meine Therapie dann wieder fortgesetzt. Nun habe ich noch nicht die 45 erreicht. Dreieinhalb Jahre habe ich noch bis dahin. Aber ich persönlich rechne im Moment auch damit, dass ich das bis an mein Lebensende nehme. Und hoffe dann darauf, dass ich dank funktionierender Therapie und gesunder Lebensweise mit 80 Jahren fitter bin als meine Klassenkameraden, die über die Stränge geschlagen haben. Das ist meine Hoffnung. Welche Therapieoptionen haben Frauen mit Kinderwunsch, die eine aktive MS haben? Nele Handwerker: Denn da kenne ich mich wirklich nicht aus. Gibt es da Möglichkeiten von den hochwirksamen Medikamenten oder macht es Sinn zumindest auf eine weniger wirksame Therapie zu wechseln? Wie verträgt sich das? Prof. Mathias Mäurer: Genau, man muss da ein bisschen unterscheiden. Also in der Regel ist es so, man sollte stabil in eine Schwangerschaft reingehen, weil man weiß, da ist eine ganz gute Korrelation zwischen der Schubhäufigkeit vor Beginn der Schwangerschaft und dem, was man nach Entbindung zu erwarten hat, wo ja manchmal die Schubhäufigkeit auch etwas steigt. Also wenn man stabil reingeht, ist die Chance, dass man auch stabil rauskommt aus der Schwangerschaft ziemlich gut. Und jetzt muss man unterscheiden, es gibt ja wie gesagt auch moderate MS-Formen, die jetzt gar nicht so eine hohe Entzündungsaktivität haben. Bei denen ist die Schwangerschaft meistens auch ausreichend, um die Medikation zu ersetzen, weil die Schwangerschaft per se ja auch ein bisschen immunsublimierend wirkt. Man muss ja das Kind tolerieren, was ja zur Hälfte vom Vater ist, deswegen reguliert sich das Immunsystem selber runter. Und das führt auch dazu, dass man eben mit zunehmender Schwangerschaft immer weniger Schübe bekommt. Man holt das dann zwar statistisch wieder auf in der Perinatalphase. Aber grundsätzlich, wenn man eine moderate MS hat, kann man eigentlich bis zum Eintritt der Schwangerschaft so ein Medikament nehmen und dann setzen es viele ab und das funktioniert mit der Schwangerschaft ganz gut. Ein bisschen anders ist es, wenn man eine sehr hoch aktive MS hat, die nur mit hoch aktiven Medikamenten stabil ist. Zum Beispiel die Frauen, die unter Tysabri sind, das sind ja meistens Frauen, die eine sehr hochaktive MS haben, denen empfehlen wir heutzutage, das Tysabri auch über die Schwangerschaft zu nehmen. Nur kurz vor Entbindung sollte es abgesetzt werden, um danach gleich wieder zu starten. Auch bei Therapien wie Ocrelizumab, die alle halbe Jahr gegeben werden, kann man eigentlich die Schwangerschaft ganz gut mit den Infusionen planen. Man kann letztlich die Schutzwirkung, die man durch diese zyklischen Infusionen hat, so ausnutzen, dass man auch in der Schwangerschaft noch ganz gut protegiert ist. Auch da haben wir mittlerweile ganz gute Konzepte. Nele Handwerker: Super. Schön. Prof. Mathias Mäurer: Deswegen einfach den Neurologen fragen, wie man da in der individuellen Phase mit Kinderwunsch verfahren kann. Aber unsere Maßgabe ist, wir wollen natürlich jeder Frau, auch mit MS, eine ganz normale Schwangerschaft ermöglichen und natürlich auch ihren Kinderwunsch absolut realisieren lassen. Das war ja früher furchtbar mit den ganzen Verboten, die es da gab. Und ich möchte nicht wissen, wie viele Schicksale da zerstört worden sind mit komplett falschen Empfehlungen. Wir versuchen heute alles möglich zu machen, aber man sollte halt vorher drüber sprechen, wie man das am besten realisiert. Nele Handwerker: Okay, super. Das heißt, es gibt Medikamente, die kann man nehmen. Das finde ich sehr schön. Was passiert denn, wenn ich eine aktive MS mit einer verlaufsmodifizierenden Therapie zum Stillstand gebracht habe und denke, jetzt ist alles gut und jetzt setze ich die Medikamente ab? Nele Handwerker: Das lese ich leider immer mal wieder, auch bei Social Media. So nach dem Motto, jetzt ist es super und jetzt kann ich endlich wieder auf diese, in Anführungsstrichen, bösen Medikamente verzichten. Prof. Mathias Mäurer: Na ja, die Krankheitsaktivität wird wiederkommen. Das kann, wie gesagt, bei einer moderaten MS auch klappen, dass man nicht unbedingt sofort irgendwas bekommt oder dass es lange dauert. Obwohl, wenn man so in Studien guckt, auch Absetzstudien mit Interferonen, merkt man schon, dass eben die Gruppe, die abgesetzt hat, schlechter läuft. Also zumindest im statistischen Mittel. Im Einzelfall kann es natürlich klappen, genauso wie es im Einzelfall auch ziemlich in die Hose gehen kann. mit Einzelfällen kann man sowieso nichts entscheiden. Es wird immer jemanden geben, der sagt, bei mir hat das ganz gut geklappt, aber das kann man eben nicht auf die Allgemeinheit ausrollen. Wenn man aber eine hochaktive Therapie oder eine hochwirksame Therapie stoppt, da kann man ziemlich auf die Nase fallen. An der Stelle sei gesagt, zum Beispiel Patientinnen, die auf Fingolimod sind oder auf den S1P-Modulatoren, wenn die absetzen, die machen halt gerne mal einen Rebound, also das er dann so richtig zuschlägt der Schub. Auch bei Tysabri hat man häufig eine Wiederkehr der Krankheitsaktivität und Rebound-Phänomene. Das Absetzen sollte man in der Tat mit seinem Neurologen sehr gut besprechen und zusammen durchsprechen, wie das persönliche Risiko ist, zumindest statistisch, wenn ich jetzt das Medikament weglasse? Wie gesagt, ich habe teilweise auch diese Beiträge im Internet gesehen. Da gruselt es mir natürlich ein bisschen. Das sind einfach ziemlich dämliche Empfehlungen. Welche Risiken sind mit einem wiederholten Wechsel von Therapie und Therapieabbruch verbunden? Nele Handwerker: Also ich mache jetzt Therapie, weil ich einen Schub hatte und sobald die Aktivität gestoppt ist, höre ich wieder auf damit. Anstatt dankbar zu sein und das weiter zu nutzen, höre ich auf und spiele dieses Ping Pong Spiel. Prof. Mathias Mäurer: Na ja, zum einen gibt es tatsächlich Medikamente, dazu gehören die S1P-Modulatoren, so First Dose Effekte. Das heißt, man bringt sich dann natürlich mit so einem On/Off-Schema auch immer wieder in eine blöde Situation, weil man halt diese First Dose Effekte als Nebenwirkung mitnimmt. Das ist nicht besonders klug bei solchen Medikamenten. Dann ist es natürlich auch so, Medikamente müssen sich auf ein gewisses Steady State einpendeln. Die meisten Basismedikamente zum Beispiel, die brauchen eine gewisse Zeit, bis sie die volle Wirksamkeit entfalten. Also wenn man diese Medikamente drei Monate nimmt, dann absetzt, dann irgendwann mal wieder drei Monate nimmt, dann wird man nie den Effekt haben, den man eigentlich versprochen bekommt durch das Medikament. Deswegen sollte man es so nehmen, wie es auch im Beipackzettel drinsteht. Das haben wir ja am Anfang schon durchgegangen, es geht um eine Art Prophylaxe. Das ist nichts, was die akute Entzündung bremst. Sondern diese Medikamente sind dafür da, um für die Zukunft weniger Entzündungslast auf das Hirn einwirken zu lassen. Das heißt, diese Medikamente sind wie eine Versicherung. Ist ja auch nicht so, dass sie ständig Ihre Reiseversicherung kündigen, wenn sie mal gerade nicht im Urlaub sind. Das macht man ja auch nicht. Man lässt sie weiterlaufen. Und so muss man das auch bei den MS-Medikamenten betrachten. Das ist eine Art Versicherung, die lässt man einfach laufen und freut sich, wenn das gut funktioniert. Und wenn es nicht gut funktioniert, dann kann man nach Alternativen suchen. Und nicht funktionieren können eine mangelnde Wirksamkeit oder zu viele Nebenwirkungen sein. Aber eben keine, aus meiner Sicht, eigenen Ideen verwirklichen. Nele Handwerker: Ja, das bitte für den kreativen Bereich lassen, nicht für die medizinische Behandlung. Prof. Mathias Mäurer: Genau. Nicht kreativ werden mit den Medikamenten. Also, das sage ich auch ärztlichen Kollegen. Das ist auch manchmal so der Fall, dass man sich dann irgendwelche Schemata ausdenkt. Bitte nicht. Welcher Prognose sehen Menschen entgegen, die die MS mit, in Anführungsstrichen, nur einer gesunden Lebensweise eindämmen wollen? Prof. Mathias Mäurer: Ich glaube, das wird nicht funktionieren. Also ich habe überhaupt nichts gegen natürlich diese supportiven Konzepte, gesunde Lebensweise, Achtsamkeit, viel Sport, auch wegen mir, alles mögliche Komplementäre, wenn es guttut, geschenkt. Aber bitte immer als zusätzliches Konzept. Die Basistherapie für jede MS ist, dass man das Immunsystem in seiner Wirksamkeit bremst, in seiner Auswirkung. Und dem Immunsystem ist ziemlich egal, wie sie sich ernähren. Also das ist vielleicht jetzt ein bisschen vollmundig ausgedrückt. Es gibt natürlich schon so gewisse Ideen, was jetzt dem Immunsystem besser und schlechter gefällt, aber sie brauchen da keine speziellen Diäten. Es reicht einfach, wenn man gesunden Menschenverstand walten lässt und eigentlich den Gesundheitsempfehlungen folgt, die eigentlich für alles gelten, wenn man im Leben gut zurechtkommen will. Das ist auch als MS-Patient absolut ausreichend. Aber wie gesagt, wenn jemand Spaß an bestimmten Diäten hat, Spaß an bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln, solange es nicht gefährlich ist, ist das von meiner Seite aus kein Problem. Aber wie gesagt, bitte mit einer vernünftigen Immuntherapie, angepasst an den Schweregrad der Erkrankung. Nele Handwerker: Und eine gegensätzliche Frage: Wie sieht die Prognose von MS-Patienten aus, die eine wirksame Therapie nutzen, wo wirklich die Aktivität komplett unterdrückt wird, auch im subklinischen Bereich? Nele Handwerker: Wo auch die MRTs, keine Aktivität zeigen, möglichst noch ergänzt durch einen gesunden Lebenswandel. Prof. Mathias Mäurer: Ich glaube, dass es denen langfristig wahrscheinlich besser gehen wird. Ich meine auch das kann man jetzt individuell nicht für jeden sagen, weil es gibt in der Tat auch wirklich schon sehr, sehr aggressive Verläufe, wo man auch manchmal der Erkrankung bei bestem Willen auch als Arzt so ein bisschen hinterherläuft. Aber ich sage mal, mit einer normalen MS, die vernünftig behandelt ist, erzielen wir schon heute doch ganz gute Verläufe. Wenn ich mir zum Beispiel jetzt Daten angucke, was die Transition in diese sekundär chronisch progrediente Erkrankungsphase angeht, da gibt es ja noch diese alten Daten, die auch noch in den alten Lehrbüchern drinstehen und meistens auch in irgendwelchen Ratgebern, dass so nach zehn Jahren doch 50 % eben eine sekundäre, chronisch progrediente Verlaufsform auch in Kauf nehmen müssen. Also die letzten Daten, die ich gesehen habe, die das systematisch ausgewertet haben, also nach der Ära der Immunmodulatoren, die ist mittlerweile schon weit unter 20 %. Und wenn man hochwirksame Therapien anguckt, kann man sogar das noch weiter drücken, sogar in den einstelligen Bereich. Und die Studie, die Sie eben angesprochen haben, Dänemark/Schweden, die zeigt ja auch, dass man letztlich Progression durch eine frühe, konsequente Therapie ganz gut verhindern kann. Und dann gibt es auch noch einige Registerauswertungen, die zeigen, dass es von Vorteil ist, je früher man anfängt mit der Therapie, desto weniger wahrscheinlich eben den Übergang auch in so progressive Phasen zu erleben. Es gibt schon einige, wirklich gut gemachte Daten, die zeigen, dass das vernünftig ist da auch was zu machen. Noch mal, im Endeffekt ist es natürlich immer die eigene Entscheidung. Und wenn die eigene Entscheidung auf der Basis von Wissen und Evidenz getroffen ist, ist das alles in Ordnung. Ich würde dann zwar auch versuchen, dagegen zu argumentieren. Aber da kann ich gut mit umgehen, wenn ich jemanden gegenüber habe, der mir letztlich evidenzbasiert versichert, dass er das verstanden hat, wie MS funktioniert. Wo ich aber, wie gesagt, gar nicht mit kann, das ist mit irgend so einem Geschwurbel, wo ich merke, da hat sich eigentlich niemand die Mühe gemacht, sich mal damit auseinanderzusetzen, was das eigentlich bedeutet und dass das eben doch eine chronische Erkrankung ist, die auch nicht zwischen den Schüben weg ist. Sondern die ist da und die ist auch bei den meisten aktiv da und es lohnt sich, diese Aktivität auch langfristig gesehen zu unterdrücken. Wie umkehrbar sind Spätfolgen, die sich im progredienten Verlauf der MS zeigen, nach aktuellem Stand der Forschung und Behandlungsoptionen? Nele Handwerker: Vielleicht gibt es ja irgendwelche Leute, die denken, ach und dann erfindet die Forschung was in zehn Jahren und dann kann das alles wieder rückgängig gemacht werden, mein Gehirn wird wieder größer, alles wird wieder toller. Und ich kann hüpfen wie ein Kind. Prof. Mathias Mäurer: Da wird natürlich dran gearbeitet und das ist auch eine große Hoffnung. Das wünschen sich ja viele, dass man die Sache wieder reparieren kann. Irgendwelche Remyelinisierungsstrategien oder auch Neuroprotection oder vielleicht sogar auch ein Wiederaufbau mit Stammzellen oder so. Klar, da wird dran geforscht. Nur da muss man ganz klar sagen, das ist noch so weit weg von einer klinischen Realität, dass ich da nicht drauf warten würde. Da geht nämlich viel Zeit ins Land. Also natürlich ist das mal ein Ziel, dass man eben auch denjenigen helfen kann, die durch die Erkrankung ernst zu nehmende Symptome bekommen haben. Aber im Moment können wir das nicht zurückdrehen. Was passiert ist, ist häufig dann auch fixiert. Man kann das zwar durch Reha auch kompensieren, das Gehirn ist ja wirklich sehr leistungsfähig, auch sogar in späteren Phasen der Erkrankung kann man da noch viel durch Kompensation erledigen. Aber man wird bestimmte Dinge nicht zurückdrehen können oder hat auch noch keine Möglichkeiten in der Hand, das zurückzudrehen. Das erfolgreichste Konzept ist in der Tat eben die frühe entzündungshemmende Therapie. Das ist das, wo wir eigentlich doch in den letzten Jahren gesehen haben, das hat eine ganze Menge Fortschritt gebracht bei der Erkrankung. Nele Handwerker: Jetzt sind Sie schon eine Weile MS-Spezialist. Sind Ihnen denn schon Patienten begegnet, die ihre frühere Entscheidung gegen verlaufsmodifizierende Medikamente bereut haben? Prof. Mathias Mäurer: Ich mache das jetzt seit fast 25 Jahren, dass ich in der MS-Ambulanz arbeite und ich habe wahrscheinlich schon mehrere 1000 Patienten gesehen. Ich bin niemand, der zurück guckt. Natürlich denkt man sich manchmal, Mensch, das hätten wir besser machen können oder hätten wir irgendwie ein bisschen früher begonnen. Aber das interessiert mich eigentlich in so einer Situation nicht mehr. Ich nehme jeden so, wie er kommt und versuche das Beste rauszuholen. Dieser Blick zurück, der ist sowohl von Arztseite Schwachsinn als auch von Patientenseite. Sie können es ja nicht mehr ändern. Der Blick muss immer nach vorne gehen und da muss man die Situation so nehmen, wie sie zu dem Zeitpunkt ist. Ich bin auch der Meinung, man kann, egal zu welchem Zeitpunkt und in welcher Phase immer irgendwas rausholen. Sei es durch Reha, sei es durch symptomatische Therapie und natürlich auch wenn in frühen Phasen vielleicht dieser Sinneswandel passiert dann auch noch durch eine gut gewählte Immunmodulation. Ich sage mal so, ich habe noch keinen MS-Patienten erlebt, der, wenn er sich auf das eingelassen hat und nicht so ein Grundmisstrauen gegen uns als Mediziner mitbringt, der nicht verstanden hat, was wir ihm damit sagen wollen und der dann auch selber sagt, ja, das sehe ich irgendwo ein, das überzeugt mich. Häufig ist es tatsächlich diese Situation, wenn man sich überhaupt nicht auf unsere Sichtweise der Dinge einlässt, sondern nur stur auf auf seinem Modell beharrt, das man dann wahrscheinlich falsche Berater hat, denen man eben mehr vertraut als den Profis. Nele Handwerker: Vielen Dank, war ein tolles Interview. Möchten Sie den Hörerinnen und Hörern noch was mit auf den Weg geben zum Schluss? Prof. Mathias Mäurer: Ich sage mal so: Bleiben Sie in dem, was Sie tun entspannt, aber nicht so entspannt, dass Sie den Kopf in den Sand stecken und denjenigen hinterherlaufen, die Ihnen das Blaue vom Himmel herunter versprechen. Die Erkrankung ist saublöd und letztlich erfordert das auch, dass man sich damit auseinandersetzt und teilweise in manche saure Äpfel beißt oder manche Kröten schlucken muss. Aber irgendwelchen falschen Propheten hinterherzulaufen mit Heilversprechen, das ist auf lange Sicht nicht gut. Nele Handwerker: Ein sehr gutes Schlusswort. Prof. Mathias Mäurer: Ja, das würde ich mitgeben. Nele Handwerker: Vielen, vielen Dank, Herr Professor Mäurer, das war ein tolles Interview. Ich freue mich und ich hoffe, ich darf Sie noch mal irgendwann zu einem schönen Thema einladen. Nochmals danke. Prof. Mathias Mäurer: Immer gerne. Hat mich auch gefreut. Und auch an alle Hörer und Leser noch einen schönen Tag. Nele Handwerker: Tschüss. Prof. Mathias Mäurer: Tschüss. ++++++++++++++++++++ Ich wünsche Dir bestmögliche Gesundheit, Nele Mehr Informationen rund um das Thema MS erhältst du in meinem kostenlosen MS-Letter. Hier findest Du eine Übersicht über alle bisherigen Podcastfolgen.
Um warm zu werden, sprechen wir ein wenig über unsere Essgewohnheiten. Dabei decken wir nicht nur schlechte Angewohnheiten auf, die wir haben, wenn es uns nicht gut geht oder wird nicht genug Kraft haben, um uns um uns zu kümmern. Wir kommen sogar auf einen guten Tipp, sich selbst dabei zu unterstützen, besser oder regelmäßiger zu frühstücken. In der vergangenen Woche hatte Daniel zu dem das lang angekündigte zweite "Bewerbungsgespräch" für seine Gruppentherapie. Hier wird nun endlich über genaue Details berichtet. Wir erfahren mehr über den Umfang und den Inhalt des Ganzen und hören, was nun die nächsten Schritte bis zum Therapiebeginn sind.
Auch im neuen Jahr hält der consilium – Pädiatrie-Podcast wieder spannende und praxisrelevante Themen für Sie bereit. Die Praxisrelevanz musste in dieser Folge zu Psoriasis allerdings erst einmal klargestellt werden. Gastgeber Dr. Axel Enninger hinterfragt, ob sich Kinder- und Jugendärzte den Podcast überhaupt anhören sollten: Das Thema Schuppenflechte „ist doch so selten“. Gesprächspartner Prof. Peter Höger vom Wilhelmstift in Hamburg widerspricht als eingeladener Dermatologe vehement. „Die Schuppenflechte wird sowohl in ihrer Häufigkeit als auch manchmal in ihrem Schweregrad unterschätzt.“ Sie sei mitnichten nur eine Erkrankung des älteren Erwachsenen. Die Wahrscheinlichkeit, an ihr zu erkranken, steige von der Geburt jährlich um 0,1 % bis hin zu immerhin 1,2 % bei den Adoleszenten. Ärztinnen und Ärzte haben es bei der Psoriasis mit der zweithäufigsten chronisch-entzündlichen Hauterkrankung nach dem atopischen Ekzem zu tun. Die Fakten überzeugen! Hören Sie in diesem spannenden Podcast… …wer prädisponiert ist, an einer Psoriasis zu erkranken (3:30) …welche speziellen Triggerfaktoren bei Kindern eine Psoriasis hervorrufen können (4:27) …was das menschliche Fettgewebe mit Psoriasis zu tun hat (7:33) … wie sich das Bild einer Psoriasis von einer Windeldermatitis unterscheidet (12:05) …in welchem zeitlichen Zusammenhang Gelenkbeteiligungen auftreten können (13:23) … wie sich das Phänomen des letzten Häutchens bei der Diagnostik klinisch darstellt (15:23) … warum Handybilder allein keine ausreichende Diagnostik ermöglichen (22:09) …was bei Therapiebeginn das „topische Basic“ ist (30:19) …was die Körperoberflächenregel besagt (37:15) …wie der PASI-Score als Richtlinie für eine systemische Therapie eingesetzt wird (40:22) …welches das Mittel der ersten Wahl für die immunmodulatorische Therapie ist (43:10) …welchen Stellenwert die Lichttherapie noch hat (47:30) … die Do‘s“- und die „Don‘ts“-Botschaften von Prof. Höger (53:09) Weiterführende Links: PASI-Score:https://www.psonet.de/wp-content/uploads/downloads/2012/07/2008-Psoriasis-Area-and-Severity-Index-PASI-Score.pdf eDLQI: https://www.dermatools.net/eDLQI.html CDLQI: https://www.cardiff.ac.uk/medicine/resources/quality-of-life-questionnaires/childrens-dermatology-life-quality-index Leitlinie “Psoriasis im Kinder- und Jugendlichenalter“ (in Überarbeitung): https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/013-094.html Weitere Referenzen: Höger, Kinderdermatologie. Stuttgart: Thieme-Verlag, 4. Aufl. 2022 (erschienen Dezember 2021) Höger, Hamm, consilium-Themenheft „Psoriasis im Kinder- und Jugendalter“, 01/2022: https://www.infectopharm.com/consilium Kontakte: Feedback zum Podcast? consilium@infectopharm.com Homepage zum Podcast: www.infectopharm.com/consilium/podcast/ Homepage InfectoPharm: www.infectopharm.com Disclaimer: Der consilium – Pädiatrie-Podcast dient der neutralen medizinischen Information und Fortbildung für Ärzte. Für die Inhalte sind der Moderator und die Gäste verantwortlich, sie unterliegen dem wissenschaftlichen Wandel des Faches. Änderungen sind vorbehalten.
MS-Perspektive - der Multiple Sklerose Podcast mit Nele Handwerker
Was ist das Wichtigste beim Spritzen? Das die Therapie wirkt und zum Stillstand der MS bei dir führt. Das heißt: Keine Schübe Keine neuen Läsionen im Gehirn Des Weiteren solltest du keine gefährlichen Nebenwirkungen haben. Mit unangenehmen Nebenwirkungen, wie verhärteten Hautstellen, unschönen Knubbeln oder gelegentlichen Flushs kann man leben. Wichtig ist, dass die Krankheit gestoppt wird. Nach einer Gewöhnungsphase von mehreren Wochen oder auch Monaten werden die Nebenwirkungen meist geringer. Das liegt daran, dass sich dein Körper an das Spritzen und Medikament gewöhnt hat und du weißt, was dir gegen die Nebenwirkungen hilft. Stell dir als Bild einen LKW vor, der 40 Tonnen geladen hat und der auf einmal jeden Tag, oder wie auch immer dein Spritzenintervall ist, an Deinem Haus vorbei fährt. Am Anfang fallen vielleicht ein paar Tassen aus dem Schrank. Es scheppert furchtbar laut und Du kriegst einen Riesenschreck. Doch wenn der Laster von nun an immer zu einer bestimmten Uhrzeit kommt, dann findest du deine Strategien. Vielleicht legst Du Servietten zwischen die Teller und unter die Tassen, damit es nicht so laut scheppert. Oder Du hörst deine Lieblingsmusik. Eventuell schaust du Dir den Laster und seine Ladung auch genau an und findest es ganz spannend. In jedem Fall wirst du nach mehreren Wochen viel souveräner damit umgehen und dich an den Laster gewöhnt haben. Wirksamkeit der Spritzen mit der Zeit Ein neues Medikament, wie die verlaufsmodifizierende Therapie, braucht eine gewisse Zeit, bis sie dich gut schützen kann. Stell dir dein Immunsystem und die Fehlleitung bei Multipler Sklerose so vor wie ein großes Containerschiff, dass über die Ozeane fährt. Wenn Du beginnst am Steuerrad zu drehen, dauert es bestimmt ein oder zwei Kilometer bis es auf neuem Kurs ist. Genauso brauchen manche Therapien erst etwas Zeit bis sie wirken. Wie lange oder kurz das ist, kann dir dein Neurologe sagen. Und nach einem zum Medikament passenden Zeitraum wird es gewiss einen Check geben, ob die Therapie anschlägt wie erhofft. Sei es mit einer MRT oder anderen Tests. Falls die Therapie nicht anschlägt, solltest du unbedingt die Therapie wechseln. So lautet die aktuelle Empfehlung, die auf der Auswertung vieler Studien und langjährigen Erfahrungen basiert. Nach neuesten Empfehlungen der Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Multiplen Sklerose vom Februar 2021 soll bei einer hochaktiven MS auf ein Medikament aus Kategorie 2 oder 3 gewechselt werden. Stufe eins ist für einen milden Verlauf. Stufe zwei und drei für aktive Verläufe der MS. Wie wird eine hochaktive MS definiert: Schwere Schübe mit ungenügender Rückbildung Häufige Schübe im ersten Jahr Viele Läsionen in der MRT Bleibende Behinderung bereits im ersten Jahr Bringt die verlaufsmodifizierende Therapie die Multiple Sklerose bei Dir zum Stillstand, aber du erträgst die Nebenwirkungen gar nicht? Dann sprich bitte mit deinem Neurologen. Gemeinsam könnt ihr überlegen, welches andere Medikament aus der gleichen Wirksamkeitskategorie besser zu dir passt. In der neuen Leitlinie zur Behandlung der MS vom Februar 2021 wird auch geschrieben, dass man bei längerem Stillstand der Krankheit unter Therapie eine Therapiepause ausprobieren kann. Dann ist es jedoch umso wichtiger engmaschig zu kontrollieren, ob die Aktivität nicht wieder aufflammt. Ich hatte in den 1,5 Jahren Therapiepause, aufgrund der Schwangerschaft und Stillzeit einen kleinen Schub, der mir zwei empfindungsgestörte Zehen im rechten Fuß beschert hat. Das ist nicht schön und beeinträchtig mich zwar nicht, ist dennoch sehr unangenehm. Und mir ist seitdem klar, dass ich wohl vorerst für immer ein verlaufsmodifizierendes Medikament benötige. Tipps beim Spritzen Wenn du dich subkutan spritzt, muss das Medikament ins Fett- und Bindegewebe unter der Haut, auch Unterhautfettgewebe genannt. Kommt der Wirkstoff zu nah an der Oberfläche an, nehmen die Hautreaktionen zu. Denn die großen Makrophagen, die den Wirkstoff verstoffwechseln, müssen sich dann durch engere Strukturen quetschen. Und das aufstemmen, dieser Strukturen führt zu Rötungen, Verhärtungen, Schwellungen und Schmerzen. Wenn du Probleme mit Hautreaktionen hast, dann versuch mal, die Einstichtiefe zu variieren. Das ist beim Spritzen von Hand gewiss problemlos möglich. Ich kenne mich damit allerdings nicht aus. Falls du eine Einspritzhilfe verwendest, kannst du bei vielen Modellen die Einstichtiefe einstellen. Falls das nicht ohne weiteres geht, rufe am besten die Hotline deines Medikamentenherstellers an und lass dich dazu beraten, wie du die Einstichtiefe anpassen kannst. Die Damen und Herren an er Hotline sollten sich damit auskennen und vielleicht haben sie noch ein paar weitere gute Tipps für dich. Ich selber spritze mittlerweile 12 mm tief, früher waren es eher 8 bis 10 mm, als ich noch jünger und vermutlich etwas Durchtrainierter war. Wärme die Spritze zunächst in deiner Hand auf, wenn du sie aus dem Kühlschrank geholt hast. Spritze dir keinen kalten Wirkstoff. Das empfand ich als sehr unangenehm und ist mir daher auch nur einmal passiert. Beginne bei 21 und zähle langsam bis 40. Wenn der Wirkstoff in der Zeit und etwas vorm fertigzählen vollständig in dein Unterhautfettgewebe gelangt ist, kannst du die Spritze langsam rausziehen. Leg ein Stück Zellstoff auf die Haut und darüber ein Kühlkissen. Vorsicht, nicht zu kalt, sonst irritierst du deine Haut zusätzlich. Ich spritze mich meist vorm Schlafengehen. Das war vor allem bei Therapiebeginn sehr gut, als mein Körper noch stärker reagierte. Denn so konnte ich die schmerzhafte Phase direkt nach der Injektion größtenteils verschlafen. Kompressen aus schwarzem Tee oder Kamillentee sollen helfen. Ich habe das am Anfang mal ausprobiert, empfand aber keine Linderung. Vielmehr halfen und helfen mir die Gedanken an all das schöne, was ich dank funktionierender Therapie weitermachen kann wie Snowboardfahren, Badminton spielen, schöne Urlaube, Tanzen, Klettern und Rumtollen mit meiner Tochter. Probier mal aus, deinen Atem bewusst zu nutzen. Atme tief und langsam ein und aus und versuche alle Verspannungen und Verkrampfungen gehen zu lassen, bevor du dich spritzt. Variiere die Körperstellen, in die du dich spritzt. Nutze dafür eine App oder ein gedrucktes Spritzenhandbuch. So hat dein Körper die Chance, das Medikament wieder abzubauen, bevor die gleiche Stelle erneut dran ist. Meide kurz nach Beginn der Spritzentherapie lieber die Sauna und intensive Sonneneinstrahlung an den Hautstellen. Dazu zählt auch Solariumsonne. Sonnenbrand und Hitze stressen deine Haut zusätzlich. Meine Erfahrungen Ich gebe zu, dass ich meinen Neurologen über Jahre hinweg immer wieder nach einer Alternative zum Spritzen gefragt habe. Vor allem als die ersten Tabletten auf den Markt kamen. Mir war zu dem Zeitpunkt nicht klar, dass die Tabletten damals für aktivere Verläufe der MS gedacht waren. Heute ist mir bewusst, wie froh ich darüber sein kann, dass die Spritzen bzw. der enthaltene Wirkstoff die Krankheitsaktivität der MS komplett unterbinden. Und ich bin meinem Neurologen, Prof. Tjalf Ziemssen, sehr dankbar, dass er mir immer wieder ruhig erklärt hat, ich solle bei den Spritzen bleiben und mich freuen, wie wirksam sie die MS in Schach halten. Denn dadurch kann ich Vollzeit berufstätig sein. Ich kann weiter Badminton spielen, eine Sportart bei der es darauf ankommt schnell zu reagieren, zu laufen, mit Kraft den Ball zu schlagen und den Ball auch gut zu sehen. Oder im Winter mit meinem Snowboard die Hänge hinunterzudüsen, das Gleichgewicht zu halten, schnell zu reagieren und das 17 Jahre nach Diagnose Multiple Sklerose. Und meine Hoffnungen, dass ich komplett ohne Therapie auskomme, weil es doch so super mit Therapie läuft, habe ich auch gedämpft. Denn 1,5 Jahre ohne Therapie mit Schwangerschaft, Stillzeit und Geburt haben mir einen kleinen sensiblen Schub beschert und mehr soll es bitte nicht werden. Also akzeptiere ich, dass ich mich vorerst bis an mein Lebensende spritzen muss, und bin froh darüber sein, dass mir das verlaufsmodifizierende Medikament ein fast unbeschwertes Leben ermöglicht. Die Zukunft bringt gewiss weitere Erkenntnisse und Verbesserungen in der Behandlung für dich, für mich und uns alle. Daher, bleib gut informiert und positiv und mach das beste aus deinem Leben. Alles Gute, Nele
Depressionen sind in Deutschland weit verbreitet. Der erste wichtge Schritt ist, das Problem zu erkennen und sich Hilfe zu holen. Doch die Wartezeit bis zu einem Therapiebeginn liegen aktuell bei bis zu einem Jahr und mehr. Es gibt aber Hilfe, wie Betroffene diese Wartezeit überbrücken können und was zu tun ist, wenn sich die Depression in dieser Zeit akut verschlimmert. In dieser Folge spricht Dagmar Selle mit Experten der Wickerklinik Am Osterbach in Bad Oeynhausen (NRW) über die verschiedenen Möglichkeiten, die Tücke der Wartezeit und was zu tun ist, wenn Selbstmordgedanken eine Rolle spielen.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 18/19
Der in der Therapie von metastasiertem KRK und SCCHN etablierte Antikörper Cetuximab hat als häufige Nebenwirkungen Hypocalcämie, Hypomagnesiämie und ein akneiformes Exanthem. In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob die Verläufe der Serumspiegel von Magnesium und Calcium sowie das Auftreten eines akneiformen Exanthems mit Baseline Patientenmerkmalen assoziiert ist. Zusätzlich wurden diese drei Nebenwirkungen mit dem Therapieansprechen und den Überlebenszeiten (PFS und OS) korreliert. Der Abfall des Serummagnesiumspiegels war dabei über die Therapiedauer progredient. Erstmals konnte ein stärkerer Abfall des Serummagnesiums nachgewiesen werden wenn neben Cetuximab eine Chemotherapie mit einem Platinderivat benutzt wurde. Keine der Baselinecharakteristika der Patienten war mit dem Auftreten einer Hypomagnesiämie assoziiert. In der Untergruppe der Patienten mit metastasierten kolorektalen Karzinom war ein Abfall des Magnesiumwertes um mehr als 5% des Ausgangswert nach zwei Therapiewochen signifikant mit einem längeren progressionsfreien Überleben und Gesamtüberleben assoziiert. Für das Auftreten einer Hypocalcämie fand sich eine eingeschränkte Nierenfunktion vor Therapiebeginn als unabhängiger Risikofaktor. Im Mittel fiel der Calciumwert nur um 3-5% vom Ausgangswert ab und verblieb dann auf diesem Niveau. Ein Abfall des Calciumwertes nach sechs Wochen Therapie auf weniger als 93,9% des Ausgangswertes war mit einem signifikant kürzerem Gesamtüberleben assoziiert. Das Auftreten eines akneiformen Exanthems korrelierte zwar mit dem der Hypomagnesiämie, es konnten jedoch nur leichte, nicht statistisch signifikante Vorteile im Gesamtüberleben und dem progressionsfreien Überleben für die hier untersuchte heterogene Patientengruppe festgestellt werden. In der täglichen Praxis sollte unter einer Therapie mit Cetuximab regelmäßige Kontrollen des Magnesiumspiegels durchgeführt werden. Nur so kann erkannt werden, dass unspezifische Beschwerden der Patienten wie Müdigkeit nicht nur tumorbedingt sondern eventuell auch durch Cetuximabtherapie bedingt sind.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 17/19
Der Gestationsdiabetes (GDM) ist definiert, als eine erstmals in der Schwangerschaft aufgetretene mittels Nüchternblutzucker oder mit einem standardisierten 75g oralen Glukosetoleranztest (oGTT) diagnostizierte Glukosetoleranzstörung. Der GDM gehört zu den häufigsten Schwangerschaftskomplikationen in Deutschland. Mitbedingt durch bessere Screeninguntersuchungen und strengere Diagnosekriterien, hat seine Inzidenz in den letzten Jahren stetig zugenommen. Da aktuelle Studien zeigen, dass bereits gering erhöhte Blutzuckerwerte in der Schwangerschaft mit einer Zunahme sowohl an maternalen als auch an kindlichen Komplikationen einhergehen, wurden die Diagnosekriterien modifiziert und im Jahr 2011 in einer neuen Leitlinie publiziert. Erstmals existiert nun eine gute Evidenzbasis zur Diagnose und Therapie des GDM. Ziel dieser Arbeit war es, in einer retrospektiven Analyse die Effektivität der aktuellen Therapie des Gestationsdiabetes anhand der Behandlungsergebnisse am Diabeteszentrum der LMU München, zu erfassen. Die Ergebnisse wurden mit den Daten aktueller internationaler Studien (ACHOIS, MFMU, HAPO) verglichen. Die Studie umfasste 297 Gestationsdiabetikerinnen (GDM-Kollektiv), die im Zeitraum vom 01.01.2008 bis 30.06.2011 im Diabeteszentrum der Medizinischen Klinik Innenstadt der LMU München betreut wurden. Davon entbanden 167 Patientinnen (LMU-Kollektiv) ihre Kinder in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der LMU München. Von diesen konnten zusätzliche perinatale Daten erhoben werden. Als Vergleichskollektiv (n = 8773) wurden alle Frauen erfasst, die im selben Zeitraum ebenfalls an der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der LMU München entbanden. Der Vergleich der Baseline-Charakteristika der Frauen mit GDM und des Vergleichskollektivs bestätigte vor allem den präkonzeptionellen BMI als Risikofaktor für GDM. Diagnostik und Therapiebeginn erfolgte bei den Patientinnen mit Insulintherapie signifikant früher, als bei den Frauen mit rein diätetischer Therapie. Die Patientinnen im Insulin-Kollektiv wiesen signifikant höhere Nüchtern- und 1-h Werte im 75-g oGTT auf. Nach den alten Diagnosekriterien wären 55,5 % der Patientinnen im LMU-Kollektiv nicht als GDM diagnostiziert worden. Mitbedingt durch die neuen Kriterien kam es zu einem Anstieg der Inzidenz um 50%. Die Rate an mütterlichen und kindlichen Komplikationen war insgesamt gering. Im GDM-Kollektiv fand sich trotz Therapie ein höherer LGA-Anteil (Geburtsgewicht > 90. Perzentile) als im Vergleichskollektiv (14,5% vs. 5,3%), welcher höher lag, als in aktuell publizierten Interventionsstudien. Die Raten von SGA (Geburtsgewicht < 10. Perzentile), primärer und sekundärer Sectio caesarea waren im GDM-Kollektiv nicht erhöht. Um zu klären, weshalb es trotz strenger Therapievorgaben zu einer erhöhten LGA-Rate nach GDM kommen konnte, erfolgte eine Unterteilung des GDM-Kollektivs nach dem Geburtsgewicht (≤ 90. vs. > 90. Perzentile). Als einziger signifikanter Unterschied zeigte sich der Zeitpunkt der Diagnosestellung des GDM. Entsprechend lag der LGA-Anteil bei Diagnosestellung ≤ 28. SSW mit 5,6% auf dem Niveau des Vergleichskollektivs. Die an unserem Zentrum praktizierte, nach den Leitlinien der DDG orientierte GDM-Therapie, bewirkte eine sehr niedrige mütterliche und kindliche Komplikationsrate. Bei rechtzeitiger Diagnosestellung lag die LGA-Rate auf dem Niveau des Vergleichskollektivs und ist mit den Ergebnissen aktueller Interventionsstudien durchaus vergleichbar. Unsere Daten unterstreichen noch einmal die Bedeutung eines generellen GDM-Screenings bei allen Frauen. Parallel zur Therapie des GDM sollte in enger Zusammenarbeit mit den betreuenden Gynäkologen eine sonografische Kontrolle des fetalen Wachstums erfolgen um Therapieanpassungen entsprechend der Entwicklung des Kindes durchführen zu können.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 16/19
Das Glioblastoma multiforme zählt auch heute noch zu den unheilbaren Erkrankungen [14]. Die Behandlung und auch die Prognose hängen stark von der Operabilität, Lokalisation und anderen Faktoren, wie z.B. MGMT-Status, ab. Andere konventionelle bildgebende Verfahren, wie MRT oder CT, konnten bislang, insbesondere nach Therapiebeginn aufgrund von unspezifischen Entzündungsreaktionen, keine sichere Aussage bezüglich Tumoraktivität und Therapieansprechen treffen. Das vorrangige Ziel bestand daher unter anderem darin, durch nicht-invasive Maßnahmen den Krankheitsverlauf des Patienten im Voraus einschätzen zu können, um hierdurch eine Therapie speziell an die Bedürfnisse des Patienten anzupassen, aber auch darin, eine bereits begonnene Therapie auf ihren Erfolg überprüfen zu können. Anhand der Daten durch FET-PET-Untersuchungen zu verschiedenen Zeitpunkten innerhalb eines Therapieprotokolls wurden 79 Patienten auf eine Korrelation zwischen Volumen, SUVmax/BG bzw. Kinetik und Gesamtüberlebenszeit bzw. progressionsfreier Zeit untersucht. Es stellte sich heraus, dass alle drei untersuchten Marker (SUVmax/BG, Volumen, Kinetik) in der Eingangsuntersuchung geeignete Marker sind, um sowohl die progressionsfreie Zeit als auch die Gesamtüberlebenszeit bei einem Patienten einschätzen zu können. Hier erscheint insbesondere das BTV vor Radio-Chemotherapie interessant, da es mit PFS und GÜZ korreliert. Ebenso konnte gezeigt werden, dass nach Therapiebeginn die Untersuchung der Kinetik ein hervorragender Marker ist, um prognostische Aussagen bezüglich des weiteren Krankheitsverlaufs treffen zu können. Ein Therapieansprechen und, im Falle einer Operation, ein Resttumor können erkannt werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die additive FET-PET einen festen Stellenwert in der Diagnostik und der Beurteilung des Therapieansprechens bei Glioblastoma multiforme haben könnte, da mit den hier untersuchten Markern bessere Ergebnisse erzielt werden konnten als mit den konventionellen Standardverfahren.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 13/19
Hintergrund Klinisches Standardverfahren zur Überwachung der linksventrikulären Funktion unter potenziell kardiotoxischer antineoplastischer Therapie ist die transthorakale Echokardiographie. Ziel dieser Studie war die Evaluation des USCOM® und der Laborparameter BNP, NT-proBNP und cTnI in der Überwachung der Herzfunktion unter potenziell kardiotoxischer antineoplastischer Therapie. Patienten und Methoden Bei insgesamt 68 Patienten [Anthrazykline (A) n=21, Trastuzumab (T) n=10, Bevaci-zumab (B) n=19, Cetuximab (C) n=18] wurde vor (T0) und nach (T1) der Infusion des potenziell kardiotoxischen Agens, nach einer Woche (T2) und nach drei Monaten (T3) eine Untersuchung mit dem USCOM® durchgeführt und die Laborspiegel bestimmt. Parallel dazu erfolgte eine echokardiographische Untersuchung vor und drei Monate nach Therapiebeginn. Die Ergebnisse von USCOM® (SVUSCOM), Echokardio-graphie (EFEcho) und die Laborspiegel wurden zu den jeweiligen Zeitpunkten korreliert. Ergebnisse Kein Patient entwickelte klinische Zeichen einer Herzinsuffizienz. Innerhalb der Patientengruppen korrelierten die in der Echokardiographie erhobenen Befunde (EFEcho) direkt mit den im USCOM® erhobenen Parametern (SVUSCOM) und indirekt mit den Spiegeln der natriuretschen Peptide. Der zeitliche Aufwand einer USCOM®-Untersuchung betrug dabei weniger als eine Minute. Zusammenfassung Das Doppler-basierte USCOM®-Verfahren ist ein nahezu risikofreies Verfahren zur schnellen, nicht-invasiven Analyse des HMV in Echtzeit und scheint zur Überwachung der kardialen Funktion unter potenziell kardiotoxischer antiproliferativer Therapie geeignet zu sein. Die Methode ist nach eine kurzen Lernphase leicht durchzuführen und kosteneffizient. Für die Anthrazyklintherapie scheinen die natriuretischen Peptide Marker früher myokardialer Schädigung zu sein. Zur weiteren Evaluation beider Verfahren sind umfangreichere Studien innerhalb definierter Patientengruppen notwendig und bereits initiiert.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 12/19
Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Pankreaskarzinom haben nach einem Progress auf die First-line-Chemotherapie mit Gemcitabin oder der Kombination aus Gemcitabin mit einem Platinanalogon bzw. Erlotinib keine wirklichen Optionen in der Second-line-Therapie. Die Prognose dieser Krebsform ist zudem mit einer 5-Jahresüberlebensrate von unter 5% extrem schlecht. In vivo und in vitro Studien belegten die Verstärkung der Zytotoxizität sowohl von Gemcitabin als auch von Cisplatin durch Hyperthermie und mit dem Verfahren der Hyperthermie wurden in der Therapie der Weichteilsarkome in der Vergangenheit große Erfolge erzielt. Auf Grund dieser Erkenntnisse wurden an fünf Kliniken im Raum München Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Pankreaskarzinom mit Gemcitabin (G) und Cisplatin (P) in Kombination mit Regionaler Hyperthermie (RHT) behandelt. Die Daten waren nicht-interventionell erfasst worden. In der hier vorliegenden Arbeit wurden die Daten von 64 Patienten, die zwischen Dezember 1997 und September 2007 eine GP+RHT-Behandlung begonnen hatten, retrospektiv ausgewertet. Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zur Tumorprogression (TTP). Der sekundäre Endpunkt war die Analyse der objektiven Ansprechrate und die Erfassung des medianen Gesamtüberlebens und der Toxizität. Es wurden pro Zyklus 1000 mg/m2 Gemcitabin an Tag 1 und 25 mg/m2 Cisplatin zusammen mit Hyperthermie an den Tagen 2 und 4 verabreicht. Die Patienten wurden je nach Vortherapie in vier unterschiedlichen Gruppen ausgewertet. Die besten Ergebnisse wurden mit der Gruppe B1 (6 Patienten progredient auf eine adjuvante Gemcitabin-Vortherapie) erreicht, im Vergleich mit der Gruppe A (11 chemonaive Patienten mit nicht-resektablen Tumoren), der Gruppe B2 (32 Patienten progredient auf Gemcitabin-Mono oder eine Gemcitabin-basierte Erstlinientherapie) und der Gruppe C (15 Patienten, die bereits mindestens zwei Vortherapien erhalten hatten, wovon mindestens eine Gemcitabin-basiert war). Das Gesamtüberleben ab Erstdiagnose der Gruppe B1 war 23,7 Monate und entsprach dem erwarteten Überleben für kurativ operierte und adjuvant therapierte Patienten. Die TTP dieser Gruppe war mit 8,2 Monaten länger als eine Platin-basierte First-line- oder Second-line-Therapie erwarten ließe. Die Gruppe A zeigte ebenfalls eine längere TTP als publizierte Platin-basierte First-line-Studien. Sie zeigte ein vergleichbares Gesamtüberleben ab dem Therapiebeginn wie die anderen Gruppen. Dieses entsprach mit 7,2 Monaten ebenfalls den Ergebnissen veröffentlichter Platin-basierte First-line-Therapien. Die Gruppe A hatte allerdings mit 8,4 Monaten das kürzeste Gesamtüberleben berechnet ab der Erstdiagnose. Dies wurde unter anderem darauf zurückgeführt, dass mehrere Patienten keine Second-line-Therapie erhalten hatten. Beim Vergleich der Gruppe B2 mit anderen Second-line-Studien zeigte sich, dass die TTP kürzer war und das mediane Überleben im gleichen Bereich lag wie bei publizierten Platin-haltigen Second-line-Studien. Bei der Analyse dieser Second-line-Studien wurde gezeigt, dass Platin-haltige Regime in der Second-line-Therapie im Median die besten Ergebnisse bezogen auf die TTP, das mediane Überleben, die Ansprechrate und die Tumorkontrollrate zeigten. Die Gruppe C erbrachte bessere Ergebnisse als die Gruppe B2. In dieser Gruppe wurde allerdings eine geringe Zunahme der milden bis moderaten Anämien und Leukopenien im Vergleich mit den anderen Gruppen festgestellt. Ob die Toxizität von Gemcitabin und Cisplatin durch die Hyperthermie verstärkt wurde, lies sich in dieser Arbeit nicht klären. Es fiel in allen Gruppen eine Häufung von Harnwegsinfektionen auf, was durch das für die Hyperthermiebehandlung notwendige Katheterisieren verursacht sein konnte. Die Hyperthermie-spezifische Toxizität war gering.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 06/19
Die steigende Überlebensrate in der Neonatologie ist insbesondere in der Gruppe der sehr kleinen Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g, den sogenannten very low birth weight infants (VLBW), zu beobachten und vor allem auf Fortschritte in der Neugeborenenintensivpflege zurückzuführen. Ein Problem, das nach wie vor eine Herausforderung an die moderne Medizin darstellt, ist die hohe Infektionsanfälligkeit dieser unreifen Neugeborenen, die als Folge der eingeschränkten Immunabwehr anzusehen ist. Da frühe klinische Zeichen einer neonatalen Infektion bzw. Sepsis sehr diskret und unspezifisch sind, der schnellstmögliche Therapiebeginn jedoch deutlich den Krankheitsverlauf beeinflusst, ist eine frühzeitige Diagnosestellung unabdingbar. Da nach Forschungsergebnissen der letzten Jahre das Krankheitsbild Sepsis zunehmend als Endothelerkrankung angesehen wird, bei der es durch endotheliale Dysfunktion zu mikrozirkulatorischen Veränderungen kommt, könnte ein Monitoring der Hautmikrozirkulation von Frühgeborenen helfen, neonatale Infektionen frühzeitig zu diagnostizieren. Zur Erfassung der hautmikrozirkulatorischen Parameter verwendeten wir OPS-Imaging, eine neue nicht-invasive Technik, die mittels polarisiertem Licht und Epi-Illumination die Entstehung von Mikrozirkulationsbildern ohne den Einsatz von Fluoreszenzfarbstoffen ermöglicht. Im Mittelpunkt unseres Interesses standen die klinische Anwendbarkeit und das diagnostische Potential von OPS-Imaging. Unsere Studiengruppe umfasste 25 Frühgeborene mit einem Gestationsalter < 30 SSW, die während des ersten Lebensmonats beobachtet und retrospektiv in drei Gruppen unterteilt wurden. In Gruppe 1 befanden sich 14 Frühgeborene mit einer laborchemisch bestätigten Infektion (PosInf: CRP > 0,5 mg/dl und/oder IL-6 > 10 pg/ml), Gruppe 2 bestand aus sieben Frühgeborenen, bei denen sich der klinische Infektionsverdacht laborchemisch nicht bestätigte (NegInf: keine Erhöhung der laborchemischen Infektionsparameter) und Gruppe 3 umfasste die vier gesunden Kinder. Täglich wurden Funktionelle Gefäßdichte (FVD), Erythrozytenfließgeschwindigkeit (RBC Vel) und Gefäßdurchmesser (Diam) zu vergleichbaren Zeitpunkten bestimmt. Bei den Infektionen wurde der Beginn der Antibiotikatherapie als Tag 0 definiert, die Auswertung konzentrierte sich auf fünf Tage vor (Tag – 5 bis Tag – 1) und fünf Tage nach Infektionsbeginn (Tag + 1 bis Tag + 5). Es ließ sich generell eine hohe interindividuelle und intraindividuelle Variabilität aller mikrozirkulatorischen Parameter während des ersten Lebensmonats feststellen. Überdies fiel die FVD am Ende der vierten Lebenswoche gegenüber der FVD am Ende der ersten Lebenswoche signifikant ab (Mittelwert Lebenstag 7 – 9 versus Mittelwert Lebenstag 27 – 29: p = 0,0028). In insgesamt 26 Fällen wurde während der Laufzeit der Studie auf Grund eines Infektionsverdachtes eine antibiotische Therapie eingeleitet. Eine gewisse Häufung der laborchemisch bestätigten Infektionen zeigte sich in der zweiten Lebenswoche der Kinder, von Lebenstag 8 bis Lebenstag 15 (10 von 17 Infektionen, entsprechend (59% der Fälle). Es handelte sich definitionsgemäß ausschließlich um late-onset-Formen einer neonatalen Infektion und außerdem um klinische Infektionsfälle, d. h. es ließ sich zwar eine Erhöhung der Infektionsparameter CRP und IL-6 nachweisen, jedoch war kein Erregernachweis in Blut-, Urin- oder Liquorkultur möglich. Das Geburtsgewicht der Frühgeborenen korrelierte signifikant mit dem Auftreten einer echten Infektion, wobei ein höheres Geburtsgewicht das Infektionsrisiko minderte. Die Funktionelle Gefäßdichte war bei den laborchemisch bestätigten Infektionen (Gruppe 1) einen Tag vor der Infektion signifikant niedriger als noch fünf Tage vor der Infektion (Tag – 5: 231 [187 – 236] cm/cm2 versus Tag – 1: 234 [190 – 257] cm/cm2; p = 0,0127). Dies konnte in der NegInf-Gruppe (Gruppe 2) nicht beobachtet werden (p= 0,58). Bei der Erythrozytenfließgeschwindigkeit wurde kein Unterschied zwischen Tag – 5 und Tag – 1 gefunden, es zeigte sich lediglich eine Reduktion der RBC Vel während Infektion, ohne jedoch statistische Signifikanz zu erreichen (Mittelwert Tag – 5 bis Tag – 1: 306 [297– 334] μm/sec versus Mittelwert Tag 0 bis Tag + 5 280 [283 – 317] μm/sec, p = 0,2). Beim Gefäßdurchmesser ließen sich keine infektionsassoziierten Veränderungen nachweisen. Die Funktionelle Gefäßdichte der laborchemisch bestätigten Infektionen (PosInf) korrelierte am Tag 0 signifikant mit dem Hämoglobinwert des Kindes an Tag 0, die RBC Vel korrelierte invers mit dem Schwestern-Score an Tag 0. Weitere Korrelationen mit hämatologischen oder hämodynamischen Parametern fanden sich nicht. Die OPS-Imaging-Technik ließ sich nebenwirkungsfrei bei allen 25 Frühgeborenen anwenden. Es konnten qualitativ hochwertige Bilder der dermalen Mikrozirkulation erhoben werden, wobei Artefaktbildung und ein Verminderung des Hämatokritwertes um 25% des Ausgangswertes zu einer Einschränkung der Bildqualität geführt haben könnten. Druck- und Bewegungsartefakte, sowie ausgeprägte Lanugobehaarung erfordern wiederholte Lagekorrekturen der Sondenspitze und erneute Fokussierung. Da der Applikationsdruck nicht sicher kontrollierbar ist, können durch den Sondendruck Gefäße komprimiert werden und als Folge die RBC Vel vermindert gemessen wird und die FVD durch scheinbar nicht-perfundierte Areale unterschätzt wird. Der von Pries und Mitarbeitern erarbeitete Lösungsansatz für Druck- und Bewegungsartefakte ließ sich jedoch wegen der Empfindlichkeit der Frühgeborenenhaut und auf Grund nicht vorhandenen Studienmaterials nicht anwenden. Darüber hinaus besteht bei der klinischen Anwendung das Problem der fraglichen Vergleichbarkeit der Daten zu unterschiedlichen Messzeitpunkten. Im Gegensatz zum Tiermodell besteht auf Grund von Gefäßvariabilität und Größe der zu untersuchenden Hautregion keine Möglichkeit, identische Gefäße zu verschiedenen Messzeitpunkten gezielt zu identifizieren. Es müssen daher in der klinischen Anwendung wesentlich mehr Daten ermittelt werden, um statistische Signifikanz zu erreichen. Grundsätzlich gilt, dass wir mittels OPS-Imaging infektionsassoziierte Mikrozirkulationsstörungen bei Frühgeborenen nachweisen konnten. Die hohe inter- und intraindividuelle Variabilität der mikrozirkulatorischen Parameter unserer Frühgeborenen im ersten Lebensmonat machte jedoch die Definition eines Absolutwertes unmöglich, mittels dessen sich generelle Aussagen über den Gesundheitszustand eines Kindes treffen ließen. Ein mikrozirkulatorisches Monitoring mit täglichen intraindividuellen Vergleichen der Funktionellen Gefäßdichte könnte trotzdem zu einer Reduktion von Blutentnahmen und Antibiotikagaben führen, da sich Veränderungen nur bei laborchemisch bestätigten Infektionen (PosInf) zeigten und nicht bei den Infektionsverdachtsfällen (ohne laborchemische Bestätigung, NegInf). Eine gewisse Routine im Umgang mit dem Gerät und in der Auswertung ist jedoch erforderlich, um das mikrozirkulatorische Monitoring mit möglichst geringem Zeitaufwand in den Stationsalltag zu integrieren. Die Entwicklung einer speziell bei Frühgeborenen anwendbaren Apparatur zur Reduktion von Druck- und Bewegungsartefakten würde sicherlich dazu beitragen. Eine Weiterentwicklung der on-line-Auswertung ist ebenfalls erstrebenswert, da sie unmittelbare Rückschlüsse auf mikrozirkulatorische Veränderungen erlaubt und mittels einer permanenten Sonde ein kontinuierliches Monitoring der Hautmikrozirkulation ermöglichen würde.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 06/19
Die kognitive Leistungsfähigkeit von Mammakarzinom-Patientinnen wurde vor Behandlungsbeginn (n=109) und vor dem letzten Zyklus neoadjuvanter Chemotherapie (n=101) mit einer neuropsychologischen Testbatterie untersucht. Bereits vor Therapiebeginn finden sich auffällig schlechte Leistungen in einem Umfang, der den in anderen Studien festgestellten kognitiven Beeinträchtigungen während oder nach einer Chemotherapie entspricht. Gegen Ende der Chemotherapie haben sich die Testleistungen der Patientinnen hochsignifikant und erheblich (Effektstärke: .75) verbessert. Es ist anzunehmen, dass ein großer Teil der Verbesserung auf Übungseffekte zurückgeht. Nach einer Korrektur der Testergebnisse für Übungseffekte zeigt sich ein gleichgroßes Ausmaß verschlechterter und verbesserter kognitiver Testleistungen gegenüber der Untersuchung vor Behandlungsbeginn: Überwiegend verschlechterten Testleistungen bei 27% stehen überwiegend verbesserte Testleistungen bei 28% der Patientinnen gegenüber. Eine vulnerable Subgruppe ist nicht erkennbar. Die wenigen Patientinnen, die auffällig viele verschlechterte Testleistungen zeigen, nahmen entweder beeinträchtigende Medikamente (n=3), oder sie hatten bei der ersten Untersuchung herausragend gute Testergebnisse erzielt (n=2), so dass ein Abfall ihrer Leistungen als Regression zur Mitte betrachtet werden kann. Dieses Ergebnismuster lässt sich schwer mit der Annahme einer Zytostatika-induzierten Schädigung in Einklang bringen. Dagegen erlaubt die Annahme einer Verursachung kognitiver Auffälligkeiten durch psychologische Faktoren, möglicherweise im Zusammenhang mit der Krankheitsbewältigung, eine sparsamere und vollständigere Erklärung der Ergebnisse unserer Studie und einiger unerklärter Beobachtungen aus anderen Untersuchungen. Selbstberichtete kognitive Probleme, Angst und Depression hängen in unserer ebenso wie in anderen Studien weder mit Testergebnissen noch mit der Veränderung von Testergebnissen zusammen, sie korrelieren aber miteinander. Entgegen den Hypothesen der Studie konnte kein neuroprotektiver Einfluss einer Begleitmedikation mit Erythropoietin festgestellt werden, und es wurden keine Zusammenhänge zwischen einer Verminderung von Aktivitäten und Verschlechterungen kognitiver Leistungsfähigkeit gefunden.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 04/19
Der ischämische Schlaganfall ist eine der häufigsten Ursachen für Mortalität und Behinderungen in der westlichen Welt – entsprechend nimmt die gesundheitliche und volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Erkrankung einen hohen Stellenwert ein. Eine große Anzahl experimenteller und klinischer Studien befasste sich in den letzten Jahren mit verschiedenen Mechanismen zur Neuroprotektion, konnte aber die in der experimentellen Forschung erbrachten Ergebnisse in der Klinik nicht bestätigen. Ziel dieser Arbeit war es daher, die therapeutische Wirkung der Blockade des Kallikrein-Kinin-Systems mittels Antagonisierung des Bradykinin B2-Rezeptors mit einem Nicht-Peptid Antagonisten in einem Tiermodell der temporären fokalen zerebralen Ischämie zu untersuchen und dabei seine prä- und postischämischen Effekte und möglichen Wirkmechanismen zu erforschen. Unsere Ergebnisse bestätigen die durch B2-Rezeptor-Aktivierung vermittelte Mediatorfunktion des Kallikrein-Kinin-Systems bei der fokalen zerebralen Ischämie. Wir konnten erstmals nachweisen, dass die Blockade des B2-Rezeptors mit dem neu entwickelten Nicht-Peptid Antagonisten LF 16-0687 MS die Infarktbildung hemmt und die funktionelle neurologische Erholung nach temporärer fokaler zerebraler Ischämie bei Ratten verbessert, ohne Nebenwirkungen auf physiologische Kontrollparameter auszuüben. Die dosisabhängige Wirkung von LF 16-0687 Ms konnte in unserem Modell der temporären fokalen zerebralen Ischämie bei der Ratte bestätigt werden. Mit unseren Ergebnissen konnten wir quantitativ nachweisen, dass durch die B2-Rezeptor-Blockade mit LF 16-0687 Ms die postischämische Hirnschwellung nach fokaler zerebraler Ischämie bei Ratten gehemmt wird. Die neuroprotektive Wirkung besteht auch bei Therapiebeginn nach Ischämie, was die weitere in vivo und in vitro Evaluierung des Antagonisten verdient. Die Ergebnisse dieser Arbeit bilden die Grundlage für weitere Untersuchungen des Kallikrein-Kinin-Systems insbesondere der B1- und B2-Rezeptor-Interaktionen bei fokaler und globaler zerebraler Ischämie, bei Schädel-Hirn-Trauma und bei in vitro Untersuchungen.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 03/19
Ziel der vorliegenden Studie war es, die Wirkung einer Behandlung mit der in der Poliklinik Kieferorthopädie in München entwickelten MSR-Platte bei Patienten mit einer Angle Klasse II Malokklusion im Vergleich mit einer nicht behandelten Kontrollgruppe, ebenfalls eine Klasse II Malokklusion aufweisend, zu untersuchen und dabei entstehende skelettale und dento-alveoläre Veränderungen festzustellen. Die retrospektiv angelegte Studie umfasste 26 Patienten. Die Behandlung mit der MSR-Platte wurde bei allen Patienten in Verbindung mit einem high-pull Headgear durchgeführt und entweder mit einer Multibandtherapie oder einem Positioner fortgesetzt. Es wurden jeweils zwei Fernröntgenseitenbilder analysiert. Eines unmittelbar vor Therapiebeginn mit der MSR-Platte und eines ca. 12 Monate später, zum Ende des Behandlungszeitraumes. Die größten Veränderungen wurden bei den dentalen Werten verzeichnet. Die oberen, sowie die unteren Inzisiven wurden aufgrund der Behandlung retrudiert. Die Entwicklung der Kontrollgruppe ist gegenläufig. Folgende Tendenzen der skelettalen Beeinflussung lassen sich erkennen: (1) Der SNA-Winkel verkleinert sich durch den Einsatz der MSR-Platte in Kombination mit einem Headgear (2) Der SNB-Winkel tendiert in der MSR-Gruppe eher nach anterior, während er in der Kontrollgruppe eher nach posterior und damit in eine verstärkte retrognathe Stellung weicht. (3) Die anteriore Untergesichtshöhe vergrößert sich tendenziell mehr bei den behandelten Patienten, als in der Kontrollgruppe. Die Ergebnisse führen zu folgender Schlußfolgerung: 1. Die MSR-Platte bewirkt signifikante dento-alveoläre Veränderungen im Vergleich zur Kontrollgruppe. 2. Die MSR-Platte bewirkt zwar keine wesentlichen skelettalen Veränderungen. Einfluss auf die Maxilla durch den Einsatz eines high-pull Headgear zu verzeichnen. Die vorliegende kephalometrische Studie ergibt einen Hinweis darauf, dass die MSR-Platte ihren Indikationsbereich bei dento-alveolär bedingten Klasse II Malokklusionen findet. Leichte skelettale Disharmonien lassen sich bei günstiger Wachstumsprognose ebenfalls beeinflussen. Es sollte dennoch zum Abschluss der Behandlung der Einsatz festsitzender Apparate in Erwägung gezogen werden, um eine Feineinstellung der dentalen Harmonie vorzunehmen.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 03/19
Das TT-Virus wurde 1997 in Japan bei einem Patienten mit Non A-G-Hepatitis entdeckt. Weitere Arbeiten zeigten eine weite Verbreitung auch in der gesunden Bevölkerung, die sich vor allem durch den fäkal-oralen Übertragungsweg erklären lässt. Zudem konnte eine enorme genetische Variabilität innerhalb der TTV Familie mit bislang 39 beschriebenen Genotypen aufgeklärt werden. Diese ist charakteristisch für die Familie der Circoviren, zu der sich TTV phylogenetisch zuordnen lässt. Bei den schon bekannten tierischen Circoviren konnte festgestellt werden, dass geringe Sequenzunterschiede mit einer erheblich veränderten Pathogenität einhergehen. Bislang konnte trotz intensiver Forschungsarbeit keine Krankheitsassoziation für TTV nachgewiesen werden. Interessant sind jedoch erste Hinweise, dass die zur TTV-Familie gehörenden SENV-Isolate D und H mit Symptomen einer Hepatitis einhergehen. In dieser Arbeit konnten zwei SENV-H Isolate von unterschiedlichen Patienten charakteriert werden. Eine Krankheitsassoziation konnte jedoch bei beiden hier beschriebenen Isolaten nicht nachgewiesen werden. Bislang liegen wenige Arbeiten vor, die sich mit der Etablierung von TTV-genotypen-spezifischen Nachweisverfahren beschäftigen. Für das weitere Verständnis der TTV-Familie ist es jedoch unabdingbar, genotyp-spezifische Nachweisverfahren anzuwenden. In der vorliegenden Arbeit gelang ein solcher typ-spezifischer Nachweis mittels neuentwickelter Restriktions-Fragment-Längenpolymorphismus-Analyse (RFLP) für die TTV-Genotypen SENV-A und KAV. In einer Gruppe von 86 HCV-infizierten Patienten konnte eine Prävalenz von 9,3% für das SEN A Virus eine Prävalenz von 19,7% für KAV bestimmt werden. SENV-A Isolate konnten von vier verschiedenen Patienten sequenziert werden. Die Isolate zeigten dabei eine Homologie von mindestens 95%. Das KAV-Isolat ist dabei Prototyp des in dieser Studie neu entdeckten TTV-Genotyp 28. Es gelang, das Gesamtgenom von KAV zu sequenzieren. Genotyp 28 besitzt mit 3705 Nt das bis dahin kürzeste Genom aller TTV-Genotypen. Dabei fallen besonders zahlreiche Deletionen im Offenen Leserahmen 1 auf. Das KAV-Isolat konnte der zweiten genetischen Gruppe zugeordnet werden und stellt den vierten Genotyp dieser Gruppe dar. Durch Klonierung und anschließende Sequenzierungsanalyse wurden 28 TTV-Isolate gewonnen. Die Analyse dieser Sequenzen zeigte eine enorme genetische Variabilität mit fließenden Übergängen zwischen TTV-Geno- bzw. Subtypen. Einige Wissenschaftler gehen deshalb bei der TTV-Familie inzwischen von einem Virusschwarm aus. Die Ergebnisse dieser Arbeit können als weitere Hinweis für die Richtigkeit dieser Theorie gewertet werden. Eine Gruppe von 86 HCV-infizierten Patienten wurde im Verlauf einer antiviralen Interferon-Therapie auch dreimal auf TTV untersucht. Dabei zeigte eine TTV-Prävalenz von 79,1% zu Beginn der IFN-Therapie. Nach Therapieende ergab sich ein signifikanter Rückgang auf 47,7%, wohingegen eine im Verlauf durchgeführte Follow-up-Untersuchung wieder einen signifikanten Anstieg der TTV-Prävalenz auf 61,6% ergab. Die hier entwickelte RFLP-Methode erwies sich als geeignet zur Analyse von TTV-Mehrfachinfektionen. Dabei zeigte sich eine Mehrfachinfektionsrate von 88%. Dieses Ergebnis läßt den Schluss zu, dass die Häufigkeit von TTV-Mehrfachinfektionen bislang erheblich unterschätzt wurde. Eine Mehrfachinfektion beeinflusste signifikant das Antwortverhaltens von TTV bezüglich Interferon. Das Vorliegen einer Mehrfachinfektion bei Therapiebeginn war mit einer signifikant schlechteren Virus-Clearance durch Interferon vergesellschaftet. Eine Infektion mit einem TT-Virus führte signifikant häufiger zum Verschwinden von TTV unter der antiviralen Therapie. Unter der IFN-Therapie verringerte sich der Anteil von Trägern von mehr als zwei TT-Viren von 47,7% auf 18,6%. Eine Beeinflussung des Therapieerfolgs bezüglich HCV durch das Vorliegen einer zusätzlichen TTV-Mehrfachinfektion konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. In der Klonierungsanalyse der im Blut nachweisbaren Viruspopulation von fünf Patienten mit TTV-Mehrfachinfektion konnte eine außergewöhnliche Dynamik in der TTV-Population während der IFN-Therapie festgestellt werden. Sowohl das Verschwinden von Genotypen als auch das Auftreten neuer Genotypen wurde registriert. Bei einer Patientin waren während eines Jahres sieben TTV-Genotypen nachweisbar, wobei kein TTV-Genotyp zu allen drei Untersuchszeitpunkten nachweisbar war. Auch sprechen die Ergebnisse dieser Arbeit für das Vorliegen großer Unterschiede in der IFN-Sensibilität einzelner TTV-Genotypen.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 02/19
In der vorliegenden Arbeit wurden therapeutische und immunmodulatorische Effekte einer TNF-Blockade bei Patienten mit aktiver Spondylitis ankylosans untersucht. Hierzu wurde an 10 Patienten während einer 60wöchigen Infliximabtherapie eine Evaluation von Therapiewirksamkeit und -sicherheit, sowie eine durchflusszytometrische Analyse der HLA-Oberflächenexpression auf Lymphozyten vorgenommen. Von 8 Patienten wurde die Therapie ohne ernste Nebenwirkungen gut vertragen und führte zur raschen und dauerhaften Verbesserung der klinischen, laborchemischen und radiologischen Verlaufsparameter. Ein Patient entwickelte nach initialer Wirksamkeit ein sekundäres Therapieversagen, bei einem weiteren Patienten wurde die Therapie unter dem Verdacht eines medikamentös induzierten Lupus-Syndroms abgebrochen. Gegen Mitte des Behandlungszeitraumes konnte ein am deutlichsten auf den B-Lymphozyten ausgeprägter Anstieg der HLA-B27- und MHC-Klasse-I-Expression beobachtet werden. Die Expressionszunahme ist möglicherweise Ausdruck immunmodulatorischer Effekte, die mit der langfristigen Therapiewirksamkeit assoziiert sind. Für die Zunahme der Oberflächenexpression kommen folgende Mechanismen in Frage: 1. eine vermehrte intravasale Kompartimentierung primär hoch exprimierender Zellen oder 2. eine durch die TNF-Suppression induzierte Hochregulation einer zuvor niedrigeren HLA-B27-Oberflächenexpression. Angesichts unserer Ergebnisse und der aktuell in der Literatur verfügbaren Daten halten wir letzteren Mechanismus für wahrscheinlicher. Innerhalb dieses Erklärungsmodells ist die bei Therapiebeginn niedrigere HLA-B27-Expression bedingt durch die Expression einer verminderten Anzahl von HLA-B27-Molekülen oder aberranter β2m-freier Varianten, die durch die von uns verwendeten konformationsabhängigen Antikörpern nicht detektierbar sind. Unter Hemmung des TNF-Einflusses kommt es schließlich zur schrittweisen Wiederherstellung der physiologischen Prozessierung trimolekularer HLA-B27-Oberflächenantigene mit konsekutiv vermehrter AK-Bindung. Eine verminderte oder aberrante HLA-B27-Expression ist möglicherweise mit immunmodulatorischen Effekten im Sinne einer erhöhten Zelldepletion assoziiert. Durch die Reexpression trimolekularer HLA-B27-Moleküle wird die Interaktion zwischen immunkompetenten Zellen und HLA-B27-positiven Zellen beeinflusst, wodurch das Zellüberleben begünstigt wird. Dieser Erklärungsansatz ist vereinbar mit dem gegenwärtig favorisierten pathogenetischen Modell der fehlerhaften HLA-B27-Prozessierung und der derzeit diskutierten Beteiligung von TNF bei der Manifestation der AS.
Medizinische Fakultät - Digitale Hochschulschriften der LMU - Teil 01/19
Zusammenfassend muß für die hier besprochenen Therapiestudien angenommen werden, daß der Grad der Lese-/Rechtschreibstörung in den verglichenen Studien weniger ausgeprägt war, als in der hier vorgestellten Studie. Nachdem die verwendeten Testmaterialien und Auswertungsmethoden nie identisch waren, konnte kein direkter Vergleich der Ergebnisse angestellt werden. c. Einfluß einer Sprachstörung und psychischer Störungen Zu den weiter durchgeführten statistischen Untersuchungen, wie der Prüfung des Einflusses einer Sprachstörung, eines Hyperkinetischen Syndroms und einer motorischen Störung, sowie Diskussion des Alters, Geschlechts und des Intelligenzquotienten ergaben sich folgende Ergebnisse. Einfluß einer Sprachstörung auf den Therapieerfolg: Bei der Untersuchung der fünften Hypothese wurde festgestellt, daß die sprachgestörte Gruppe keine signifikant schlechteren Therapieergebnisse erreichte. Im deutsche Sprachraum konnten keine anderen Untersuchungen gefunden werden, die sich mit dem Einfluß einer Sprachstörung auf den Lese-/Rechtschreiberfolg beschäftigen. Einzig Ensslen (1984) stellte fest, daß zusätzlich sprachgestörte Legastheniker, trotz adäquater Behandlung zumeist sehr geringe Leistungsfortschritte zeigen. Beim ersten Testzeitpunkt wiesen die 15 klinisch behandelten, sprachgestörten Kinder einen wesentlich schlechteren Lese-/Rechtschreibstatus auf und waren zusätzlich bei der Diagnosestellung im Mittel ein Jahr jünger als die Kinder der nicht sprachgestörten Vergleichsgruppe. Zur Darstellung des Therapieeinflusses mußten Differenzen zwischen beiden Testzeitpunkten gebildet werden. Also wurde nur ein Leistungsunterschied in Zahlenform ausgedrückt und für die beiden Gruppen sprachgestört/nicht sprachgestört verglichen. Möglicherweise könnte der dabei gemessene Unterschied annähernd gleich groß sein und so zu einem ähnlichen Ergebnis in der sprachgestörten Gruppe geführt haben. Das gleich große Ergebnis könnte jedoch auch auf die hier angewandte Übungstherapie zurückzuführen sein. Gezeigt werden konnte, daß sprachgestörten Legasthenikern mit psychiatrischer Begleitsymptomatik in diesem klinischen Setting zu einem ähnlichen Therapiefortschritt verholfen werden kann, wie er für einen Legastheniker ohne Sprachstörung ambulant zu erzielen ist.. Einfluß eines Hyperkinetischen Syndroms auf den Therapieerfolg: In dieser Untersuchung konnte kein Zusammenhang beobachtet werden. Die Rolle eines Hyperkinetischen Syndroms bei der Legastheniebehandlung wurde 1985 von Cantwell und Baker für den amerikanischen Sprachraum als möglicher Faktor, der die Therapieergebnisse beeinflussen kann, beschrieben. Weitere Angaben konnten nicht gefunden werden.Einfluß einer motorischen Störung auf den Therapieerfolg: Für diese Studie konnte aus statistischen Gründen nur eine Tendenz für den Einfluß einer Motorischen Störung beschrieben werden. Sie zeigt ebenfalls an, daß der Behandlungserfolg nicht durch eine motorische Störung beeinflußt wird. Warnke (1990) schreibt von dem untergeordneten Einfluß einer motorischen Störung auf die Behandlungsergebnisse, sonst waren keine weiteren Angaben verfügbar. Einfluß des Alters auf den Therapieerfolg: Das Alter der Kinder zum ersten Testzeitpunkt dieser Untersuchung hatte keinen erkennbaren Einfluß auf den bisher beobachtbaren Therapieerfolg. Dies entspricht nicht den Feststellungen von Scaborough (1991), der herausfand, daß ein möglichst früher Therapiebeginn von entscheidender Bedeutung für die Therapieeffizienz ist. Einfluß des Geschlechts auf den Therapieerfolg: Ebenso spielte das Geschlecht (siehe auch Studie von Lovett et al.,1989) keine erkennbare Rolle für den Therapieerfolg. Die Aussagemöglichkeiten dieser Untersuchung bezüglich des Geschlechtes war allerdings durch die geringe Anzahl der weiblichen Kinder (N = 4) deutlich eingeschränkt. Zusammenhang zwischen Intelligenzquotient, Alter und Therapieerfolg: Bei der Betrachtung von Alter und Intelligenzquotienten konnte ein Zusammenhang beobachtet werden. Je älter das Kind war, desto höher war der Intelligenzquotient. Wahrscheinlich ist dieser Zusammenhang durch das geringe Alter der sprachgestörten Kinder bedingt, die wegen mehrerer Teilleistungsstörungen möglicherweise nicht in der Lage waren, den Intelligenztest vollständig nach Vorschrift durchzuführen. Der durchschnittliche Unterschied bezüglich des Intelligenzquotienten zwischen sprachgestörten und nicht sprachgestörten Kindern lag - je nach Hypothese - bei 6 bis 17 IQ-Rangpunkten. Dabei zeigte die sprachgestörte Gruppe immer einen niedrigeren Durchschnitts-IQ. Ein Zusammenhang des Intelligenzquotienten mit der Leistungsänderung aller drei Untersuchungsmöglichkeiten der 1. Hypothese war jedoch nicht festzustellen.
An einer repräsentativen Zahl erwachsener Epileptiker unter Langzeitbehandlung werden mögliche Medikamentennebenwirkungen auf klinische, neurophysiologische, knochendensitometrische, zentral-nervöse und laborchemische Parameter erfaßt; Häufigkeit toxischer Wirkungen bei gleichen Probanden, Abhängigkeit von Art und Menge beziehungsweise Serumspiegel der Antiepileptika sowie Beziehungen zur Therapiedauer respektive dem Therapiebeginn oder der Art der Epilepsie werden untersucht.