Ich bin Esther Schneider und das ist mein Literatur-Talk. Ich treffe mich hier mit Autor*innen und versuche herauszufinden, was sie umtreibt beim Schreiben, wie sie auf ihre Themen kommen, welche Bücher sie lesen und wie ihre Phantasiewelt aussieht. Kurz, ich bin interessiert an «the writers voice».
LiteraturPur #60: "Alles was mit Sexualität zu tun hatte, wollte man uns austreiben. Das war Sünde. Vor allem im Umgang mit weiblicher Lust. Was sich die katholische Kirche, damals in meiner Kindheit im Wallis angerichtet hat, das macht mich heute noch wütend", sagt Elisabeth Joris. Sie ist Gast im Podcast LiteraturPur. Elisabeth Joris ist eine der bekanntesten Historikerinnen der Schweiz. Und auch ein Vorbild für viele Frauen durch ihr Engagement als Feministin, Politaktivistin und Lehrerin. Jetzt ist ein sehr persönliches Buch über sie erschienen mit dem Titel «Ein Leben in Geschichte(n)». Darin erzählt sie aus ihrem Leben. Wie sie im stockkatholischen Oberwallis aufgewachsen ist, später nach Zürich kam und auf Umwegen Geschichte studiert. Wie sie sich politisch in der Frauenbewegung und in der Gruppe kritisches Oberwallis engagierte. Wie sie die historische Forschung mit der Geschichte von unten revolutionierte, mit speziellem Blick auf Frauengeschichte. Zugehört hat ihr die Autorin und Verlegerin Denise Schmid. Aus den Gesprächen ist ein reichhaltiges, stellenweise auch sehr intimes Buch entstanden. Ein Buch, das auch die Atmosphäre und Stimmung in der Schweiz der 70/80er Jahre einfängt. Elisabeth Joris - Ein Leben in Geschichte(n), Verlag Hier+Jetzt, von Denise Schmid
LiteraturPur #59. «Ich war ein Cyborg, mehr Cyborg war kaum möglich.» Wie es sich anfühlt, wenn das eigene Leben komplett von einer Maschine abhängig ist, unter anderem davon erzählt der Schriftsteller Jonas Lüscher in seinem neuen Roman «Verzauberte Vorbestimmung». Dabei steht die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Maschine im Zentrum. Im sehr persönlichen Teil des Romans schildert Jonas Lüscher seine Erfahrungen mit einer schweren Corona-Erkrankung. Hauptsächlich aber begibt er sich auf eine Reise durch Raum und Zeit, immer auf den Spuren des Künstlers Peter Weiss, dem er sich verbunden fühlt. Es ist ein raffiniert gebauter und vielschichtiger Roman, der mich berührt, gepackt und herausgefordert hat. Wie und weshalb, darüber rede ich mit Jonas Lüscher. Im Gespräch erfahre ich, weshalb er der Technologie einerseits skeptisch gegenüber steht, andererseits aber auch von ihr begeistert ist. Vor allem bei der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz schwankt er zwischen Faszination und Sorge. Er ist überzeugt, dass menschliche Emotionen wie Liebe, Nächstenliebe und Lachen in den kommenden Zeiten, in denen KI immer immer stärker unser Leben bestimmt, entscheidend sein werden.«Verzauberte Vorbestimmung» von Jonas Lüscher ist im Hanser Verlag erschienen.
LteraturPur #58: Romane brauchen Chaos, sagt Benjamin von Wyl. Und natürlich auch Fantstik. Letztere kommt in allen seinen Romanen in irgendeiner Form vor. Weshalb das so ist, erzählt er mir bei unserem Treffen in Baden. Da reden wir über seinen neusten Roman «Grosswerden und Einknicken». Darin geht es unter anderem um Klimaängste, Weltuntergang und die Natur.Und dies aus der Perspektive eines Kindes. Durch seine Augen blicken wir auf die Welt, die einerseits bedrohlich, andererseits auch faszinierend ist. Wenn das Kind vor Feindseligkeiten der Schulkollegen, den Ansprüchen der Familie oder auch vor Klimaängsten fliehen will, reist es in seiner Phantasie in den Untergrund, ins Erdinnere. Da gibt es noch vieles zu entdecken. Und alle Gefahren sind weit weg.Benjamin von Wyl, «Grosswerden und Einknicken» Verlag Die Brotsuppe
LiteraturPur #57: Eine Diskussion zu KI und Fiktion Künstliche Intelligenz greift immer mehr in das Leben der Menschen ein. Mensch und Maschine, wie geht das zusammen? Ist es eine Gefahr oder eine Chance? Das popkulturelle Genre der Science Fiction verhandelt diese Fragen seit geraumer Zeit. Woher kommt die Faszination dafür, welche Phantasien haben die Künste dazu, wie düster sind die Geschichten in Literatur und Film? Welche Ängste werden dabei angesprochen? Um diese Fragen geht es in der neusten Folge von LiteraturPur. Es ist eine Co-Produktion mit dem Podcast Kulturstammtisch von Eric Facon. Live aus dem Kulturhaus Royal haben Eric und ich mit folgenden Gästen diskutiert: Sita Mazumder, Wissenschaftlerin und Co-Autorin des Buches "KI sagt, Menschen meinen"; Reda el Arbi, Autor des Sci-Fi Romans "empfindungsfähig"; Enno Reins, Filmkritiker bei SRF und Sci-Fi Spezialist.Ein paar Filme und Buchtipps dazu:1818 beschrieb Mary Shelley in «Frankenstein» einen künstlichen Menschen, der sich gegen seinen Schöpfer wendet. 1865 erträumte Jules Verne einen Flug zum Mond, der fast ein Jahrhundert später von Tim & Struppi gemacht wurde. Die Science Fiction, ein Genre, das Visionen über die Zukunft generiert. In Filmen wie «Star Trek» oder «2001 Space Odissey», in der Literatur. Bis heute: in einem seiner neueren Romane denkt der Brite Ian McEwan über ein Liebesdreieck zwischen einem Paar und einem Roboter nach («Machines Like Me»). Zwei Podcasts in einem: LiteraturPur und Kulturstammtisch. Eine Premiere.
LiteraturPur #56: Schönheit, wie damit umzugehen ist, was schön sein für eine Frau bedeutet, wie sich Schönheit im Alter wandelt; unter anderem darüber schreibt Katharina Lanfranconi in ihren Gedichten. Und sie sagt: "Ich war eine Sklavin meiner Schönheit. Sie war für mich neben allem positiven auch ein Drama." Mit viel Humor und Ironie dichtet Katharina Lanfranconi über das Leben als schöne Frau, über die Sinnlichkeit von Samt und Lippenstift, aber auch über die Natur, den Tod und die Liebe. Ich habe die Lyrikerin in Luzern zum Gespräch getoffen, hoch über der Stadt im Hotel Gütsch. Da haben wir uns am Kaminfeuer über ihren neusten Lyrikband «Wie hungrig» und über ihre neue Aufgabe als Verlegerin unterhalten. Die Angaben zum Buch: Katharina Lanfranconi, Wie hungrig, edition ars pro toto.
LiteraturPur #55: Im neusten Roman mit dem Titel «Tabak und Schokolade» geht Martin Dean auf Spurensuche nach seinen Vorfahren, sowohl in Trinidad als auch im aargauischen "Stumpenland". Bei seinen Recherchen entdeckt er, dass er eine zutiefst koloniale Biografie hat. Im Gespärch erzählt er mir, was das mit seiner Vorliebe für Schokolade und britische Marschmusik zu tun hat. Und wie es für ihn war, als er bei seinen Besuchen in Trinidad auf einen Schlag dreissig neue Verwandte bekam, Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen. Er entdeckte dabei auch, dass seine Vorfahren in Trinidad wie im aargauischen Freiamt ausgebeutet wurden, sei es auf den Zuckerrohrfeldern oder in den Tabakfabriken. Ich erfahre auch, dass Martin Dean dieses Buch erst nach dem Tod seiner Mutter schreiben konnte und dass ein Fotoalbum der Auslöser dazu war. Auf dieser Suche nach den familiären Wurzeln wirft er einen sehr reflektierten postkolonialen Blick auf seine Familie und auf unser Land. Und ihm wird klar, dass sowohl Tabak wie Schokolade, zwei Genussmittel, die ihm lieb sind, seine beiden Familienstränge stark geprägt haben.Martin Dean ist Schriftsteller und Essayist. In seinen Romanen und Texten hat er sich immer wieder mit seiner Herkunft auseinandergesetzt. Ihn interessieren dabei unser exotisierende Blick auf Menschen anderer Hautfarbe und der Alltagsrassismus. Martin R. Dean «Tabak und Schokolade» Atlantis Literatur VerlagDer Roman stand auf der Shortlist des Schweizer Buchpreises 2024
LiteraturPur #54: Zwei Menschen verlieben sich unsterblich ineinander. Sie wollen zusammenbleiben, aber eine Mauer trennt sie. Sie lebt in der DDR, er in der Schweiz. Gemeinsam planen sie die Flucht. Sie ist gefährlich, aber sie gelingt. Was für ein wunderbarer Stoff für eine Geschichte. Sie spielt Mitte der 60er Jahre, also während des Kalten Krieges. Thomas Strässle erzählt von der Macht der Liebe gegen die Übermacht des Systems. Es ist die Geschichte seiner Eltern. Entstanden ist daraus das Buch mit dem Titel «Fluchtnovelle». Doch es ist nicht nur die Erzählung einer waghalsigen Flucht aus der DDR; es ist auch eine zauberhafte Liebesgeschichte. Und sie ist filmreif. Im Gespräch mit Thomas Strässle erfahre ich, was er bei der Recherche in den Archiven alles gefunden hat und warum er schon mit 17 Jahren wusste, dass er diese Geschichte irgendwann aufschreiben würde. Das Gespräch wurde bei einer Lesung in der Buchhandlung Librium Baden aufgezeichnet.Thomas Strässle «Fluchtnovelle» Suhrkamp Verlag
LiteraturPur #53: Gion Mathias Cavelty liegt am liebsten in seinem Bett. Es ist der einzige Ort, an dem er sich in der Welt aufgehoben fühlt. Es ist sozusagen sein Paradies. Und da, im Bett liegend, hört er an seinem 50sten Geburtstag eine Stimme. Und diese Stimme befiehlt: «Schreib!» Und so schreibt Gion Mathias Cavelty das Buch der Bücher neu, die Bibel. Es ist eine Offenbarungsschrift, in 24 Stunden wie im Wahn niedergeschrieben. Das Werk ist umwerfend komisch und es ist gespickt mit theologischen und mythologischen Anspielungen. Im Gespräch, anlässlich des Podcastfestivals in Zürich, erzählt mir Gion Mathias Cavelty wie er in seinem Bett in Schwammendingen zum Sprachrohr Gottes wurde. Ich erfahre wie Gott tönt und was er von ihm will. Und wir begeben uns auf eine Reise durch seine Bibel. Dabei spazieren wird durch das gar nicht so friedliche Paradies, besuchen Babylon und begegnen dabei biblischen und allerlei sonstigen Figuren. Natürlich auch Gott. Angaben zum Buch: Gion Mathias Cavelty «Die Bibel» lectorbooks
LiteraturPur #52: Drei Leben, drei Geschichten – die Autorin Mariann Bühler erzählt in ihrem Romandebut mit dem Titel «Verschiebung im Gestein» von drei Menschen, die alle aus dem gleichen Dorf stammen. Alle drei tragen eine Bürde mit sich und stehen an einem Punkt, an dem sich eine Veränderung aufdrängt. Stillstand geht nicht mehr. Im Gespräch erzählt Mariann Bühler warum diese drei Figuren ihr schlaflose Nächte bereitet haben. Weshalb die Geologie eine wichtige Rolle spielt und was sie vom Begriff Heimatroman hält.Mariann Bühler «Verschiebung im Gestein» Atlantis Literatur
LiteraturPur #51: Ein abgelegenes Dorf in Italien. Ein uraltes Ritual, das es nur da gibt und das mit dem Sterben zu tun hat. Und eine Dorfgemeinschaft, die an diesem Ritual festhält. Das ist der Stoff von Vincenzo Todiscos Roman «Der Geschichtenabnehmer». In diesem Dorf geht kein Mensch von dieser Welt, bevor er nicht eine Nacht lang erzählen und letzte Dinge loswerden kann. Ein Knabe, der im Dorf zum Geschichtenabnehmer bestimmt ist, sitzt am Sterbebett, hört zu und nimmt alle Geschichten auf. Vincenzo Todiscos neuer Roman fängt die magische Atmosphäre einer Kindheit in einem italienischen Bergdorf ein, wo die Tradition des Erzählens in besonderer Weise lebendig ist. Jede Geschichte bringt ein neues Stück Vergangenheit des Sterbenden und seiner Beziehung zur Dorfgemeinschaft zutage. Im Gespräch erzählt mir Vincenzo Todisco von dem Dorf aus seiner Kindheit, das ihn zu dieser Geschichte inspiriert hat. Auch vom Gefühl, wie die Zeit sich anders verhielt in den langen Sommern im Heimatdorf seiner Eltern in Italien. Da schritt die Zeit nicht voran, sondern dehnte sich aus. Und dann gibt es natürlich auch einen Strang, der in die Schweiz führt, wohin seine Eltern in den 60er Jahren als Gastarbeiter ausgewandert sind.Vincenzo Todisco, «Der Geschichtenabnehmer», Atlantis Literatur
LiteraturPur #50: Wenn ein Jazzmusiker und ein Schriftsteller zusammentreffen, geschehen magische Momente. So war es im Salon LiteraturPur mit dem Lyriker Klaus Merz und dem Jazzpianisten Christoph Baumann. Wie tönt ein Text über eine Minigolfanlage oder über Trumps blonde Haartolle? Und wie ein Gedicht über ein Sommergewitter? Wir reden über die beiden letzten Bücher von Klaus Merz «firma» und «Noch Licht im Haus». Christoph Baumann gibt den Texten einen musikalischen Hallraum. Christoph Baumann ist einer der versiertesten Jazz- und Improvisationsmusiker der Schweiz. Und Klaus Merz hat diesen Frühling vom Bundesamt für Kultur den Grand Prix Literatur für sein Lebenswerk bekommen. Das ist die höchste literarische Auszeichnung der Schweiz. Im Salon LiteraturPur trafen die beiden aufeinander. Und das ist der Podcast dazu. Hört rein. Die Bücher: Klaus Merz «firma», Haymon VerlagKlaus Merz «Noch Licht im Haus», Haymon Verlag
LiteraturPur #49: Es geschah als Zora del Buono 8 Monate alt war. Da wurde ihr Vater bei einem Autounfall getötet. Ein Raser hatte an unübersichtlicher Stelle überholt und ist frontal in den korrekt fahrenden Wagen ihres Vaters geprallt. Der Unfall brachte grosses Leid über die junge Familie. Ihr ganzes Leben lang konnte Zora del Buono mit ihrer Mutter nicht über den Unfalltod des Vaters reden. Heute nun, 60 Jahre später, beginnt sie zu recherchieren. Wo genau geschah der Unfall und vor allem, wer war der Täter - oder wie sie ihn nennt - der Töter? Davon erzählt sie in ihrem neuen Bucht mit dem Titel «Seinetwegen». Im Gespräch mit Zora del Buono erfahre ich, was sie bei ihrer Spurensuche gefunden hat, was es mit ihr gemacht hat und vor allem, weshalb sie immer mehr Empathie für den «Töter» entwickelt hat. Angaben zum Buch Zora del Buono «Seinetwegen» C.H. Beck Verlag
LiteraturPur #48: Liebesehe oder Vernunftheirat - ein spannendes Thema, über das ich mit dem Schriftsteller Sunil Mann und der Psychoanalytikerin und Paartherapeutin Andrea Kager im letzten Salon LiteraturPurdiskutiert habe. Das ist der Podcast dazu.Bei uns, in der westlichen Welt, ist die Liebesehe die Norm. Die grosse Liebe finden und heiraten, das ist der Traum der meisten Menschen. Das Verlangen nach romantischer Liebe inspiriert auch die Literatur seit Jahrhunderten, ebenso den Film. Doch die Liebesehe hat ihre Tücken. Oftmals scheitert sie, wenn der Alltag einkehrt und die Glückshormone sich verzogen haben. Dann kommen die ehemals Verliebten in die Praxis von Andrea Kager. In anderen Kulturen setzt man daher auf die arrangierte Heirat. Die Eltern suchen passende Partner für ihre Kinder. Mit der Hochzeit werden zwei Familien miteinander verbunden. Das wird stärker gewichtet als Liebe. So auch in Sunil Manns Roman «In bester Absicht», da verkuppeln die Eltern eine Schweizer Ärztin mit indischen Wurzeln und einen IT Experten aus Indien miteinander. Was dabei rauskommt, ob arrangierte Ehen besser funktionieren als Liebesehen und was es mit der romantischen Liebe auf sich hat und ob nicht auch Beziehungen über Plattformen wie Tinder oder Paarship eine Art arrangiert sind, einfach durch eine Maschine, darüber reden wir.Die Angaben zum Buch: Sunil Mann «In bester Absicht» Geparden Verlag
LiteraturPur #47: Für die US-amerikanische Schriftstellerin Nell Zink sind die Vögel inspirierend, weil sie fliegen können. Denn – sagt sie - wenn es brenzlig werde, können sie einfach abhauen und werden dadurch nicht so schnell zu Gefangenen. Der Sachbuchautor Ernst Paul Dörfler dagegen ist fasziniert vom Liebesspiel und Liebestanz der Kraniche. Da schleicht er sich schon mal im Morgengrauen in ihre Nähe, um ihnen dabei zuzuschauen.Vögel faszinieren uns Menschen, durch ihren Gesang, durch das Fliegen durch ihr Balzverhalten. Deshalb sind sie auch Inspiration für die Kunst, die Literatur und den Film. Nell Zink und Ernst Paul Dörfler sind zu Gast im Podcast LiteraturPur mit ihren Büchern «Der Mauerläufer» und «Das Liebesleben der Vögel». Sie erzählen mir wie sie sich über die Vögel kennengelernt haben, was sie zu Birdwatchern macht und welche Rolle die Vögel in ihren Büchern spielen.Nell Zink «Der Mauerläufer» Rowohlt VerlagErnst Paul Dörfler «Das Liebesleben der Vögel» Hanser Verlag
LiteraturPur #46: «Deine Mutter wurde ermordet!» Diese Nachricht per Telefon steht am Anfang des Romans «Favorita» von Michelle Steinbeck. Und sie bringt die junge Romanheldin dazu, nach Italien zu reisen, um den Mörder ihrer Mutter zu suchen. Daraus wird ein wilder Tripp, eine Artfeministischer Action-Thriller. Die junge Frau begegnet auf ihrer Reise Huren, Faschisten, Kommunistinnen. Taucht ab in die Unterwelt, macht Abstecher in Traum- und Geisterwelten. Und sie stösst dabei auf einen weiteren Mord an einer jungen Frau im Italien der 40er Jahre. Ein Femizid, der nie wirklich aufgeklärt worden ist und die Menschen in einem abgelegenen Dorf in der Toscana noch heute nicht loslässt. Ich habe Michelle Steinbeck 2016, als ihr erster Roman mit dem eigenwilligen Titel «Mein Vater war an Land ein Mann und im Wasser ein Walfisch» erschienen ist, kennengelernt. Für ihr Debut war sie für den Schweizer und den Deutschen Buchpreis nominiert. Ich war damals begeistert von der Radikalität ihres Textes, der Selbstironie und der überschäumenden Phantasie in der Geschichte. Vieles davon habe ich auch im neuen Roman «Favorita» wiedergefunden. Michelle Steineck ist 34 Jahre alt, lebt und schreibt zurzeit in Basel. Und wir treffen uns in Zürich zum Gespräch. Und wir reden über ihre Beziehung zu Geistern, ihre Affinität zu Italien und eine abgelegene Villa, die sie das Fürchten lehrte. Angabe zum Buch: Michelle Steinbeck, «Favorita» erschienen im Ullstein Verlag
LiterturPur #45: Wir haben schon so lange unserer Mieten bezahlt, jetzt ist einfach mal genug, finden zwei junge Frauen. Sie kündigen Job und Wohnung und ziehen einfach los. Dabei orientieren sie sich an den Baukränen, die in Zürich überall herumstehen. Den ausgestreckten Armen der Kräne folgend, landen sie im Glattzentrum und klauen ein Auto. Der Roman «Wilde Manöver» von Judith Keller ist eine turbulente Geschichte mit witzigen Einfällen. Der Roman wurde dieses Jahr mit einem der Literaturpreise vom Bundedsamt für Kultur ausgezeichnet. Angesiedelt ist die Geschichte in Zürich in einer nahen Zukunft und sie ist – wie der Titel schon andeutet – wild und subversiv. Sie erinnert stimmungsmässig an den Film «Thelma and Louise» von Ridley Scott aus dem Jahr 1991. Wie im Film sind auch im Roman zwei Frauen unterwegs, stellen allerhand Unfug an und werden von der Polizei verfolgt. Sie stehlen Statuen und Stühle aus Gärten und werfen sie in die Limmat. Warum sie das tun? Die Autorin sagt mir im Gespräch, es sei eine Art romantische Kapitalismuskritik. Was es damit auf sich hat und warum es für die Autorin dann spannend wird, wenn Menschen die Fassung verlieren, könnt ihr nachhören im Podcast LiteraturPur. Angabe zum Buch: Judith Keller «Wilde Manöver» Luchterhand Verlag
LiteraturPur #44: Der iranisch-österreichische Schriftsteller und Theaterautor Amir Gudarzi hat vor 15 Jahren den Iran verlassen. Er protestierte damals, wie viele andere Menschen, gegen den Wahlbetrug bei den Präsidentschaftswahlen. Viele die damals auf die Strasse gingen wurden verhaftet, gefoltert, hingerichtet. Amir Gudarzi gelangt die Flucht. Von Flucht und Asyl handelt denn auch sein erster Roman mit dem Titel «Das Ende ist nah». Darin erzählt er die Geschichte eines jungen Mannes, der aus dem Iran nach Österreich flieht, um nicht verhaftet zur werden. Es ist ein Buch, das betroffen macht. Wir erfahren, was die fiktive Romanfigur A. aus seinem Heimatland Iran vertreibt, wie A. als Flüchtling in Europa strandet und was er als Asylbewerber in Österreich erlebt. Angefangen von Alltagsrassimus bis hin zu Demütigungen im Asylverfahren auf den Ämtern. Ich habe Amir Gudarzi am Lesefest Aprillen in Bern zum Gespräch getroffen. Er hat mir erzählt, was er am Asylsystem in Europa nicht gut findet, wie er die momentane Lage im Iran eischätzt und wie er über Mani Matter Schweizerdeutsch gelernt hat.Amir Gudarzi «Das Ende ist nah» dtv Verlag
LiteraturPur #42: Was für ein Sommer. Es ist das Jahr 1983. Es war heiss wie noch selten und das über Wochen. In Basel stiegen die Temperaturen teilweise bis auf 40 Grad. In diesem Sommer spielt der neue Roman des Schriftstellers und Hörspielautors Lukas Holliger mit dem Titel «1983 Verfluchte Hitze». Es ist eine politische Kriminalsatire, die es in sich hat und den «Kalten Krieg» zum Thema macht. Lukas Holliger greift drei historische Ereignisse aus diesem Jahr auf und treibt ein böses Spiel damit. Da ist der Skandal um die Schliessung des russischen Pressebüros «Nowosti», dann der Fall einer Basler Spionin und der Mord an einem Wahrsager. Der Roman lebt von historisch verbürgten Zitaten und den rasanten und höchst pointierten Dialogen, die Lukas Holliger seinen Romanfiguren in den Mund legt. Da gibt es Kommunistenjäger, gewaltbereite Jugendliche, die mit Molotowcocktails hantieren und einen schlauen, aber etwas verhuschten Polizeikommissar, der das Potential für eine neue Balser Kult-Kommissarfigur hätte. Kurz ein höchst unterhaltsamer und politisch brisanter Kriminalroman, der bestens in die heutige Zeit passt, wo ein neuer «Kalter Krieg» droht.Lukas Holliger, «1983 Verfluchte Hitze», Rotpunktverlag
LiteraturPur #41: Ein brutaler Bandenkrieg in Japan, der fast wie in einem Splatter-Film daherkommt, dann unheimliche Geister der Vergangenheit in Russland und eine Meditation über Kunst und das Leben in den USA und Nigeria. Drei ganz unterschiedliche Bücher und drei Meinungen dazu. In einer Spezialausgabe von LiteraturPur sind die Literaturkritikerin Sieglinde Geisel und der Kulturjournalist Julian Schütt zu Gast. Wir diskutieren folgende Bücher: «Titan oder die Gespenster der Vergangenheit» von Sergej Lebedew, «Superhits der Showa-Ära» von Ryu Murakami und «Tremor» von Teju Cole. Sieglinde und Julian sind ein eingespieltes Team, das gerne lustvoll über Bücher debattiert und manchmal auch streitet. In dieser Ausgabe sind sie sich ausnahmsweise oft einig.
LiteraturPur #41: «Du verträgst scharfe Pfeffersauce sicher besser als wir» diesen Spruch musste der Schriftsteller Martin R. Dean in seiner Kindheit im Aargau der 60er Jahre oft hören. Bei Sara Nuru hiess es jeweils: "Du kommst aus Äthiopien, da kannst du sicher schnell rennen". Dabei sei sie total unsportlich, sagt sie. Menschen mit «exotischem» Aussehen, werden in der Schweiz manchmal mit seltsamen Bemerkungen konfrontiert. Auch heute noch. Auch mit der Frage, woher kommst du. Was löst diese Frage bei Menschen mit anderer Hautfarbe aus? Eine Frage, die meist nicht böse gemeint ist. Aber aus welchem Denken kommt sie? Steckt dahinter unser kolonialistisches Erbe? Und was tun dagegen in einer Schweiz, die immer multikultureller wird? Oder anders gefragt, wie divers ist die Schweiz heute? Darüber diskutieren Sara Nuru und Martin R. Dean im Livepodcast aus dem Salon LiteraturPur. Beide sind People of Color. Sara ist Unternehmerin und das erste farbige Germanys Next Top Modell und Martin R. Dean ist Schriftsteller und Essayist. Beide erzählen von ihren Erfahrungen. Auch was es mit ihnen macht, wenn sie im Land ihrer Vorfahren nach den eigenen Wurzeln suchen.Martin R. Dean «Meine Väter» Atlantis VerlagSara Nuru «Roots» Goldmann Verlag
LiteraturPur #39: Nach den Anarchistinnen aus dem Jura jetzt ein Söldner aus Genf. Der Schriftsteller Daniel de Roulet aus Genf greift auch in seinem neusten Roman «Die rote Mütze» ein historisches Thema auf. Und wieder ist es Geschichte von unten. Daniel de Roulet erzählt von rebellischen Schweizer Söldnern zur Zeit der französischen Revolution. Diese wagen den Aufstand, weil sie ihren Sold nicht bekommen. Daniel de Roulet interessiert sich bei historischen Stoffen für Fragen wie: Was sagen uns solche Ereignisse aus der Vergangenheit heute noch? Wie soll man davon erzählen. Und wie kommt es, dass in der Geschichtsschreibung vor allem die Herrschenden zu Wort kommen? Darüber reden wir im Podcast LiteraturPur. Und der Autor verrät mir, dass in allem was er schreibe Politik drin ist. Sogar die Liebe sei in seinen Romanen politisch, sagt Daniel de Roulet, der dieses Jahr gerade 80 Jahre alt geworden ist. Er verstehe sich als politischer Autor. «Die rote Mütze» ist deutscher Übersetzung (Maria HOffmann-Dartevele) im Llimmat Verlag erschienen.
LiteratrurPur #38: Die heutige Welt sei viel zu prüde, findet die Autorin Dana Grigorcea. Es brauche mehr Tanz, mehr Sinnlichkeit. Das hat es definitiv in ihrem neuen Roman «Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen». Denn er handelt von Liebe, Verführung, Nostalgie und vor allem von Kunst. Wozu Kunst? Inwiefern speist sich Kunst aus dem Leben? Was gibt Kunst dem Leben zurück? Das sind Fragen, die Dana Grigorcea in dieser unterhaltsamen Geschichte über einen Bildhauer und eine Schriftstellerin stellt, die in verschiedenen Zeiten leben, sich aber doch begegnen. Bei unserem Treffen erzählt mir Dana, dass sie als passionierte Leserin und Opernliebhaberin ohne die Künste nicht leben könnte. Kunst schärfe die Sinne, mache Menschen genussfähiger und Kunst halte der Gesellschaft den Spiegel vor. Auf die Frage, warum sie selber sich als Schriftstellerin für die Kunst entschieden habe, meint sie, sie könne nicht anders. Sie werde von Figuren vefolgt und könne nachts nicht schlafen, wenn sie all die Geschichten in ihrem Kopf nicht aufschreibe. Dana Grigorcea «Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen» Penguin Verlag
LiteraturPur #37: Simone Meier bezeichnet sich als Belle Époque Junkie. In ihrem neusten Roman mit dem Titel «Die Entflammten» taucht sie ein in diese Zeit im letzten Viertel des 19. Jahhunderts. Es ist eine Zeit der Umbrüche und des Fortschritts. Simone erzählt die Geschichte von Jo, der Schwägerin des Malers Vincent van Gogh. Die Frau, die den Maler berühmt gemacht und seine Kunst unter die Menschen gebracht hat. Es geht um Paris, die Künstlerszene, um Liebe und um Obsession. Das Buch handelt aber auch von den Beschränkungen, denen Frauen in jener Zeit unterworfen waren. Sinnbild dafür ist das Korsett. Mehr als hundert Jahre später geht eine Kunststudentin der Geschichte von Jo Van Gogh nach, die jung Wittwe wird und sich mit ihrem Kind selber durchschlagen muss. Ihr Mann, Theo Van Gogh, stirbt schon bald nach der Hochzeit an Syphilis. Simone Meier «Die Entflammten» Kein und aber Verlag
LiteraturPur #36: Ein Schriftsteller und ein Quantenphysiker treffen in meinem Salon LiteraturPur aufeinander. Wir reden über Physik und Literatur, ausgehend von der Novelle «Sich lichtende Nebel» von Christian Haller. Für diese Novelle hat er im November 2023 den Schweizer Buchpreis bekommen. Darin beobachtet ein junger Physiker zu Beginn, wie ein Unbekannter nachts im Lichtkreis einer Strassenlaterne auftaucht und wieder in der Dunkelheit verschwindet. Das löst Fragen aus wie: Existieren Dinge nur dann, wenn man sie sieht? Wie verlässlich ist unsere Wahrnehmung? Diese Fragen führen den Physiker Werner Heisenberg Anfang der 1920er Jahre zur Entwicklung der Quantenmechanik. Der Autor Christian Haller greift das auf und stellt philosophische Fragen rund um die Grenzen unserer Erkenntnis. Wie liest der Physiker Klaus Ensslin, Professor an der ETH, die Novelle? Was brachte den Autor Christian Haller auf diese Geschichte. Und wie gehen Physik und Literatur zusammen? Das sind Fragen, die ich mit meinen Gästen im Salon «LiteraturPur» diskutiert habe. Angaben zum Buch Christian Haller «Sich lichtende Nebel» Luchterhand Verlag
LiteraturPur #36: «Lass es gut sein», heisst der Roman von Nathalie Schmid. Nach drei Gedichtbänden hat sie jetzt ihren ersten Roman veröffentlich. Es ist ein Roman über familiäre Verstrickungen und Verletzungen, über Fluchtgedanken und Rollenbilder. Familien sind ein unerschöpfliches und dankbares Thema in der Literatur. Denn jede Familie hat ihre Abgründe, ihre schwierigen Seiten. Und je unglücklicher eine Familie, um so interessanter. Die Hauptfigur im Roman ist eine Frau in mittleren Jahren, die alles viel zu ernst nimmt, sich und ihr Umfeld dauernd in Frage stellt. Der Titel «Lass es gut sein», tönt da für mich wie ein Plädoyer für mehr Gelassenheit im Leben. Das ist Absicht, sagt mir die Autorin im Gespräch. Sie findet, dass zu hohe Ansprüche, auch das dauernde Hinterfragen, zu einer Übersäuerung führen, die der Person selbst und dem Umfeld nicht guttun. Genau das passiert ihrer Hauptfigur, die das Familienumfeld zunehmend als toxisch empfindet.Was Nathalie Schmid an diesem Thema fasziniert, wie sie Beobachtungen aus ihrem Alltag einfliessen lässt und warum sie ihren Beruf als Bergbäuerin für das der Schriftstellerin und Lyrikerin aufgegeben hat, das erzählt sie mir im Podcast LiteraturPur. «Lass es gut sein» von Nathalie Schmid ist im Geparden Verlag erschienen
LiteraturPur 35: Atlantropa: Hinter diesem Namen steckt ein grössenwahnsinniges Projekt: Das Mittelmeer bei Gibraltar und beim Schwarzen Meer durch gigantische Staudämme abriegeln und halb Afrika unter Wasser setzen, um Strom für Europa zu gewinnen. Was nach einer verrückten Romanidee tönt ist aber wahr. Dieses Projekt gab es in den 1930er Jahren tatsächlich. Ein Schweizer Ingenieur war daran beteiligt. Er rechnete und skizzerte auf über tausend Seiten, wie man Wasser zähmen, Staudämme bauen und Afrika und Eurpa verbinden könnte. War er ein Verrückter, ein Utopist oder war sein Glaube an die Technik schlicht grenzelos?Der Schweizer Autor, Podcaster und Reporter Christoph Keller hat sich auf die Spuren des Schweizer Ingenieurs gemacht. Er ist ins Archiv gestiegen und hat Orte am Mittelmeer besucht. Was ihn an dieser Geschichte fasziniert und wie es kommt, dass er daraus einen Roman gemacht hat, darüber reden wir im Podcast LiteraturPur. Der Roman «Afrika fluten» von Christoph Keller ist im Rotpunkt Veralg erschienen.
LiteraturPur #34: Für den Schriftsteller Pedro Lenz ist Jeremias Gotthelf ein «Stürmisiech», einer der überall aneckte. Für Philipp Theisohn, Professor für Neuere Deutsche Literaturwissenschafen an der Universität Zürich, ist er ein Urgestein der Schweizer Literatur, ein Phänomen und einer der ersten Kapitalismuskritiker. Beide erzählen mir, was sie an Gotthelf mögen und was für sie an Gotthelf heute noch modern und aktuell ist. Ich habe Philipp und Pedro in meinen Salon LiteraturPur in Baden eingeladen. Dieser Podcast ist ein Zusammenschnitt aus unserem Salongespräch über Gotthelf vom 9. Dezember 2023. Jeremias Gotthelf, der Schriftstseller und Pfarrer aus dem 19. Jahrhundert, hat viele Klassiker der Schweizer Literatur geschrieben. Die meisten kennen die Erzählung «Die schwarze Spinne» oder die Romane «Ueli der Knecht» und «Ueli der Pächter», die beide auch verfilmt worden sind. Vor kurzem sind im Diogenes Verlag die ersten drei einer fünfzehn-bändigen Neuausgabe erschienen. Herausgeber ist Philipp Theisohn.Für Philipp hat die Sprache von Gotthelf Ähnlichkeiten mit der Sprache in Pedros Texten. Und Pedro findet, man könne auch heute noch viel von Gotthelf lernen. Was, das erzählt er im Podcast LiteraturPur. Hört rein.Jeremias Gotthelf, Ueli der Knecht, Diogenes VerlagJeremias Gotthelf, Ueli der Pächter, Diogenes VerlagJeremias Gotthelf, Erzählungen, Diogenes Verlag
LiteraturPur #33: «Lieblingstochter»heisst der Roman von Sarah Jollien Fardel. Der Titel klingt schön. Aber das täuscht. Es ist eine Geschichte von extremer häuslicher Gewalt und von sexuellem Missbrauch. Ein harter Stoff, gnadenlos erzählt. Sarah Jollien Fardel ist eine Schweizer Autorin aus Wallis und «Lieblingstochter» ist ihr erster Roman. Und sie hat es damit gleich auf die Liste für den «Prix Goncourt», den wichtigsten Buchpreis in der französischsprachigen Welt geschafft und sie wurde mit dem «Choix Goncourt de la Suisse» ausgezeichnet. Das Buch erzählt die Geschichte von Jeanne. Sie wächst mit ihrer älteren Schwester, der Mutter und dem Vater in einem kleinen Walliser Bergdorf auf. Der Vater ist unberechenbar und gewalttätig und je nach Lust und Laune schlägt er zu. Einfach so. Gnadenlos und brutal. Das Dorf schaut zu und schweigt. Es ist ein Roman, der auf eindrückliche Weise zeigt, was häusliche Gewalt ist und was sie mit Menschen macht. Und es ist ein Roman, in dem auch viel Wut spürbar ist. Was es mit dieser Wut auf sich hat, davon erzäht Sarah Jollien Fardel im Podcast LiteraturPur.Der Roman «Lieblingstochter» von Sarah Jollien Fardel ist im Aufbau Verlag erschienen, in der Übersetzung von Theresa Benkert
LiteraturPur #33: «Lieblingstochter»heisst der Roman von Sarah Jollien Fardel. Der Titel klingt schön. Aber das täuscht. Es ist eine Geschichte von extremer häuslicher Gewalt und von sexuellem Missbrauch. Ein harter Stoff, gnadenlos erzählt. Sarah Jollien Fardel ist eine Schweizer Autorin aus Wallis und «Lieblingstochter» ist ihr erster Roman. Und sie hat es damit gleich auf die Liste für den «Prix Goncourt», den wichtigsten Buchpreis in der französischsprachigen Welt geschafft und sie wurde mit dem «Choix Goncourt de la Suisse» ausgezeichnet. Das Buch erzählt die Geschichte von Jeanne. Sie wächst mit ihrer älteren Schwester, der Mutter und dem Vater in einem kleinen Walliser Bergdorf auf. Der Vater ist unberechenbar und gewalttätig und je nach Lust und Laune schlägt er zu. Einfach so. Gnadenlos und brutal. Das Dorf schaut zu und schweigt. Es ist ein Roman, der auf eindrückliche Weise zeigt, was häusliche Gewalt ist und was sie mit Menschen macht. Und es ist ein Roman, in dem auch viel Wut spürbar ist. Was es mit dieser Wut auf sich hat, davon erzäht Sarah Jollien Fardel im Podcast LiteraturPur.Der Roman «Lieblingstochter» von Sarah Jollien Fardel ist im Aufbau Verlag erschienen, in der Übersetzung von Theresa Benkert
LiteraturPur #32: Der Roman «Damenprogramm» von Theres Roth-Hunkeler ist ein humorvolles Plädoyer für das Frechsein im Alter. Und ein Appell, vor allem an Frauen, sich nicht zu verstecken. Denn von ihnen wird erwartet, dass sie ab einem gewissen Alter einfach lieb sind. Lieb sind Omas. Es ist ja manchmal auch schön, eine liebe Oma zu sein. Aber nicht immer. Die Frauen im Roman «Damenprogramm»haben es satt lieb zu sein. Sie sind lieber freundlich und frech. Und sie sind überzeugt, dass man vor allem das Frechsein lernen muss. Überhaupt: Wie geht das Altwerden? Was macht es mit Freundschaften, mit der Liebe, dem Sex? Der Roman «Damenprogramm» gibt keine Antworten aber Anregungen und er macht Mut, sich mit anderen darüber auszutauschen. «Damenprogramm» von Theres Roth-Hunkeler ist in der Edition Bücherlese erschienen
LiteraturPur #31: «Mein Vater war ein Verdingkind» sagt die Autorin und Zeichnerin Lika Nüssli. In ihrer Grapic Novel «Starkes Ding» erzählt sie die Geschichte ihres Vaters, der im Alter von gut elf Jahren auf einen Bauernhof im Toggenburg geschickt wurde, um zu arbeiten. Das Verdingen von Kindern aus armen Familien wurde in der Schweiz noch bis in die 1970er Jahre praktiziert. Es ist ein dunkles Kapitel in der Schweizer Geschichte, das lange Zeit verdrängt worden ist. Hunderttausende Kinder aus armen Verhältnissen wurden im 19. und 20. Jahrhundert ausgebeutet und misshandelt. Erst 2013 hat sich der Schweizer Staat dafür entschuldigt. Lika Nüssli greift das Thema auf und schildert am Beispiel ihres Vaters wie der Alltag der Kinderknechte und Kindermägde ausgesehen hat. In Zeichnungen und Text schildert sie das Leid, die Angst, den Hunger und die Einsamkeit ihres Vaters als Kinderknecht. Für die Graphic Novel über die Geschichte ihres Vaters wurde Lika Nüssli mit dem Schweizer Literaturpreis des Bundeamts für Kultur ausgezeichnet. Lika Nüssli ist Gast im Podcast LiteraturPur, dem Podcast, der Autor*innen eine Stimme gibt. «Starkes Ding» ist im Verlag Edition Moderne erschienen.
LiteraturPur #30: Eigentlich wollte der Lyriker und Schriftsteller Klaus Merz mit 70 Jahren aufhören zu schreiben. Aber dann hat es ihn doch wieder gejuckt. Was ihn nach einer längeren Pause weider den Bleistift zur Hand nehmen liess, das erzählt er mir im Gespräch über sein neustes Buch mit dem Titel «Noch Licht im Haus». Darin hält Klaus Merz in Gedichten und kurzen Texten Rückschau auf sein Leben. Er verbindet darin Erinnerungen mit Beobachtungen und Geschehnissen aus dem Heute. In vielen seiner Gedichte spielt neben einem leisen Schalk die Aktualität rein. Sie blitzt auf zusammen mit alltäglichen Betrachtungen. Etwa der Krieg in Ukraine. Es sind aber stets nur feine Andeutungen. Dazu sagt Klaus Merz, er wolle die Dinge schon beim Namen nennen, sie aber nicht hinausposaunen. Wie immer sind seine Texte dicht und konzentriert. Kein Wort ist zu viel. Er habe eben schon immer das Bedürfnis gehabt, nur das Notwendigste zu sagen. Bei der Sprache muss für ihn wenig genug sein. Also nie zu viel. Reduktion als Prinzip. «Noch Licht im Haus» von Klaus Merz ist im Haymon Verlag erschienen.
LiteraturPur #29: Die US-Amerikanische Autorin Nell Zink hat eine Vorliebe für Aussenseiter. Deshalb wimmelt es in ihren Romanen von Nerds, Freaks und Ausgestossenen. Auch im neusten Buch mit dem Titel «Avalon» Das habe mit ihrer Herkuft zu tun, sagt sie mir im Gespräch. Ihre Eltern hätten sie dazu erzogen, eigenständig zu denken, sich nicht zu sehr anzupassen. Das schärfte bei ihr den Blick für das Absurde und Unperfekte im Alltag. Aber es war in Virginia, wo sie aufgewachsen ist, auch ein Handicap. Denn sie erfuhr, dass Menschen, die auf die Idee kamen, eigene Gedanken zu haben, zu Aussenseitern wurden. Sie kennt also das Gefühl, nicht dazuzugehören. So wie die Figuren in ihrem neusten Roman «Avalon». Dazu geehören: Ein schwuler, unbegabter Flamencotänzer, ein superkluger Nerd und eine papierlose Waise, die in der kriminellen Pflegefamilie wie eine Sklavin gehalten wird. Die Geschichte spielt diesmal in Kalifornien. Eine Gegend, die Nell als eine Kombination aus Bikergangs und Landwirtschaft beschreibt. Darüber reden wir und weiter verrät sie mir im Podcast, dass ihre Romane eigentlich Briefe an bestimmte Menschen sind und verschlüsselte Botschaften enthalten.«Avalon» von Nell Zink ist im Rowehlt Verlag erschienen
LiteraturPur #28: Ich habe den bayrischen Musiker, Kabarettisten und Bühnen-Zampano Georg Ringsgwandl in München zum Gespräch getroffen. Der vielseitige Künstler und ehemalige Kardiologe hat nun seinen ersten Roman geschrieben mit dem Titel «Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris». Was Georg Ringsgwandl als Roman bezeichnet, ist eigentlich eine verkappte Autobiografie. Die fiktive Doris erzählt von den Hochs und Tiefs, dem Glanz und Graus des Lebens mit der Band auf Tour und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Ich rede mit Georg Ringsgwandl über diese schlaue Doris, über lange Autofahrten durch die deutsche Provinz, die er nur dank der Tourbibliothek seines Gitarristen überlebt. Er verrät, warum er als Jugendlicher die original Oberkrainer so gemocht hat und welche Bücher er gerade liest. Und er erklärt mir, warum Musiker und Mediziner so einiges gemeinsam haben und er lässt sich entlocken, dass er Schwarzgeld eigentlich ganz nützlich findet. Wie immer weiss man bei ihm auch im Gespräch nie so genau, was Spontan-Kabarett und was ernst gemeint ist. Es war eine höchst vergnügliche Begegnung in den ehrwürdigen Hallen der Bayrischen Akademie der Künste, in die Georg Ringsgwandl kürzlich aufgenommen worden ist. Georg Ringsgwandl «Die unvollständigen Aufzeichnungen der Tourschlampe Doris» ist erschienen im dtv Verlag.
LiteraturPur #27: Schreiben ist wie ein permanenter Karneval, da darf ich die dunkle Seite nach aussen kehren, sagt der österreichische Schriftsteller Michael Köhlmeier. Da kann ich als «Jack the Ripper» unterwegs sein. Es ist nicht der Mörder «Jack the Ripper», aber ein anderer böser Mann, der in Michael Köhlmeiers neustem Roman «Frankie» sein Unwesen treibt. Dieser Mann ist der Grossvater von «Frankie», einem 14jährigen, aufgeweckten aber braven Jungen. Die Geschichte beginnt, als dieser Grossvater nach 18 Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen wird und sich in das Leben seines Enkels drängt. Zuerst fürchtet sich Frankie vor diesem Grossvater, er ist ihm unheimlich. Aber er ist auch fasziniert und lässt sich verführen von seinem machohaften Getue. Auch seine «Scheiss drauf» Haltung imponiert ihm. Michael Köhlmeier erzählt nun, wie sich dieser 14jährige Frankie durch die Beziehung mit diesem Grossvater verändert. Es ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden, das Männerbild und die Faszination des Bösen. Und es ist ein unheimlicher und zugleich witziger Roman. Ein Buch, das mich von der ersten Seite an gepackt hat. Im Podcast erzählt mir Michael Köhlmeier, was ihn an Frankie interessiert, wie es sich anfühlt, wenn sich eine Person verselbständig und warum Schreiben für ihn etwas Erotisches hat. «Frankie» von Michael Köhlmeier ist im Hanser Verlag erschienen.
LiteraturPur #26: Sie möchte keine Heimatdichterin sein und Gedichte müssen nicht der Alltagslogik entsprechen, sagt Leta Semaden. Ich habe die Schriftstellerin und Lyrikerin Leta Semadeni in Lavin, im Unterengadin, zum Gespräch getroffen. Sie gilt als eine der renommiertesten Vertreterinnen der rätoromanischen Lyrik und Erzählkunst der Gegenwart. Sie schreibt zweisprachig, im rätoromanischen Vallader und auf Deutsch. Die Zweisprachigkeit ist insofern eine Besonderheit ihrem Werk, weil sie beide Sprachen gleichberechtigt behandelt. Sie fängt in einer Sprache an und schreibt in der anderen weiter. Leta Semadeni hat mehrere Gedichtbände und zwei Romane publiziert. Kürzlich sind der Roman «Amur grosser Fluss» und der 2-sprachige Gedichtband «Ich bin auch ein Tier» erschienen. Für ihr Gesamtwerk «von schroffer Schönheit» wurde Leta Semadeni im Februar 2023 vom Bundesamt für Kultur mit dem Grandprix Literatur geehrt. «Amur grosser Fluss» und der 2-sprachige Gedichtband «Ich bin auch ein Tier» sind im Atlantis Verlag erschienen.
LiteraturPur #25: Ho scoperto l'autore ticinese Fabio Andina qualche anno fa, quando è stato pubblicato il suo libro "La pozza del Felice". Un libro contemplativo su un uomo anziano in un villaggio di montagna del Ticino. Sono rimasto entusiasta del linguaggio gentile e della calma che il libro emana. Ora il suo romanzo "Uscirne fuori" è stato appena tradotto in tedesco. È l'esatto contrario. Guidato, frenetico, pieno di rabbia. Ma almeno altrettanto affascinante. In "Uscirne fuori", in tedesco "Davonkommen", entriamo nella testa di un uomo. Si è appena separato dalla moglie e dal figlio piccolo. È confuso, ferito e pieno di rabbia. Inoltre, ha debiti e non ha un lavoro. Si butta sui tranquillanti, in combinazione con l'alcol. E si ritira come un animale ferito in una vecchia capanna di vacanza in un villaggio sperduto tra le montagne del Ticino. Lì si rimette lentamente in piedi. Nel periodo che intercorre tra la separazione e il divorzio, attraversa l'inferno. E noi con lui. Un viaggio intenso e senza fiato attraverso l'oscurità. Fabio Andina mi racconta nel podcast cosa lo attira in questo villaggio di montagna e perché non vuole più vivere in città. La conversazione è in italiano e tedesco. Io faccio le domande in tedesco, Fabio risponde in italiano.Il romanzo è pubblicato da Rotpunkt Verlag nella traduzione di Andreas Löhrer.
LiteraturPur #25: Ich habe den Tessiner Autor Fabio Andina vor ein paar Jahren entdeckt, als sein Buch «Tage mit Felice» erschienen ist. Ein kontemplatives Buch über einen alten Mann in einem Tessiner Bergdorf. Ich war begeistert von der behutsamen Sprache und der Ruhe, die das Buch ausstrahlt. Jetzt ist gerade sein Roman «Davonkommmen» ins Deutsch übersetzt worden. Und es ist das pure Gegenteil. Getrieben, hektisch,voller Wut. Aber mindestens so faszinierend. In «Davonkommen» auf Italiensch «Uschirne fuori» begeben wir uns in den Kopf eines Mannes. Er ist frisch getrennt von seiner Frau und dem gemeinsamen kleinen Sohn. Er ist verwirrrt, verletzt und voller Wut. Zudem hat er Schulden und keinen Job. Er schmeisst Beruhigungsmittel rein, in Kombination mit Alkohol. Und zieht sich wie ein verwundetes Tier in eine alte Ferienhütte in einem abgelegenen Dorf in den Tessiner Bergen zurück. Da kommt er langsam wieder auf die Beine. In der Zeit zwischen Trennung und Scheidung geht er buchstäblich durch die Hölle und wir mit ihm. Ein atemloser und intensiver Trip durch die Finsternis. Fabio Andina erzählt mir im Podcast, was ihn selber in dieses Bergdorf zieht und warum er der Stadt den Rücken gekehrt hat. Das Gespräch ist auf Italienisch und Deutsch. Anina Barandun, Lektorin und Programmverantwortliche beim Rotpunktverlag übersetzt es ins Deutsche.Der Roman ist im Rotpunkt Verlag erschienen in der Übersetzung von Andreas Löhrer
LiteraturPur #24: Der Schriftsteller Robert Menasse sagt von sich, er sei ein Spezialist für das Tragikomische. Das glaubt man ihm sofort, wenn man sein neustes Buch «Die Erweiterung» liest. Es ist sein zweiter EU Roman nach «Hauptstadt». Da führt er uns nach Albanien, in ein Land, das seit Jahren darauf wartet, in die EU aufgenommen zu werden. Ein so irrwitziger wie geistreicher Roman über Menschen, die an die EU glauben und dennoch an ihr verzweifeln. Robert Menasse verknüpft individuelle Schicksale mit den Widersprüchlichkeiten der EU-Politik. Rund um den Helm eines Helden aus dem Mittelalter entwickelt er einen rasanten Plot, der alles bietet: Liebe, Hass, Politik und Verbrechen. Er wünsche sich, sagt Robert Menasse im Gespräch, dass sich die Lesenden bei der Lektüre die grundlegenden Fragen unserer Zeit stellen. Wichtige Fragen für ihn sind: Was haben wir für Probleme, warum können wir sie nicht lösen. Was haben wir für Hoffnungen und welche Ängste plagen uns. Wie wollen wir wirklich leben und was hindert uns daran? Und dann hat er noch einen Rat für die Schweiz: Sie sollte die EU einladen, in die Schweiz einzutreten. Und das ist für ihn nicht nur ein Scherz.
LiteraturPur #23: Der Schriftsteller Lukas Bärfuss ist mit der streitbaren Literatukritikerin Sieglinde Geisel bei mir zu Gast. Wir diskutieren über «Die Krume Brot», den neusten Roman von Lukas Bärfuss. Darin schildert er das Leben von Adelina, die durch Herkunft, Schicksal und andere Umstände in die Armut rutscht und nicht weiss, wie sie sich und ihr Kind durchbringen soll. Lukas Bärfuss schildert, wie man in der Schweiz der 70er Jahre mit armen Menschen umgeht, sie ausgrenzt und ihnen keine Chance gibt, aus der Armutsfalle herauszukommen. Wie es ist, kein Geld zu haben, jahrelang Schulden abstottern zu müssen, das kennt Lukas Bärfuss aus eigener Erfahrung. Er hat eine Weile sogar auf der Strasse gelebt. In dieser Zeit waren Bücher für ihn sehr wichtig. Da, sagt er, habe er die Literatur entdeckt. Weiter erzählt Lukas Bärfuss, warum er als Kind ein 25-bändiges Lexikon gelesen hat und welche Bücher ihn geprägt und beim Schreiben inpiriert haben. Und wir erfahren, weshalb Bob Dylan für ihn ein Vorbild ist. Und dann verrät er, dass «Die Krume Brot» eigentlich ein Gespensterbuch ist. Überhaupt ist das Gespenstische und Surreale etwas, das ihn anzieht.«Die Krume Brot» von Lukas Bärfuss ist erschienen im Rowohlt Verlag
LitereraturPur #22: Jazz war in der Nazi-Zeit streng verboten. Aber 1940 gründet Propagandaminister Goebbels eine deutsche Swing-Band mit Namen «Charlie and his Orchestra». Sie soll für den Auslandsender «Germany Calling» spielen und im Ausland über Songtexte Nazi-Propaganda verbreiten. Dafür lässt Goebbels Musik zu, die eigentlich als entartet gilt, den Jazz. Und er stellt die besten Musiker ein, darunter auch Juden und Homosexuelle, die in der Band buchstäblich um ihr Leben spielen. So lange sie dabei sind, geschieht ihnen nichts. Eine unglaubliche und absurde Geschichte, aber sie ist wahr. Demian Lienhard ist dieser Geschichte nachgegangen und hat darüber einen Roman mit dem Titel Roman «Mr. Goebbels Jazzband» geschrieben. Er erzählt mir, was es mit dieser Band auf sich hatte, wie er auf dieses Thema gekommen ist, und was ein fiktiver Schweizer Schriftsteller damit zu tun hat.
LiteraturPur #21: Als Kind wollte Christine Brand Detektivin oder Schriftstellerin werden. Als Krimiautorin hat sie beides vereint, sowohl das Schreiben wie das Aufdecken von Verbrechen. Davon und warum sie vor ein paar Jahren ihren Job und die Wohnung gekündigt hat und seither in der Welt herumreist, erzählt sie in diesem Podcast. Auch, dass sie auf der ostafrikanischen Insel Sansibar eine neue Heimat gefunden hat. Auf Sansibar hat sie auch ihren neusten Krimi «Der Feind» fertig geschrieben. Im Krimi «Der Feind» verfolgt ihr bewährtes Ermittlerpaar Attentäter, die im Netz zum Frauenmord aufrufen. Die Spur führt zu den Incels, das sind Männer, die Frauen als minderwertige Wesen bezeichnen. Eine Szene, die es tatsächlich gibt und über die Christine Brand für den Krimi recherchiert hat. Diese Incels begehen ein Attentat in der Reitschule in Bern. Christine Brand legt aber noch eine andere Spur. Das Ermittler-Paar muss eine makabre Mordserie lösen, die nach Selbstjustiz aussieht. Bizarre Morde an Männern, die ans Bett gefesselt und mit roten Stöckelschuhen an den Füssen aufgefunden werden. Christien Brand legt in «Der Feind»"geschickt verschiedene Fährten aus, welche die Lesenden bis zum Schluss in die Irre führen und für Spannung sorgen.
LiteraturPur #20: Mein Gast ist der jungen Schweizer Autor Adam Schwarz. Er hat sein neues Buch mit dem Titel «Glitsch» mitgebracht. «Glitsch»ist vieles: Klimakrimi, Trennungsroman und abgründiger Abgesang auf unsere Welt. Und es ist die unheimliche Geschichte eines junges Mannes, der in einen Albtraum hineinpurzelt, in eine Parallelwelt, aus der er nicht mehr herausfindet. Oder ist es gar ein Computerspiel, in das er sich verirrt hat und sich nun von Level zu Level durchkämpfen muss? Schauplatz des Romans ist ein Kreuzfahrtschiff mit über 2000 Passagieren an Bord, das irgendwann in naher Zukunft das Polarmeer durchquert. Es ist auf der Nordostpassage, die inzwischen eisfrei ist, von Europa nach Japan unterwegs. An Bord ist Léon, der oben genannte junger Mann, dem seltsame Dinge passieren. Zuerst verschwindet seine Freundin spurlos, dann funktioniert seine Kabinenkarte nicht mehr und dann ist er auch als Gast auf der Bordkartei nicht mehr registriert. Er mutiert zum blinden Passagier, wird gejagt und findet Zuflucht zuunterst im Bauch des Schiffes, in den Räumen der Crew. Was passieert da, bildet sich Léon das alles nur ein oder ist es die Réalität in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist? Darüber rede ich mit Adam Schwarz.
LiteraturPur #19: Integration ist immer gewaltvoll, sagt Ralph Tharayil. Denn Integration versucht zu sagen: Du bist ein Gast, du bist willkommen, ABER………Und um dieses ABER geht es im Buch «Nimm die Alpen weg». Der Autor, der in Liestal und Basel aufgewachsen ist, erzählt darin die Geschichte eines Geschwisterpaares, das den Kampf der Eltern mit Integration, Assimilation und Ankommen in der Schweiz miterlebt und seine eigenen Schlüsse daraus zieht. Der Autor erzählt in Bildern die Geschichte einer Kindehtie in der Schweiz. Da sind Eindrücke von heissen Sommern in Schwimmbädern, vom Spielen mit anderen Kindern. Und dazwischen immer wieder die müden, abgearbeiteten Eltern. Sie wollen es für ihre Kinder in der neuen Heimat zu etwas bringen. Aber wollen die Kinder dasselbe? Das ist eine Frage die Ralph Tharayil im Buch stellt. Im Gespräch erklärt er mir warum. Er glaubt, dass es mit den Erwartungen zusammenhängt, die mit Integration verknüpft sind. Und mit Scham und Klassenzugehörigkeit. Ralph Tharayil weiss wovon er spricht. Er ist selber ein Secondo. Seine Eltern sind aus Südindien in die Schweiz gekommen, kurz bevor er hier geboren wurde.. Er kennt den Wunsch von Eltern, ihren Kindern in der Fremde ein besseres Leben zu ermöglichen. Doch diesem Wunsch stellt er ein grosses ABER gegenüber:
LiteraturPur #18: Was ist real, was fiktiv? Das ist beim Schweizer Schriftsteller Peter Stamm nie so eindeutig. Seine Romane sind oft ein Gemenge aus Realem und Erfundenem und haben dadurch etwas Traumhaftes. Auch die Figuren wirken entrückt und geheimnisvoll. Das ist auch im neusten Roman mit dem Titel «In einer dunkelblauen Stunde» so. Da spielt Peter Stamm mit Dichtung und Wahrheit. Der Plot: Über den bekannten Schweizer Schriftsteller Richard Wechsler soll ein Dokumentarfilm gedreht werden. Und zwar darüber, wie er ein Buch schreibt. Aber der Autor läuft mitten in den Dreharbeiten davon. Zur gleichen Zeit, da Peter Stamm dieses Buch schreibt, wird auch über ihn ein Dokumentarfilm gedreht. Anders als seine Figur im Buch, läuft er nicht weg, sondern beendet den Film. Der Roman ist eine raffinierte Verwirr- und Verwechslungsgeschichte von Autor zu Autor. Eines ist aber klar, es ist keine Autofiktion. Im Gespräch erzählt mir Peter Stamm, wss ihn an diesem Verwirrspiel fasziniert. Weiter sagt er, dass Schreiben gefährlich sein kann, weil es ihn dazu verführt, das reale Leben zu vernachlässigen. Er verrät mir aber auch, was ihn wieder in die Realität zurückholt. Und warum er Abenteuer lieber in der Fiktion als in der Realität erlebt.
LiteraturPur #17: Irgendwas ist immer, sagt Kommissär Müller von der Kriminalpolizei Basel. Er wird gerade ziemlich auf Trab gehalten durch seltsame Bagatellfälle. Da wird ein Enkelbetrüger von einem Hund angefallen. Im Supermarkt bekommt ein rüpelhafter Drängler Prügel von rabiaten Seniorinnen. Ein ultraliberaler Politiker liegt mit einer Kopfwunde ohnmächtig am Boden. Das Wurfgeschoss war ein Handy. Und dann wird ein Jungunternehmer mitten in der Nacht in einen eiskalten Brunnen getunkt. Es sind alles kleine Vergehen, aber sie häufen sich. Ist das Zufall, frag sich Müller, oder treibt da jemand sein Unwesen. Auch der neunte Krimi von Raphael Zehnder «Müller und der Himmel über Basel» ist eine Milieustudie. Und er kommt ganz ohne Mord aus. Der Autor richtet den Blick auf die problematischen Seiten unserer Gesellschaft. Etwa die zunehmende Polarisierung in der Politik oder die Vereinsamung und Ausgrenzung von alten Menschen und solchen, die finanziell untendurch müssen. Trotz des gesellschaftskritischen Ansatzes besticht der Krimi durch seinen Humor und seinen ironischen Unterton. Eine literarische Satire vom Feinsten. Im Podcast erzählt mir Raphael Zehnder, warum es ihm um Kommissär Müller nie langweilig wird, wrdhalb er brutale Morde uninteressant findet und welche Rolle die Musik in seinen Romanen spielt.Raphael Zehnder: Müller und der Himmel über Basel, Emons Verlag
LiteraturPur #16: Sarah Elena Müller beschreibt in ihrem Romandebut «Bild ohne Mädchen» einen Fall von Kindesmissbrauch - ein Thema, das immer wieder Schlagzeilen macht, gerade kürzlich im Fall eines Schauspielers am Wiener Burgtheater. Oftmals schaut das Umfeld lange - zu lange - einfach weg.Das ist auch in der Geschichte von Sarah Elena Müller so. Ein Kind, irgendwo in der Schweizer Provinz, verbringt viel Zeit bei einem netten Nachbarn. Es darf bei ihm Videos schauen, was zuhause verboten ist. Der Nachbar ist Medientheoretiker und Philosoph. Er filmt das Kind und missbrauch es. Was genau passiert wird nicht geschildert. Wir erfahren nur über das Verhalten des Kindes, über seine inneren Bilder, dass etwas nicht stimmt. Die Autorin hat eine Sprache gefunden für eine beklemmende Geschichte, die den sexuellen Missbrauch des Kindes andeutet und zeigt, wie Erwachsene Warnsignale nicht sehen wollen. Es ist eine Sprache, die einfühlsam und streckenweise auch humorvoll die Sicht des Kindes auf die Erwachsenenwelt beschreibt und dabei ganz nahe an der kindlichen Realität bleibt. Ein Kind, das nicht versteht und doch merkt, dass etwas nicht stimmt. Sarah Elena Müller ist eine politisch engagierte Künstlerin und Autorin und das Thema Missbrauch und Kinderpornographie schildert sie hier vor dem Hintergrund der antiautoritären Erziehung und Reformpädagogik, wo der freizügige Umgang mit Sexualität selbstverständlich war. Und wo man die Gefahr von Missbrauch lange nicht sehen wollte. Es ist der erste Roman von Sarah Elena Müller. Sie experimentiert aber schon lange mit Sprache, multimedial als Kolumnistin, Musikerin, Performerin und mit Virtual Reality.
LiteraturPur #15: Ich habe den Schweizer Schriftsteller Charles Lewinsky zu einem langen Gespräch getroffen. Wir reden darüber, wie er für jede Geschichte eine eigene Sprache finden muss. Weiter erzählt er mir, dass er als Autor keine Macht hat, eine Figur zu ändern, auch wenn sie ihn nervt. Figuren, meint er, haben ein Eigenleben, deshalb lasse er sie eigenständig handeln und sei oftmals selber überrascht, welchen Weg sie gehen. Für ihn muss das Schreiben überraschend und abenteuerlich sein, sonst langweilt er sich. Und natürlich diskutieren wir über Themen, die ihn anziehen. Charles Lewinsky greift in seinen Romanen gern historische Themen auf. Bei Melnitz war es die Geschichte der Juden in der Schweiz von 1871-1945. Sein neuster Roman «Sein Sohn» spielt zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in den Jahren nach der Französischen Revolution. Die Geschichte handelt von Louis Chabos. Ein Waise, den es aus dem Waisenhaus in Mailand mit der Armee Napoleons zuerst nach Russland verschlägt und danach in die Bündner Herrschaft. Dort erfährt er, dass er ein unehelicher Sohn des französischen Königs ist. Das treibt ihn – wen wunderts - mitten in einer Choleraepidemie nach Paris. Eine gefährliche Sache. aber Charles Lewinsky liebt das Abenteuer und seine Figur auch.
LiteraturPur #14: Unsere Gegenwart biete wenig Raum für das Exzentrische, findet Eckhart Nickel. Umso exzentrischer sind daher die Figuren in seinem neuen Roman «Spitzweg». Er handelt von drei jungen Menschen, die - auf der Suche nach sich selbst - aus der Realität in die Kunst flüchten und dabei fast verlorengehen. Es ist ein Roman über Kunst, aber auch über Musik und die stilvolle Art zu leben. Deshalb unterhalt ich mich mit Eckhart Nickel unter anderem über seine Liebe zu: Punk Bands wie Vampire Weekend, Bram Stoker's Dracula und Mode, die die Zeit überdauert. Dabei verrät er mir, was ihn an Löschblättern und Sockenhaltern fasziniert und warum er noch nie Hafermilch getrunken hat. Und ich erfahre, dass ihn die heutige Konsumwut zum Konservativen gemacht hat und er deshalb Kleider trägt bis sie zerfallen. Etwa seine rote Jacke aus dem Jahr 1982. Eckhart Nickel ist Autor, Lifestyle-Papst, Kunstkenner, wandelndes Lexikon, Parfumtester und ein geistreicher Gesprächspartner.
LiteraturPur #13: Isidor ist ein Dandy. Er lebt in einem 10-Zimmer Palais und gibt jeden Sonntag eine Gesellschaft für die Schönen und Reichen in Wien. Er, der aus einer sehr armen, jüdisch-orthodoxen Familie aus Galizien stammte, hat es geschafft. Er ist assimiliert, angesehen und sehr reich. Dann kommen die Nazis an die Macht, rauben ihn aus und treiben ihn in den Tod. Seinen Geschwistern gelingt in letzter Sekunde die Flucht nach Palästina. Heute, über 80 Jahre später, macht sich seine Urgrossnichte Shelly Kupferberg auf die Spurensuche nach Isidor. Sie findet Briefe auf einem Estrich, Akten in Archiven und Listen seines ehemaligen Besitztums. Und sie erinnert sich an Erzählungen ihres Grossvaters über Isidor. Daraus hat sie eine berührende Geschichte über ihre Vorfahren aus Wien geschrieben, die den Holocaust erlebt und erlitten haben.
LiteraturPur #12: Sie liegt in anzüglicher Pose auf dem Rücken und schaut die Betrachter*innen herausfordernd an. Eine junge Frau, gemalt vom Künstler Egon Schiele. Wer ist sie? Wie heisst sie? Was hat sie für ein Leben gehabt? In welcher Beziehung stand sie zum Künstler? Das steht nicht unter dem Bild im Museum. Die Schweizer Autorin Martina Clavadetscher wollte es wissen und begann zu recherchieren. Im Buch "Vor aller Augen" lässt Martina Clavadetscher 20 Frauen aus weltberühmten Gemälden zu Wort kommen. Frauen die portraitiert wurden von Malern wie Leonardo da Vinci, Rembrandt, Raffael, Manet etc. Im Gespräch erzählt die Autorin, was sie dabei über die Lebensbedingungen von Frauen in früheren Jahrhunderten herausgefunden und was sie frei erfunden hat. Und sie verrät, welche Geheimnisse hinter gewissen Bildern stecken und warum ein Bild mehr als hundert Jahre versteckt worden ist. Der Spass am Buch "Vor aller Augen" ist: Frauen, die jahrhundertelang nur angeschaut wurden, beginnen zu reden. Und da kommt einiges auf den Tisch.