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In den vergangenen Tagen haben wir vor den Toren Roms eine neue Regierung des Malteserordens gewählt. Es sollten möglichst die am besten Geeigneten sein. Mit den unterschiedlichsten Meinungen, wer das sei, welche Gaben es braucht und wer welche hat. Und wer gewählt wurde, sagte laut und vernehmlich: „Ich nehme die Wahl an!“ Wie wäre das ausgegangen, wenn wir gewählt hätten, wie Gott gewählt hat? „Das Törichte […], das Schwache […], das Niedrige und das Verachtete in der Welt hat Gott erwählt“, schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth. Nun geht es, wenn Gott erwählt, nicht um Wahlämter. Es geht um Berufung. Wer seine Berufung annimmt, der merkt, dass er auch erwählt ist. Erwähltsein bedeutet, dass ich herausgenommen werde aus dem Allgemeinen ins Besondere, aus der Nicht-Unterscheidbarkeit in das Unverwechselbare, aus dem Gemeinen ins Ungemeine. Und Gott erwählt uns nicht, um uns aus den Anderen herauszuheben, sondern um uns zu den Anderen zu senden. Gott erwählt Menschen nicht vor anderen, sondern für andere… Aber warum schreibt Paulus, dass Gott ausgerechnet das Törichte, das Schwache und das Niedrige erwählt? Stimmt, was der Philosoph Friedrich Nietzsche den Christen unterstellt hat: „die Bevorzugung alles Leidenden, Schlechtweggekommenen, Degenerierten“, gegen die Nietzsche protestiert und wegen derer er die „Moral des Christentums als Kapitalverbrechen am Leben empfindet“? Ich denke, es ist wichtig, dass sich Christen der Versuchung bewusst sind, Schwachheit und Krankheit zu idealisieren. Aber es geht bei der Erwählung Gottes nicht darum, dass Torheit schlechthin besser wäre als Weisheit, Schwäche besser als Stärke oder Niedrigkeit besser als Vornehmheit. Es geht darum, dass etwas nicht stimmt mit dem, was „die Welt“ (oder der weltliche „Mainstream“) als Weisheit, Stärke und Erhabenheit verehrt und als Torheit, Schwäche und Niedrigkeit verachtet. Die „Weisheit der Welt“ ist für Paulus Torheit, weil sie zwar viel gelernt aber wenig erkannt hat, weil sie das Sichtbare, Messbare und Begreifliche für die ganze Wirklichkeit hält, über die hinaus es nichts Unbegreifliches geben darf. Die „Stärke der Welt“ ist bestenfalls halbstark, Sie überschätzt sich, meint niemanden zu brauchen und ihre traurige Großartigkeit besteht darin, dass sie sich nicht helfen lässt. Und die „Erhabenheit der Welt“ ist schließlich jene, die überheblich ist, sich selbst erhebt – über andere und auf deren Kosten – und die über sich nichts und niemanden dulden kann. Gott erwählt das, was die Welt für töricht hält, in Wirklichkeit aber weise ist; das, was für die Welt schwach, für Gott aber stark ist; das, was in den Augen der Welt niedrig ist, in Wirklichkeit aber echte Größe hat. Ich stand in der vergangenen Woche nicht zur Wahl. Aber ich habe gewählt. Manche von mir Gewählten haben eine Aufgabe übernommen. Andere nicht. Aber alle haben nach der Wahl gesagt. „Ich nehme die Wahl an.“ Doch wenn ich jetzt nach Hause fahre, dann stehe auch ich wieder zur Wahl. Weil Gott mich erwählt. Immer wieder. Und zwar gerade da, wo ich für ihn in der Torheit klug, in der Schwachheit stark und in der Niedrigkeit groß bin. Ich sage das natürlich nicht laut und feierlich. Aber leise und dankbar sage ich es doch. Immer wieder: „Ich nehme die Wahl an.“ Fra' Georg Lengerke
Na Hörer*in, wo erreiche ich Dich? Ich komm grad aus Amerika. Dort ist die Schere zwischen Arm und Reich groß und mehr Elend als Du denkst. Ich hab viele kluge Gedanken mitgebracht und ein paar tolle Fotos ( https://markuslanz.de) Aber genug von mir! Anzug an, Manieren raus! Der designierte BuKa kommt zu Besuch zu den drei designierten Degenerierten von Baywatch Berlin. Naja fast. Olaf Scholz ist ein Gast von Dreien in Joko und Klaas' „15 Minuten Sendezeit“. Doch bevor Klaas Zeit hat für den fast Bundeskanzler, muss er noch eilig zwei Türen weiter mit Schmitti und Lundt den Baywatch Berlin USB Stick voll sabbeln. Natürlich mit der Antwort auf die Frage aller Fragen: wie macht man smalltalk mit einem Bundeskanzler und warum liebt Klaas es so sich, von Verkäufer*innen nach allen Regeln der Kunst, etwas aufschwatzen zu lassen? Außerdem kürt Schmitti „den Vollidioten der Woche“! Es gibt ein Comeback der Rubrik „ichmachdichbesser.com“ und endlich ein Lebenszeichen von Senioren-Gaul Flix oder Fips oder wie der eben heißt. Aber auch für Klugheits-Fans wird ordentlich aufgefahren! Endlich gibt's wichtige Straßenverkehrstipps von Klaas und ein großes Broschen-Lexikon! Was bedeutet der Lieblingsschmuck der Queen? Klaas, Schmitti und Jakob haben auch diese Woche wieder ihre taillierten, eng anliegenden Podcast Hemden angezogen unterbrechen und belehren sich nach Herzenslust zitieren den Dalai Lama und Svenja Flaßpöhler. Ein Muss für Akustik Freund*innen und Menschen die gerne „Play“ drücken. Jetzt hören und abonnieren! Baywatch Berlin „Das Teuerste ist oft das Beste“ Du möchtest mehr über unsere Werbepartner erfahren? Hier findest du alle Infos & Rabatte: https://linktr.ee/BaywatchBerlin
Das Sein bestimmt das Bewusstsein. So hat es Karl Marx nicht geschrieben, sondern etwas ausführlicher: Zitat "„Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“"Mary Jane. A Novel" wurde im Mai dieses Jahres veröffentlicht, auf dem Einband prangen lobende Worte von Nick Hornby, aber das reichte nicht aus, um das Werk für eine Übersetzung ins Deutsche zu qualifizieren. Wieder einmal schnappt die Falle des immer noch strikt zwischen ernst und unterhaltsam unterscheidendem Kulturbewusstseins zu und disqualifiziert dieses Buch von einer weiteren Verbreitung in unserer Sprache. Unterhaltsame leichte Belletristik haben wir schon genug, so das Kalkül der hiesigen Verlagshäuser. Keine der bisherigen Veröffentlichungen von Jessica Anya Blau, dies ist ihr 5. Buch, hat diese Sprachgrenze bisher überwinden können.In der englischsprachigen Welt ist es hingegen auf allen möglichen Bestseller- und Empfehlungslisten für die Lesezeit des Sommers gelandet, und damit auch auf meinem Tisch.Mary Jane Dillard, ist nicht nur die Protagonistin des nach ihr benannten Buches, sondern auch ihre Erzählerin, die Marxens Diktum vom Anfang als Coming of Age Story in der Mitte der 1970er Jahre zeichnet.In einem weißen konservativen Viertel Baltimores wohnt sie mit ihren gut situierten Eltern. Sie singt im Kirchenchor, hilft ihrer Mutter im Haushalt und beim Kochen, besonders gerne macht sie Desserts. Ihren schweigsamen Vater sieht immer nur beim Abendessen, der - ein wenig holzschnittartig - zu diesen Anlässen immer zeitungslesend selten mit seiner Frau, noch weniger aber mit Mary Jane spricht. Im Wohnzimmer hängt ein Bild des Präsidenten Ford, im Gebet dankt der Vater seiner "wundervollen Frau und dem gehorsamen Kind". Mary Jane ist 14, ein perfektes Alter, um ihr Bewusstsein und damit ihr Leben zu ändern. Nichts liegt ihr ferner als Rebellion, ihre Werte sind die ihr vermittelten. Ihre Mutter besorgt ihr einen Sommerjob als Nanny für die Tochter eines Arztes namens Dr. Cone, der auf einem Missverständnis beruht: Der Arzttitel lässt sie einen ähnlichen Haushalt wie den ihren vermuten.Während Mary Jane dem Telefonat ihrer Mutter lauscht, beschließt sie, das verdiente Geld komplett zu sparen, um am Ende des Sommers einen Plattenspieler für ihr Zimmer kaufen zu können, vielleicht sogar - Zitat: "mit zusätzlichen Lautsprechern." - Zitatende. Musik jeder Art, von christlichen Hymnen über Kinderlieder zu Rock spielt eine große Nebenrolle: in ihrer vordergründigen Art als Unterhaltung, Inspiration, aber auch als die Gefühle weckender und verstärkender Soundtrack, als Anrührung, als Erweckung.Mary Jane ist ein zufriedener Teenager. Die ihr zugeteilten Aufgaben geben ihrem Leben eine Struktur, die sie schätzt. Aber natürlich hat sie auch Träume: ihr bis jetzt größter ist es, eine Show am New Yorker Broadway zu sehen. Sie und ihre Mutter sind nicht nur devote Kirchgänger, sondern auch Mitglieder im Show Tunes of the Month Club und bekommen jeden Monat eine neue Schallplatte. Sie hat alle Songs auswendig gelernt, und auch ihre Mutter liebt diese Platten, leider aber nicht New York, dass in ihren Worten voll von Dieben, Drogenabhängigen und Degenerierten ist.Nun also sucht Mary Jane die Familie Cone auf um sich vorzustellen. Die falschen Annahmen ihrer Mutter über die Familie Cone sind nach dem Öffnen der Haustür sofort sichtbar: das Haus versinkt im Chaos, die Mutter trägt nicht nur keine Büstenhalter, sondern kann auch nicht kochen, Dr. Cone behandelt als Psychiater vorrangig Suchtkranke, und die 5jährige zu betreuende Tochter Izzy rennt nackt durchs Haus und schenkt Mary Jane sofort ihr Vertrauen. Deren Reaktion ist nicht so sehr Schock oder Überraschung, sondern spontane Zuneigung und Vorfreude. Vorfreude voller Glanz, die sie auf ihrer Haut spürt, darauf, etwas zu tun, was sie nie zuvor gemacht hat, darauf, ihre Tage in einer Welt zu vollbringen, die sich von ihrer bisherigen so unterscheidet. Und so beschließt sie, geplagt vom schlechten Gewissen, ihrer Mutter zu verschweigen, wie sie die Cones vorgefunden hat und nur stumm deren Annahmen über die respektable Familie zu bestätigen.Die Sprache von "Mary Jane: A Novel" ist leicht, nicht seicht, und verliert diese Leichtigkeit nicht, egal, mit welchen Erlebnissen Mary Jane im Verlauf des Sommers konfrontiert wird.Jessica Anya Blau findet einen überraschenden Weg, der das Buch gegen den bekannten und in vielen Filmen erzählten Fortgang von der Ausgangslage "behütete Tochter trifft auf die Gegenkultur und geht in ihr auf/verliert sich in ihr oder wendet sich schockiert ab" abschirmt: sie gibt Mary Jane Persönlichkeit, die ihrerseits auf ihr neues Umfeld wirkt: die fünfjährige Izzy nimmt sie als Respektsperson wahr und stürzt sich voller Begeisterung in alle Projekte, die Mary Jane beginnt und anstößt, um den Haushalt der Cones zu organisieren und auszumisten. Mary Jane wird aber auch von den Erwachsenen im Umfeld ihres Sommerjobs respektiert und nicht als anzuleitender Teenager, sondern als Person mit eigenen und zu unterstützenden Ideen wahr- und in die Gemeinschaft gleichberechtigt aufgenommen. Der Grund für Mary Janes Verpflichtung als Izzys Nanny ist die neue Arbeit von Dr. Cone, der über den Sommer den inkognito angereisten Rockstar Jimmy von seiner Sexsucht via Gesprächstherapie heilen soll. Begleitet wird er von seiner bezaubernden Ehefrau Sheba, die weitaus bekannter als Jimmy ist, weil sie als singende Schauspielerin der TV Nation berühmt wurde.Mary Janes Ideen sind teilweise pragmatisch, wenn sie das Haus ausmistet; wunderbar naiv, wenn sie über einen längeren Zeitraum versucht herauszufinden, ob sie auch sexsüchtig ist, weil sie oft daran denkt, ohne je geküsst worden zu sein; einfallsreich, wenn sie unter dem Vorwand, auch kochen zu müssen das jeweilige Wochenmenü ihrer Mutter nachkocht. Die Erlaubnis hierfür und dafür auch die Abende bei den Cones verbringen zu können bekommt Mary Jane, weil ihre Mutter wieder einmal Annahmen trifft, die falsch sind, denen ihre Tochter aber nicht widerspricht, sondern sie schweigend hinnimmt: nämlich, dass eine Frau, hier Frau Cone, sehr krank sein muss, wenn sie nicht in der Lage ist zu kochen. Eine Vorstellung, die für Mary Janes Mutter nur möglich ist, wenn diese Frau Krebs hat. Eine großes Thema des Buches ist, worüber und durch wen über etwas gesprochen wird. In Mary Janes zu Hause herrscht Schweigen, die für eine Konversation zulässigen Objekte und Vorkommnisse sind stark reglementiert und zementieren damit ein Leben, dass keine Adaptionen zulässt und die Zeit mit ihren gesellschaftlichen Änderungen versucht fernzuhalten, in einen starren immergleichen Wochenablauf eingezwängt. Im Hause der Cones ist dies anders, gesprochen wird über alles, es wird versucht allen Gehör zu geben, Persönlichkeit und künstlerischer Ausdruck - vorrangig durch Musik - werden anerkannt und respektiert. Am Ende des Sommers hat Mary Jane die Welt kennengelernt, Vertrauen in sich selbst und Selbstvertrauen in die Schönheit ihres Gesangs gewonnen.Vielleicht hätte es der Zusammenfassung der Entwicklung von Mary Jane am Ende nicht bedurft, die etwas holzhammerartig darauf hinweist, dass Mary Jane nun die Angst erkennen kann, die ihr meist sprachloser Vater verbreitet, sein Rassismus, sein Antisemitismus, seine Verweigerung, über all dies zu sprechen und seine Familie als Diskussionspartner anzuerkennen. Izzy, die wirklich reizende 5jährige, nervt manchmal ein bisschen, und die Fähigkeit der Cones und ihrer Gäste, über alles zu sprechen, Verletzungen zuzufügen und auch heilen zu können, scheint manchmal dezent unrealistisch. Das Vergnügen an Mary Janes Geschichte über ihren Sommer auf dem Weg zum Erwachsenwerden, in dem ihr der moralische Kompass, den sie in ihrem Elternhaus bekommen hat zugute kommt und die Erlebnisse mit den Cones ihre Welt öffnen; der Zauber der Magie erster Erfahrungen aller möglichen Dinge, die beschwingte Unterstützung all dessen durch Musik ist groß.Nächste Woche diskutieren Anne Findeisen, Irmgard Lumpini und Herr Falschgold die Bücher der letzten Wochen. This is a public episode. If you would like to discuss this with other subscribers or get access to bonus episodes, visit lobundverriss.substack.com
B-LASH gehört, mit MC Bogy zusammen, zu den bekanntesten Podcastern der Deutschrapszene. Mit ihrer Sendung 100% Realtalk erreichen sie regelmäßig Hunderttausende Zuschauerinnen und Zuschauer. Trotz oder gerade wegen dieses Erfolgs stehen die beiden immer wieder in der Kritik und vor allem B-LASH wird aufgrund der Tatsache, dass er sich auf „Verschwörungstheoretiker“ bezieht, scharf angegriffen. Ehrlich gesagt, bin ich mit den meisten seiner Schlüsse ebenfalls nicht einverstanden, habe mir aber gedacht, dass der BUNKER:TALK nicht nur ein Ort des gemütlichen Gesprächs unter Freund:innen sein darf, sondern auch Platz für Auseinandersetzungen bieten muss. Aus diesem Grund habe ich B-LASH eingeladen, um herauszufinden, was ihn eigentlich antreibt, woran er glaubt, was er weiß und wie sich das alles bei ihm zusammensetzt. Wir sind in diesem, zugegebenermaßen, sehr langen Talk, dann auch ziemlich weit gekommen, wenn auch nicht auf einen Nenner. Auf der einen Seite steht der Versuch, die gesellschaftlichen Machtstrukturen aufgrund des dazugehörigen Wirtschaftssystem zu erklären, auf der anderen Seite steht der feste Glaube, dass es sich bei den Mächtigen dieser Welt um einen exklusiven Club von moralisch deformierten Degenerierten, um einen bösartigen okkulten Club handelt. Was B-LASH ansonsten immer nur andeutet und im Nebel lässt, legt er in diesem Gespräch schonungslos offen und wahrscheinlich ist es nicht falsch zu behaupten: So habt ihr B-LASH noch nie gesehen. Weiter unten findet Ihr übrigens auch noch zwei weiterführende Ergänzungen zu zwei Statements, die im Video gedroppt wurden, einmal zum Verhältnis von Donald Trump zu Jeffrey Epstein und einmal zum Film "Cuties". In diesem Sinne wird der BUNKER:TALK auch hier wieder einmal seiner aufklärerischen Verantwortung gerecht – Thank me later. Motion Design wie immer von Hannes Denker, https://www.hannesdenker.com/ und die Musik ist von Victor Brand, https://www.victorbrand.de/
Nach kurzer, leichter Krankheit hier die versprochene Doppelfolge. Damit bin ich meinem Zeitplan eine Woche voraus. Ich hoffe, ihr würdigt dieses Novum durch vermehrtes Teilen! ;-) NACHWELT 2018 ist eine Endzeit-Reihe, die vorallem Fans von Stalker, den Metro-Büchern von Dmitri Gluchowski, Tagebuch der Apokalypse, The Last Of Us und anderem im postapokalyptischen Genre gefallen dürften. NACHWELT 2018 zum post-apokalyptischen Selbstlesen: TASCHENBÜCHER Die Ratten von Frankfurt : https://goo.gl/oR8h92 Unter Ivans Knute : https://goo.gl/ABjfGq Blutarm : https://goo.gl/RDBV2g Wagenburg : https://amzn.to/2QdKY7R EBOOKS: Die Ratten von Frankfurt : https://goo.gl/hnzvv6 Unter Ivans Knute : https://goo.gl/5qY8Pi Blutarm : https://goo.gl/QrC5be Wagenburg : https://amzn.to/2Q9lsRn LINKS & INFOS FACEBOOK: https://goo.gl/P3xwbx WEB: https://bloodword.com AMAZON: http://goo.gl/K228Tw Kostenlose eBooks: eBook „Hexagon der Finsternis“: http://goo.gl/c7mNaV eBook "Der Operateur" : https://amzn.to/2MWpn34 NACHWELT 2018 ist ein zum Großteil in Deutschland spielender Endzeit-Thriller, inspiriert von Games wie Stalker, Fallout, der "Metro"-Reihe, Filmen wie Mad-Max, The Walking Dead usw. Nichts für Zartbesaitete! ;) IN EIGENER SACHE: Nichts ist wichtiger als MUNDPROPAGANDA! :) Wenn Du hier etwas Spaß hattest, abonniere, hinterlasse einen Kommentar, vergib Likes, schau auf Facebook vorbei, schreibe ne Bewertung auf Amzn, schleppe Freunde an, sprich darüber! Würde sehr helfen und wäre generell toll von Dir! :-) #hörbuch #endzeit #thriller #horror Hier zusätzlich der Text in unlektorierter Erstversion: Mariam sah sich um, versuchte mit weit aufgerissenen Augen so viele der neuen Eindrücke wie möglich aufzunehmen und zu verarbeiten. Sie registrierte, dass sie nicht alleine waren auf dem Gelände. Weiter hinten war ein recht großer windschiefer Unterstand gebaut worden. Mehr oder weniger nur eine schräge Dachfläche, auf einer Seite von Stützbalken gehalten, die andere Seite auf dem Boden. Die Konstruktion war nicht massiv, sondern mit einer löchrigen Zeltplane bespannt. Vorne war der Unterstand offen, ungeschützt vor Wind und Regen, und an den Seiten hing die Plane locker herunter, ohne den Boden zu erreichen. Mariam fühlte die Blicke der Menschen, die dort dicht an dicht gedrängt waren neugierig auf sich ruhen. Ein paar von ihnen waren von ihren schlammverkrusteten Matratzen- und Deckenlagern aufgestanden. Mariam versuchte, ihre Zahl zu schätzen. Sie kam auf etwa fünfundzwanzig, aber sie konnte nicht genau sehen, wie viele sich im hinteren Bereich der Überdachung aufhielten. Eines jedoch war klar. Sie beanspruchten bereits den kompletten, notdürftig wetterfest gemachten Bereich. Das bedeutet, dass wir wohl oder übel draußen bleiben müssen, wenn wir nicht kämpfen wollen, ging es Mariam durch den Kopf, als sie ein paar Schritte weiter Richtung der Mitte des umzäunten Gefängnisbereiches tat. Sie spürte, dass Wanda dicht hinter ihr ging. In der Mitte des Geländes angekommen, drehte sich Mariam einmal im Kreis, ohne auf die Blicke zu achten, die auf ihr ruhten. Von den Wachtürmen des Lagers war nur einer wirklich gut dazu geeignet, die gefangenen Leute hier zu bewachen, und auch die Sichtlinie dieses Turmes deckte nicht das gesamte Gebiet ab. Die anderen beiden waren weiter weg und dem Anschein nach darauf ausgerichtet, die äußeren Begrenzungen des Lagers zu schützen. Bei diesen beiden äußeren Wachtürmen konnte Mariam nicht genau erkennen, wie viele Wachen sich auf den Plattformen befanden. Bei dem Näheren war das anders. Er war zwar nicht besonders hoch, dafür jedoch ziemlich breit. Es fanden dort ohne Probleme sechs Bewaffnete Platz. Eine Tatsache, die Mariam sich sofort einprägte. Dann hörte sie Wandas leise Stimme hinter sich. «Du machst das gut, Mariam. Du bist aufmerksam. Bleib so. Nur so schaffen wir es wieder hier raus.» Unter anderen Umständen hätte sich Mariam vermutlich sehr über das Lob von Wanda gefreut. Jetzt allerdings das nahm Mädchen die gut gemeinten Worte kaum wahr. Genau genommen wusste sie nicht mal, ob Wandas Worte wirklich gut gemeint gewesen waren. In letzter Zeit war viel von dem, was Wanda sagte berechnend – wenn Mariam den Sinn von Wandas Worten überhaupt verstehen konnte. Mariam spürte hinten an der Schulter eine Berührung. Sofort erkannte sie das Gewicht von Wandas Händen. In ihrem Leben hatte sie das vertraute Gefühl schon Tausende von Malen gespürt. Dann wurde die Hand plötzlich weggerissen und Mariam hörte Wanda aufkeuchen. Als sie sich umgedreht hatte und hinsehen konnte, sah Mariam nur noch Armin an ihnen vorbei stapfen. Er hatte Wanda angerempelt, war praktisch durch sie hindurch gegangen. Wanda war nicht gestürzt, sie stand noch aufrecht. Meine Schuld, dachte Mariam, als sie zu Wanda hinüber sah. Wandas Gesicht zeigte keine Regung. Für ein paar Sekunden fühlte Mariam sich elend. Dann schüttelte sie das Gefühl ab. Nein. Es ist richtig gewesen, was ich gemacht habe. Es war richtig gewesen, verhindern zu wollen, dass Wanda die Verhungerten in den Tod schickte. Sie hatte es einfach versuchen müssen. Andererseits, selbst wenn Mariam nicht insistiert hätte, wenn sie nicht verraten hätte, was Wanda mit Eva getan hatte – es wäre ja auch gar nicht dazu gekommen, dass Ella und die anderen, die vor kurzem erst von diesem Ort hier geflohen waren, als Kanonenfutter in den Tunnel geschickt wurden. Sie hatten ohnehin die Initiative verloren und die italienischen Soldaten hatten zuerst agiert. Der Gedanke macht es für Mariam nur noch schlimmer, denn jetzt hatte sie Armin und Wanda entzweit, und nicht einmal etwas Gutes damit bewirkt. Sie hatte die Lage schlimmer gemacht, für nichts. Mariam versteinerte ihr Gesicht, wie sie es schon unzählige Male bei Wanda gesehen hatte. Zumindest versuchte sie es. Zumindest versuchte sie, sich nicht von diesen fruchtlosen Gedanken vereinnahmen zu lassen. Jetzt richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Armin. Er hatte Breitmann, Leander und Regine zu sich gerufen. Etwa zehn Meter von dem Unterstand entfernt waren die vier stehen geblieben und berieten sich. Immer wieder sah Armin zum überdachten Bereich hinüber. Die Vierergruppe war auch dort bemerkt worden. Waren es anfangs vielleicht zwei oder drei Gestalten gewesen, die aufgestanden waren, als die neuen ins Gefängnis getrieben worden waren, waren es jetzt sechs oder sieben. «Gleich geht es los.», flüsterte Wanda. «Was geht los?», fragte Mariam ebenso leise zurück. «Armin macht Platz.» Wanda hatte sich von Armins Rempler schnell erholt und war in der Zwischenzeit wieder hinter das Mädchen getreten. Ihre Hände lagen jetzt erneut auf Mariams Schultern und sie zog das Kind eng an sich. Gespannt beobachtete Mariam, was vor sich ging. Wanda schien Recht zu haben. Armin und die anderen hatten ihre kleine Beratung schnell beendet. Jetzt gingen sie mit festen Schritten in einer breit aufgezogenen Reihe auf den Unterstand zu. Dort waren die vier ebenfalls bemerkt worden. Diejenigen, die bereits aufgestanden waren, winkten andere von weiter hinten zu sich heran. Sie gingen Armin, Breitmann, Leander und Regine entgegen, wobei sie alle sich so groß wie möglich machten. Primitive Drohgebärden. Es sind sieben gegen vier, dachte Mariam, aber trotzdem hatte sie keinen Zweifel daran, dass Armin und seine Leute die in der Luft liegende Konfrontation für sich würden entscheiden können. Es war nicht so, dass die anderen Gefangenen kleiner gewesen wären, oder schwächer. Auch in ihren Gesichtern war eine gewisse Härte zu sehen, die darauf schließen ließ, dass sie wussten, wie man kämpfte. Aber dennoch. Gegen die vier Motorisierten wirkten sie auf schwer zu beschreibende Weise dünn. Fast schon geisterhaft, schattenhaft, Schatten ihrer selbst. Jetzt blieben die beiden Gruppen etwa zwei oder drei Meter voneinander entfernt stehen. Armin trat noch einen halben Schritt vor und sagte etwas. Mariam spürte, wie Wandas Griff um ihre Schultern sich in Erwartung einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Parteien verstärkte. Ein anderer Mann, scheinbar der Wortführer der sieben verdreckten Männer, war ebenfalls vorgetreten, und Mariam sah, wie er gestikulierte. Armin tat einen weiteren Schritt auf ihn zu und nun standen sich die beiden Männer von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Das Mädchen konnte die einzelnen Worte nicht verstehen, die zuerst mit kräftigen Stimmen gesprochen und dann gebrüllt wurden. Wohl aber konnte sie die Klangfärbungen unterscheiden. Ein Mischmasch aus Deutsch, Italienisch und Englisch war es, in dem die Verhandlungen geführt wurden. Je länger die Debatte dauerte, desto lockerer wurde Wandas Griff um Mariams Schultern. Sie entspannte sich. Als Mariam das bemerkte, erlaubte sie sich, den Blick für einen Moment abzuwenden. Vom Wachturm aus wurden die Vorgänge unten im umzäunten Gelände aufmerksam beobachtet. Eine der Wachen hatte sogar ein Gewehr gehoben und nutzte dessen Zielfernrohr, um besser sehen zu können. Jetzt fielen dem Mädchen auch die Flutlichter auf, die rings um am Zaun und auch am Gefängnis-Wachturm installiert waren. Die meisten von ihnen waren nach innen gerichtet, ein paar waren schwenkbar und wenige andere wiederum dienten wohl der Beleuchtung des nicht umzäunten Bereiches. Schließlich war sie nervöse Anspannung ganz aus Wandas Fingern gewichen und ihre Hände lagen nur noch auf den Schultern des Mädchens. Die Lautstärke des Palavers verringerte sich immer mehr, und mit einem Mal drehte der Sprecher der anderen Gefangenen sich nach hinten um und winkte dem Rest seiner Gruppe, ihm zu folgen. Offenbar hatte man sich einigen können, ohne das gekämpft werden musste. Während der nun folgenden Kennenlernphase hatte es noch zwei oder drei brenzlige Momente und sogar eine kleine Schubserei gegeben, in die Leander und Regine verwickelt waren. Aber es war kein richtiger Kampf und die Nichtigkeit war schnell beigelegt. Jetzt, gegen Abend, hatte man sich so gut es ging aneinander gewöhnt. Wenn man dicht an dicht saß oder lag, war unter der Überdachung Platz genug für alle. Wahrscheinlich, so dachte Mariam, sind wir sogar ein Zugewinn an Lebensqualität für die alten Gefangenen. Körperwärme. Der Geruch, der hier vorherrschte, erinnerte Mariam etwas an die Versehrten auf den U-Bahn-Gleisen in Frankfurt. Allerdings war er hier viel, viel schwächer, als dort. Es roch nach Mensch und Wunden und Hunger und Tod. Allerdings – dadurch, dass permanent kalter Wind durch die Überdachung zog – konnten sich all diese Gerüche nicht aufstauen, wurden verweht, waren aber dennoch präsent. Sie und Wanda hatten ganz am Rand Platz gefunden. Ausgegrenzt und isoliert von allen, dachte Mariam. Doch so war es nicht. Die anderen hatten wenig bis nichts von Armins und Wandas Konflikt mitbekommen, und es sah nicht so aus, als ob Armin sie bereits über die Hintergründe unterrichtet hätte. Dennoch hatte Wanda sich vorsichtshalber von allen entfernt gehalten und Mariam war schlicht in ihrer Nähe geblieben. Wohin sonst hätte sie auch gehen sollen? Armin, Regine, Leander und Breitmann saßen beisammen und sprachen leise. Mariam sah, wie Ihre Blicke hin und her flogen. Auch sie verschafften sich einen genaueren Überblick über ihr neues Gefängnis. Besonders schien sie die Ansammlung von Containern in der Mitte des Militärlagers zu interessieren. Einmal stand Armin sogar auf und trat unter der Überdachung hervor, um einen genaueren Blick darauf werfen zu können. Ihm wurden jedoch nur wenige Sekunden gewährt. Dann erklang von irgendwo her ein gebrüllter Befehl, dessen Tonfall keinen Raum für Fehlinterpretation ließ, und Armin kehrte umgehend zu seinen Leuten zurück. Manchmal, nach dem kleinen Vorfall, sahen die vier auch zu ihnen herüber. Ella hatte sich mit den meisten ihrer Leuten einen Platz ziemlich in der Mitte der Überdachung ergattert. Es sah aus, als ob sie am liebsten vom Angesicht des Erdbodens verschwunden wäre. Die alten Gefangenen hatten, nachdem die anfänglichen Querelen beigelegt waren und jede Partei mehr oder weniger bewiesen hatte, dass sie halbwegs vernunftbegabt war, sogar ein bisschen ihrer angesparten Vorräte locker gemacht und den schwächsten der Neuankömmlinge zu Essen gegeben. Diese unerwartete Großzügigkeit hatten also vor allem die Verhungerten genossen, während die wohlgenährten Motorisierten größtenteils leer aus gegangen waren. Die Stimmung unter den neuen war besonders schlecht, während die älteren Gefangenen sich gegen Abend kleineren Ritualen hingaben. Offenbar hatten sie in der Zeit ihrer Gefangenschaft ihre Routinen entwickelt, um alles erträglicher zu machen. Das erste, was Mariam auffiel, war das Summen. Irgendjemand weiter hinten fing an mit der Melodie. Sie ließen sie ihn zweimal beenden, dann stiegen die ersten anderen mit ein. Eine eigentümliche und traurige Melodie, aber irgendwie auch hoffnungsvoll. Weitere zwei Wiederholungen der recht einfachen Tonfolge, dann begannen weitere Gefangene mit einzusteigen, summten eine leise Zweitstimme, die sich harmonisch von der ursprünglichen Melodie abhob. Dann noch eine und noch eine, bis es etwa fünfzehn oder mehr der Inhaftierten waren, die summten, was das Zeug hielt. Nicht, dass sie laut gewesen wären. Das wagte hier niemand. Es war ein gedämpftes Summen, aber dennoch voller Enthusiasmus und Leben. Irgendwann hatte es sich genauso langsam und auch strukturiert wieder abgebaut, wie es angeschwollen war. Die Stille danach war auf schwer zu beschreibende Weise zufriedenstellend. Mariam begriff. Mit dieser Melodie hatten die Leute etwas, was ihnen niemand abnehmen konnte. Selbst wenn die Degenerierten ihnen die Zungen herausschneiden würden – summen konnte man immer. Dann ein neuer Gedanke. Die Degenerierten. Was wollten Sie hier? Wieso wurden diese lumpigen Kreaturen von Soldaten mit Autos und Maschinengewehren geduldet? Hatten sie hier etwas zu sagen? Etwas zu befehlen vielleicht sogar? Mariam hoffte nicht, dass dies der Fall war. Das Mädchen sah zu Wanda. Sie war sehr erleichtert, dass Wanda nicht wütend auf sie zu sein schien. Ihr maskenhaftes Gesicht wirkte seltsam entrückt. Das Summen hatte auch in ihr etwas berührt. Mit einem Mal wurde Mariam von einer tiefen Erschöpfung ergriffen und erlaubte sich, ihren Kopf an Wandas Schulter sinken zu lassen. Sie schlief schnell ein. Irgendetwas hatte Mariam aus dem Schlaf gerissen. Zuerst war sie erschrocken gewesen, doch schnell hatte sie erkannt, dass die unheimlichen Laute, die sie hörte nicht die irgendeines Tieres oder Traummonsters waren, sondern ein Schluchzen. Das Schluchzen einer Frau, und je länger es andauerte, desto sicherer war sich Mariam, dass es sich bei den unterdrückten Lauten um Ellas Schluchzen handelte. Ihre Bewacher hatten die ringsum installierten Scheinwerfer für die Nacht nur teilweise eingeschaltet. Sicher rechneten sie nicht mit einem ernsthaften Ausbruchsversuch. Das wenige Licht, das bis ins Innere der des überdachten Bereiches fand, machte es Mariam nicht leicht, die genaue Quelle des Weinens zu erkennen. Dennoch glaubte sie richtig zu liegen. Ungefähr an der Stelle, von der die Laute der Verzweiflung zu entspringen schienen, hatte Ella sich zusammen mit Marcello und ein paar anderen Verhungerten niedergelassen. Nach einer Weile glaubte Mariam sogar Worte erkennen zu können. Verwaschen, gemurmelt ausgesprochen und immer wieder von asthmatischen, gierigen Atmenzügen unterbrochen. Uri kommt, Uri kommt, Uri kommt. Jetzt regte sich auch Wanda, an die Mariam sich zum Schlafen angekuschelt hatte. Wanda setzte sich nicht auf, aber an ihrer Körperspannung erkannte Mariam, dass sie wach war. Eine Weile lauschen Sie dem unheimlichen Schluchzen gemeinsam. Dann schlief Mariam wieder ein. Von da an war ihr Schlaf allerdings nur noch unruhig. Sie erwachte ein zweites Mal. Wieder hatte irgendjemand Albträume. Ganz in Ihrer Nähe diesmal. Es war kein Schluchzen und es war kein Weinen. Aber den gestammelten Worten wohnte eindeutig Widerwille, Angst und Abscheu inne. Sie waren so leise, dass Mariam einen Moment brauchte, um zu erkennen, dass die Worte von Wanda kamen. Das Wort Nein kam sehr häufig vor, dicht gefolgt von lass mich und Fischmann. Mariam legte Wanda die Hände auf die Stirn. Fieber hatte sie keines, doch schien die Berührung des Mädchens sie etwas zu beruhigen. Sie ist immer so angespannt, dachte Mariam. Natürlich war sie das. Sie alle waren es. Jetzt auch noch. Wanda sah man diese Anstrengung nur an, wenn man sie gut kannte. Nur dann durchdrang man die Maske aus Kälte und Härte und konnte dahinter sehen. Mariam fragte sich, was wohl in Wandas Gehirn vor sich ging. In ihren Augen hatte das Mädchen gesehen, dass die Frau, die einer Mutter für sie am nächsten kam, noch längst nicht aufgegeben hatte, auch wenn sie seit dem Vorfall auf der Brücke kaum gesprochen hatte. Die Gefangennahme an sich war ein Rückschlag gewesen. Das auf jeden Fall. Aber was Wanda vermutlich am meisten zu schaffen machte, war der Verlust von Einfluss über Armin und die anderen Motorisierten, der mit Mariams Offenbarung über Evas Tod einher gegangen war. Mariam war sich sicher, dass Wanda sich auch davon nicht entmutigen lassen würde. Sicher hatte sie bereits einen Plan gefasst oder zumindest hatte ein Plan angefangen, in ihrem Kopf Gestalt anzunehmen. Das war soweit ganz normal für Wanda. Mariam fand daran auch nichts schlecht. Was dem Mädchen allerdings große Sorgen bereitete, war das Gemurmel vom Fischmann. Über die anderen von Wandas Traumata, die dann und wann in Albträumen ihren Ausdruck fanden, sorgte Mariam sich nicht besonders. Daran war sie gewöhnt. Aber wenn Sie daran zurückdenken musste, wie Wanda in der Hütte gewesen war – da wurde Mariam ganz anders. Es war gewesen, als ob ein anderer Mensch mit einem Mal in Wandas Körper schalten und walten würde. Mehr als beängstigend und beängstigender als alles, was an diesem Tag passiert war auf jeden Fall. Auch deutlich beängstigender, als alles was heute passiert war. Natürlich. Das Schießen und die Gefangennahme und der Transport hierher und auf die Inhaftierung jetzt – das alles hatte Angst in Mariam ausgelöst und tat es immer noch. Aber das waren keine Ängste, die sie noch nicht kannte. Selbst damals in Ivans Lager in Frankfurt hatte sie Angst gehabt, obwohl man ihnen dort noch halbwegs wohlgesonnen gewesen war. Aber diese neue Fremdartigkeit in Wanda, dieses andere – das war … Plötzlich griff ein großer, schwarzer Schatten zu ihr hinunter – dachte sie zumindest. Aber zu ihrer erschrockenen Erleichterung war nicht sie es, die nach oben gerissen wurde. Es war Wanda, und mit dieser Erkenntnis war es mit der Erleichterung auch schon wieder vorbei! Auch war es im nächsten Augenblick kein anonymer Schatten mehr, der Wanda anfiel. Es war Armin. Ohne Mariam weiter zu beachten schleifte er Wanda ins Freie. Ins Freie, und dann um die Überdachung herum, in den Bereich des Gefängnis-Areals, den man vom Wachturm aus nur sehr schwer einsehen konnte. Wanda wehrte sich nicht gegen Armins unerbittlichen Griff, konnte es auch gar nicht, war noch nicht ganz wach. Der tote Winkel hinter der Überdachung war nicht sehr groß – das hatte Mariam bei ihren anfänglichen Beobachtungen und Einschätzungen der Lage instinktiv erkannt. Er mochte vielleicht so breit sein wie drei große Männer. Armin hatte ihn ebenfalls entdeckt. Ein erstickter Protestlaut aus Wandas Mund war zu hören, gefolgt von einem gedämpften Aufschrei. Für Mariam hörte es sich an, als sei dieser Laut meilenweit entfernt. Das alles war so schnell gegangen, dass Mariam völlig perplex zurückgeblieben war. Aber das Mädchen fing sich schnell. Bereits nach einer oder zwei Sekunden fing ihr Gehirn wieder an zu arbeiten. Armin musste unglaubliche Kräfte mobilisiert haben, um Wanda in einer solchen Geschwindigkeit und ohne dass sie sich nennenswert zur Wehr hätte setzen können aus der Überdachung hinaus zu schaffen. Er musste sehr, sehr wütend sein. Ich muss ihr helfen! Armin durfte Wanda nicht umbringen, egal was sie getan hatte. Egal wie sie ist. Aber was sollte Mariam tun? Mit Armin konnte sie es auf keinen Fall aufnehmen. Nicht alleine. Sie musste die anderen finden. Vielleicht Ella. Heulte sie noch immer? Schluchtzte sie noch immer leise in ihre Hand, das Gesicht verborgen vor den Blicken der anderen? Mariam konnte es nicht hören. Vielleicht Regine? Vielleicht Leander und Breitmann? Würden sie sich zwischen Armin und Wanda stellen? Leander. Ja, Leander vielleicht. Er würde es nicht für Wanda tun. Aber vielleicht für Mariam. Ja, vielleicht würde er es für mich tun. Die Vielzahl von Möglichkeiten und Unmöglichkeiten ließ Mariam weitere zwei Sekunden wie erstarrt stehen. Und während sie all diese Gedanken dachte, verspürte sie neben der Angst um Wanda noch gerechte Empörung darüber, dass Armin über sie hergefallen war, während sie geschlafen hatte. So etwas sollte niemand von uns tun, dachte sie. Die anderen würden so etwas tun, aber nicht wir. Dann ein neuer Gedanke in Mariams Kopf. Wenn Sie nach Leander oder Ella rufen würde, dann würde sie zwangsläufig alle anderen wecken und sie würden vielleicht mitbekommen, was Wanda getan hatte. Wenn sie es nicht ohnehin schon längst wussten, wenn Armin es nicht weiter erzählt hatte, hieß das. Seit sie alle unter der Überdachung gewesen waren, hatte niemand von ihnen mit Wanda oder Mariam gesprochen. Aber das durfte nicht sein. Das könnte alle anderen Gefangenen gegen Wanda aufbringen. Plötzlich hatte Mariam das Bild eines Steines im Kopf. Eines kantigen Steines mit Blut daran und Splittern eines Schädels. Nervös verscheuchte sie den Gedanken, kehrte wieder zurück zu den Auswirkungen, die es haben könnte, wenn Wanda öffentlich beschuldigt werden sollte. Sie beide hatten all das schon einmal hinter sich gebracht. Das perverse, sadistische Regime der Degenerierten und die Verachtung der Mitgefangenen. Wie sie sich von den Degs gegeneinander ausspielen lassen hatten, damit sie keine Kraft mehr hatten, um gemeinsam gegen ihre Peiniger vorzugehen. Es hatte Spuren in Wanda hinterlassen. Es hatte ebenfalls Spuren in Mariam hinterlassen. Das wusste das Mädchen, auch wenn sie jetzt noch nicht wusste, was das für Spuren waren. Sie konnten so etwas nicht noch einmal überstehen, da war Mariam sich sicher. Eine weitere Sekunde rasten Mariams Gedanken noch – dann kam das Mädchen endlich zu sich. Sie rief niemanden. Nicht nicht Ella, nicht Leander, nicht Breitmann und nicht Regine. Sie wurde zu einem kaum hörbaren, kleinen Schatten und folgte den beiden Erwachsenen. Mariam, atemlos vor innerer Anspannung und Angst, bog um die westliche Ecke der Überdachung. Armin kniete über Wanda. Eine Hand von vorn um ihren Hals gelegt, die andere holte weit nach hinten aus. Mariam musste es nicht sehen. Sie wusste, dass Armin all seine Kraft in diesem Schlag legen würde. Sie sah, wie Wandas Beine zuckten, sah wie Wandas einer Arm versuchte, Armins Griff zu lockern und wie er andere sich bereit machte, den bevorstehenden Schlag abzuwehren. Schwer zu erkennende Schatten im Halbdunkel, ineinander verwoben, irgendwie eins und doch zwei einander entgegengesetzte Kräfte. Mariam erkannte mit Entsetzen, dass Wanda nicht in der Lage sein würde, diesen einen, bevorstehenden Schlag zu verhindern. Sie wusste, dass er Schaden anrichten würde und ihr Gehirn zeigte ihr schreckliche Bilder davon, wie dieser Schaden sich in Wandas Gesicht widerspiegeln würde. Armins Schlagbewegung erreichte ihren Zenit. Hätte Mariam ihren Atem nicht bereits angehalten, gegen besseres Wissen, so hätte sie es jetzt getan. Zu langsam. Ich bin zu langsam. Gleich würde es passieren. Gleich würde unwiederbringlicher, irreparabler Schaden angerichtet werden. Armins Faust schoss nach vorn. Mariam wartete auf das dumpfe Geräusch, auf das Knirschen von Knorpel und vielleicht sogar auf das Knacken von Knochen. Es kam nicht. Armin hatte den Schlag nicht zu Ende geführt. Mariam atmete stoßweise aus und gierig wieder ein. Mit wild klopfendem Herzen blieb sie etwa drei Meter von den beiden Erwachsenen entfernt stehen. Ihre Atmung und ihr Herzschlag beruhigten sich ein wenig, und jetzt konnte sie auch hören, dass Armin mit seltsam keuchender heiserer Stimme etwas sagte. «Was hast Du gemacht? Was hast Du mit Eva gemacht? Was? Seit Du bei uns bist, geht alles den Bach runter. Was soll das alles…?» Armin verstand wohl nicht, dass Wanda seine Fragen gar nicht beantworten konnte, solange er ihr die Luft abdrückte. Noch immer strampelte sie unter seinem Gewicht und das gab Mariam Hoffnung. Armin hatte sie noch nicht bemerkt, war ganz auf sich und seine Wut und die Frau unter ihm konzentriert, gegen die sich diese Wut richtete. So schnell sie konnte, tastete Mariam mit den Augen das Halbdunkel um sich herum ab. Da! Da drüben, wo sich etwas fahles Licht in einer Pfütze spiegelte. Ein Stein. Ein Stein, der genau in ihre Faust passen müsste. So leise sie konnte ging sie die Schritte, die nötig waren, um ihn zu erreichen. In dem Moment, in dem sich ihre Finger um den Stein schlossen, war Mariam sich der Macht bewusst, die er ihr verlieh. Mit diesem Stein in der Faust und in Armins Rücken war sie dem Erwachsenen nicht nur ebenbürtig. So lange er sie nicht wahrnahm, war sie ihm überlegen. In diesem Moment hatte sie Macht über ihn, ohne dass er es auch nur ahnte. Ja, Macht, die hatte sie wohl, aber plötzlich hatte sie auch Verantwortung. Sie kam so erdrückend über Mariam und lastete so schwer auf ihr, wie Armins Gewicht in diesem Moment auf Wanda lasten musste. Sicher. Sie konnte Armin den Stein von hinten über den Schädel ziehen. Dadurch wurde sie Wanda aus seinem eisernen Griff befreien. Aber was hieße das auf die lange Sicht? Armin könnte dabei sterben. Wie würden Leander, Breitmann, Regine und die anderen darauf reagieren? Wie würden ihre Bewacher, die Degenerierten und die Soldaten darauf reagieren? Und wenn sie ihn nur bewusstlos schlagen würde, was sie ja auch ganz gewiss vorhatte – was würde dann passieren? Wanda wäre für den Moment sicher. Würde sie Armin bewusstlos schlagen, wäre Wanda für´s Erste ebenfalls gerettet. Und dann? Würde Armin dann nicht erst Recht Rache suchen? Würde er nicht … Etwas rastete ein in dem Mädchen. Jetzt verstand Mariam. Armin suchte keine Rache. Er war wütend, das schon. Aber Rache war es nicht, was ihn Antrieb. Was er suchte, war eine Antwort. Er wollte es verstehen, wollte wissen, warum Eva hatte sterben müssen, wollte begreifen. Er war dabei gewesen, zu verarbeiten, dass Eva schlicht im Kampf gefallen war. Und mit Mariams Worten hatte sich alles wieder geändert. Kaum hatte Mariam das begriffen, fiel ihr auch noch etwas anderes auf. Sie hörte Wanda jetzt keuchend nach Luft schnappen. Armin hatte endlich verstanden, dass er keine Antworten bekommen würde, solange er Wanda die Luft abschnitt. Er würde sie reden lassen – und am Leben. Für´s Erste. Wandas Beine hatten ihr verzweifeltes Zappeln eingestellt. Armins Hand lag noch immer um Wandas Hals, so sah es von hinten zumindest aus. Aber sie bekam wieder Luft. Armin gab ihr Zeit, um zu Atem zu kommen. Vielleicht würden sie jetzt reden, vielleicht wprde das helfen, vielleicht … Mit einem Mal war die Szenerie in gleißend helles, grausam kaltes Licht getaucht. Es kam von einem der starken Scheinwerfer eines der entfernteren Wachtürme und es kam direkt vom Zaun. Plötzlich standen auf der anderen Seite mit einem Mal ein halbes Dutzend schattenhafte Gestalten mit Taschenlampen. Waren sie die ganze Zeit schon da gewesen? Das Licht tat Mariam in den Augen weh, machte es ihr unmöglich, genaueres zu erkennen. Hören konnte sie allerdings recht gut. «Sofort aufhören! Ihr kämpft, wenn es Euch befohlen wird. Kapiert?» Ein Schuss krachte. Dicht neben Wandas Kopf wurde Schlamm empor geschleudert. Der, der gebrüllt hatte, hatte seinen Worten zusätzliches Gewicht verliehen. Nach kurzer Zeitverzögerung drangen mit einem Mal eine Vielzahl erschrockener Rufe aus der Überdachung hervor. «Hast Du nicht gehört? Runter von ihr! Sofort!» Armin gehorchte nur zögernd – aber er gehorchte. Erleichterung machte sich in Mariam breit. Die Verantwortung fiel von ihr ab, es lag nicht mehr in ihren Händen. Die Befehle waren in korrektem Deutsch gebrüllt worden, aber Mariam hatte hören können, dass es dem Sprecher offenbar Mühe machte. Nicht seine Muttersprache. «Macht das ihr zurückkommt. Zurück auf Eure Plätze. Bewegt Euch! Du auch, Mädchen!» Als Mariam registrierte, dass sie direkt angesprochen wurde und dass Armin sich ruckartig zu ihr umgedreht hatte, kam endlich wieder Bewegung in sie. So schnell und leise wie sie in den toten Winkel hinter der Überdachung gehuscht war, um Wanda zu helfen, so schnell und leise huschte sie jetzt wieder zurück. Unter der Überdachung angekommen, konnte sie noch weitere Befehle hören «Brauchst Du eine extra Einladung? Bring sie zurück! Und wenn ich noch einmal sehe, dass Du aus der Reihe tanzt, bist Du fällig. Kapiert?» Eine Sekunde verging. Zwei Sekunden. «Ob Du das kapiert hast?» Mariam hörte ein tiefes, unwilliges Brummen als Antwort. Dann hörte sie, wie Armin Wanda auf die Füße zerrte, und kurz darauf kamen sie um die Ecke. Wandas Augen waren geöffnet und sie war bei Bewusstsein, aber ihre Beine wollten sie nicht so recht tragen. Schnell entdeckte Armin Mariam und steuerte schwerfällig auf sie zu. Wandas rechten Arm hatte er sich über die Schultern gelegt. Mit ausdruckslosem Gesicht ließ er sie von Mariams Füße fallen. Als Armin sie losgelassen hatte, hatten Wandas Knie nachgegeben. Mariam schaffte es, ihren Kopf aufzufangen, bevor er auf dem schlammigen Boden aufschlug. Ein seltsamer Gedanke blitzte im Kopf des Mädchens auf. Seltsam. Nicht nur Wanda sieht geschlagen und besiegt aus. Auch Armin.Eigentlich sogar noch mehr. Gleichzeitig mit diesem Gedanken ertönte erneut das angestrengte Deutsch von außerhalb des Zaunes. «Morgen bekommt ihr eine neue Chance! Wird euch nicht gefallen …» Folge 5 Links in meinem Blickfeld sah ich einen Farn wackeln und Erde hoch spritzen. Dann, kurz darauf gleich noch einmal. Die Schüsse, die zu diesen Kugeleinschlägen gehörten, gingen im allgemeinen Getöse unter. Die drei Männer, die meinen Lagerplatz unter die Lupe genommen hatten, erwiderten das Feuer der unbekannten Angreifer. Ich hatte meine Pistole gezogen, auch wenn ich nicht unbedingt scharf darauf war, irgendjemanden zu erschießen. Erschossen werden wollte ich auf jeden Fall nicht. Ich lag im Dreck, genauso wie die beiden älteren Männer. Der junge stand, dicht an einen Baumstamm gedrückt etwa acht Meter von mir entfernt und feuerte in schneller Folge. So schnell ich konnte, robbte ich in Richtung meines Nachtlagers. Die Wurzelgeflechte der umgekippten Bäume und die Kuhlen, die sie im feuchten Erdreich hinterlassen hatten, schienen mir ganz anständige Schützennester abzugeben, und falls doch nicht, so waren sie immerhin ein guter Ausgangspunkt für eine Flucht. Auf jeden Fall besser, als weiter hier herum zu liegen, zumal die Angreifer vermutlich genug Zeit gehabt hatten, sich unsere Positionen zu verinnerlichen, bevor sie begonnen hatten zu feuern. Der, den der andere Mann Senior genannt hatte, brüllte etwas in meine Richtung. Durch das Krachen der Schüsse hindurch konnte ich die Worte nicht richtig verstehen, aber ich glaubte zu wissen, was er mir sagen wollte. Wo willst Du denn hin, Du feiger Penner? Ich brüllte zurück: «Beweg Dich, Mann! Sie haben sich eingeschossen!» Keine Ahnung, habe mich verstanden oder auch nur gehört hat. Ich hatte die Kuhle erreicht, mich wieder dem Geschehen zugewandt und sah jetzt, dass er den Abzug drückte und sein Jagdgewehr repetierte. Auf seinen Schuss folgten zwei Sekunden Stille, die von einem lauten Triumphschrei des jungen unterbrochen wurden. «Ich hab einen! Ich hab einen erwischt!» Der Junge zeigte auf einen Punkt den Hang hinauf und instinktiv versuchte ich, zu erkennen, was er meinte. Dort, etwa dreißig Meter entfernt, halb von den tiefhängenden Ästen einer Fichte verdeckt, stand eine unförmige, gedrungene Gestalt, so dick in Kleidung eingepackt und vermummt, dass man nicht erkennen konnte, ob es sich um einen Mann oder um eine Frau handelte. Die Gestalt hielt sich mit der rechten Hand die linke Schulter. Dort musste der Junge sie getroffen haben. Jetzt ließ der er das Gewehr fallen und zog ebenfalls eine Pistole. Er musste es leer geschossen haben. Auch Senior musste die Gestalt entdeckt haben, denn er brüllte mit heiserer Stimme: «Los! Gib dem verdammten Sicko den Rest!» Das Brüllen des alten Mannes musste auch von unseren Angreifern gehört worden sein, denn die Antwort kam prompt. «Kappler braucht Deckungsfeuer! Holt ihn da weg!» Die Stimme klang weiblich. Dann begann das akustische Inferno erneut. Ich erkannte Mündungsblitze von fünf verschiedenen Stellen, sah eine ebenso unförmige Gestalt auf den Verletzten zu eilen und ihn von den Füßen reißen, noch bevor der Junge ein zweites Mal feuern konnte. Ein- oder zwei mal schlugen Kugeln in direkter Nähe ein, eine andere riss einen glimmenden Ast aus meinem kleinen Lagerfeuer heraus. Funken stieben nach oben und der Ast kam einige Meter weiter zum Liegen. Auch der junge, Senior und der Mann, der sich altersmäßig zwischen ihnen befand, schossen wieder. Dieser Austausch von Kugeln hielt noch etwa fünf oder sechs Sekunden lang an, bevor die Frequenz der Schüsse abnahm. «Sie ziehen sich zurück! Sie hauen ab!» Alte Kriegsweisheit. Verwunde sie und binde ihre Kräfte. Um einen Toten musste man sich nicht kümmern. Um einen angeschossenen Kameraden schon. Bei den Degs funktionierte das nicht. Bei denen hier offensichtlich schon. Sicko. So hatte Senior sie genannt. Während ich angestrengt versuchte, zu erkennen, was oben am Hang vor sich ging und sah, wie der Verletzte weggezogen wurde, wunderte ich mich über den englischen Ausdruck. Sick. Krank. Schien irgendwie ein Thema bei ihnen zu sein. Hatten sie mich nicht auch gefragt, ob ich gesund wäre? Hatte nicht eine gewisse Drohung hinter dieser Frage gelauert? Die Stimme des Jungen erklang erneut. «Sie sind weg. Über die Hügelkuppe. Ich sehe keinen mehr.» Senior, der meinem Rat gefolgt und sich ein paar Meter weiter nach links gerollt hatte, erhob sich langsam und kurz darauf stand auch der andere Mann auf. Er wies den Jungen mit knappen Worten an, den Hang weiter im Auge zu behalten, falls sie zurück kämen. Eine kluge Anweisung zweifellos, aber ich rechnete nicht damit. Der plötzliche Überfall war vorüber, keine Minute, nachdem er begonnen hatte. Auch ich erhob mich jetzt aus der Kuhle, klopfte mir den Dreck ab so gut es ging und steckte die Pistole zurück in meinen Waffengürtel. Die beiden älteren Männer berieten sich kurz und so leise, dass ich nicht verstehen konnte, was sie sagten. Dann drehten sie sich um und kamen zu mir herüber. Ein falsches Lächeln lag auf dem Gesicht von Senior, während dem anderen Mann noch eine Mischung aus Todesangst und die adrenalingetränkte Anspannung des Kampfes ins Antlitz geschrieben waren. Senior sprach als erster. «Nun, das war jetzt nicht unbedingt der angenehmste Empfang für einen Neuling, was, Biker?» Er erwartete nicht wirklich eine Antwort. «Die Sickos sind … ein Problem hier in der Gegend. Überfallen uns, die Wichser. Wollen unsere Vorräte. Unseren Wohlstand und alles, was wir aufgebaut haben. Bösartige Teufel. Aber komm, es ist nicht mehr allzu weit bis zu uns und dort ist es alle Mal sicherer als hier draußen.» Er nickte mir auffordernd zu. Ich begnügte mich mit einem knappen okay. Es war nicht nötig, ihm mitzuteilen, was ich wirklich dachte. Nicht schon jetzt, zumindest. Biker. Wieder ein englisches Wort. Aber gut. Ein Name war mir so recht wieder andere, auch wenn ich ganz gewiss kein Biker war. Und was die Sickos anging – irgendetwas stimmte da nicht an seiner Darstellung. Die drei hatten ja noch gar keine Jagdbeute gemacht, die man ihnen abnehmen konnte. Sie trugen nicht einmal Rucksäcke bei sich. Oder waren diese Sickos hinter dem Inhalt meiner Satteltaschen her gewesen? Möglich. Aber liefern Überfall normalerweise nicht anders ab? Hätten sie – im Interesse ihrer eigenen Sicherheit – nicht so etwas sagen sollen wie: her mit eurem Zeug? Wäre es ihnen nur um Ausrüstung und Lebensmittel gegangen, hätten sie dann nicht versucht, ihre Beute zu machen, ohne dass geschossen wurde? Hatten sie aber nicht. Sie hatten das Feuer ohne die geringste Vorwarnung eröffnet. Kein Überfall. Eher ein Anschlag. Ich sollte mich einfach von hier verpissen. Das hier schien eher eine Art Fehde zu sein, als das Resultat kollidierender wirtschaftlicher Interessen. Langsam ging ich zur Triumph hinüber. Gerade wollte ich den Lenker packen, da fiel mir etwas ins Auge. Verdammter Mist. Der Vorderreifen war platt. Hastig suchte ich noch nach weiteren Beschädigungen. Ich brauchte nicht lange, um zu entdecken, dass auch das Endrohr und der Tank ein Loch aufwiesen. Zum Glück befand sich das Loch im Tank im oberen Bereich und er war halb leer gewesen. Verloren hatte ich also nichts. Aber dennoch. Entweder mussten der Tank und das Vorderrad irgendwie geflickt werden, oder ich brauchte eine neue Maschine. Senior war mir ein paar Schritte gefolgt, das Gewehr am Riemen über der Schulter und als auch er sah, was ich gerade gesehen hatte, meinte er trocken: «Wird kein Spaß, das Ding den Hang raufzuschieben. Ich helfe Dir. Und dann schauen wir mal, ob wir die Mühle wieder flottkriegen.» Kurz zögerte ich noch, aber dann willigte ich ein. Ohne das Motorrad würde ich viel zu lange brauchen, um das Gebiet zu verlassen und unsere Angreifer hatten mich mit den drei Männern zusammen gesehen. Sie konnten nicht wissen, dass ich im Grunde nichts mit ihnen zu tun hatte. Unter diesen Umständen war es wohl besser, nicht allein im Wald herum zu laufen. Am Ende musste auch der Junge helfen. Sein Name war Benedikt, wie ich erfuhr, als Senior ihn an einer besonders unwegsamen Stelle anwies, uns zur Hand zu gehen. Der andere ging jetzt voraus. Ihn nannten die beiden anderen beim Nachnamen. Rau. Immer wieder blieb Rau stehen, machte uns Zeichen, anzuhalten und leise zu sein während er lauschte und nach allen Richtungen in den Wald hineinspähte. «Hier habe ich die Sau erwischt!», sagte Benedikt plötzlich nicht ohne Stolz in der Stimme und nickte mit dem Kinn nach links. Ich folgte seinem Blick. Tatsächlich. Da war Blut auf dem Boden. Nicht allzu viel, aber dennoch deutlich zu erkennen. Daneben noch etwas. Ein Gewehr. Der Getroffene musste es fallen gelassen haben und keiner der anderen hatte sich die Zeit genommen, es aufzuheben und mitzunehmen, als sie ihren Angriff abgebrochen und die Flucht ergriffen hatten. « Könnt ihr die Maschine für einen Moment alleine halten?», fragte ich und Senior brummte bestätigend. Mit langsamen Schritten ging ich in Richtung der Waffe. Ein Gewehr konnte ich gut gebrauchen. Meine beiden waren ja verloren gegangen, und nur mit Pistolen in meinem Besitz – nun ja. Was man hat, hat man. In dem Moment, in dem sich meine Finger um den Schaft der Waffe schlossen, richteten sich meine Armhaare auf. Verdammt noch mal. Ich kannte dieses Gewehr. Es war eines von meinen! Nicht das gleiche Modell, nein. Es war definitiv eine meiner Waffen. Das Anschütz mit vergrößertem Magazin. Eine Schramme auf der linken Seite des Kolbens machte mir das Wiedererkennen einfach. Aber was bedeutete das? Bis zu dieser Sekunde war ich der Meinung gewesen, dass die Waffen schlicht und einfach dem Feuer in der Gaststätte zum Opfer gefallen wären. Sie jetzt zumindest teilweise bei einem Angriff der Sickos zum Einsatz gekommen zu sehen, legt die Vermutung nahe, dass mein Retter zu eben diesen Sickos gehörte. Und nicht nur das. Wenn derjenige, der meinen bewusstlosen Leib aus den Flammen gezogen hatte, Zeit genug gehabt hatte, meine Besitztümer zu durchsuchen – wieso hatte er nicht auch die Pistolen an sich genommen? «Kommst Du jetzt, oder was?» Seniors Stimme riss mich für einen kurzen Moment aus meinen Gedanken. «Ja. Ja, ich komme.» Vielleicht sollte ich Ihnen das besser nicht sagen. Das um ein Haar einer von ihnen mit einer meiner Waffen getötet worden wäre. Dennoch wies mich der Gedanke an meinen Retter nicht los. Was ich bei Ihnen war, verzurrte ich das Gewehr an der linken Satteltasche. Sie hatten die Taschen ausgeräumt und den Inhalt inspiziert. Gewehrpatronen waren nicht dabei gewesen. Schnell schlug ich das Leder nach oben und tastete im Innern der Tasche herum. Meine Gewehrpatronen waren weg. Alle. Sie waren es nicht gewesen. Es musste mein Retter gewesen sein. Er hatte offenbar genau gewusst, was er gesucht hatte. Ich löste mich wieder von der Satteltasche, und nahm erneut meine Schiebeposition ein. «Es kann weitergehen. Aber ein Gewehr hier liegen zu lassen, kam mir nicht besonders schlau vor.» «Da hast Du wohl recht.», brummte Senior und dann setzten wir unseren Weg fort. Wir brauchten etwa eine Viertelstunde, um aus dem Wald heraus zu kommen. Rau hatte uns nicht in einer geraden Linie geführt, sondern nach schräg rechts über den Hang, am Hochsitz, den ich untersucht hatte vorbei, sicher mit der Absicht, möglichst schnell die zweispurige Hauptstraße zu erreichen, die uns jetzt in den Ort hineinführte. Ab hier ging es deutlich einfacher mit dem Schieben und die Straße war in einem erstaunlich guten Zustand. Bereits seit etwa dreißig Metern hatte man sehen können, dass der Wald sich bald lichten würde. Rechts fünf verlassene Wohnhäuser, die Gärten und Vorgärten zugewuchert. Links gegenüber ebenfalls Häuser, im selben Zustand. Allerdings gab es auf dieser Seite eine Baulücke und an dieser Stelle reichten die Felder bis an die Neuenburgerstraße heran, auf der wir uns befanden. Überrascht stellte ich fest, dass die Landwirtschaftsflächen nicht verwildert waren. Vielmehr wiesen sie Spuren von Traktorreifen auf und jetzt, wo ich das gesehen hatte, hörte ich tatsächlich in einiger Entfernung einen Motor tiuckern. «Schieb ruhig weiter. Das ist der Rothfuß mit seinen Söhnen. Sorgen dafür, dass wir das zu futtern haben. Irgendwann werden wir den Pflug wohl mit Ochsen oder Pferden ziehen müssen, aber im Moment ist noch genug Treibstoff vorhanden. Auch für Deine Mühle. Haben die Tanke in Bad Herrenalb leergepumpt.», erläuterte Senior, der meine Blicke richtig gedeutet hatte. Rau, der immer noch an der Spitze unseres kleinen Trupps ging, holte ein grünes Tuch aus einer seiner Jackentaschen und winkte damit weit ausholend einige Male von links nach rechts, zu einem Punkt hin, der grob in unserer Marschrichtung lag. Etwas nach links versetzt vielleicht. «Und was soll das?», wollte ich wissen. «Siehst Du den Turm denn nicht? Der alte Wasserturm. Sind immer sechs Mann oben, mit unseren besten Waffen. Und eine Sirene. Von da oben hatten einen super …» Benedikt unterbrach Seniors Satz. «Die Sirene hab ich entdeckt. Im Süden ist ein Löschzug liegen geblieben. Die ganze Karre konnten wir leider nicht retten. War aber einiges dran was man gut gebrauchen konnte.» «Ja. Ja. Ja. Hast Du toll gemacht. Ist trotzdem eine alte Geschichte. Auf jeden Fall haben wir uns von den Stadträndern zurückgezogen und alles Wichtige um den Turm herum angesiedelt. Sicherer so.» Wir waren etwa hundert Meter weiter gekommen und jetzt deutete Senior nach rechts. Ein großer Gebäudekomplex lag etwa zwanzig Meter von der Straße entfernt, soweit ich das zwischen den Bäumen hindurch erkennen konnte. Ein großes Hauptgebäude mit Anbauten und einem Nebengebäude, die Dächer alle im selben Stil gedeckt. Dann entdeckte ich das Schild. SRH Krankenhaus. «Das ist Euer Krankenhaus? Ganz schön groß.» Ich gab mich beeindruckt, doch Senior verbesserte mich sogleich. «Nein. Wie gesagt. Der Kasten hier liegt zu nahe am Waldrand. Wir haben alles um den Turm herum konzentriert. Aber das wichtigste haben wir von dort geplündert, keine Sorge. Unser eigenes Krankenhaus ist voll funktional. Doktor Alinger leitet es. Fünfzehn Betten, derzeit nur fünf belegt. Alles Unfälle. Ich denke mal, dass wir Dich da für´s erste unterbringen werden. Wird wohl am einfachsten sein.» Ich nickte. Ich musste ihnen jetzt nicht sagen, dass ich so schnell wie möglich weiter wollte. Eine Nacht würde mir schon gut tun, zumal ich mich nicht besonders fit fühlte. Der Alkohol und das Feuer steckten mir noch immer in den Knochen. Bald ging die Neuenburgerstraße in die Hauptstraße über und die Fronten ehemaliger Geschäfte lösten die der in einheitlichem Stil errichteten Wohnhäuser ab. Alle Fronten waren verrammelt. Früher hat es hier einen Gemüseladen gegeben, einen Friseur, zwei Bankfilialen, ein Schreibwarengeschäft ein Café und dergleichen mehr. Zwei Dinge fielen mir auf. Zum einen war keines der Gebäude, an denen wir vorbeikamen,zerstört oder wies Schäden auf, die auf Kriegshandlungen hingedeutet hätten. Zum anderen waren hier vor dem Krieg einmal viele Pensionen, Gasthäuser und Hotels angesiedelt gewesen. Auch sporadisch aufgestellte Hinweisschilder legten die Vermutung nahe, dass der kleine Ort im Nordschwarzwald früher hauptsächlich vom Tourismus gelebt hatte. Irgendwie schien das auch heute noch einen Einfluss auf die hier Ansässigen zu haben. Zwar ließ man zu, dass die Gärten und Vorgärten der verlassenen Häuser verwilderten, die Straße jedoch, zumindest die, auf der wir uns fortbewegten, wirkte sehr gepflegt. Als ich Senior darauf ansprach, nickte er zunächst bestätigend und sagte dann: «Ja. Vor dieser ganzen Scheiße hatten wir viele Ausflügler hier. Urlauber und auch Kurgäste. Wir haben tolle Luft hier oben. Zumindest hatten wir die mal. Wenn der Wind von Westen kommt, geht man besser rein. Sonst gibt’s Kopfschmerzen. Aber ansonsten sind wir ziemlich gut dran. Der Wald außen rum, die Felder. Wir wollen dieses Jahr sogar noch die alte Pumpstation wieder fitmachen und das Wasserreservoir im Turm füllen. Dann haben wir hier so ziemlich alles was wir brauchen. Der Mannenbach ist noch sauber. Zum Glück.» «Wie viele seid ihr denn, so alles in allem?», fragte ich nach. «Einhundertsiebzehn.», antwortete Benedikt, der uns aufmerksam zugehört hatte an Seniors Stelle. Irgendetwas kam mir komisch vor. War vor der Schießerei nicht eine andere Zahl genannt worden? «Red´ doch keinen Stuss, Junge. Zweihundertacht. Zweihundertacht Einwohner. Die meisten wirst Du gleich zu Gesicht bekommen.» Die Straße machte jetzt einen sanften Knick nach rechts und ging über in die Neue Herrenalberstraße. Wir waren inzwischen so nah an den Wachturm, oder besser gesagt an den alten Wasserturm herangekommen, dass ich die Wachmannschaft auf dem Dach als schwarze Silhouetten mit Gewehren wahrnehmen konnte. Sie hatten auf dem Dach zusätzlich Deckungsmöglichkeiten angebracht, die irgendwie wirkten, wie die Zinnen eines Burgturms und über diesen Zinnen sah ich nutzlose Funk- und Handymasten aufragen. Ein sanft geschwungener Hügel verhinderte jedoch, dass ich den Fuß des Turmes in Augenschein nehmen konnte. Eine der Silhouetten winkte in unsere richtung und Rau winkte zurück. «Mein Vater hat heute Schicht. Ich geh´ mal hallo sagen.» Mit diesen Worten hörte Benedikt auf, mit uns die Triumph zu schieben und trabte davon. Senior schüttelte den Kopf. « Naja. Für den Moment können wir Dein Motorrad ja hier stehen lassen.», sagte er und bockte die Triumph auf, nachdem er mich angewiesen hatte, sie mit ihm zusammen auf den Gehweg zu schieben. Dann fügte er hinzu: «Wir sind ohnehin gleich da.» Zur Verdeutlichung nickte er erst nach rechts, die Straße entlang und dann geradeaus, grob in die Richtung, in die Benedikt unterwegs war. Der Junge lief in gerader Linie den Hügel hinauf, auf den Turm zu. «Ich dachte, Rau wäre Benedikts Vater?» «Bin ich nicht. Der Bengel spurt einfach besser, wenn er seine Anweisungen nicht von seinem Daddy bekommt. Das alte Prinzip. In die Lehre geht man bei Fremden.» Eigentlich waren meine Worte an Senior gerichtet gewesen, der ohnehin die ganze Zeit der redseligste der drei gewesen war. «Verstehe.», antwortete ich, und noch bevor ich eine weitere Frage stellen konnte, ergriff Senior wieder das Wort. «Unsere Krankenstation haben wir im Alten Kurhaus da drüben untergebracht. Geh einfach über den Parkplatz und melde Dich bei Doktor Alinger. Eine kleine Musterung ist bei uns Pflicht. Müssen sicher gehen, dass Du kein Sicko bist. Ich … äh … muss Dich doch nicht hinbringen, oder?» Er zeigte auf das etwa vierzig Meter entfernte, Gebäude direkt vor uns. Vier Stockwerke hoch mit einem zweistöckigen Anbau. Sehr gepflegt. Scheiß, sie hatten sogar die Rasenfläche gemäht, die um das Gebäude herum angelegt war. Jetzt erlaubte ich mir, für eine Sekunde zu lauschen. Auch wenn ich abgesehen von meinen Begleitern und den Wachposten auf dem Turm oben niemanden sehen konnte – rings um mich herum waren die Geräusche ruhigen Lebens zu hören. «Nein. Kein Problem.», gab ich zurück. Zwei Sekunden lang musterte mich Senior aufmerksam, dann zuckte mit den Schultern. Ich fand schon, dass das ein Problem war. Eines von vielen und es warf neue Fragen auf. Aber das musste ich in dieser Situation nicht unbedingt artikulieren. «Gut. Du bist schnell von Begriff. Gefällt mir. Ich gehe jetzt mit Rau rüber ins Rössle. War früher ein Hotel. Die meisten von uns wohnen inzwischen da. Die Bar ist gut ausgestattet. Komm´ nach wenn Doktor Alinger mit Dir fertig ist. Macht mich immer durstig, wenn auf mich geschossen wird. Und Dir geht’s doch bestimmt genauso, was?» Die letzte Frage war nicht an mich, sondern an Rau gerichtet gewesen, der zur Antwort bestätigend brummte. Die beiden gingen weg, ein Stückchen die Neue Herrenalber Straße entlang und dann nach rechts und ließen mich stehen. Ich fragte mich, warum sie mich nicht ins Krankenhaus eskortierten, wenn doch eine Musterung so dringend gewünscht und wichtig war. Das Wort hatte einen für mich unangenehmen Beigeschmack. Ein gewisser Zwang wohnte ihm inne. Aber dann begriff ich. Vom Wachturm aus konnte man zwar nicht jeden Winkel der Stadt kontrollieren, aber doch jeden Weg hinein und hinaus. Wenn man sich den allgemeinen Gepflogenheiten hier widersetzen wollte, wenn man gehen wollte – früher oder später würde man vom Turm aus zu entdecken sein. Einen Moment lang glaubte ich, dass ihnen die Scharfschützen oben im vielleicht dreißig Meter hohen Turm als Sicherheit ausreichten, dann kam in mir die Frage auf, wie sie das bei Nacht handhaben würden, und ungefragt kamen mir die Worte Restlichtverstärker und Scheinwerfer in den Sinn, da ging die Eingangstür des ehemaligen Kurhauses auf und drei Bewaffnete traten nach draußen. Der Mann in der Mitte mit dem weißen Kittel erinnerte mich so sehr an Gustav, dass ich einen plötzlichen Stich im Brustkorb fühlte. Die gleiche hagere Gestalt, die hohe Stirn und ungefähr das gleiche Alter, die gleiche Ausstrahlung von milder, aber im Bedarfsfall unnachgiebiger Autorität. Nur weniger Sorgenfalten, etwas weniger Schmerz war diesem Mann von der Nachwelt ins Gesicht geschnitten worden. Ganz ohne Spuren hatte er die letzten Jahre allerdings auch nicht überstanden. Links neben ihm eine junge Frau. Dieselbe dunkel blonde Haarfarbe und eine auffallende Ähnlichkeit in den Gesichtszügen. Zweifelsohne seine Tochter. Wie auch der Mann, der auf der rechten Seite des Arztes stand trug sie eine weiße Hose und einen Pflegerkittel und sie alle hatten über der Kleidung einen Gürtel mit Holster angelegt. Doktor Alinger winkte mich zu sich heran und zögernd ging ich in seine Richtung. Alle drei musterten jeden meiner Schritte äußerst wachsam, aber niemand schien es für nötig zu erachten, seine Waffe zu ziehen. Das war schon mal gut. Als ich näher herangekommen war, begrüßte mich Alinger. «Sieh an. Ein neues Gesicht. Willkommen in Dobel. Bitte folgen Sie mir.» Ich folgte. Zögernd zwar, aber ich folgte. Irgendwo tuckerte ein Generator. Hinter dem Gebäude, nahm ich an. Zusammen mit den Solarzellen auf dem Dach des Anbaus wurde auf diese Art die Stromversorgung sichergestellt. Sie hatten mich in die Mitte genommen. Doktor Alinger und seine Tochter gingen voraus. Der Pfleger ging hinter mir. Anders als bei richtigen Krankenhäusern, gab es in diesem hier keinen Empfangsbereich und keine Wartehalle. Das Behandlungszimmer war direkt hinter der Eingangstür. Sichtschirme mit SRH-Logo waren in einer Ecke aufgestellt und verbargen eine Behandlungsliege vor neugierigen Blicken. Diese Musterung … Das Hohe Volk von Simon und Mack hatte auf ähnliche Art und Weise dafür gesorgt, dass keine Krankheiten und kein Ungeziefer den Weg in ihr Hochhaus finden konnten. Aber so eng, wie sie beieinander gelebt hatten, alle in einem einzigen großen Gebäude, hatte das irgendwie Sinn gemacht. Hier, wo theoretisch ein ganzes kleines Städtchen als Wohnraum zur Verfügung stand, hatte die Angelegenheit einen anderen Charakter. Natürlich macht es immer auch hier noch Sinn, auf Gesundheit und Sauberkeit zu achten, aber dennoch – irgendetwas sagte mir, dass dieser Aspekt nicht die einzige Motivation für ein solches Verhalten war. Was wohl passieren würde, falls ich mich dem widersetzte? Für eine oder zwei Sekunden habe ich versucht, genau das auszuprobieren, schon aus purem Trotz heraus, aber dann erinnerte ich mich an die beschädigte Triumph und daran, dass ich etwas Ruhe nötig hatte. Ich musste ausruhen, nachdenken und ich brauchte die Maschine, um möglichst schnell nach Süden zu kommen. Außerdem war es möglich, dass irgendjemand hier über Wanda und Mariam gestolpert war und mir die Richtung würde weisen können. Sollten sie also ruhig schauen, wen sie sich da eingeladen hatten. Im Grunde doch ihr gutes Recht. Ich würde das sehr schnell hinter mich bringen und dann zu Senior und Rau ins Rößle nachkommen und sehen, ob ich etwas in Erfahrung bringen konnte. Doktor Alinger ging vor, hinter den Sichtschirm und bat mich ihm zu folgen. Seine Tochter verschwand irgendwo im Gebäude und der Pfleger, der jetzt, aus der Nähe betrachtet, ironischerweise ziemlich ungepflegt wirkte, nahm mit einem Klemmbrett und einem Kugelschreiber in der Hand einem Stuhl nahe des Eingangs Platz. «Legen Sie doch bitte ihren Waffengürtel da drüben hin, dann ziehen Sie den Rest aus. Nicht besonders warm hier drin, tut mir leid. Ich werde mich beeilen. Übrigens, wie heißen sie?» Ich dachte daran, wie Senior mich Biker genannt hatte. «Peter. Peter Hoppe.», antwortete ich nach einer kurzen Pause, während ich meine Kleidung ablegte. Dennis Hopper und Peter Fonda. Easy Rider. Ein zynisches und veraltetes Porträt einer Nation, die wie keine andere für Größenwahn stand. Ein Name so gut wie der andere. Ich verkniff mir ein abfälliges Grinsen. Erinnerungen. Anders als Gustav es getan hätte, versuchte Doktor Alinger nicht die unangenehme Prozedur mit stetigem, routinierten Geplapper in etwas Angenehmes zu verwandeln. Dafür ging er aber wirklich äußerst schnell und sachlich vor. Wir fingen meinen Unterarmen und Händen an. Dort hatten sich die Blutergüsse, die die Hände meines Retters in der Nacht das Brandes hinterlassen hatten inzwischen in violett-gelbliche Flächen verwandelt, die bestenfalls noch mit viel Fantasie als Überbleibsel eines zu festen Griffes zu identifizieren waren. Doktor Alinger widmete ihnen nicht viel Aufmerksamkeit. Genau genommen tat er das bei keiner der Narben an meinem Körper, die von meinen vergangenen Kämpfen und Verletzungen zeugten. Über sie ging er schnell hinweg. Viel mehr Aufmerksamkeit widmete er meiner Kopfhaut, meinen Zähnen und diversen Hautuntereinheiten und Muttermalen, wie sie mehr oder weniger jeder Mensch mit sich herum trägt. Auch mein Abdomen tastete er äußerst sorgfältig ab, runzelte dann und wann die Stirn und fragte, ob es wehtun würde. Bis jetzt hatte die ganze Prozedur keine fünf Minuten gedauert. Dann und wann rief er dem Pfleger irgendwelche lateinischen Worte zu und ich hörte den Kugelschreiber über´s Papier kratzen. Der Arzt kam jetzt zu den Brandblasen an meinem linken Unterschenkel. Es tat schmerzte, als er sie mit einer Latex-behandschuhten Hand berührte und ich zog zischend Luft ein. Er brummelte etwas Unverständliches und fragte dann lauter: «Frisch, was? Wie ist das passiert? Und das darunter? … ah, nichts. Vergessen sie’s. Geht mich nichts an. Ich gebe Ihnen gleich eine Salbe. Eigentlich müsste ich ihn jetzt noch die Eier abtasten, aber ich denke, das können wir uns sparen. Keine Sorge. Ein Weilchen werden sie schon noch durchhalten.», sagte er in scherzhaftem Ton und klopfte mir auf die Schulter. Abschließend schob er nach: «Wenn sie sich wieder angezogen haben, können sie rüber ins Rössle gehen. Lassen Sie sich was zu essen geben und trinken sie mit den anderen ein paar Bier. Lernen sie alle kennen. Sie werden sich bei uns sicher wohl fühlen.» Viel Spaß mit meinem kostenlosen Hörbuch!
Mehr von mir auf bloodword.com, Youtube, Bandcamp und Amazon. Hier der rohe Text: «Armin, sie kommen!“ Im ersten Moment hatten diese aufgeregten, dringlichen Worte keinerlei Bedeutung für Wanda. Viel zu sehr war sie noch damit beschäftigt, gegen Armins eisernen Griff anzukämpfen. Auch Armin reagierte zunächst nicht auf die Warnung. Im Gegenteil, er verstärkte seinen Griff um Wandas Hals, schnürte ihr die Luft gnadenlos ab. Sein wutverzerrtes Antlitz brannte sich in diesem Moment in Wandas Hirn wie die Fratze einer Alptraumkreatur und das Bild verdrängte jeden logischen Gedanken. Sie vergaß schlicht ihre Pistole am Gürtel, oder das Messer. Beinahe wäre ihre Gegenwehr vollends zusammengebrochen, als sie den unendlichen Schmerz erkannte, der unter seiner Wut verborgen lag. Sie nahm wahr, dass rings um sie herum Dinge geschahen, viele Dinge. Mariam schrie und zerrte an Armin herum. Motoren wurden lauter, durch den Tunnel zu einem unheimlichen tiefen Brummen verstärkt. Sie hörte Breitmann Kommandos bellen und sie hörte Leanders Stimme, als er die Befehle weitergab. Phrasen wie in Deckung gehen, Verteidigung einrichten, Maschinengewehr aufbauen, aber in diesem Moment hatte keines von ihnen eine Bedeutung für Wanda, und auch die Tatsache, dass der unheimlich verhallte Motorenlärm immer lauter wurde, drang nicht bis zu Wanda durch. Sie fühlte, dass sie schwächer wurde, dass sie nicht mehr lange bei Bewusstsein bleiben würde und mit dieser Erkenntnis begriff sie die Tatsache, dass sie von der Brücke fallen würde, sobald ihre Beine nachgäben. So brutal Armins griff um ihren Hals auch war - würde sie sich nicht mehr auf den Füßen halten können, würde Armin sie loslassen müssen, oder, falls er das nicht tun würde, zusammen mit ihr hinunter stürzen. „Armin! Armin! Armin, lass den Scheiß bleiben! Wir brauchen Dich hier! Ihr steht da oben auf wie auf einem Präsentierteller!“ Leanders Stimme hob sich über den bedrohlichen Lärm, der ringsum aufbrandete. Die Motorengeräusche waren jetzt weniger verhallt, beinahe konnte man einzelne Fahrzeuge voneinander unterscheiden. Mariam schrie noch immer Armin an und zerrte an ihm. Aus dem Augenwinkel sah Wanda ihr panisches Gesicht und dann war Leander da und riss Armin nach hinten. Der größere Mann ließ sie los, stolperte zurück, fiel aber nicht. Ganz im Gegensatz zu Mariam, die von den Füßen gerissen wurde und Gesicht voran hart auf dem abschüssigen Boden aufschlug. Für den Bruchteil einer Sekunde kam es Wanda vor, als würde sie schweben. Dann verlor sie die Balance, ruderte mit den Armen und kippte langsam nach hinten. Zum Schreien fehlte ihr die Luft, aber sie hätte geschrien, wenn sie gekonnt hätte. Ein Schrei, der alles übertönt hätte. Stattdessen schrie Mariam laut und hoch und schrill und Wanda fiel. Schwerelosigkeit. Wind. Ein beinahe außerweltliches Rauschen in den Ohren. Die Zeit verlangsamte sich. Oben war unten und unten war oben. Schlieren und verschwommene Farben vor ihren Augen, und Wandas Geist wurde ruhig und leer und friedlich. So ungewohnt. So neu. So schön. So frei von allem. Erstaunt bemerkte sie, dass sich ein Lächeln auf ihr Gesicht stahl, die Augen weit geöffnet in kindlicher Verzückung. Dann ein steinharter Schlag mitten ins Gesicht. Schmerz. Haut riss auf. Sie fiel weiter, die Zeit lief wieder schneller. Etwas zerrte an ihr, an ihrem Arm, riss auch ihn auf, stoppte ihren Sturz auf sehr schmerzhafte Weise. Endlich konnte sie schreien, endlich wieder Luft in ihre Lunge saugen. Sie schwang hin und her, gerade mal zwei Meter über dem Boden, kollidierte mit dem Brückenpfeiler, dann wurden die Amplituden der Schwingungen kleiner und Wanda sah die kleine, aus dem Pfeiler ragende Eisenstrebe, beinahe wie ein Ast, die sich vom Oberarm bis zum Handgelenk durch den Ärmel ihrer Winterjacke gegraben hatte. Es war nur noch die feste Naht des Bundes, die ein endgültiges Durchreißen des Stoffes verhinderte. Aber lange würde sie auch nicht mehr halten. *** Mariam war nicht wieder aufgestanden. Voller Panik kroch sie bäuchlings zum Rand der Brücke, alles in ihr im Widerstreit. Sie musste wissen was mit Wanda geschehen war, doch die Bilder vor ihrem geistigen Auge waren so schrecklich und angsteinflößend, dass sie die Schmerzen, die ihr Aufschlag auf dem verfallenen Asphalt der Brücke ihr verursacht hatten kaum ins Gewicht fielen. Sie sah Wanda dort unten liegen. Sechs oder acht oder zehn oder zwölf Meter tiefer, den Schädel aufgeschlagen wie ein rohes Ei und bar jeden Lebens. Das hatte sie nicht gewollt. Natürlich nicht. Sie liebte Wanda, trotz allem. Aber als sie sie so über Ella und die anderen Verhungerten hatte reden hören, gehört hatt, wie sie so kalt und nüchtern ihren Tod in Kauf genommen, ja sogar eingeplant hatte, hatte sie einfach nicht an sich halten können. Und jetzt war sie schuld, an dem was passiert war. Sie hörte Armin hinter sich brüllen, hörte ihn Leander an brüllen, aber sie beachtete das Geschrei der Erwachsenen nicht. Instinktiv wusste sie, dass sie in diesem Moment von niemandem beachtet wurde. Angsterfüllt kroch sie voran, die wenigen Meter bis zu der Stelle, von der aus Wanda gefallen war. Nur wenige Zentimeter fehlten noch, dann würde sie hinunter schauen können. Ich will das nicht sehen, ich will das nicht sehen, ich will das … Ihr Geist nahm in diesem Moment jegliche Ablenkung von den schrecklichen Bildern in ihrem Kopf nur zu gerne wahr. Und davon gab es mehr als genug. Der Lärm, der aus den etwa zweihundert Metern entfernten Tunnelröhren drang. So etwas ähnliches hatte sie schon einmal gehört und sie verband nichts Gutes damit. Das Geschrei von Armin und Leander, der versuchte, seinen Anführer zu beruhigen. Der Name „Eva“, der immer und immer wieder aus den wütenden Lauten herausstach. Die Rufe von Breitmann, der die Situation auf der Brücke erfasst hatte, und nun versuchte in Windeseile eine Verteidigung zu organisieren. Fragen und Bestätigungen, die zu ihm zurückgerufen wurden. Mariam erkannte das tuckernde Motorengeräusch des Transporters, in dem Armin und Wanda und sie selbst gefahren waren, und gleichzeitig registrierte sie, wie die Hecktüren aufgerissen wurden. Jemand holte die großen Waffen heraus. Endlich hob sie den Blick vom Asphalt. In den Röhren war noch nichts zu sehen. Doch! In der linken der beiden Tunnelöffnungen. Kleine, helle Punkte. Scheinwerfer. Dann die Silhouette eines Fahrzeugs, von hinten durch die Lichter des folgenden Autos angestrahlt. Mariam erkannte auch, dass die Röhre tatsächlich rechts und links verengt worden war. Sie müssen hintereinander fahren … In dieser Sekunde begriff Mariam, dass Schlimmeres würde verhindert werden können, wenn es ihnen gelänge, das erste Fahrzeug aufzuhalten, noch bevor es den Tunnel verlassen hätte. Es würde die Röhre blockieren und es den Nachfolgenden unmöglich machen, nach draußen zu gelangen. Schnell drehte Mariam den Kopf, wandte den Blick ab, von den hypnotischen und immer größer werdenden Lichtern, wandte sich Armin und Leander zu. Es war Leander inzwischen gelungen, den größeren Mann etwas zu beruhigen. Sie schrien nicht mehr. Armin zischte mit gesenkter Stimme viele Worte, die aber alle den gleichen Inhalt hatten: «Sie hat Eva auf dem Gewissen! Meine Eva. Unsere Eva. Wir haben sie aufgenommen und sie hat …» Leander reagierte auf Armins wütenden Sermon mit ruhigen, beschwichtigenden Worten. Mariam erkannte, dass er mit seinem Unterfangen, Armin zu beruhigen und ihn dazu zu bewegen, sich endlich von der Brücke herunter und in Deckung zu bringen, über kurz oder lang Erfolg haben würde. Aber auch, dass es zu lange dauern würde. Armin würde nicht in der Lage sein, die Situation schnell genug zu erfassen und die richtigen Befehle zu geben. In diesem Augenblick war es für Mariam kristallklar zu erkennen, was geschehen musste, um Schlimmeres zu verhindern, um wenigstens für den Moment zu verhindern, dass es zu einer großen Schießerei kommen würde. Sie rappelte sich auf, so schnell sie konnte. Mit der Leander und Armin war nichts anzufangen. Sie rannte los, rannte die lange Auffahrt der zerstörten Brücke nach unten zu den anderen. Etwa fünfzig Meter bis zu dem Lkw-Parkplatz, wo Breitmannn noch immer in seiner Lauerposition verharrte und über den Lauf seiner Waffe hinweg die Öffnungen der Tunnel im Auge behielt. Es fiel Mariam schwer, zu rennen so schnell sie konnte, und gleichzeitig darauf zu achten, dass sie nicht stürzte. Weiter hinten, hinter den Mauern der Raststätte hervor kamen eine Hand voll Gestalten im Laufschritt. Sie setzten Breitmanns Kommando in die Tat um, suchten Deckung und verteilten sich. Eine dieser Gestalten hielt das Maschinengewehr in Händen, das Breitmann gemeint haben musste. Zu weit weg. Das ist zu weit weg, um das erste Fahrzeug sicher zu erwischen, ging es Mariam durch den Kopf. Sie hatte keine Ahnung, woher sie das wusste. Wusste sie das überhaupt, oder war das nur ein Gefühl? Sie war inzwischen näher herangekommen, so nahe, dass sie Breitmanns Gesichtszüge deuten konnte. Er wirkte konzentriert und angespannt, aber nicht ängstlich. Als er wahrnahm, dass Mariam direkt auf ihn zu hielt, verzog er unwillig das Gesicht. Verärgerung machte sich in ihm breit, die sofort einem sorgenvollen Stirnrunzeln wich. Mit einem Arm winkte er sie zu sich heran und als sie da war zog er sie unsanft zu sich hin und nach unten. Sein Griff war fest und tat Mariam weh, aber sie wehrte sich nicht, wusste dass es nicht böse gemeint war. «Was, verdammte Scheiße noch mal, ist da oben bei Euch los? Das ist ein ganz mieser Zeitpunkt für irgendwelchen Emotionsmist.“, flüsterte er heiser in Mariams Ohr. Aber er schien keine Antwort auf diese Frage zu erwarten, denn kaum hatte er die Worte ausgesprochen, fluchte er lauthals. „Fuck!» Die Silhouette des vorderen Fahrzeuges zeichnete sich jetzt noch viel deutlicher ab als zuvor und Mariam konnte erkennen, dass es groß war. Kein Panzer, aber doch eindeutig ein Militärfahrzeug. Ein Jeep, wusste sie. Und oben auf den Jeep war, wie bei den Lkw der Motorisierten ein Maschinengewehr montiert. Mariam erkannte sogar die Umrisse des Mannes, der es bediente, erkannte sogar die in diesem Moment etwas seltsam wirkenden Umrisse seiner Uniformmütze. Sie wollte Breitmann sagen, dass sie sofort schießen mussten, dass sie nicht mehr viel Zeit hatten, dass sie auf die Reifen oder auf den Motor zielen sollten, um das Fahrzeug noch im Tunnel zum Stehen zu bringen. Aber sie war zu langsam. Ein einzelner Schuss krachte, er kam von hinten, von hinten, wo Regine war. Die Gestalt des Mannes hinter der auf dem Jeep montierten Waffe kippte weg. Ein guter Schuss, aber auf das falsche Ziel. Der Fahrer des Jeeps gab Vollgas, ließ den Motor aufheulen, kaum dass das Echo des Schusses verklungen war und er registriert hatte, dass sein Fahrzeug zur Zielscheibe geworden war. Das Geräusch des hochdrehenden Motors hörte sich für Mariam an wie das Fauchen eines wilden Tieres. Sie zog instinktiv ihre Pistole. Als breit man das bemerkte, fuhr er sie an: „Bist Du irre Mädchen? Lass den Mist bleiben und zieh den Kopf ein! Belib unauffällig“. Kaum hatte er die letzte Silbe ausgesprochen, war der Jeep aus dem Tunnel heraus. Dann noch einer und noch einer. Eine neue Gestalt war hinter dem Maschinengewehr des ersten aufgetaucht. Sie fuhren in einer engen Dreierformation, die verhinderte, dass Mariam erkennen konnte, ob da noch mehr Fahrzeuge kamen, aber das spielte keine Rolle. Sie wusste einfach, dass da noch mehr sein würden. Erneut bellte Regines Gewehr auf, aber Mariam konnte keinen Treffer erkennen. Dann Mündungsblitze aus den montierten Waffen der schnell näherkommenden Jeeps. *** Wanda sah hinunter. So tief ist es nicht. Inzwischen war es ihr gelungen, die Panik, die der Sturz in ihr verursacht hatte zurück zu drängen. Sie analysierte den Schmerz in ihrem Arm, und kam zu dem Schluss, dass es kein tiefer Schnitt sein konnte, den die Eisenstrebe verursacht hatte. Eher eine Schürfung. Vielleicht ein bisschen Blut. Ein bisschen aufgerissene Haut, aber sie hatte schon Schlimmeres überstanden. Durch bewusst ausgeführte Schwingbewegungen versuchte sie, mit der anderen Hand nach oben zu greifen, und die Strebe zu fassen zu bekommen. Würde ihr das gelingen, konnte sie den Ärmel ihrer Jacke frei bekommen und dann einen kontrollierten Absprung nach vollführen, anstatt die letzten Meter nach unten einfach zu fallen. Sie hatte bereits zwei Versuche gemacht, als sie den ersten Schuss hörte. Verdammte Scheiße, ich hänge hier ohne Deckung wie eine Zielscheibe! Wanda vervielfachte ihre Anstrengungen und beim vierten Versuch gelang es ihr. Ihre Hand griff die etwa dreißig Zentimeter aus dem Brückenpfeiler ragende Strebe und sie hielt sich fest. Da jetzt nicht mehr all ihr Gewicht auf dem Jackenärmel lastete, war es kein besonders großes Problem, ihn frei zu bekommen. Jetzt hing sie mit beiden Händen an der Strebe, den Rücken gegen den kalten Pfeiler und starrte gebannt in Richtung der beiden nebeneinanderliegenden Tunnelröhren, sah mit Schrecken, wie die ersten drei Fahrzeuge eine Dreiecksformation bildeten. Ein weiterer Schuss krachte von hinten und wie Mariam, erkannte Wanda jetzt den charakteristischen Klang von Regines Scharfschützengewehr. Dann krachte das Gegenfeuer aus den Läufen der Waffen der heranrasenden Jeeps. Es war ohrenbetäubend, wollte und wollte nicht abbrechen, und die Bergwände rings um warfen den Schall zwischen sich hin und her. Wanda ließ los, ließ sich fallen. Sie landete auf den Füßen, ihre Beine gaben nach und der eigene Schwung stockte ihren Leib zusammen, hämmerte ihr ihr linkes Knie gegen die Unterlippe, aber sie ignorierte den Schmerz und halb rennend und halb kriechend rettete sie sich um den Pfeiler herum, brachte ihn zwischen sich und die heran nahenden Fahrzeuge. Für einen Moment verschnaufte sie, den Rücken gegen den kalten Beton gepresst und den Blick vom Geschehen abgewandt. Sie sah nach hinten. Auch dort blitzte Mündungsfeuer auf, von verschiedenen Stellen. Das haben sie gut gemacht. Sie haben sich verteilt. Auf diese Weise lieferten sie den Jeeps keinen Punkt, auf den sie ihr Feuer konzentrieren konnten. Ein drittes Mal ertönte das mächtige Bellen von Regines Waffe, erhob sich für einen winzigen Moment über das akustische Inferno von Maschinengewehrfeuer und den trotzigen Antworten kleinkalibriger Waffen. Dann eine lang anhaltende Serie von Mündungsblitzen von etwa zwanzig Metern links der zerstörten Raststätte. Jetzt konnte Wanda auch Regine sehen. Nicht wie üblich auf dem Dach ihres Transporters sondern etwa zehn Meter hinter und fünf Meter rechts neben den Mündungsblitzen. Sie hatten ebenfalls ein Maschinengewehr aufgebaut. Wanda meinte, die Geschosse die ringsum an ihr vorbei zischten sehen zu können, wusste aber dass das nicht sein konnte. Jeden Moment würden die ersten Fahrzeuge an ihr vorbei gerast sein. Sie würde diesen Augenblick abpassen und sich dann in Bewegung setzen und … Was war das? Hinten? Hinter den Mündungsblitzen ihrer eigenen Leute? Hinter Regine? Von hinten näherten sich weitere Fahrzeuge! Wir sind eingekreist! Sie merken es nicht! Verdammte Scheißkerle! Sie merken es nicht! Dann ein anderer Gedanke: Wie sind die hinter uns gekommen? Sind wir an ihnen vorbeigefahren? Wieso sind die überhaupt hier? Dann Begriff Wanda, dass sie die anderen warnen musste. Noch immer war das Feuer nicht abgerissen und das Krachen der Maschinengewehre der Jeeps, die in diesem Moment an ihr vorbei rasten, löschte kurzzeitig jeden Gedanken in ihr aus. Gefühlt sofort, nachdem die ersten Fahrzeuge sie passiert hatten, vollführten diese eine Vollbremsung, wobei das vordere der Fahrzeuge sich quer stellte und die flankierenden beiden in Fahrtrichtung stehen bleiben. Die Fliehkräfte hatten die Schützen hinter den Maschinengewehren gezwungen, ihre Feuerstöße für einen kurzen Moment zu unterbrechen und für wenige Sekunden war dem akustischen Inferno rings um etwas von seiner ohrenbetäubenden Macht genommen. Eine Kugel erwischte den Schützen der rechten Fahrzeuges an der Schulter, riss ihn herum und er verschwand nach unten ins Fahrzeuginnere. Der Fahrer setzte zurück, aber bereits nach wenigen Metern, die ihn bedrohlich nah an Wanda heran gebracht hatten, stoppte er. Einen weiteren Sekundenbruchteil später wusste Wanda auch warum. Er konnte nicht zurück, weil weitere Fahrzeuge dicht auf gefolgt waren, ebenfalls an ihr vorbei geschossen, dann abrupt anhielten und sich in Feuerpositionen brachten. Und dann war Wanda jegliche Sicht auf das Geschehen versperrt. Sie hatten eine breite Phalanx aus Fahrzeugen aufgestellt, die unaufhörlich schossen und Sperrfeuer auf Breitmann, die Verhungerten und die übrigen Motorisierten legten und sie so in Deckung zwangen. Mit angehaltenem Atem verharrte Wanda und kämpfte gegen ihre Panik an. Zerfetzte Leiber vor ihrem inneren Auge. Dann verstärkte sich das Entsetzen um ein Vielfaches, als sie bemerkte, dass jetzt auch direkt rechts und links von ihr Fahrzeuge angehalten hatten und dass der Schütze eines von ihnen, nicht der am MG, sondern der Mann daneben, der einen Karabiner in Händen hielt, sie entdeckt hatte. Er schwenkte den Lauf seines Gewehrs in ihre Richtung. Wanda hob die Hände. Sie hoffte nur, dass die anderen das auch tun würden. Die Übermacht war zu groß. Würden sie weiter kämpfen, würden sie alle drauf gehen. Ein Brüllen mischte sich in den Lärm. Es kam von irgendwo oben. Von direkt über ihr, von den Resten der eingestürzten Brücke. Von dort, wo Armin und Leander sich noch befinden mussten. Es war kein Brüllen, wie es ein Verwundeter brüllen würde. Es war ein einzelnes Wort, das wieder und wieder wiederholt wurde. Armin, der von dort oben eine deutlich bessere Übersicht über die Lage haben musste, als Wanda, war zum selben Schluss gekommen wie sie. „Aufhören!», brüllte er. *** Sie saßen dicht an dicht gedrängt. Mit Kabelbindern gefesselt, zusammengeschlagen und entmutigt. Niemand redete. Die einzigen Laute, die zu hören waren, waren das Stöhnen und Ächzen der Verwundeten. Regine hatte es am linken Bein erwischt. Marcelo hatte ein großes Loch in einer Hand. Er würde sie nie wieder benutzen können. Im Grunde sollte er sogar froh sein, wenn er sie überhaupt behalten kann, dachte Wanda, als sie sich an die Gefangennahme zurück erinnerte. Einem von Regines Leuten, Roland hatte eine in der Nähe ein schlagende Kugel tausende kleiner Gesteinssplitter ins Gesicht geschleudert. Entsprechend sah er aus. Aber er lebte noch. Immerhin. Erstaunlicherweise war die Zahl direkter Todesopfer des Scharmützels, das in objektiv gemessener Zeit kaum eine Minute angedauert hatte sehr klein. Zwei Verhungerte hatten den Rückweg zum Brennerpass mit dem Leben bezahlt, und Wanda war sich sicher, dass noch weitere folgen würden. Sie hatten die Tunnelröhren schon lange hinter sich gelassen. Das Fahrzeug schaukelte und schüttelte sie durch, obwohl sie nach allem, was Wanda sagen konnte sehr, sehr langsam fuhren. Mit ihnen waren vier Wachen hinten im fensterlosen und nur schwach erleuchteten Laderaum des Lkw, was mit ein Grund war, aus dem keiner etwas sagte. Sofort, als Breitmann leise und flüsternd das Wort an Armin gewandt hatte, hatte er einen Schlag mit dem Gewehrkolben kassiert. Seitdem war er damit beschäftigt das Bluten seiner gebrochenen Nase und das Tränen seiner Augen zu erdulden. Er sah fast schon dämlich aus, wie er konzentriert durch den Mund atmete. Das Exempel hatte funktioniert. Aber immerhin hatten sie Mariam erlaubt, sich neben Wanda auf den Boden zu setzen. Armin saß schräg gegenüber, und wenn er Wanda nicht finster anstarrte, sah er auf seine Stiefel hinunter. Wanda hasste es, gefesselt zu sein. Der Versuch, keinen hysterischen Anfall zu bekommen, nahm einen Großteil ihrer mentalen Kräfte in Anspruch und sie nahm kaum war, dass Mariam sich an sie drückte. Als sie es dann doch tat, konnte sie dem Kind keinen Trost spenden. Was für ein Trost hätte das auch sein sollen? Wanda dachte zurück an Ellas Erzählung. Die Flucht zu Fuß durch die Tunnelröhren. An diesen Uri mit seinem Flammenwerfer. Wanda hatte niemanden gesehen, auf den die Beschreibung passte und erstrecht niemanden, der mit einem Flammenwerfer herumgelaufen war. Noch dazu waren sie schon eine ganze Weile unterwegs. Vermutlich mussten sie so langsam fahren und immer wieder halten, weil Barrikaden und Straßensperren entweder überwunden, oder aus dem Weg geräumt werden mussten. Wanda warf einen fragenden Blick zu Ella hinüber. Diese erwiderte ihn kurz und schlug dann die Augen nieder, wobei sie leicht den Kopf schüttelte. Sie hatte auch keine Ahnung, wo sie hingebracht werden sollten. An dem Lager, aus dem Ella und die anderen Verhungerten entkommen waren, mussten sie eigentlich schon lange vorbei sein. Aber vielleicht wurden sie auch absichtlich in die irre geführt. Vielleicht fuhren sie im Kreis, um ihren Gefangenen die Orientierung zu erschweren. Aber hatten sie das nötig? Ihre Übermacht war so erdrückend gewesen, dass Wanda sich das eigentlich nicht vorstellen konnte. Sie hätte viel gegeben, um in Ellas Kopf hinein sehen zu können. Rein äußerlich wirkte die magere Frau ruhig und gefasst, aber in ihren Augen sah Wanda, dass sich in ihrem Kopf schreckliche Dinge abspielten. Sie war von hier desertiert, geflohen, hatte Schaden angerichtet mit ihrer Flucht. Wenn man sie wieder erkennen würde, wovon auszugehen war, erwartete sie mit Sicherheit ein schreckliches Schicksal. Zwei der insgesamt sechs Jeeps, die aus den Tunneln gekommen waren, hatten gar nicht abgewartet, bis die Gefangen verladen worden waren, sondern hatten direkt gedreht und waren zurückgefahren. Vermutlich ins Lager. Zumindest hatte Wanda das angenommen, nachdem sie wieder im Tunnel verschwunden waren. Die anderen Fahrzeuge hatten sie eingekreist und die Umgebung gesichert, nachdem Armins Befehl zu kapitulieren nach und nach in die adrenalingefluteten Köpfe der Verhungerten und Motorisierten durchgesickert war. Dann, vielleicht dreißig Minuten später war der Lkw gekommen. Uniformierte Männer und Frauen hatten sie umstellt und gefesselt, während die Maschinengewehre der Fahrzeuge noch auf sie gerichtet waren. Generell nahmen die Verhungerten die Gefangennahme und die darauffolgende Durchsuchung besser auf, als die Motorisierten. Fast schon schicksalsergeben. Vielleicht wussten Sie um ihre gesundheitliche Verfassung. Vielleicht wussten sie ganz tief drinnen, dass sie ohnehin nicht mehr lange am Leben bleiben würden. Vielleicht machte das alles einfacher, dachte Wanda. Die Motorisierten, allen voran Leander, hatten sich deutlich mehr sinnlose Rangeleien mit den uniformierten Italienern geliefert und sich dabei das eine oder andere blaue Auge eingehandelt. Breitmann sah noch immer dämlich aus. Die Blutung allerdings war zum Stillstand gekommen. Atmen konnte er allem Anschein nach trotzdem nicht, und Wanda nahm an, dass seine Nase zum einen zugeschwollen war und zum anderen, dass das Blut in ihr langsam aber sicher verkrustete. Und Armin? Starrte noch immer verbissen auf seine Stiefel hinunter, die Zähne zusammengepresst, dass seine Kiefermuskeln hervortraten. Sie musste eine Möglichkeit finden, ihm zu erklären, was mit Eva … Der Lkw wurde plötzlich gestoppt. Gedämpfte Kommandos drangen von außen heran. Dann wurden, von metallischen Lauten begleitet, die Türen geöffnet und gleißend helles Licht flutete den Laderaum. Noch bevor Wanda wieder richtig sehen konnte wurden sie nach draußen gescheucht. Die Gewehrkolben der Wachen machten die Sprachbarriere vergessen. Wann das Knie schmerzte als sie aus dem Laderaum des LKW gestoßen wurde und sich gerade ebenso noch auf den Füßen halten konnte. Hektisch flogen ihre Blicke umher. Zelte. Container. Schützennester von Sandsäcken umgeben etwas weiter weg. Fahrzeuge. Vorräte auf Paletten. Umhereilende Soldaten. Weiter hinten Zäune, von Stacheldraht gekrönt. Es wurde ihm keine Verschnaufpause gewährt. Ohne viel zaudern, wurden sie auf diese Zäune zu getrieben. Die Gesamtfläche des Lagers schätzte Wanda auf etwa die Größe eines Fußballfeldes. Weitere Befestigungen an den Rändern. Berge ringsum. Sogar drei Wachtürme, gebaut aus Holz, Stein und Metall. Aus allem eben, was man hatte auftreiben können. Sie waren nicht sehr hoch, vier Meter etwa, oder vielleicht fünf. Sie alle waren bemannt. In der Mitte, auf einer kleinen Anhöhe standen einige Container, welche von Schiffen und tatsächliche Wohncontainer, Wand an Wand. Auf einem wahren einige Funkantennen angebracht. Jetzt fiel Wanda auch das Brummen eines Generators auf und weiter hinten, außerhalb des Lagers auf einem Hügel eine Ansammlung von schräg stehenden Solarpaneelen. Kurz und fest drückte sich etwas gegen Wanda. Sie sah hin. Mariam hatte sie angerempelt, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Fragend sah Wanda sie an, und das Mädchen nickte hart nach links. Wanda folgte ihrem Blick. „Oh, Scheiße!“ Wanda hatte diese Worte leise, wie zu sich selbst ausgesprochen. Trotzdem brachte es ihr einen Stoß mit dem Gewehrkolben in den Rücken ein. Galgen. Fünf, und an jedem von ihnen baumelte ein Gehenkter. Aber da war noch etwas. Zelte. Etwas war anders an ihnen. Zuerst erkannte Wanda nicht, was das war, aber als sie es dann Begriff, erschauerte sie. Die Zelte hier unten im Lager waren eindeutig Militärmaterial. Die, die dort oben bei den Galgen standen waren anders. Flickwerk, bestehend aus Fellen, Laken, Plastikplanen und Tüten. Zelte, wie die Degenerierten sie hatten. Ella hatte das scheinbar auch bemerkt. Sie war vor Wanda gegangen und blieb bei dem für sie wohl ebenso überraschenden Anblick für eine Sekunde stehen. Hier schien schwindlig zu werden, denn sie schwankte etwas und Marcelo packte sie mit seiner unverletzten Hand an der Schulter und zog sie weiter. Werden das Lager rasch durchquert und näherten sich jetzt dem hoch aufragenden Zaun, in dessen Mitte etwa ein Tor, ebenfalls bestehend aus über einen zwei Meter breiten und drei Meter hohen Rahmen gespannten Zaunmaschen angebracht war. Die beiden Posten, die das Tor bewachten machten sich an dem Vorhängeschloss zu schaffen, dass die dicke Stahlkette zusammenhielt, mit der das Tor gesichert war. Einer nach dem anderen wurden sie ein zweites Mal durchsucht und dann in das umzäunte Gelände hinein gestoßen. Viehtrieb, ging es Wanda durch den Kopf. Sie treiben uns zusammen wie Vieh.
Den Abschluss meiner Deadpool Wochen machen heute "Böses Blut" und "Deadpool Pulp". Die Ausgabennummer würde Wade durchaus auch freuen... 69. In "Bad Blood" bekommen wir einen neuen Gegenspieler für die zukünftigen Deadpool Abenteuer... Thumper. Und in Pulp erleben wir Wade W. Wilson als durchgeknallten Agenten der CIA. Zwei spannende und toll inszenierte Abenteuer mit dem regenerierenden Degenerierten. Viel Spaß dabei.
Der vielleicht beste Deadpool aller Zeiten? 2008 startete Daniel Way voll durch und erschuf einen Deadpool, der bis heute geliebt wird. Verrückt, blutdurstig, geldgeil, absurd, schizophren, knallhart und doch liebevoll und witzig. Alles Adjektive, die auf den regenerierenden Degenerierten passen. Nachdem ich "Secret Invasion" schon für euch reviewt hab, schau ich heute auf die Nachfolgebände "Dark Reign", "Ein X für ein U", "Affentheater" und "Dein Mann". Dazu gibt's die in sich abgeschlossene Geschichte "Suicide Kings - Die Wette". Ne ganze Menge Deadpool Wahnsinn für die Ohren und ausnahmsweise auch für die Augen auf YouTube. Viel Spaß.