Matthias Zehnder gibt Ihnen hier jede Woche zu denken. Das Thema: Medien und die Digitalisierung. Das Angebot: Konstruktive Kritik.
Letzte Woche habe ich an dieser Stelle erklärt, wie die KI die Demokratie gefährdet – weit über Fake News hinaus. Ich habe darauf einige interessante Rückmeldungen erhalten, vielen Dank dafür. Dabei ist mir klar geworden, dass sich die meisten Politikerinnen und Politiker um das Thema KI nicht kümmern. Sie glauben erstens, dass sie die KI-Entwicklung nicht betreffe, zweitens, dass sie nicht für die Regulierung von KI zuständig seien, und drittens, dass das Ganze ohnehin ein Hype sei. Mit dem dritten Punkt haben sie nicht unrecht. Trotzdem irren sie sich gewaltig.Liebe Politikerinnen und Politiker: Möglich, dass die KI Sie persönlich kaum betrifft. Aber die KI wird all das radikal verändern, wofür Sie zuständig sind: Schulen und Universitäten, den öffentlichen Raum, die Arbeitswelt, die Medien – und damit auch die Demokratie. Sie werden keine Zeit haben, sich langsam an die Veränderungen zu gewöhnen. Das Tempo ist schon jetzt atemberaubend, und es wird weiter zunehmen. Viele der Veränderungen sind wie Eisberge: An der Oberfläche sieht man wenig – die eigentlichen Umwälzungen geschehen darunter. Wenn Sie nicht zur politischen Titanic werden wollen, sollten Sie sich dringend mit KI beschäftigen. Sie müssen keine KI-Expertin und kein KI-Experte werden, aber die Grundzüge verstehen. Ich richte mich deshalb diese Woche direkt an Sie, liebe Politikerinnen und Politiker.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Letzte Woche habe ich in Schwerin an der Konferenz der Deutschen Landtagsdirektoren eine Keynote über KI und die Demokratie gehalten. Während der Vorbereitung und bei den Gesprächen mit den Vertretern der Landtage und des Bundestags ist mir aufgefallen, wie schlecht unsere demokratische Gesellschaft auf die Künstliche Intelligenz vorbereitet ist. Viele Politikerinnen und Politiker sind sich nicht bewusst, dass der Einfluss der KI weit über Fake News hinausgeht – die Programme greifen viel subtiler in die sensiblen Schnittstellen der Demokratie ein. Die KI ist deshalb so gefährlich, weil sie in zwei Punkten ganz anders funktioniert: Ihre Entwicklung verläuft rasend schnell – viel schneller, als wir uns anpassen können. Und sie geschieht verborgen im Maschinenraum der digitalen Welt: Sie ist nicht transparent. Das macht die Künstliche Intelligenz zu einer enormen Herausforderung für unsere Demokratie. Ich erzähle Ihnen deshalb diese Woche von den Bedenken, die ich an der Landtagsdirektorenkonferenz im Schweriner Schloss geäussert habe.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
«Mes yeux candides découvrent le monde d'une façon naïve à faire confondre les démons de la nuit.» Also etwa: «Meine unschuldigen Augen entdecken die Welt auf eine so naive Weise, dass es die Dämonen der Nacht verwirrt.» Die «Dämonen der Nacht» sind ein klassisches Motiv für das Böse, das in der Phantastischen Literatur durch kindliche Reinheit herausgefordert wird. Die Zeile stammt aber nicht aus einem Märchen oder einem Roman der Phantastik: Mit diesen Worten beginnt das Lied «Voyage», mit dem die Songwriterin Zoë Më aus Fribourg die Schweiz am Eurovision Song Contest vertritt. Kindliches Staunen gegen die Dämonen der Nacht – das ist zugleich eine gute Überschrift für einige Gedanken über den ESC. Hier in Basel kommt man dieser Tage schlicht nicht um den Eurovision Song Contest herum. Ich lade Sie deshalb dazu ein, mit mir ein bisschen über diesen seltsamen europäischen Musikwettbewerb nachzudenken. Es ist Freitag, der 16. Mai – die beiden Halbfinal-Shows sind vorbei, das grosse Finale findet aber erst morgen statt. Ich weiss also nicht, was da passiert und wer gewinnt. Das spielt für unsere Zwecke aber keine Rolle: Mir geht es darum, gemeinsam mit Ihnen mit «unschuldigen Augen» die Welt des ESC zu betrachten und darüber nachzudenken. Denken Sie mit?Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Sprache und Denken - und das ist eine schlechte Nachricht, denn es steht nicht gut um die Sprachkompetenz. Darüber habe ich letzte Woche mit Ihnen nachgedacht. Hunderte von Kommentaren haben mich daraufhin erreicht - erst einmal vielen Dank dafür und bitte entschuldigen Sie, dass ich nicht alle persönlich beantworten kann. In vielen Kommentaren war so etwas wie Erleichterung zu spüren: Endlich sagt das mal jemand. Lehrerinnen und Lehrer aller Stufen haben sich gemeldet und berichtet, wie schlecht es um die Sprachkompetenz ihrer Schüler und Studenten bestellt ist. Wie schade und wie traurig $sie es finden, dass ihre Schülerinnen und Schüler kaum noch lesen und Studenten kaum noch in der Lage sind, ein komplizierteres Buch zu lesen. Ich habe aber auch kritische Rückmeldungen erhalten. Im Wesentlichen sind es drei Kritikpunkte, auf die ich näher eingehen möchte. Der erste Punkt betrifft Zweifel an der Kernaussage, dass Sprache und Denken eng zusammenhängen. Es geht auch ohne Sprache. Der zweite Punkt betrifft meine technologiekritischen Anmerkungen. Dagegen gibt es immer auch Widerstand. Motto: Alter, wach auf, die Eisenbahn war auch mal neu. Der dritte Punkt betrifft «die Jugend»: Schon Sokrates habe über die Jugend geklagt - alles halb so schlimm. Wirklich? Schauen wir es uns gemeinsam an – denken Sie mit?Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Etwa 7000 Sprachen gibt es auf der Welt. Viele davon funktionieren ganz anders als Deutsch und Englisch. Sie haben nicht nur andere Grammatiken, ihre Sprecherinnen und Sprecher haben auch andere Vorstellungen von Zeit und Raum, von Farben oder Gerüchen als wir. Offensichtlich gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Sprache und Denken. Das ist eine schlechte Nachricht, denn wir sind dabei, Sprache und Sprachkompetenz zu verlieren, und zwar aus mehreren Gründen. Erstens reduziert sich unsere Welt immer mehr auf die angloamerikanische Sichtweise. Zweitens verstärken die KI-Tools aus den USA diesen Trend - und machen uns zudem sprachfaul und bequem. Und drittens nimmt die Lesekompetenz und damit die Sprachkompetenz rapide ab. Wenn aber Sprache unser Denken beeinflusst, dann sägen wir gerade heftig an dem Stuhl, auf dem wir sitzen. Glücklicherweise ist das Gehirn ein sehr plastisches Organ. Das bedeutet, es kann sich schnell erholen. Vorausgesetzt, Sie tun das Richtige. Was das ist, das sage ich Ihnen diese Woche – wenn Sie sich mit mir darauf einlassen, über den Zusammenhang von Sprache und Denken nachzudenken. Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Letzte Woche habe ich an dieser Stelle zu mehr digitaler Souveränität in Europa aufgerufen und dafür viel Zustimmung erhalten. «Absolut korrekt», schreibt zum Beispiel MikeEnough auf YouTube. «Ich kann das Gesagte nur unterstützen. Wer es jetzt noch nicht verstanden hat, der liegt im Tiefschlaf.» Allerdings haben mich auch viele Fragen erreicht. Sie lassen sich zu drei Themen zusammenfassen: 1. Was kann ich schon ausrichten? 2. Ist der Zug für Europa nicht schon längst abgefahren? 3. Und was ist mit den digitalen Medien? Die Antworten lauten: 1. viel, 2. nein und 3. das ist nicht ganz einfach, aber ich gebe Ihnen gerne einen Hinweis. Das Wichtigste ist, dass wir alle unser digitales Schicksal selbst in die Hand nehmen. Das ist weder teuer, noch braucht man dafür besondere Technik. Digitale Souveränität bedeutet vor allem, dass wir digital kompetent werden und uns nicht mehr so leicht von grossen Konzernen verführen lassen. Man könnte auch sagen: Ziel muss es sein, dass wir alle digital mündig werden und aus eigener Kraft über unser digitales Leben entscheiden können. Anlass dazu gibt es genug.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Was war das für eine Woche! Zuerst lancierte Präsident Donald Trump ein unausgegorenes Paket mit gigantischen Zöllen. Das war so unüberlegt, dass er zum Beispiel eine Inselgruppe besteuern wollte, die hauptsächlich von Pinguinen bewohnt wird. Das liess die Aktienkurse auf der ganzen Welt abstürzen und vernichtete «Trillions of Dollars». Donald Trump zuckte nur mit den Schultern – bis der Markt für US-Treasuries ins Wanken geriet. Diese amerikanischen Staatsanleihen sind so etwas wie das Fundament des globalen Finanzsystems. Das niederzureissen, davor schreckt sogar Donald Trump zurück. Also nahm er die Zölle einen Tag nach Inkrafttreten wieder zurück: Ups. Nur mit China ist Trump noch am Armdrücken. Aktueller Stand heute Freitag, 11. April, 17 Uhr mitteleuropäischer Zeit: Die USA verlangen 145 Prozent Zoll auf chinesische Güter, China verlangt 125 Prozent Zoll auf amerikanische Waren. Das ist crazy und wird nicht gut ausgehen. Aber auch hierzulande applaudieren viele Politiker Trump und feuern ihn im Kampf gegen China an. Sie sollten mal einen Blick auf ihr Smartphone werfen, auf die Herkunft der Elektronik in ihrem Auto oder die Innenseite ihrer Baseball-Kappe. Wenn das Ziel ist, sich von China abzukoppeln, dann haben wir einen sehr langen und sehr steinigen Weg vor uns. Doch wir sind in Europa nicht nur abhängig von asiatischer Produktion, sondern auch von Software und Services aus den USA. Die gute Nachricht: Die digitale Entkoppelung ist wesentlich einfacher als das Zurückholen von Fabriken. Die schlechte Nachricht: Das Hindernis sind die Gewohnheiten der Menschen.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
In der vergangenen Woche haben wir an dieser Stelle gemeinsam über die Rolle von Elon Musk im amerikanischen Staat nachgedacht: Der reichste Mann der Welt fuhrwerkt ohne demokratisches Mandat mit der Kettensäge durch die Bundesverwaltung und fördert dabei ganz ungeniert seine eigenen Interessen. Seitdem haben sich die Ereignisse überschlagen. Donald Trump will im Stile eines Diktators der Welt völlig abstruse Zölle aufzwingen. Sein Gesundheitsminister entlässt Tausende von Mitarbeitern, die im Seuchenschutz und in der Gesundheitsprävention tätig sind. Aussenminister Marco Rubio entzieht ausländischen Studierenden die Aufenthaltserlaubnis. Trump bringt mit harter Hand Spitzenuniversitäten auf seine Linie. Und Elon Musk hat versucht, mit Millionen aus seinem Privatvermögen eine Richterwahl in Wisconsin zu kaufen. Zumindest das ist gescheitert. Wir schauen uns alle nur noch kopfschüttelnd an: Es ist der nackte Wahnsinn. Aber ist es das wirklich? Ich glaube, hinter dem Handeln von Trump und Musk steht eine simple Logik: Die beiden sind dabei, den amerikanischen Staat in ein Unternehmen zu verwandeln. Für sie ist der Kapitalismus nicht ein Funktionsprinzip des Staates, sie wollen es umdrehen und den Staat zu einer Erscheinungsform des Kapitalismus machen. Ihr simples Werkzeug: Macht und Moneten. Kalt, brutal und effizient. Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Ich verfolge Elon Musk seit Jahren als Tech-Journalist und als Weltraum-Enthusiast. Als er 2022 Twitter übernahm, war ich gespannt darauf, ob er der Medienbranche neue Impulse verleihen könnte. Als er politisch immer weiter nach rechts abdriftete, war ich enttäuscht. Dass er Verschwörungstheorien verbreitet, hat mich entsetzt. Als Person hat er sich für mich von einem schrägen Daniel Düsentrieb zu einer bedrohlichen Lex-Luthor-Figur entwickelt. In den letzten Wochen hat Elon Musk nicht mehr als Erfinder und Manager Schlagzeilen gemacht, sondern als Chef von Doge, dem Department of Government Efficiency in den USA. Auch bei uns werden Stimmen laut, die sich einen Elon Musk in der Regierung wünschen, einen genialen Manager, der den Staat auf Effizienz trimmt, den Bürokratiedschungel lichtet und die Verwaltung zurückschneidet wie einen lästigen Strauch im Garten. Bloss: Kann das funktionieren? Lassen sich die Managementmethoden von Elon Musk auf den Staat übertragen? Sind seine Führungsprinzipien auch für die Verwaltung geeignet? Ich habe mir noch einmal die verfügbaren Bücher über Elon Musk und seine Arbeitsweise vorgenommen, die Berichterstattung analysiert und daraus den Algorithmus des Elon Musk destilliert. Und dann habe ich diesen Algorithmus mit den Aufgaben des Staates verglichen. Das Resultat: Die Sehnsucht nach Elon Musk ist ein gigantisches Missverständnis.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Was hat Politik mit Wahrheit zu tun? Über diese Frage haben wir hier letzte Woche nachgedacht. Die vorläufige Antwort: Wenig, denn Politik handelt von der Zukunft, von einer möglichen, wünschbaren oder drohenden künftigen Welt. Und über die Zukunft können Politiker sagen, was sie wollen. Solche Aussagen können nicht wahr sein, sondern allenfalls wahrscheinlich. Allerdings verwandelt sich die Zukunft irgendwann in Gegenwart und dann kommt es zum grossen Test: Beugen sich die Politiker der Realität oder versuchen sie, die Realität ihrer Politik anzupassen? An diesem Punkt befinden sich die USA. Das habe ich letzte Woche anhand der amerikanischen Wirtschaftsdaten zu zeigen versucht. Darauf haben mich viele Reaktionen erreicht. Auf fünf Aspekte möchte ich näher eingehen. Der erste Punkt betrifft Friedrich Merz. Auch in Deutschland kollidierten in der Politik gerade Wunschvorstellungen und Realität. «Merz hat gelogen», lautet das Verdikt. Schauen wir uns die Sache genauer an. Der zweite Punkt betrifft den «Sumpf der Bürokratie», den Elon Musk gerade mit seiner Kettensäge umpflügt – was als Bild so schlecht funktioniert wie das, was er in der Realität anstellt. Die dritte Frage, auf die ich kurz antworten möchte: Wer bezahlt und beeinflusst mich? Der vierte Punkt betrifft die Zahlenbasis: Was haben Arbeitslosenquoten oder Aktienindizes mit der Realität der kleinen Leute zu tun? Und schliesslich der fünfte Punkt: Die Wahrheit wird sich durchsetzen. Die Frage ist bloss: wann? Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
US-Vizepräsident J.D. Vance sagt, Joe Biden habe die amerikanische Wirtschaft ins Verderben geführt. Das ist eine gewagte Behauptung, denn sie lässt sich rasch überprüfen: Das Gegenteil ist der Fall. Noch nie in den letzten 50 Jahren ging es beim Amtsantritt eines neuen US-Präsidenten der Wirtschaft besser. Das ändert sich zwar grad rapide, weil die USA unter Donald Trump ökonomisches Harakiri machen. Bei Amtsantritt hat die Wirtschaft aber gebrummt. J.D. Vance lügt. Die Frage ist: Warum? Wie kommt ein Politiker dazu, in einem so einfach überprüfbaren Fall zu lügen? Das Problem ist: Politik hat wenig bis nichts mit Wahrheit zu tun. Wahrheit bedeutet, dass eine Aussage mit der Realität übereinstimmt. Politik aber handelt von der Zukunft, von einer möglichen, wünschbaren oder drohenden künftigen Welt. Über diese künftige Welt lassen sich keine wahren Aussagen machen, weil sie noch nicht Realität ist. Also können Politiker über die Zukunft sagen, was sie wollen. Die Probleme beginnen spätestens dann, wenn die Gegenwart diese beschworene Zukunft einholt. Dann kommt es zum Lackmustest: beugt sich die Politik der Wahrheit oder versucht sie umgekehrt, die Wahrheit ihrer Politik zu beugen? An genau diesem Punkt stehen die USA heute. In diese Gefahr begeben sich aber auch Politiker hierzulande. Denn Politiker haben es nicht mit der Wahrheit.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Letzte Woche habe ich Ihnen an dieser Stelle erklärt, warum der amerikanische Präsident Donald Trump ein «Bullshitter» ist. Das Wort «Bullshit» als Bezeichnung für Aussagen, die sich nicht um Wahrheit, sondern nur um Wirkung kümmern, hat der amerikanische Philosoph Harry G. Frankfurt schon 2006 definiert. Ein Bullshitter ist kein Lügner. Wer lügt, verändert die Wahrheit gezielt – und muss sich deshalb gut mit der Wahrheit auskennen. Ein Bullshitter kümmert sich nicht um die Wahrheit, deshalb nützt es auch nichts, Donald Trump mit Faktenchecks der Lüge zu überführen. Es interessiert ihn schlicht nicht. Das also war mein Thema letzte Woche. Ich habe auf den Kommentar hin viele positive Reaktionen erhalten, herzlichen Dank für den Zuspruch. Das tut gut. Natürlich waren auch kritische Rückmeldungen darunter. Auf fünf Aspekte möchte ich näher eingehen. Der erste Punkt: Warum geht es immer nur gegen rechts? Die «Woken» sind auch Bullshitter. Jemand schrieb, ich sei halt ein linker Ideologe. Interessante Bemerkung, aber falsch. Warum, das sage ich Ihnen gern. Der zweite Punkt dreht sich um die Person von Donald Trump: Warum geht es immer gegen den amerikanischen Präsidenten? Das ist einfach zu beantworten. Und: Nein, Mitleid ist fehl am Platz. Auch der dritte Punkt dreht sich um den Mann im Weissen Haus: Aber Donald Trump hat manchmal auch recht und sagt die Wahrheit. Ist er also doch kein «Bulshitter»? Der vierte Punkt ist spannend. Es geht um die Frage, ob Gefühle auch Fakten sind. Die Rückmeldung lautete: Gefühle können auch wahr sein. Können sie das wirklich? Und was bedeutet das? Und schliesslich der fünfte Punkt: In der Auseinandersetzung mit einem «Bullshitter» haben wir keinen Stich! Was sollen wir also tun?Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Donald Trump ist bekannt dafür, die seltsamsten Dinge zu behaupten. Migranten essen die Katzen und Hunde der Amerikaner. Kanada soll der 51. Bundesstaat der USA werden und der Gazastreifen zur glamourösen Riviera. Das Problem dabei: Das alles sind keine Lügen, es ist Bullshit. Nein, «Bullshit» ist keine Beleidigung, sondern ein Fachwort aus der Philosophie. Geprägt hat es der amerikanische Philosoph Harry G. Frankfurt mit seinem gleichnamigen Buch und zwar schon 2006. Also lange vor Donald Trump. Wer lügt, sagt Harry G. Frankfurt, behauptet bewusst etwas Falsches oder Unwahres. Beim Bullshit ist das anders: Das Wesen des Bullshits, sagt er, «liegt nicht darin, dass er falsch ist, sondern dass er gefälscht ist». Der Bullshitter interessiert sich gar nicht für die Wahrheit oder Falschheit seiner Aussagen, sondern nur für ihre Wirkung. Trump ist ein begnadeter Bullshitter. Andere tun es ihm gleich. Lügner lassen sich durch einen Faktencheck überführen. Bei Bullshittern nützt das nichts: Die Wahrheit ist ihnen und ihren Anhängern egal. Verschlimmert wird das Problem des Bullshits durch die Algorithmen, welche die sozialen und mittlerweile auch viele journalistische Medien aussteuern. Auch da geht es nicht mehr um Wahrheit, sondern nur noch um Wirkung. Ich sage Ihnen deshalb diese Woche, wie Sie Bullshit erkennen und was Sie dagegen tun können.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Vor einer Woche hat der amerikanische Vizepräsident J.D. Vance an der Sicherheitskonferenz in München eine Rede gehalten, die zu viel Aufregung geführt hat. Er erklärte, die grösste Bedrohung für Europa sei nicht Russland, nicht China und auch kein anderer externer Akteur. Was ihn beunruhige sei «die Bedrohung von innen», sagte Vance. In Grossbritannien und in ganz Europa sei die «Meinungsfreiheit auf dem Rückzug». Vance nimmt damit einen Vorwurf auf, den vor allem die politische Rechte in der Schweiz und in Deutschland immer wieder erhebt: Die Meinungsfreiheit bröckelt. Die AfD beklagt, dass sie in Medien und Politik systematisch ausgegrenzt werde und wirft den Medien «Meinungsdiktatur» vor. Ähnlich äussern sich in der Schweiz Politiker der SVP: Auch die grösste Partei der Schweiz fühlt sich ausgegrenzt. Eine übertriebene politische Korrektheit verhindere heute eine offene Diskussion. Es geht um Informationsfreiheit, Medienfreiheit und Meinungsfreiheit. US-Vizepräsident J.D. Vance hat eine Woche nach seinem Auftritt in München nachgedoppelt: Er warf der deutschen Justiz eine Kriminalisierung von Meinungsäusserungen vor und drohte damit, deshalb die Truppenpräsenz in Deutschland zu reduzieren. Echt jetzt? Was ist dran an den Vorwürfen? Nehmen wir die Sache auseinander. Schauen wir uns die Meinungsfreiheit genauer an.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
«Warum müssen wir das lernen?» Diese Frage hat Lehrpersonen von der Primarstufe bis zur Hochschule wie ein Refrain immer schon begleitet. Warum muss ich Odysseus kennen? Was bringt Latein? Warum muss ich wissen, was ein Substantiv ist, ein Adjektiv, ein Verb? Was hab ich mit Gravitation, mit den chemischen Elementen oder der Vererbungslehre am Hut? Was die Schülerinnen und Schüler nicht wissen: Diese Fragen stellen sich nach der Schule, nach der Ausbildung genauso. Wenigstens war das bisher so. Doch jetzt gibt es die künstliche Intelligenz. Schülerinnen und Schüler fragen sich: Warum müssen wir überhaupt noch lernen? Studierenden und Berufsleuten geht es ebenso. Die KI weiss ja alles – was soll ich mich da noch anstrengen? Müssen wir jetzt alle nicht mehr lernen? Können wir all das anstrengende Wissen ganz einfach der KI überlassen? Der Fachbegriff dazu heisst: «Mental Offloading» – also kognitives Auslagern. Das Prinzip gibt es schon lange – wunderbar dargestellt mit dem «Pensive» von Professor Dumbledore in den Harry-Potter-Filmen. Bisher haben digitale Hilfsmittel das Wissen vor allem gespeichert. Neu ist, dass die KI komplexe Fragen beantworten und auf Daten reagieren kann. Die Frage ist also: Wieviel müssen wir heute angesichts dieser KI noch lernen? Wieviel «Mental Offloading» ist möglich? Oder müssen wir umgekehrt mehr lernen, damit wir mit dieser omnipotenten KI klarkommen? Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Eigentlich wollte ich heute über KI und das «mental Offloading» nachdenken, also über die Frage, wieviel Wissen wir an digitale Speicher und die KI auslagern können, ohne das kritische Denken zu beinträchtigen. Wörter lernen, Anatomie büffeln, Philosophen lesen – braucht es das heute noch, wo die KI doch alles auf Knopfdruck abrufbar hält? Und dann kam die Nachricht, dass SRF aus Spargründen das «Wissenschaftsmagazin» streicht. Die erste Reaktion auf eine solche Meldung ist emotional: Kopfschütteln, Erschrecken, ja Entsetzen. Eine ganze Reihe von Leserinnen und Lesern haben sich bei mir gemeldet: «Schreib was darüber!» Aber was kann ich von der Seitenlinie aus schon dazu beitragen? Ich bin kein Aktivist. Mein Thema ist das kritische Denken. «Kritisch» meint dabei nicht «kritisieren», sondern urteilen: begründet zu unterscheiden, was wichtig und unwichtig, richtig oder falsch ist. Ich habe mir deshalb gedacht, dass wir gemeinsam kritisch über den Entscheid von SRF nachdenken. Ich dekonstruiere für Sie die Medienmitteilung von SRF und gebe Ihnen ein begriffliches Raster, damit Sie sich selber eine Meinung bilden können. Denken Sie mit?Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Kaum ein anderes Thema rund um Künstliche Intelligenz führt zu so viel Reaktionen wie die Frage: Was macht die KI mit uns Menschen? Ich meine damit nicht eine allfällige künstliche Superintelligenz, die den Menschen loswerden will, wie das schon Hal in «Space Odyssey» versuchte. Für einmal geht es nicht um Arbeitsplätze, die KI in der Produktion, der Automation oder im Auto. Ich meine unseren täglichen Umgang mit der generativen KI. Der Taschenrechner hatte Auswirkungen auf das Kopfrechnen. Google und Wikipedia haben die Art und Weise verändert, wie wir mit Wissen umgehen. Auswendiglernen hat an Bedeutung verloren. Wer will noch Wörter büffeln, wenn Deepl und Google Translate auf dem Handy warten. Das Lernen hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Und dann kam im November 2022 die generative KI. Sie pflügt derzeit Lehrpläne um, verändert Hausarbeiten und Prüfungen und verändert vor allem unserem Umgang mit Wissen und Informationen. Stellt sich die Frage: Macht das Chatten mit ChatGPT uns klüger oder ist es dem kritischen Denken eher abträglich? Etwas zugespitzt gefragt: Kann es sein, dass die KI uns dumm macht? Die Resultate erster wissenschaftlicher Untersuchungen geben zu denken. Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
München, 5. September 1972. Es ist der zehnte Wettkampftag der olympischen Spiele von München. Am frühen Morgen dringen palästinensische Terroristen ins Olympiadorf ein, ermorden zwei israelische Sportler und nehmen neun weitere Israeli als Geiseln. Das Team des amerikanischen Fernsehsenders ABC berichtet live aus München – statt über Hochsprung und Sprint jetzt über die Geiselnahme. Der Film «September 5» des Schweizer Regisseurs Tim Fehlbaum inszeniert diese Situation als Kammerspiel im Regieraum von ABC. Im Zentrum steht die Frage, wie Medien über Terror berichten sollen. Ein Höhepunkt des Films ist, als das Fernsehteam live zeigt, wie Polizisten sich als Sportler tarnen, um die Geiselnehmer zu überwältigen. Bis den ABC-Journalisten bewusst wird, dass die Terroristen ihre Berichterstattung wohl mitverfolgen. «September 5» führt auf diese Weise drastisch die Rückkopplung zwischen Medien und Wirklichkeit vor Augen. Eine Rückkopplung, die es nicht in solchen Extremsituationen gibt: Medien sind nicht neutral und abgehoben, sie nehmen mit ihrer Berichterstattung immer auch Einfluss auf das, worüber sie berichten. Gerade heute. Wie können, wie sollen wir mit dieser Rückkopplung umgehen?Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Vor fast zwei Jahren, im Februar 2023, habe ich einen Kommentar veröffentlicht, in dem ich meine damaligen Bedenken rund im die künstliche Intelligenz zusammenfasste: «Warum die Künstliche Intelligenz zum Tod des Internets führen wird». In den letzten Tagen ist dieser Kommentar, nur der YouTube-Algorithmus weiss, warum, stark beachtet und kommentiert worden. Abgesehen von sehr vielen positiven Rückmeldungen, vielen Dank dafür, haben sich auch kritische Stimmen gemeldet. Einige Aspekte kommen immer wieder zur Sprache. Etwa: Kritik am Fortschritt gab es schon immer, meist hat sie sich als falsch erwiesen. Das wird auch bei der KI so sein. Oder: All die Bedenken sind unnötig, KI ist im Alltag nützlich und bald unverzichtbar – also ist sie gut. Und: Was heisst da Tod des Internets – die KI kann auch ohne. Ich habe versucht, die Kritik an meiner KI-Kritik zu bündeln und reagiere hier auf fünf grundsätzliche Aspekte. Es sind Punkte, die in der KI-Diskussion immer wieder auftauchen. Eins vorweg: Es geht nicht um Voraussagen oder Prognosen und es geht auch nicht um eine grundsätzliche Ablehnung von neuen Technologien. Es geht darum, wie wir mit der KI umgehen wollen. Und das heisst: Wie wir uns selber als Menschen sehen wollen.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Es war ein Nebensatz in einem langen Gespräch mit Doris Dörrie im Podcast «Alles gesagt» von «Zeit online», der mir hängen geblieben ist wie der Refrain seines Songs: «Vielleicht bin ich gar nicht die Hauptfigur im Film meines Lebens, vielleicht bin ich die Autorin oder der Autor.» Dieser Gedanke hat mich nicht mehr losgelassen: Was ist, wenn wir uns nicht mehr als Held oder Heldin unseres Lebens begreifen, sondern als Autor? Jeder Mensch hat eine Geschichte. Vielleicht muss man sogar sagen: Jeder Mensch ist seine Geschichte. Das Erzählen von Geschichten ist über alle Kulturen und Kontinente hinweg eine ganz wesentliche Eigenschaft des Menschen. Diese Geschichten handeln von Heldinnen und Helden. Wenn wir unser eigenes Leben als Geschichte begreifen und vielleicht auch erzählen, sind wir die Heldin oder der Held unseres Lebens. Oder glauben, dass wir ein Held sein sollten und verzweifeln daran, dass in unserem Leben wenig Heldenhaftes zu finden ist. In meinem wenigstens nicht. Was ändert sich, wenn wir uns also nicht mehr als Heldin oder als Held sehen, sondern als Autorin oder als Autor unseres Lebens? Denken wir gemeinsam darüber nach. Als Denkanstösse gebe ich Ihnen dazu fünf Lesetipps, fünf Bücher, die Ihnen vielleicht helfen, den Druck, eine Heldin oder ein Held sein zu müssen, loszuwerden und zum Autor Ihres Lebens zu werden. Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Ein Neues Jahr verlangt von vielen von uns, die Welt neu zu sehen, sich selber neu zu sehen in einer Welt, die sich rasch verändert. Wie kann man es lernen, neue Perspektiven einzunehmen? In neuen Blickwinkeln auf die Welt zu schauen? Durch Lesen! Literatur ermöglicht es uns, mühelos in die Köpfe anderer Menschen zu schlüpfen und die Welt aus deren Sicht zu sehen. Aus der Perspektive eines Königs oder eines Bettlers – oder der Perspektive eines Königs, der als Bettler durchs Land zieht, wie Mark Twain es in «Prinz und Bettelknabe» erzählt. Aus der Perspektive eines Sklaven, einer Astronautin oder eines Verdingkinds. Literatur macht es sogar möglich, dieselbe Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu erleben, so, wie das George R.R. Martin im ersten Band von «Game of Thrones» macht: Er erzählt die Geschichte in jedem Kapitel aus einer anderen Perspektive. Durch die Wechsel der Perspektive erleben wir, dass dasselbe Geschehen ganz unterschiedlich wahrgenommen werden kann. Literatur, das Lesen, ermöglicht es uns, andere Blickwinkel einzunehmen. Wir lernen, die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven zu sehen. 2024 haben mich fünf Romane mit ihren neuen Blickwinkeln auf die Welt ganz besonders beeindruckt. Ich habe Ihnen deshalb die fünf besten Romane für das Wechseln der Perspektive herausgesucht. Zwei davon haben mich geradezu umgehauen. Ich empfehle Ihnen deshalb hier die (aus meiner Sicht) fünf besten literarischen Augenöffner des Jahres.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Wir leben wahrlich in düsteren Zeiten. In Europa herrscht Krieg, das Klima spielt immer verrückter, viele Tiere und Pflanzen sind in ihrem Lebensraum bedroht und die Menschen – die scheinen nur noch eins zu kennen: Eigennutz, Profit – Gier. Wir haben offensichtlich wenig Grund zu Hoffnung. Aber braucht Hoffnung wirklich einen Anlass? Zeichnet sich Hoffnung nicht durch genau dieses «trotzdem» aus? Ist nicht gerade Hoffnung oft eine Hoffnung wider besseres Wissen? Zum Jahresende habe ich meine Bücher konsultiert. Alte und neue. Ich habe nach Hoffnung gesucht, nach Anleitungen zum Hoffen. Der Grund ist schlicht: Ich möchte mich nicht mit der Düsterkeit abfinden. Hoffnungslosigkeit kann keine Grundlage für das Leben sein. Mir geht es dabei nicht um den simplen Zweckoptimismus von Lebenscoaches, jenen ultimativen Aufruf zum Hollywood-Optimismus, der das Happy End herbeitricksen soll. Meine Frage ist vielmehr: Wo können wir unsere Hoffnung festmachen, wie der Bergsteiger seinen Karabinerhaken? Mit Kant gefragt: Was dürfen wir hoffen? Meine fünf Lesetipps, die Hoffnung machen.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Sie schreibt, sie dichtet, sie zeichnet, sie malt, sie komponiert und produziert Musik: Die Künstliche Intelligenz ist grade dran, uns Menschen das aus der Hand zu schlagen, von dem wir bisher ausgegangen sind, dass es uns immer bleiben wird – Kunst und Kultur. Aber kann KI wirklich Kunst? Gibt es also eine künstlich intelligente Maschine, die von sich aus etwas produziert, das wir als Kunst akzeptieren? Ich habe mir diese Woche im Rahmen eines Vortrags in der Galerie Stapflehaus in Weil am Rhein zu dieser Frage Gedanken gemacht – inmitten einer Kunstausstellung, die von einer KI kuratiert wurde. Dabei stellen sich naturgemäss drei konkrete Fragen: Was macht eine KI genau, wenn sie ein Bild generiert? Was heisst «können»? Und vor allem: Was ist Kunst? Diese letzte Frage ist am schwierigsten zu beantworten. Spätestens seit Joseph Beuys und der 1973 versehentlich geputzten Badewanne in Leverkusen sind wir vorsichtig geworden im Umgang mit Kunst. Oder denken Sie an die Graffiti von Harald Nägeli in Zürich und Banksy in London: Wann wird die Sachbeschädigung zu Kunst? Und jetzt malt also auch die KI. Was entsteht dabei? Und welche Konsequenzen hat das für uns Menschen? Kann KI Kunst?Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Nach der Wahl von Donald Trump ist mir aufgefallen, wie unverhohlen viele Politiker und Medien die Stärke des amerikanischen Politikers bewundern. Seine Sprache sei zwar unterirdisch, sein Auftreten fragwürdig, seine Politik unlogisch, sein Handeln amoralisch, räumen viele Beobachter ein. Und dann kommen zwei Aber: Die wirtschaftliche Lage habe seine Wahl unvermeidlich gemacht – und Trump sei eben stark. Ähnlich wurde 2022 die Wahl von Giorgia Meloni in Italien und 2023 die Wahl von Javier Milei in Argentinien kommentiert. Ähnliche Kommentare begleiten den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, die deutsche AfD-Politikerin Alice Weidel und Marine Le Pen vom rechtspopulistischen Rassemblement National. Es sind immer diese zwei Argumente: Die wirtschaftliche Lage ist schuld und es sind halt starke Leaderfiguren. Mit beiden Argumenten hat sich vor fast 100 Jahren Thomas Mann ausgiebig auseinandergesetzt: 1930, auf dem Höhepunkt seines Erfolgs, bezog der Nobelpreisträger gleich zweimal überraschend deutlich Stellung gegen den Faschismus: In der Novelle «Mario und der Zauberer» wendet er sich gegen die Macht der Verführung und in einer aufrüttelnden Ansprache macht er kurze Zeit später deutlich, dass es nicht richtig ist, «das Politische als ein reines Produkt des Wirtschaftlichen hinzustellen». Beide Texte rütteln bis heute auf – es ist Zeit, sie wieder zur Hand zu nehmen.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Als erstes Land der Welt will Australien ein Mindestalter für die Nutzung von sozialen Medien einführen: Das australische Parlament hat diese Woche ein Gesetz verabschiedet, das unter 16-Jährige von Social-Media-Plattformen fernhalten soll. Diese Einführung einer Alterslimite für soziale Medien findet auch in Europa Anklang: Frankreich will sich für die Einführung eines entsprechenden Mindestalters in der EU einsetzen. Allerdings stellen sich dabei drei Fragen: Lässt sich das Vorhaben überhaupt umsetzen? Sind Alterslimiten und Verbote die richtige Herangehensweise? Was sollen wir tun? Industrie und Experten finden, es sei keine gute Idee. Es sei technisch kaum durchsetzbar, die Industrie solle sich selbst regulieren und überhaupt gelte es, die Eigenverantwortung zu fördern. Wie schlecht das funktioniert, können wir an der stetig steigenden Zahl von stark übergewichtigen Menschen ablesen. Ich denke deshalb, dass ein Mindestalter für Social Media das Mindeste ist, was wir tun können. Es sollte der erste Schritt einer Befreiung aus der Umklammerung von Algorithmen sein.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Twitter war jahrelang die wichtigste Plattform für den Austausch von Journalisten, Politikern, Künstlern und Aktivisten. Ich selbst bin seit März 2011 auf Twitter aktiv– an kaum einem anderen Ort habe ich so viel gelernt. Vor etwas mehr als zwei Jahren hat Elon Musik Twitter gekauft. Er sagte, er wolle «den Vogel befreien» und Redefreiheit einführen auf Twitter. Er entliess mehr als die Hälfte der Belegschaft und benannte die Plattform um in «X». Seither ist der Dienst kaputt: Lärm, Lügen und Beschimpfungen prägen das Netzwerk. Immer mehr Menschen fühlen sich deshalb nicht mehr wohl auf X. Diese Woche haben österreichische Journalisten rund um Armin Wolf deshalb den #eXit angestossen: Viele wichtige und spannende Menschen haben «X» verlassen und sich auf BlueSky neu eingerichtet. Da fühlt sich die Debatte wieder so an, wie vor vielen Jahren auf Twitter: anständig und spannend. Der Kauf von Twitter respektive «X» könnte deshalb zum Lehrbeispiel dafür werden, dass es nicht möglich ist, ein Medium gegen seine Nutzerinnen und Nutzer auszurichten. Ich kann Ihnen auch sagen, warum das so ist. Eins vorweg: Es geht dabei nicht um Politik, sondern schlicht darum, wie Medien funktionieren.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Ganz egal, ob es um Donald Trump und Kamala Harris geht, um den Ausbau von Autobahnen und den Mieterschutz oder um das Bündnis Sarah Wagenknecht und die AfD – die moralische Aufregung ist immer maximal gross. Willkommen in der hypermoralisierten Mediengesellschaft. Der Grund ist simpel: Dringlichkeit, Gefahr und der ultimative Appell an die Moral holen viel mehr Aufmerksamkeit als nüchterne Analysen und eine sachliche Auseinandersetzung. Das Problem dabei ist, dass die Realität mit der Aufregung kaum mithalten kann. Erstens kommt es anders und zweitens meist langsamer, als die Medien warnen. In der Bevölkerung löst die überhandnehmende Moral-Kommunikation deshalb vor allem Misstrauen aus. Die chronische Moralisierung von Politik und Medien führt zur Demoralisierung der Gesellschaft. Gerade angesichts des Aufschwungs extremer Parteien, angesichts der problematischen Ministerkandidaten in den USA und vor schwierigen Abstimmungen in der Schweiz sollten wir dringend moralisch abrüsten und uns mit der Sache auseinandersetzen. Analytisch scharf, gedanklich durchdringend, aber ohne moralische Appelle. Es ist Zeit für einen Abschied aus der hypermoralisierten Mediengesellschaft.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Unternehmen und Verwaltungen investieren viel Geld und Ressourcen in KI-Technologien. Das ist verständlich: Schliesslich vergeht kein Tag ohne Meldung über ein neues KI-Tool. Die Künstliche Intelligenz kann schreiben, programmieren, diagnostizieren, analysieren und prognostizieren. KI-Programme finden Versicherungsbetrüger und stopfen Sicherheitslücken. Die künstliche Intelligenz generiert Texte, Bilder und Videos und das so gut, dass kürzlich eine Modefirma ihre neue Kollektion mit KI-generierten Fotomodellen vorstellte. Und wenn man Elon Musk glauben will, fährt schon bald ein selbstfahrendes Taxi vor, das nicht einmal mehr über ein Lenkrad verfügt. Dabei geht gerne vergessen, dass es auch und gerade im KI-Zeitalter vor allem auf menschliche Intelligenz ankommt. Ein Grund ist simpel: Jede technische Neuerung bietet nur ganz am Anfang einen Konkurrenzvorteil. Weil schnell alle Unternehmen die neue Technik anwenden, sind es bald wieder die Menschen, die den Unterschied ausmachen. Dazu kommen einige spezifische Eigenschaften der KI, die in der Euphorie oft übersehen werden. Sie führen dazu, dass es gerade im Umgang mit der KI auf die menschliche Intelligenz ankommt. Und dann gibt es noch ein Grund, warum gerade jetzt menschliche Intelligenz so wichtig ist.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Spoiler: ChatGPT hat nichts damit zu tun. Als Open AI im Dezember 2022 einer breiten Öffentlichkeit ChatGPT vorstellte, kam es zu einem technologischen Erdbeben, wie es sich seit der Vorstellung des iPhones durch Steve Jobs nicht mehr ereignet hat: Nur wenige Tage nach der Freischaltung nutzten bereits mehr als 100 Millionen Menschen den KI-Chatbot. Auch bald zwei Jahre danach verblüffen die grossen Sprachmodelle mit ihren Leistungen immer noch. Medienschaffende sehen sich bedroht durch KI-Programme, die wahre Zauberkunststücke mit Sprache, Bild, Ton und Video vollführen. Die Verblüffung ist gross – wie bei jedem Zaubertrick legen sich Entzücken und Verwunderung wie ein Schleier über die profane Mechanik, die den Zauber möglich macht. Im Fall der generativen KI sind das gigantische Rechenmaschinen, die sich Sprache, Bilder, Ton und Video mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen erschlossen haben. Das mag der Verarbeitung von Sprache dienen, kreativ sind die Maschinen nicht. Reporterinnen, Interviewer, Kommentatorinnen und Cartoonisten können sie nie ersetzen. Die grosse Verblüffung hat aber dafür gesorgt, dass die meisten Menschen gar nicht gemerkt haben, wie die künstliche Intelligenz auf ganz andere Weise zum Tod der Medien führt. Denn die KI hat die Medien ökonomisch überflüssig gemacht. Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Die Verleger im deutschsprachigen Raum beklagen sich seit Jahren über die Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender im Internet: ARD und ZDF, ORF und SRF würden die Zeitungsverleger online mit Texten und Bildern konkurrenzieren und das finanziert mit Gebührengeldern. Besonders laut jammern die Verleger in der Schweiz. SRF ist online mit einem gut besuchten Newsportal präsent. Die Verleger sagen deshalb, dass die SRG sie verdränge und ihnen massiv schade. Die Behauptung: Ohne SRF hätten sie mehr Erfolg. Eine wissenschaftliche Studie zeigt jetzt das Gegenteil: Wer SRF-Angebote konsumiert, nutzt die privaten Medienangebote signifikant häufiger als Menschen, die keine SRF-Angebote nutzen. SRF ersetzt die privaten Medien also nicht, sondern ergänzt sie. Die Nutzung von SRF hat zudem keinen Einfluss darauf, ob die Menschen online für Nachrichten bezahlen oder nicht. Das Problem ist nicht die SRG, es sind die grossen Tech-Firmen. Die Verleger haben erleichtert auf die Studie der Universität Zürich reagiert, es kommt jetzt zum grossen Schulterschluss der Schweizer Medien gegen die Tech-Firmen aus dem Silicon Valley und alle leben glücklich und zufrieden. Kleiner Scherz. Nein: Die Verleger wischen die Studie vom Tisch. Motto: Wir empfinden das anders. Sie diskreditieren die Studie und ignorieren die empirische Evidenz. Zeit für einige Anmerkungen über den Unterschied zwischen einer Website und einem Brötchen.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Es ist paradox: Eigentlich ist die Frankfurter Buchmesse das weltweit wichtigste Hochamt für das Buch. Regelmässig wird an der Messe aber der Tod des Buchs verkündet. Ich war da, als die CD-ROM das Buch ablösen wollte, das elektronische Buch das Drucken überflüssig machen und das Internet die Branche auslöschen sollte. Gestern bin ich mal wieder nach Frankfurt gepilgert und habe dem Buchmarkt meinen Tribut gezollt. Allen Unkenrufen zum Trotz sind sie alle noch da: Suhrkamp und Rowohlt, Campus und Herder, Kein&Aber und Diogenes und zwar mit Büchern. Vor allem aber waren da viele Menschen, die leidenschaftlich über Bücher diskutiert haben. Autorinnen und Autoren, Verlegerinnen, Agenten, Übersetzer. Ich habe viele wache, kluge Gesichter gesehen. Das stimmt mich zuversichtlich. Aber auch 2024 fürchtet sich die Branche vor einem neuen Trend. Diesmal geht es nicht um eine neue Technologie, oder nur am Rande. In meinem Wochenkommentar sage ich Ihnen diese Woche wovor sich die Verlage fürchten und was mich dennoch hoffnungsvoll stimmt.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Was ist die grösste Bedrohung der Schweiz? Stellen Sie sich vor, Sie wären ein autokratischer Herrscher in einem fernen Land und möchten dem Westen, insbesondere der Schweiz schaden. Würden Sie eine Bombe auf unser Land werfen, ein paar Raketen abfeuern oder gar Panzer schicken? Das wäre höchst ineffizient. Und zwar nicht nur, weil der Schaden nicht allzu gross wäre, sondern weil dem ganzen Land sofort klar wäre: Wir werden angegriffen. Die Reaktion wäre ein grosses Zusammenrücken. Nein, viel effizienter als Bomben und Raketen ist es, ein Land im Informationsraum anzugreifen. Und zwar indirekt, indem unser Autokrat für Unsicherheit sorgt, das Vertrauen der Bevölkerung in Regierung, Staat und Institutionen untergräbt und schwelende Konflikte schürt. Unser Autokrat muss dafür gar nicht viel tun. Die Medien sind ökonomisch längst auf pure Reichweite gepolt und deshalb äusserst empfänglich für Sensationen, Konflikte und emotionalisierende Inhalte. Ganz besonders gilt das für die sozialen Medien, wo Fake News sich sieben mal so schnell verbreiten wie reale Nachrichten – weil Falschnachrichten meistens sensationeller sind und mehr Emotionen wecken. Unser Autokrat reibt sich also die Hände, er sorgt mit einem kleinen Team gezielt für etwas Desinformation im Land und schon krachts. So weit, so klar. Die spannende Frage ist: Wie kann sich eine westliche Demokratie, wie kann sich die Schweiz davor schützen? Unser Autokrat verweist grinsend auf die Medien- und Meinungsfreiheit – sind dem Staat also die Hände gebunden? Ist die Schweiz feindlicher Desinformation schutzlos ausgeliefert? Denken wir gemeinsam darüber nach: Wie könnte heute eine informationelle Landesverteidigung aussehen?Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Die Schweiz hat, wie alle westlichen Länder, in den letzten Jahren die klassische Verteidigungsfähigkeit abgebaut. Jetzt versucht die Armee händeringend, die militärischen Löcher zu stopfen. Neu muss sie sich dabei nicht mehr nur um Land, See und Luft kümmern, sondern auch um den Weltraum. Der Nationalrat hat deshalb beschlossen, Beyond Gravity, die Weltraumfirma der Rüstungsfirma Ruag, aus Sicherheitsgründen zu behalten. Es könnte ein teures Engagement werden. Und dann gibt es da noch die fünfte Dimension der Auseinandersetzungen: Das ist der Informationsraum. Auf technischer Ebene hat die Schweiz in den letzten Jahren in die Cyberabwehr investiert. Ziel ist der Schutz kritischer Infrastrukturen und Systeme vor Cyberangriffen. Das ist die technische Ebene. Lange vorher beginnt das, was man als «Informationskrieg» bezeichnet: die Abwehr von manipulierten Informationen, Fake News und Desinformation. An Land, auf seinen Seen und in der Luft muss sich die Schweiz zwar besser rüsten, aber sie befindet sich im Frieden. Anders sieht das im Informationsraum aus: Russland und andere Akteure stecken längst mitten im Informationskrieg. Moskau will mit Desinformationskampagnen Zwietracht im Westen streuen. Anders als bei Artillerie und Flugabwehr ist die Schweiz im Informationsraum gut aufgestellt. Doch genau da will der Bundesrat jetzt den Rotstift ansetzen: Er hat «Swissinfo», den Auslanddienst der SRG, die Beiträge gestrichen und empfohlen, den Dienst einzustellen. Die Schweiz kappt mit anderen Worten die geistige Landesverteidigung. Ich frage mich: Warum?Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Fast genau vor 100 Jahren ist im Süden der USA Truman Capote zur Welt gekommen. Wenn Sie ihn vor allem als Autor von «Frühstück bei Tiffany» kennen und Ihnen dabei Audrey Hepburn als Holly Golightly in den Sinn kommt, liegen Sie zwar richtig, Sie sind aber trotzdem auf der falschen Spur. Truman Capote konnte sich nie mit dem Film anfreunden. Capote hatte eine gesellschaftskritische Geschichte über ein Mädchen geschrieben, das sich in der Grossstadt verliert. Hollywood hatte daraus einen liebenswerten Film gemacht und der Story erst noch ein Happy End verpasst. Truman Capote hasste den Film. Er selbst stand für das Gegenteil einer seichten Hollywood-Geschichte. Er verband in seinem Schreiben akribische Recherche mit literarischem Erzählen. So entstand zum Beispiel «In Cold Blood», auf Deutsch «Kaltblütig», ein «nichtfiktionaler Roman». Später wurde dieser literarische Journalismus als «New Journalism» bezeichnet. Ich glaube, dass diese Art des Schreibens wieder wichtig werden wird. Gerade heute. Warum, das sage ich Ihnen diese Woche in meinem Wochenkommentar über Truman Capote und das mitfühlende Schreiben.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Er war einer der ganz grossen deutschen Journalisten, der Inbegriff eines News-Anchors: Hanns-Joachim Friedrichs prägte die «Tagesthemen», die Spätnachrichtensendung der ARD, über Jahre. Und er prägte einen Satz, den seither jede Journalistin und jeder Journalisten im Kopf hat. HaJo Friedrichs sagte: «Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten.» Es ist gar nicht mehr wichtig, ob Friedrichs den Satz wirklich so gesagt und wie er ihn gemeint hat. Tatsache ist, dass jede Journalistin und jeder Journalist diese Aufforderung zu unbedingter Distanz und Neutralität seither unter die Nase gerieben bekommt. Das Problem ist: Der Satz ist falsch. Bei aller Neutralität müssen sich Journalisten immer mit mindestens einer Sache «gemein» machen – mit der Wahrheit. Doch genau daran entzündet sich die grosse Kritik an den Medien. Selten herrschte so wenig Einigkeit darüber, was Wahrheit ist. Bestes Beispiel: der Wahlkampf in den USA zwischen Donald Trump und Kamala Harris. Immer häufiger wird Journalisten deshalb Parteinahme vorgeworfen, dass sie sich also mit einer Sache gemein machen. Auch wenn es nur um die Wahrheit geht. Mein Wochenkommentar über die eine gute Sache, mit der sich Journalisten gemein machen müssen.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Als Tamedia letzte Woche ihre Abbaupläne bekannt gab, ging ein Aufschrei durch die Schweiz. Der Medienkonzern bestätigte die schlimmsten Befürchtungen. Er verstärkte damit die Entwicklung der ganzen Branche: Die Medien ziehen sich immer mehr aus dem Lokalen zurück auf eine unverbindlich überregionale Ebene. Das Resultat der Zusammenlegungen ist das, was ich «Hors-sol-Journalismus» nenne: Es ist ein Journalismus, der keine Wurzeln mehr hat, weil die Inhalte in möglichst vielen Regionen funktionieren müssen. Die Schweiz ist deshalb wütend auf Tamedia und schaut zornig nach Zürich. Doch damit schlagen wir den Sack statt den den Esel. Tamedia reagiert mit ihrer Hors-sol-Strategie lediglich auf den Werbemarkt: Werbung wird auch in der Schweiz immer häufiger digital ausgespielt und dabei fast ausschliesslich von Algorithmen gesteuert. Das heisst: Die Werbeschaltungen richten sich nach Klickzahlen. Das aber ist kein Naturgesetz, sondern der Entscheid der Werbeauftraggeber, die das Schalten ihrer digitalen Anzeigen einem Computerprogramm überlassen. Das muss nicht sein. Würden diese Werbekunden auch nur einen Teil ihrer Budgets bewusst und qualitativ einsetzen, wäre für die journalistischen Medien viel gewonnen. Mein Wochenkommentar über die Verantwortung der Privatwirtschaft, Medienförderung als Teil der Corporate Social Responsibility zu begreifen.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Der Schweizer Zeitungsverlag Tamedia hat diese Woche eine mediale Bombe gezündet: Der Konzern schliesst zwei von drei Zeitungsdruckereien, konzentriert sich auf nur noch vier Zeitungsmarken und streicht fast 300 Vollzeitstellen. Das ist rund ein Viertel der gesamten Belegschaft. Die «Aargauer Zeitung» spricht deshalb von einem «Radikalabbau», das «Bündner Tagblatt» von einem «personellen Kahlschlag», die «Republik» bezeichnet es als «radikalen Raubbau an der vierten Gewalt» und «Inside Paradeplatz» als «Print-Crash» und «Digital-Pleite». Wenn Sie jetzt glauben, dass sei alles übertrieben: Sogar die nüchterne NZZ spricht im Titel von «Radikalumbau». Besonders heftig reagierte die Romandie auf den geplanten Abbau: Tamedia will sich künftig auf «24 Heures» konzentrieren. Die Genfer Zeitung «Tribune de Genève» wird zum Auslaufmodell. Die Genfer Regierungspräsidentin Nathalie Fontanet beklagte sich auf RTS, Tamedia behandle seine Medientitel «wie ein gewöhnliches Konsumgut». Bemerkenswert ist das deshalb, weil Madame Fontanet nicht etwa eine Linke ist, sondern Mitglied der Wirtschaftspartei FDP. Die Frage ist: Was sind Medientitel denn sonst? Und wenn sie keine x-beliebigen Konsumgüter sind – wie sollen wir als Gesellschaft damit umgehen? Ich habe mir deshalb den Radikal-Kurs von Tamedia genauer angesehen und versuche, den Entscheid aus drei Perspektiven zu beurteilen. Die erste Perspektive: Ist der Umbau aus Sicht von Tamedia klug? Ist das der richtige Kurs für ein Unternehmen, das mit Medien mehr Geld verdienen will? Die zweite Perspektive: Was bedeutet der grosse Abbau für den Medienmarkt in der Schweiz? Gibt es auch Profiteure? Und schliesslich die dritte, die gesellschaftliche Perspektive: Was bedeutet der Umbau für die Schweiz? Mein Wochenkommentar zum grossen Abbau bei Tamedia.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Manchmal könnte man ja meinen, Moral sei etwas für Schwächlinge. Wer stark sei, brauche keine Moral. Donald Trump verkörpert dieses Prinzip: Er glaubt an die Macht und an das Recht des Stärkeren. Als Geschäftsmann und als Präsident hat er oft auf aggressive Rhetorik und Einschüchterung gesetzt. Sein Credo «America First» bedeutet, dass die Vereinigten Staaten ihre Interessen rücksichtslos durchsetzen sollten, auch wenn es auf Kosten von Verbündeten oder internationalen Partnern geschieht. «Moralische Leadership? Fehlanzeige», titelte die österreichische Tageszeitung «Der Standard» deshalb kürzlich und Stephanie Grisham, einst eine glühende Verehrerin und Beraterin von Trump, erklärte auf dem Parteitag der Demokraten, Trump habe «keine Empathie, keine Moral und keine Treue zur Wahrheit». Donald Trump, Elon Musk, Rupert Murdoch und viele andere haben damit Erfolg. Macht setzt sich durch, wer stark ist, braucht keine Regeln. Aber ist das wirklich so? Sind Moral und ethisches Verhalten nur unnütze Fesseln und intellektueller Ballast? Eine spannende Frage: Wenn dem so wäre – warum haben die Menschen dann überhaupt so etwas wie Moral entwickelt? Mein Wochenkommentar über den Nutzen von Moral. Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Klartext gilt als Qualität. Klartext ist unmissverständlich, direkt und manchmal auch schonungslos. Es geht um Ehrlichkeit und Transparenz. Positionen werden eindeutig bezogen, Missverständnisse vermieden. Klartext lässt keinen Interpretationsspielraum. Die künstliche Intelligenz bietet Klartext auf Knopfdruck. Explizit und vollständig. Das klingt erst mal gut, oder? Allerdings ist die Welt oft nicht so klar, dass sie klar und einfach in Text gegossen werden kann. Manchmal liegt die Wahrheit auch im Ungefähren, ist das Gefühl entscheidend, nicht die Gewissheit. Klartext nagelt die Phantasie mit sprachlichen Mitteln fest, hegt sie ein in Buchstaben und Paragraphen. Das Gegenteil von Klartext ist das Schreiben zwischen den Zeilen: Texte, die das Eigentliche ungesagt lassen. Die der Leserin, dem Leser Zeit und Raum geben, mitzudenken, mitzufühlen – und das Wesentliche zwischen den Zeilen zu lesen. Ein Meister in diesem Schreiben zwischen den Zeilen war Erich Kästner. Seine frühen Gedichte sind sprachliche Preziosen. Mit wenigen Worten erzeugt er grosse Gefühle und zeichnet starke Bilder. Natürlich kann eine KI seine Sprache nachahmen. Aber das, was uns Menschen ausmacht, steht zwischen den Zeilen. Mein Wochenkommentar über Erich Kästner und dieses Schreiben zwischen den Zeilen.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Ende Juli war Donald Trump zu Gast bei der National Association of Black Journalists NABJ, der Vereinigung schwarzer Journalisten in Amerika. Der Termin in seiner Agenda stammte wohl noch aus der Zeit, als sein Gegenkandidat Joe Biden hiess und sich Trump Hoffnungen machte, dem Demokraten schwarze Wählerinnen und Wähler abspenstig machen zu können. Wenn das die Absicht war, ist sie gründlich misslungen: Trump liess sich zu einem rassistischen Ausfall gegen Kamala Harris hinreissen. «Ich wusste nicht, dass sie eine Schwarze ist, bis sie vor ein paar Jahren zufällig schwarz wurde, und jetzt will sie als Schwarze bekannt sein. Ich weiss also nicht, ist sie indisch oder ist sie schwarz», sagte Trump auf dem Podium. Kamala Harris ist die Tochter einer indischen Mutter und eines jamaikanischen Vaters. Trump beschwerte sich darüber, dass nicht klar sei, in welche Schublade er Harris stecken soll: indisch oder schwarz? Das Rassistische daran ist, dass es eine so klar definierte Schublade sein muss – und dass es die Weissen sind, die über diese Schubladen entscheiden. Vor allem aber ist es eine klare Bestimmung der Identität: Trump reduziert Harris auf ihre Hautfarbe und ihre Herkunft. Das hat mir zu denken gegeben. Denn das macht nicht nur Trump: Mir scheint, dass die Gesellschaft die Menschen wieder häufiger in Schubladen mit eindeutigen Etiketten stopft. Schwarz oder weiss, Schweizer oder Migrant, homo oder hetero. Dabei sind Biologie und Herkunft nur ein kleiner Teil dessen, was unsere Identität ausmacht. Mein Wochenkommentar zur Frage: Wer sind wir – und wenn ja, warum?Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Am 1. August, dem Schweizer Nationalfeiertag, komme ich immer etwas ins Grübeln. Was feiern wir da eigentlich? Und warum? Warum sollte ich stolz darauf sein, Schweizer zu sein? Verstehen Sie mich richtig: Ich lebe gerne da, wo ich bin. Ich liebe die Kultur, ich schätze die Menschen und als schreibender Mensch bin ich tief verwurzelt in der Sprache. Ich halte die Bundesverfassung für einen klugen Text. Die direkte Demokratie hat viele Vorteile. Ich bin gerne Schweizer. Aber ich kann nichts dafür und ich habe auch nichts dazu beigetragen. Die Berge, die Sprache, die direkte Demokratie, all das ist ohne mich entstanden. So wie die Franzosen oder die Deutschen nichts an ihrem Land ändern können, kann ich nichts an meinem Land ändern. Ich habe es gern, wie Deutsche und Franzosen ihr Land auch. Aber ist es wirklich das Land, das ich gern habe? Sind es nicht vielmehr die Sprache, die Berge und die Menschen? Warum also sollen wir einmal im Jahr die Nation feiern, uns auf die Brust klopfen und stolz sein? Mein Wochenkommentar über die fatale Verwechslung von Nationalstolz und Heimatliebe.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
«Der beste Weg nach vorne besteht darin, die Fackel an eine neue Generation weiterzugeben.» Das sagte US-Präsident Joe Biden diese Woche, als er sich aus dem Oval Office an die Nation wandte, um seinen Verzicht auf eine zweite Amtszeit zu begründen. Er sprach mit leiser Stimme, aber entschieden: Ein alter Mann, der eingesehen hat, dass er zu alt ist für das anspruchsvollste Amt der Welt. Joe Biden wird das Oval Office verlassen, ungebeugt, mit geradem Rücken. Nicht ganz freiwillig, aber aus freien Stücken. Das verdient Respekt. Und wirft doch Fragen auf. Er selbst hatte sich eine zweite Amtszeit zugetraut und war drauf und dran, zur tragischen Figur zu werden. Offensichtlich ist es schwierig, das eigene Alter und die eigenen Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Das Alter kann man nicht spüren, höchstens die Folgen davon. Aber wie sollen wir dann merken, wann wir für eine Aufgabe zu alt sind? Wie können wir sinnvoll mit dem eigenen Alter umgehen? Mein Wochenkommentar zur Frage: Wann ist man zu alt und wie merkt man das?Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
In der vergangenen Woche habe ich mich hier über das «Nationalgedöns» an der Fussball-EM geäussert, über Hymnen, Fahnen und Heimatgefühle. Das hat ein grosses Echo ausgelöst. Es gab viele positive Rückmeldungen, herzlichen Dank dafür, es haben mich aber auch viele kritische Zuschriften erreicht. Von: «Ich als Deutsche liebe unsere Hymne» über «Ihre Abneigung zu Hymnen verstehe ich nicht.» bis zu «Ganz ehrlich, Ihre kritische Haltung gegenüber Deutschland und seiner Hymne gegenüber finde ich sehr problematisch!» Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie emotional über Nationalhymnen diskutiert wird – und wie schnell es dabei um ganz grundsätzliche Themen geht. Themen wie Heimat, Nation und Vaterland. Wörter Wie «Heimat» und «Hymne» sind mit viel Bedeutung beladen – aber eben sehr individuell. Sie sind damit der beste Beweis dafür, dass das, was eine Künstliche Intelligenz mit Sprache anstellt, zwar beeindruckend ist, aber immer nur eine abstrakte Simulation bleibt. Mein Wochenkommentar über das Spiel der Sprache und die verzwickte Wahl, vor die uns die KI stellt.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Wenn ein volles Fussballstadion die deutsche Nationalhymne grölt, wird mir ganz anders. Zwar ist nicht mehr von «Deutschland über alles» die Rede, sondern von «Einigkeit und Recht und Freiheit», aber schon in der zweiten Zeile folgt dann zuverlässig das «deutsche Vaterland». Ich frage mich jedes Mal: Muss das wirklich sein? Die Fahnen und Flaggen, die Hymnen und das ganze Nationalgedöns? Schon unter normalen Umständen ist mir das zu viel. Dieses Jahr ist es besonders heikel: Der Anstoss zu den Europameisterschaften erfolgte nur gerade eine Woche, nachdem bei den Europawahlen in Deutschland, Frankreich und Italien Rechtspopulisten triumphierten. Giesst der Fussball mit den Länderspielen Öl ins Feuer der Nationen? Für die Linke ist der Fall klar: «Warum uns euer Fahnengeschwenke ankotzt!», ist ein Positionspapier der «Linksjugend» überschrieben. Sie lehne «jede Form des Nationalismus klar ab!», schreiben die deutschen Jungpolitiker. Aber ist es wirklich Nationalismus, wenn ein Stadion «Deutschland» brüllt, – oder «Italia», «Türkiye» oder gar «Hopp Schwiiz»? Anders gefragt: Schadet es Europa, wenn seine Länder auf dem Rasen gegeneinander antreten? Mein Wochenkommentar zu Fussball und Nationalismus.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Diese Woche habe ich eine sehr nette Rückmeldung zu meinen Wochenkommentaren erhalten: Die Person schrieb mir, es sei für sie jeweils der journalistische Höhepunkt der Woche. Herzlichen Dank dafür. Aber dann kam eine Bemerkung, die mich ins Grübeln brachte. Die Person schrieb, dass der Text manchmal etwas atemlos klinge, als wäre er ohne Punkt und Komma geschrieben und gelesen. Das Wort «atemlos» blieb mir hängen. Atemlos. Ich habe tatsächlich Angst, zu langsam zu schreiben, zu langsam zu sprechen, zu langsam zu sein, zu wenig zu tun, zu wenig effizient zu sein. Die Folge ist Atemlosigkeit. Goethe warnte vor dem Veloziferischen, jener Beschleunigung, die ebenso teuflisch wie verführerisch ist. Sie führt zu dem, was Paul Virilio den «rasenden Stillstand» nennt. Ich glaube, wir stecken mittendrin: in einer auf Effizienz und Geschwindigkeit getrimmten Welt im rasenden Stillstand. Mein Wochenkommentar zu unserer Atemlosigkeit – meiner eigenen und die der Gesellschaft um mich herum.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Letzte Woche habe ich Ihnen im Rahmen meiner Buchtipps den neuen Roman von Percival Everett vorgestellt: «James» erzählt die Geschichte von Huckleberry Finn neu aus der Sicht des schwarzen Sklaven. Bei Mark Twain hiess er Jim, bei Everett nennt er sich James und er ist gebildet. Nach der Lektüre ging mir eine Stelle im Buch nicht mehr aus dem Kopf. James denkt darin über die Kraft des Lesens nach. Eine Kraft, die sich, wie bei Salma Rushdie und einer ganzen Reihe anderer Schriftsteller, auch gegen den Autor wenden kann. Bei uns hat das Lesen in den letzten Jahren ständig an Stellenwert verloren. Die Lesekompetenz der Jugendlichen war schlecht und ist mittlerweile miserabel. Bei den Erwachsenen sieht es noch düsterer aus. Von der befreienden, ja subversiven Kraft des Lesens ist kaum die Rede. Dafür gibt es jede Menge Tipps zu Speed Reading und zu Leselern-Apps und neuerdings kann man sich Bücher auch von plappernden KI-Programmen erschliessen lassen. Ich glaube, was das Lesen angeht, sind wir auf dem Holzweg. Wir sollten eher darüber nachdenken, vor dem Lesen zu warnen. In meinem Wochenkommentar erkläre ich Ihnen diese Woche, was die geheimnisvolle Kraft des Lesens ausmacht.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Vor 100 Jahren, am 3. Juni 1924, starb Franz Kafka. Das ist nicht zu übersehen: Die Flut an Büchern, Filmen und Hörstücken über Franz Kafka ist gigantisch. Sein schmales Werk wird davon geradezu erdrückt. Bisheriger Höhepunkt im 100. Todesjahr: eine sechsteilige Fernsehserie von ARD und ORF, geschrieben vom Schriftsteller Daniel Kehlmann, mit dem Schweizer Schauspieler Joel Basman in der Titelrolle. Kafka gilt, wie Mozart, als Unvollendeter, als zu früh verstorbenes Genie. Kafka ist als Aussenseiter, als geheimnisvoller Autor der «Verwandlung», als Unverstandener zur Figur der Popwelt geworden. Kein Wunder, dass ihn Andy Warhol in leuchtendem Blau vor schwarzem Hintergrund portraitierte. Dem Autor Kafka bekommt die Verehrung nicht: Sein Werk droht hinter all den Biografien, Darstellungen und Devotionalien zum Klassiker zu verblassen, dem sich junge Leserinnen und Leser nur noch im Unterricht und mit Interpretationshilfen nähern. Dabei ist das gar nicht nötig. In meinem Wochenkommentar gebe ich Ihnen diese Woche deshalb eine kleine Anleitung für das Lesen von Kafka.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Wie stellen Sie sich vor? Klar, mit Namen. Aber was kommt danach? Wie sagen Sie, wer Sie sind? Ich bin, je nach Kontext, Autor, Medienwissenschaftler, KI-Kritiker oder Medienberater. So sehe ich mich – es ist das, was ich tue. Aber: Wer bin ich? Was ist meine Identität? Auf der Identitätskarte stehen Nationalität, Geschlecht und Grösse. Die Hautfarbe steht da nicht, sie ist offensichtlich weiss. Dafür steht der Heimatort. Der hatte vielleicht mal etwas mit meiner Herkunft zu tun, aber sicher nichts mit Heimat. Wer bin ich? Wer möchte ich sein? Vom Internet haben wir uns damals, als es neu war, eine Befreiung erhofft: die Möglichkeit, endlich unterschiedlichste Identitäten auszuspielen. Eingetreten ist das Gegenteil: Noch nie haben wir die Menschen so sehr in Schubladen gesteckt. Das gilt auch und gerade für Menschen wie Nemo, die sich nicht einschachteln lassen möchten. Auch für sie haben wir Kategorien, Identitäten und Schubladen bereitgestellt. Warum nur beharren wir so auf dieser einen Identität eines Menschen? Max Frisch sagt: Identität ist keine Eigenschaft, sondern die Geschichte, die wir über uns selbst erzählen. Die Geschichte, mit der wir unserem Leben Sinn geben. Oder es zumindest versuchen. Mein Wochenkommentar über die Identität.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Bambie Thug, die Irland am Eurovision Song Contest vertrat, malte sich die Fingernägel in den Farben der palästinensischen Flagge an. Der australische Sänger Fred Leone hatte sich eine Wassermelone auf die Brust gemalt, das Zeichen für Palästina. Joost Klein, der Sänger aus den Niederlanden, bedeckte seinen Kopf mit seiner Flagge, als die Israelin Eden Golan an der Pressekonferenz sprach. Das Belgische Fernsehen unterbrach die Übertragung ihres Songs mit einer Anti-Israel-Botschaft. Die Jury gab der Israelin nur wenige Punkte, aus England etwa gab es keinen einzigen. Um Musik ging es dabei nicht, sondern um Politik. Es ging nicht darum, wie Eden Golan sang, sondern wer da sang. Nach dem turbulenten Wochenende in Malmö besetzte ein Kollektiv «Unibas4Palestine» das Bernouillanum der Universität Basel. Wie an amerikanischen Universitäten und an den Hochschulen in Lausanne, Neuenburg und Zürich ging es auch in Basel nicht um einen akademischen Diskurs, sondern um Forderungen an die Universität. Jahrelang haben wir uns über eine eher unpolitische Jugend mokiert – plötzlich ist jetzt wieder alles politisch. Auch Nemo, die siegreiche Schweizer Vertretung am ESC, bringt sich mit einem politischen Anliegen ein: der Forderung nach einem dritten Geschlecht. In meinem Wochenkommentar sage ich Ihnen diese Woche, was aus meiner Sicht an dieser emotionsgeladenen Politisierung problematisch ist.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
ChatGPT und Google Gemini, Microsoft Copilot und Adobe Firefly haben die Magie an den Computerarbeitsplatz zurückgebracht. Mit den neuen Tools kann man auf Knopfdruck zaubern: Texte, Bilder und Präsentationen entstehen wie von selbst auf dem Bildschirm. Ist das Arbeiten jetzt ganz einfach? Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten scheinen das zu glauben. Sie fragen sich, warum sie noch mühsam lernen sollen, wenn die KI doch auf Knopfdruck für sie arbeitet. Zumal die Generation, die heute in den Klassenzimmern und Hörsälen sitzt, es gerne mal gechillt angehen lässt und der Generation Boomer, also meiner Generation, verkrampftes Leistungsdenken vorwirft. Haben die Jungen Recht? Können sie in Zukunft chillen und die KI arbeiten lassen? Wird aus der anstrengenden Kletterpartie, die Arbeit bisher war, eine sanft surrende Rolltreppe, auf der man sich entspannen kann? Ganz im Gegenteil. KI wird die Arbeit anspruchsvoller und anstrengender machen. Denn in aller Regel werden wir nicht für das Resultat einer Arbeit bezahlt, sondern für den Unterschied, den wir mit unserer Arbeit dabei erzielt haben. Und diesen Unterschied zu erzielen, wird schwieriger. Mein Wochenkommentar über die Anforderungen, die KI an Schule und Unterricht stellt.Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/
Letzte Woche habe ich hier über den «Eliza-Effekt» gesprochen, der das übergrosse Vertrauen erklärt, das Menschen einem chattenden Computer entgegenbringen. Eliza war der Name eines einfachen Chat-Programms, das der deutsch-amerikanische Computerwissenschaftler Joseph Weizenbaum bereits 1966 entwickelt hatte. Die Menschen, die Eliza benutzten, waren überzeugt, dass der Computer sie verstand. Das wirft die Frage auf: Was ist es, das uns Menschen ausmacht? Goethe war überzeugt, dass der Mensch einen göttlichen Funken in sich trägt. Es ist ein Funke, der selbst das Grauen des Zweiten Weltkriegs überdauert. In Erich Maria Remarques Roman «Der Funke Leben» ist er auf die Hoffnung und den Überlebenswillen einiger Häftlinge im Konzentrationslager reduziert. Trotz des Grauens im Lager bewahren sie ihre Menschlichkeit. Der «Funke Leben» steht für die Unzerstörbarkeit des menschlichen Geistes. Auch John R. Searle ist überzeugt, dass es dieser Wille ist, der den Menschen ausmacht und ihm Bewusstsein verleiht. Der amerikanische Philosoph Daniel C. Dennett ist anderer Meinung. Für ihn ist der Mensch eine biologische Maschine und schlicht das Ergebnis der Evolution. Dennett sieht daher prinzipiell keinen Unterschied zwischen der biologischen Maschine Mensch und einer technischen Maschine mit künstlicher Intelligenz. Diese Woche ist Daniel C. Dennett gestorben. Ein Anlass, an seine Gedanken zur künstlichen Intelligenz zu erinnern: Ist der Mensch nur eine Maschine?Matthias Zehnder ist Autor und Medienwissenschaftler in Basel. Er ist bekannt für inspirierende Texte, Vorträge und Seminare über Medien, die Digitalisierung und KI.Website: https://www.matthiaszehnder.ch/Newsletter abonnieren: https://www.matthiaszehnder.ch/abo/Unterstützen: https://www.matthiaszehnder.ch/unterstuetzen/Biografie und Publikationen: https://www.matthiaszehnder.ch/about/