Als Universalgelehrter der nd.Redaktion weiß der Wissenschaftsredakteur Dr. Steffen Schmidt auf fast jede Frage eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eben eine andere. Alle Folgen zum Nachhören auf dasnd.de/schmidt
In Freiburg wird seit Neuestem Wein in Bierflaschen verkauft. So richtig mit Kronkorken statt Schraubverschluss oder klassischem Weinkorken und eben mit Pfand auf der Flasche. Macht die Flasche denn einen Unterschied? Wenn es anständiges Glas ist, wird der Wein auch in einer Bierflasche relativ gut aufbewahrt sein. Der Punkt ist nur die Größe: bei Bier für einen halben Liter. Das Übliche bei Wein ist doch eher die Dreiviertelliterflasche, das ist dann eben eine Frage der Gewohnheit. Interessant an dem Projekt fand ich allerdings die Sache mit den Etiketten. Worum geht es dabei? Die Etiketten müssen einerseits halten, bis der Wein ausgetrunken ist. Andererseits müssen sie in der Waschanlage problemlos abgehen. Schließlich geht es in diesem konkreten Fall ja um eine Standard-Bierflasche, die gegebenenfalls beim nächsten Befüllen vor Ort – dort, wo sie abgegeben wurde – wieder mit Bier befüllt wird und ein neues Etikett braucht. Und macht der Kronkorken einen Unterschied? Das gibt oder gab es vereinzelt auch schon bei Wein. Ganz sicher aber bei Schaumwein der günstigeren Sorten, denn die müssen ja eh sehr druckfest verschlossen werden. Und da ist der Kronkorken – siehe Bier und andere kohlensäurehaltige Getränke – eine sichere Bank. Aber ein Pfandsystem macht nur für Weine Sinn, die nicht fünf bis zehn Jahre beim Kunden im Keller liegen. Das Interesse der Winzer und Weingroßhändler an dieser Idee hat vor allen Dingen damit zu tun, dass sich Glas durch die erhöhten Energiepreise gravierend verteuert hat und damit auch die Neuflaschen. Mein Eindruck war, das wird mit Umweltschutz-Gründen vermarktet: In der Produktion von Einwegglas entsteht Kohlendioxid, weswegen man auf ein Mehrwegsystem umsteigt. Das ist ein zweifelsohne vorhandener positiver Effekt. Der Verpackungsaufwand durch die Einweg-Glasflasche ist wahrscheinlich für ein Drittel bis zur Hälfte der Klimabelastungen durch die Weinindustrie verantwortlich. Eine Winzergenossenschaft wie die in Freiburg, die das jetzt macht, die wird das vielleicht tatsächlich nicht nur ökonomisch denken. Ich kann mich erinnern: Anfang der 90er wurde diese EU-Verpackungsverordnung gemacht, und im Vorfeld der Debatten darüber gab es in Deutschland schon Ärger. Denn es gab tatsächlich damals schon ein Mehrweg-Weinflaschensystem, was aber unter anderem durch Discounter sabotiert wurde. Die haben das Mehrwegsystem generell abgelehnt, weil es für sie durch zusätzliche Lagerflächen für leere Flaschen auch Mehrkosten verursacht und so ihr Kostenvorteil gegenüber dem gewöhnlichen Lebensmittel-Einzelhandel schrumpft. Wäre es denn möglich, Pfand auf Weinflaschen einzuführen? Darüber gibt es schon Debatten. Der Punkt bei Wein ist aber, dass die Anbaugebiete meist nicht identisch sind mit den Orten, wo konsumiert wird. Das heißt, du hast relativ weite Leerguttransporte, die die Umweltbilanz wieder verschlechtern. Mehrweg ist im Allgemeinen vor allem dann besonders umweltfreundlich, wenn kurze Wege dranhängen. Da wäre eine Einheitsflasche für Wein sinnvoll. Und würdest du Wein in einer Bierflasche kaufen? Warum nicht? Die Flasche ist eine Flasche, und gegenüber dem Korken haben Kronkorken wie Schraubverschluss einen Vorteil: Es kann nie korkig schmecken.
In den USA lebt der Stachelrochen Charlotte in einem Aquarium zusammen mit zwei Haien. Charlotte ist nun schwanger – wohlgemerkt, ohne Kontakt zu Artgenossen zu haben. Was ist passiert? Schwanger ist in dem Falle ein falsches Menschengleichnis. Haie und Rochen gehören ja zu den Tierarten, die Eier legen. Einige der Knorpelfische behalten die Eier aber im Körper und lassen die Jungtiere innerhalb des Muttertieres schlüpfen. Das beantwortet meine Frage nicht. Ist der Rochen von einem Hai befruchtet worden, oder hat er das selbst gemacht? Es deutet alles auf eine Jungfernzeugung hin, Fachchinesisch: Parthenogenese. Diese Selbstbefruchtung kommt vor allem bei Gliederfüßern, Weichtieren, Echsen und Fischen vor. Dass eines der Hai-Männchen gewissermaßen als Vater infrage käme, ist sehr unwahrscheinlich. Eine Kreuzung beider Arten wäre vermutlich auch nicht lebensfähig, denn sie sind nur sehr entfernt miteinander verwandt. Das ist bei Tigern und Löwen anders. Die kommen in der Natur in unterschiedlichen Lebensräumen vor, sodass sie bisher nur künstlich gekreuzt wurden. Richtig. Es gibt lebende Exemplare des »Ligers«. Die Arten aber sind näher verwandt. Der letzte gemeinsame Verwandte von Rochen und Hai dagegen ist 300 Millionen Jahre her. Zurück zu Charlotte. Warum befruchten die Rochen sich selbst? Es gibt einen Grundinstinkt, der das Verhalten aller Arten prägt – partiell sogar das des Menschen, obwohl man da manchmal Zweifel hat: die Arterhaltung. Und wenn ein geschlechtsreifes Weibchen einer Tierart, bei der das biologisch geht, sich lange nicht fortpflanzen kann, dann kann die Parthenogenese ausgelöst werden. Allerdings ist das bei dieser Art von Stachelrochen noch nie beobachtet worden. Kommt dieses Verhalten nur in Gefangenschaft vor? In freier Wildbahn gibt es wenig Veranlassung dazu. Die Viecher können weit schwimmen. Haie zum Beispiel schwimmen zur Paarung zum Teil Zehntausende Kilometer. Rochen sind zwar standortfester, befinden sich aber meist in Gesellschaft von Artgenossen. Die Parthenogenese hat jedoch auch Nachteile: Es kommen immer nur Weibchen heraus. Warum? Weil dem Muttertier nur der Chromosomensatz von sich selbst zur Verfügung steht. Das ist natürlich ein Problem, weil Charlottes Nachkommen vor dem gleichen Problem wie sie stehen. Richtig. Hinzu kommt: Die Parthenogenese produziert mehr oder minder dasselbe wie eine langjährige Inzucht. Und diese hat den gravierenden Nachteil, dass für bestimmte Krankheiten dann eine höhere Empfänglichkeit besteht. Nicht nur das. Es kommt vermehrt zu Gendefekten. Eben. Und die können unter Umständen zu schweren Behinderungen führen. Auch bei Tieren. Wurde die Parthenogenese bei Säugetieren beobachtet? Nein, bei Säugern ist die Jungfernzeugung aufgrund der Spezifik der Verbindungen von Eizellen und Spermatozoen nicht möglich.
Es ist Erkältungszeit. Inhalieren mit Salzwasser soll da ja sehr gut sein. Warum eigentlich? Wenn die Schleimhäute von der Nase bis in die Bronchien anschwellen durch Entzündung, dann ist die Schleimproduktion ein Teil unserer ersten Abwehr. Und damit die Schleimhäute feucht bleiben, ist Salzwasser nicht schlecht. Wenn man viel in trockener Luft zu tun hat, ist es auch ganz gut, mit Salzwasser die Nase zu spülen. Dazu benutzt man dieses eklige Teil, das man sich unter ein Nasenloch halten muss. Die Nasendusche. Das ist doch aber eigentlich praktisch. Im Vergleich zu früher, als man das mit der Nase aus irgendwelchen Schälchen aufsaugen musste … Heute ist es ganz easy. Läuft in das eine Nasenloch rein und aus dem anderen wieder raus – und jut is. Aber man hat das Gefühl, als würde das Gehirn durchgespült werden. Echt? Na, ist ja vielleicht gar nicht schlecht, das Gehirn mal durchzuspülen. Zurück zur Nase. Geht am Meer ein Schnupfen schneller wieder weg? Am Meer ist es sicher besser. Allerdings wird Meeresluft eher bei Leuten mit chronischen Atemwegserkrankungen empfohlen. Da gibt es natürlich historisch auch noch andere Methoden. Ich erinnere mich, meine Mutter, die hatte schweres Asthma als Jugendliche, und die war stinksauer, dass sie nicht nach Helgoland zur Kur geschickt wurde, sondern nur nach Bad Kösen, wo sie dann an den sogenannten Gradierwerken jeden Tag spazieren gehen musste. Okay, was ist das denn? Die Gradierwerke, das ist inzwischen höchstens noch ein technisches Denkmal oder ein Baudenkmal. Das sind relativ hohe Wände aus Holz, die im Freien aufgestellt sind, an denen Äste von Büschen befestigt sind und wo das Salzwasser aus der Tiefe der Erde hochgepumpt wird und dann von oben an diesem Buschwerk nach unten rieselt. Dabei verdunstet ein Teil des Wassers. Das war ursprünglich ein Teil der Salzgewinnungstechnologie, um in unseren ja doch etwas sonnenärmeren Gegenden schon mal eine Vorkonzentration der Salzlösung zu bekommen, um dann bei der Salzgewinnung nicht so viel Heizmaterial zu verbrennen, wenn das eingekocht wird. In der Nähe der Gradierwerke ist die Luft etwas salziger. Und das hat man irgendwann als Kuridee entdeckt. Und man musste an dieser Wand entlangspazieren – ich verstehe deine Mutter. Es ist eben nicht dasselbe wie am Meer. Am Meer hast du das quasi ständig. Und außerdem ist es natürlich etwas abwechslungsreicher. Andererseits ist das Seeklima ein etwas stärkerer Reiz für die Atemwege. Weshalb es für manche Asthmatiker im Hochgebirge besser ist, wo es ab bestimmten Höhen nur noch wenig Allergene aus der Natur gibt. Vor allem essen wir Salz. Karl Lauterbach klingt, als wäre es Gift. Na ja, ganz so eindeutig ist es nicht. Die Menge sollte fünf oder sechs Gramm am Tag nicht überschreiten, dann wird es ungemütlich. Wir brauchen Salz, also um genau zu sein, Kochsalz, NaCl, also Natriumchlorid, Hauptbestandteil dessen, was wir als Steinsalz zum Kochen verwenden. Beim Toten-Meer-Salz ist die Zusammensetzung ein bisschen anders. Wir brauchen Salz, weil das ein wesentlicher Teil unserer Körperflüssigkeiten ist. Wie doof das ist, wenn es nicht mit Salz wäre, würdest du merken, wenn du diese Nasendusche mit blankem Leitungswasser machen würdest. Das würde die Nase eher austrocknen. Denn dann würde das Salz aus den Schleimhautzellen durch den osmotischen Druck in das Spülwasser hineindiffundieren und aus unserem Körper abfließen. Wenn du mal aus den Latschen gekippt bist, Kreislaufkollaps oder so, was ich ein-, zweimal hatte ... Riechsalz!? Nee, da kommen wir nicht aufs Riechsalz. Als ich dann im Krankenhaus aufgewacht bin, hing neben mir an einem Gestell ein Beutel mit Salzlösung. Die hat dazu geführt, dass alles wieder einigermaßen in Gang kam.
Steffen, was hältst du von Osteopathie? Schwer zu sagen. Ich kenne Leute, die darauf schwören. Offensichtlich gibt es Verwandtschaften mit der manuellen Therapie. An der Osteopathie ist wahrscheinlich das Interessante, dass die sich die Zeit nehmen viel abzutasten und so Dinge finden, die du bloß durch kurz hingucken, wie es beim Orthopäden passieren kann, nicht findest. Ich dachte, bei der manuellen Therapie drückt man da, wo es wehtut, und bei der Osteopathie am anderen Ende. Ich bin davon überzeugt, dass Osteopathie bei bestimmten Sachen wirkt, die mit dem Knochen- und Muskelapparat zusammenhängen und mit Verspannungen, wovon die Menschen im Zeitalter von Stress und idiotischen Sitzhaltungen etliche haben. Aber die Grundidee von Osteopathie, die ja schon gut 140 Jahre alt ist, ist es ... … ganzheitlich zu wirken. Das meine ich eben nicht. Ganzheitlich ist Medizin, wenn sie anständig betrieben wird, sowieso. Aber der Erfinder der Osteopathie, Andrew Taylor Still, war offenbar der Meinung, dass es für alles reicht, die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren. Es gab sogar Studien über die Wirkung von Osteopathie bei der Spanischen Grippe. Da habe ich doch meine Zweifel. Jenseits von Muskeln, Nerven, Adern und Lymphen gibt es jedenfalls keine geheimnisvollen Verbindungen im Körper? Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Die Traditionelle Chinesische Medizin spricht von Qis. Und von der Akupunktur weiß ich, dass es zumindest sehr empfindliche Punkte gibt. Wir haben ein dichtes Netz von Nervenverbindungen, von Lymphgefäßen und Blutgefäßen. Also es gibt zig Verbindungen, die teils biochemisch, teils elektrisch Teile des Körpers mit anderen verbinden. Insofern kann es sein, dass sich Punkte finden, die woanders Wirkungen zeitigen. Aber man kann damit keinen Nierenschaden heilen. Was wir heute unter Traditioneller Chinesischer Medizin verstehen, ist übrigens der Entwicklung in China geschuldet. Die Sozialisten, Sun Yat-sen und Co., hielten die traditionelle Medizin für total überholt, für vormodern. Und Maos Kommunisten haben diese These lange beibehalten, bis ihnen im Zuge ihrer Kulturrevolution die Ärzte abhanden kamen. Daraufhin wurde ein Kanon von Verfahren, so weit sie noch bekannt waren, geschaffen, der heute die Traditionelle Chinesische Medizin repräsentiert. Das ist aber wahrscheinlich nur ein Bruchteil dessen, was es früher gegeben hat. War man in der DDR mit China traditionell medizinisch verbunden? Eher nicht. Bis zur Kulturrevolution war die Begeisterung für solche Verfahren gering. Und dann verschlechterte sich das Verhältnis zu China schlagartig. Ich bin im Herbst 1967 nach Berlin-Karlshorst gekommen, wo damals die chinesische Botschaft war. Da waren überall die Jalousien runter und teils mit Farbe bespritzt. Man hatte über Lautsprecher die Bevölkerung zur Lehre Maos bekehren wollen ... Zumindest Homöopathie hatte ich auch eher mit alternativen Kreisen in Westdeutschland in Verbindung gebracht. Homöopathie hat in begrenztem Maße eine Rolle gespielt. Sie war nicht verboten, wurde aber weithin als »Paramadizin« kritisert. Es gab in der DDR ja auch Heilpraktiker, zu denen ich dank meiner Mutter, die mich mal zu einem schleppte, der nun wirklich gar keine Ahnung hatte, ein gespaltenes Verhältnis habe. Meine Eltern schworen auf eine Heilpraktikerin, die Iris-Diagnose machte. Nur konnte die letztlich nichts heilen. Das ist ein Problem der Medizin insgesamt. Es gibt eine Menge Krankheiten, wo man trotz richtiger Diagnose nichts machen kann, und bestimmte Verschleißerscheinungen reparieren sich im Alter nicht mehr von selbst. Ansonsten gilt: Wer was wie gut kann, das weiß man als Patient immer erst hinterher.
Steffen, ich habe bei mir im Schlafzimmer an einer der Außenwände Schimmel entdeckt. Warum schimmelt dort die Tapete? Du hast ein wichtiges Wort gesagt: Außenwand. Ich nehme an, es handelt sich um ein Gebäude mit eher mäßig guter Wärmedämmung der Außenwände. Das Gebäude ist nach der Wende schnell gebaut worden. Also: ja. Sodass die Außenwände im Winter ordentlich kühl werden. Richtig. Wenn mehrere Personen in so einem Zimmer sind, dann atmen sie Wasserdampf aus, der anschließend an kühlen Wänden kondensiert. Und auf diese Weise bietest du Pilzsporen, die praktisch überall in der Luft sind, eine günstige Gelegenheit, sich anzusiedeln. Und die Tapete besteht aus mehreren Materialien: angefangen von der Zellulose im Papier bis hin zu dem Leim in der Leimfarbe und dem Leim unter der Tapete. Alles Sachen, die Schimmelpilze gern haben. Wenn meine Wand gut gedämmt wäre, dann würde das Kondenswasser nicht an ihr hängenbleiben. Sprich: Ich hätte keinen Schimmel? Ihr heizt vermutlich wenig im Schlafzimmer? Kaum. Siehst du. Das kühlt die Wand zusätzlich ab. Ist Schimmel an den Wänden gefährlich? Nur, wenn einer von euch eine Allergie hat gegen die entsprechende Schimmelpilzart oder ob einer von euch eventuell ein geschwächtes Immunsystem hat. Wenn beides nicht der Fall ist, ist die Gefahr überschaubar. Hilft lüften gegen den Schimmelbefall? Nach dem Duschen, wo große Mengen Kondenswasser entstehen, ist das Lüften wichtig. Dann kann der Dampf gut abziehen. Allerdings gibt es auch Räume ohne Fenster. Und ob da die Lüftung immer effektiv ist? Deshalb geht wohl nichts daran vorbei, die Wände vernünftig zu isolieren. Wie hast du deinen Schimmel bekämpft? Ich habe die Tapete etwas mit dem Cutter angeschnitten, den befallenen Teil abgezogen und die Wand mit Chlorspray bearbeitet. War das richtig? Oder hätte ich da irgendwas anderes benutzen müssen? Damit hast du das Problem sicherlich an der Stelle bekämpft. Und wenn du schön aufgepasst hast, dass du nicht allzu viel von dem Spray einatmest, ist es sicherlich okay. Ansonsten sind natürlich solche aggressiven Mittel nicht ungefährlich Was kann ich stattdessen nehmen? Essig? Essig würde die Sache höchstens oberflächlich beseitigen. Denn bei Schimmel ist es wie bei allen anderen Pilzen auch: Du siehst nur einen Bruchteil des Gesamtlebewesens. Das meiste ist in oder unter der Tapete. Da kannst du mit Alkohol, Wasserstoffperoxid oder Aceton so viel wischen, wie du willst. Wahrscheinlich ist die Entfernung und Entsorgung der Tapete das Zuverlässigste, was du machen kannst. Ich habe noch ein anderes Problem im Schlafzimmer: meine Fenster. Die »schwitzen« im Winter so stark, dass man sie morgens trocken wischen muss. Ich vermute, dass das Isolierglas in euren Fenstern nicht mehr dicht ist. In den modernen Fenstern sind ja zwei bis drei Glasscheiben mit einem Hohlraum dazwischen eingebaut. Anders als beim traditionellen Doppelfenster befindet sich im Hohlraum zwischen den Scheiben ein Edelgas als Wärmedämmung. Entweicht das durch eine undichte Verbindung der Scheiben, ist die Wärmedämmung der Fenster deutlich geringer. Sprich: Die Scheiben sind kalt, wenn's draußen kalt ist. Und dann kondensiert der ausgeatmete Wasserdampf eben an den Fensterscheiben. So wie an der Tapete.
Ein Feuilleton-Kollege hat erzählt, er geht zum Konzert der Band Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs. Der Name muss irgendwas mit der »Bild«-Zeitung zu tun haben. Gab es mal einen Skandal um Brühwürfel in der DDR? Jein, es wurde einer gemacht. Allerdings ist das schon verdammt lange her. Es wundert mich eigentlich, wie eine Band, die aus den 80er Jahren stammt, zu so einer alten »Bild«-Zeitungs-Schlagzeile kam. Denn die ist von 1952. Oha. Hintergrund war, dass in der Mangelsituation kurz nach dem Krieg die sowjetische Besatzungsmacht die Großbetriebe, die noch halbwegs funktionierten, verpflichtete, auch Konsumgüter zu produzieren. Und beim späteren Chemiekombinat Bitterfeld erinnerte man sich daran, dass sie dort schon während des Krieges als Teil der IG Farben an Lebensmittelersatzstoffen gearbeitet hatten. Das konkrete Werk war Bitterfeld-Nord. Folgerichtig nannten sie ihr Produkt »Bino-Würze«. Und da hat offenbar jemand die Idee aufgebracht, wenn das aus dem Chemiebetrieb kommt, kann es eigentlich nur giftig sein. ... und Krebs erzeugen. Es wurde behauptet, dass ein Abfallstoff aus der Chemie in der Bino-Würze verarbeitet worden wäre. Wie bei vielen erfolgreichen Lügen war das eine Halbwahrheit. Es waren zwar Abfallstoffe drin, aber eben aus dem Lebensmittelbereich. Fisch- und Fleischabfälle, Knochen und nicht zu vergessen Horn, Kuhhorn. All das musste dann chemisch so behandelt werden, dass wasserlösliche Eiweiße rauskamen. Sonst wäre die Brühe einfach Pulver geblieben? Das wäre nicht einfach nur Pulver geworden, es hätte auch nicht den Würzeffekt gehabt. Bei dem Zersetzungsprozess entstehen verschiedene Endprodukte, darunter einzelne Aminosäuren wie zum Beispiel die Glutaminsäure. Und deren Salz Natriumglutamat ist ja der klassische Geschmacksverstärker. Und wenn heute irgendwo draufsteht ohne Geschmacksverstärker, aber mit Hefeextrakt, dann ist das praktisch dasselbe in Hellgrün. Ist das gar nicht besser? Nö, da Hefeextrakt nicht mehr die Hefe ist, sondern auch schon ein verarbeitetes Produkt, nimmt sich das in dem Punkt nichts. Und an welchem Punkt nimmt es sich was? Weil im Unterschied zur ursprünglichen Bino-Würze keine tierischen Bestandteile drinstecken. Maggi und Konsorten waren übrigens eine Antwort auf ein früheres Industrieprodukt. Die meisten Leute werden den Erfinder heute nicht mehr kennen – Justus Liebig, später dann von Liebig, Chemiker des 19. Jahrhunderts. Nach dem ist die Uni in Gießen benannt. Genau. Der hat nicht nur entdeckt, dass in der Hefe wertvolle Nährstoffe für die menschliche Ernährung stecken. Er erfand außerdem noch ein Produkt, das bis vor wenigen Jahren noch zu kaufen war: Liebigs Fleischextrakt. Und das hatte eine amüsante Vorgeschichte. Liebig hatte nämlich die Herstellungsmethode veröffentlicht. Und das las zufälligerweise ein Mensch, der kurz zuvor in Südamerika unterwegs war und in Uruguay riesige Rinderherden gesehen hat, von denen damals nur die Felle, also die Häute für Leder und natürlich die Haare für Filz und vielleicht noch die Knochen zur Gewinnung von Gelatine genutzt worden sind. Für die Gelatine soll der US-Konzern Eastman Kodak später sogar eigene Rinderherden gehalten haben, damit die Qualität der Filme konstant bleibt. Was für eine Verschwendung. Das Fleisch in den Mengen konnten die Argentinier und Uruguayer nie im Leben aufessen. Und Mitte des 19. Jahrhunderts gab es ja noch keine Kühlschiffe. Das heißt, ein erheblicher Teil des Fleischs wurde dort den Geiern überlassen. Und der Handelsreisende meinte, man könnte das Ganze industriell aufziehen und die preisgünstig verfügbaren Rindfleischmengen zu Extrakt verarbeiten. Tatsächlich ist das dann auch so gelaufen. Und Liebig hat seinen Namen dazugegeben. Ich weiß nicht, ob er dafür auch bezahlt worden ist. Heutzutage hätte man wahrscheinlich ordentlich Geld dafür kassiert. Diese Firma muss es bis 2014 noch gegeben haben. Damals habe ich die Gläschen noch bei der damaligen Galeria Kaufhof gesehen.
Die sieben Kontinente auf der Erde könnten in ein paar 100 Millionen Jahren zu einem großen Superkontinent werden. Wie passiert das? Die bewegen sich, das kann man durch GPS ziemlich genau messen. Die Kontinentränder bewegen sich derzeit zwischen ein und zehn Zentimetern pro Jahr. Das ist nicht rasend viel, wenn man bedenkt, wie groß die sind. Aber wir reden ja von Millionen Jahren, und Millionen von Zentimetern sind dann schon eine ganz andere Größenordnung. Es gab schon mal einen Superkontinent. Vor mindestens 300 Millionen Jahren gab es schon mal einen Kontinent, bei dem praktisch alle uns heute bekannten Landmassen verbunden waren. Die Idee, dass das so gewesen sein muss, ist schon recht alt. Als im 16. Jahrhundert die ersten halbwegs genauen Weltkarten entstanden sind, hat einer der Kartografen anhand der Küstenlinie von Südamerika und Westafrika geschlussfolgert, dass da wohl mal was zusammengehangen haben muss. Denn wenn man die Kontinente als Puzzlestücke nimmt und diese beiden zusammenlegt, dann sieht man eine ziemliche Passgenauigkeit. Und das gibt es woanders auch: Madagaskar beispielsweise hing ursprünglich am heutigen Afrika. Und als die Paläontologie entstand, also seit man ausgestorbene Pflanzen und Tiere aus alten Gesteinsschichten ausgräbt und datieren kann, hat man außerdem gesehen, dass gleiche Tier- und Pflanzenarten auf heute getrennten Kontinenten vorkamen. Die Evolutionstheorie ließe bei getrennten Lebensräumen größere Unterschiede erwarten. Inzwischen hat man sogar Saurierskelette in der Antarktis gefunden, die für wechselwarme Tiere definitiv ungeeignet wäre. Das heißt, die Antarktis muss als Kontinent früher wesentlich näher am Äquator gewesen sein. Wie und warum bewegen sich die Kontinentalplatten? Alexander von Humboldt glaubte, dass es einen katastrophalen Wasserdurchbruch gegeben haben müsse zwischen Afrika und Südamerika. Schon etwas früher hatte Benjamin Franklin vermutet, dass die Erdoberfläche als Kruste auf einer sehr dichten, zähen Flüssigkeit schwimmen würde. Damit wäre denkbar, dass sich Kontinente bewegen. Das ist relativ nahe an der Theorie des Österreichers Otto Ampferer, der postulierte, dass der flüssige Erdmantel unter der Erdkruste gewissermaßen aufwallt und dass diese Wallungen die Bewegungsenergie für die Kontinentalplatten liefern. Diese Theorie dominiert seit den 1960er Jahren als Erklärung für die von Alfred Wegener festgestellte Kontinentaldrift. Lässt sich vorhersagen, wohin sich die Platten bewegen? Das ist ein Schwachpunkt. Es gab vor einiger Zeit eine Untersuchung, in der geschaut wurde, warum Afrika und Südamerika nicht an einer anderen Stelle auseinandergezogen wurden. Denn es gibt auch eine alte Bruchzone von Libyen bis nach Nigeria. Und den neueren ostafrikanischen Grabenbruch vom Roten Meer bis zum Malawisee. Aktuelle Modelle sagen, dass sich dort die Erde weiter auseinanderschiebt, sodass irgendwann das Meer quer durch Afrika durchbrechen wird. Aber das dauert noch ein paar Millionen Jahre. Die Frage ist eh, ob es dann überhaupt noch Menschen gibt, die davon bedroht werden könnten. Könnten Menschen denn auf einem Superkontinent gut leben? Dessen Entstehung wäre auf jeden Fall mit erheblichen Veränderungen verbunden, die nach menschlichen Maßstäben katastrophal wären. Man muss zum Beispiel mit großräumigem Vulkanismus rechnen, der massive Erhöhungen der CO2-Konzentration der Erdatmosphäre zur Folge hätte, weit über dem, was wir bislang als menschliche Zivilisation verbrochen haben. Die mittlere Temperatur auf dieser entstehenden Superkontinentalplatte dürfte dann um die 40 Grad liegen. Das ist wahrscheinlich nur noch was für Echsen und Insekten.
Die Tage werden wieder grauer, und ich habe das Gefühl, dass einen das müde macht. Kann das sein? Das ist, wenn überhaupt, ein psychologischer Effekt. Es gibt ja auch Menschen, die bei kürzeren Tageslichtzeiten leichter depressiv werden. Es ist also weniger eine Frage von Bewölkung, sondern von Tageslicht. Dafür jedenfalls lässt sich ein medizinischer Zusammenhang finden. Denn bei weniger Sonneneinstrahlung produziert die Haut weniger Vitamin D, und das soll eventuell Depression begünstigen. Die Winterdepression, das ist mir ein Begriff. Aber Müdigkeit? Wüsste ich nicht. Es gibt ja eher die berühmte Frühjahrsmüdigkeit, die gerne zitiert wird und für die es schon Gründe gibt. Aber die sind jetzt im engeren Sinne auch nicht physiologisch, glaube ich. Im Herbst spielt eher die Unlust mancher eine Rolle, bei Regen rauszugehen; die Situation, dass man lieber im Bett bleiben würde, wenn man nur könnte. Hängt die Müdigkeit nicht mit der Melatonin-Produktion des Körpers bei Dunkelheit zusammen? Das könnte schon damit zusammenhängen, aber ich bin mir nicht so sicher, ob dieser Melatonin-Mechanismus tatsächlich tagsüber so stark ist. Jedenfalls wenn du genug schläfst. Wenn du permanent zu wenig schläfst – was ja in unserer Arbeitswelt nicht selten vorkommt –, dann braucht es sowieso nicht viel, um wieder müde zu werden. Zudem gibt es ja einen Haufen Leute, die durch Stress, den sie sich mit ihrer Arbeit aufhalsen, tatsächlich massive Schlafstörungen haben. Gleichzeitig setzt man sich dem Licht vieler technischer Geräte und sonstiger künstlicher Quellen aus. Es kommen viele Sachen zusammen, die auf diese Melatonin-Produktion Einfluss nehmen. Allerdings wäre in unserem Job dann eher zu befürchten, dass wir durch das Gucken auf tendenziell zu blau strahlende Monitore Einschlafstörungen hätten. Das blaue Licht bremst ja die Melatonin-Produktion. Weswegen Leuten mit Schlafstörungen auch geraten wird, zum Einschlafen weder Fernsehen laufen zu haben, noch auf irgendwelche Monitore von Handys, Tablets oder Notebooks zu gucken. Aber das sind alles nur kleine Bausteine in einem größeren Problemfeld, das, wie ich glaube, tatsächlich die Art und Weise ist, in der unser Arbeits- und Gesellschaftsleben organisiert ist. Die beeinträchtigt das Schlafverhalten. Viele Leute haben wahrscheinlich auch deswegen Schwierigkeiten einzuschlafen, weil unsere Städte ziemlich flächendeckend beleuchtet sind. Wenn du nicht gerade auf dem Land wohnst, wo man ja nachts bei klarem Wetter noch die Milchstraße sehen kann. In Berlin habe ich die Milchstraße überhaupt noch nie bewusst sehen können. Apropos: Es gibt ja Menschen, die ihren Schlaf mit Sternenkonstellationen in Verbindung bringen. Wie hältst du es damit? Das Einzige, was mir da einleuchtet, ist, dass Leute bei Vollmond schlechter schlafen, weil es dann eben verdammt hell ist. Alles andere ist Astrologie und, nun ja, weit entfernt von etwas, das ich für gesichertes Wissen halte. Gibt es denn Studien zu Schlafstörungen bei Vollmond? Mir ist keine geläufig, aber ich kenne das durchaus im Bekanntenkreis und in der Familie, dass manche Leute durch das Mondlicht zumindest schlechter einschlafen. Na, dann weiß ich jetzt Bescheid: Das graue Herbstwetter macht mich nicht wirklich müde, es sind eher andere Faktoren. Ich denke, dass es im Kern ein psychologisches Ding ist. Aber das Schlafverhalten ist so komplex. Das sieht man ja an den vielen Menschen, die mit den scheinbar gleichen Schlafstörungen zu kämpfen haben, aber zum Teil unterschiedliche Lebensweise und physische Konstitution haben. Ich fürchte, da ist eine wasserdichte Untersuchung ziemlich schwierig.
Steffen, zwei Fragen zu Beginn: Was sind Krankenhauskeime? Und welche Folgen können sie haben? »Krankenhauskeim« ist ein typisches Medienwort. In der Regel ist damit ein Bakterium gemeint. Ein Krankenhaus mit vielen Patienten auf engstem Raum ist ein ideales Gebiet für die Evolution von veränderten Bakterienstämmen. Übel ist vor allem, dass sie dabei auch gegen gängige Antibiotika resistent werden können. Und dann treffen sie auf Leute mit geschwächtem Immunsystem, in dem sich Bakterien und Viren verhältnismäßig leicht durchsetzen können. Das kann schwere Folgen haben: eine Sepsis zum Beispiel. Da führt die Infektion dazu, dass das Immunsystem gewissermaßen »durchdreht«. So stark, dass man daran sterben kann. Können diese Bakterien auch gesunde Menschen schädigen, beispielsweise Krankenhausbesucher? Wenn dein Immunsystem intakt ist, wird es wahrscheinlich mit den Bakterien fertig. Bedrohlich sind die »multiresistenten Keime« vor allem für Patienten selbst. Welche Rolle spielt der Einsatz von Antibiotika? Eine große. Es müsste eigentlich vor der Behandlung einer Infektion geprüft werden, ob es sich um eine bakterielle Infektion handelt und es deswegen sinnvoll ist, ein Antibiotikum einzusetzen. Denn ein inflationärer Einsatz verursacht Resistenzen, die inzwischen ein großes Problem darstellen. Die Behandlung der »Krankenhauskeime« ist dadurch schwieriger geworden. Was kann man in der aktuellen Situation tun? Mehr in Krankenhäusern putzen? Hygiene ist ohne Frage wichtig. Nur ist Gesundheit in Deutschland ein Geschäft mit knallharten Profitinteressen. Reinigungsarbeiten werden da oft an externe Unternehmen ausgelagert. Damit hat ein Krankenhaus kaum noch die Kontrolle, ob bestimmte Hygienevorgaben umgesetzt werden. Das ist in anderen Einrichtungen auch so, in Schulen beispielsweise. Wenn du die Probleme mit Schultoiletten meinst, so sind die wohl nicht erst mit dem Outsourcing dort aufgetreten – zumindest in den Großstädten nicht. Ich kann mich erinnern, dass auch in der DDR Berliner Schultoiletten gelegentlich, sagen wir: »speziell« waren. Und die DDR hatte kein kommerzialisiertes Bildungs- und Gesundheitssystem. Antibiotika werden bei uns nicht nur in der Medizin eingesetzt, sondern auch in der Tiermast. Und wir nehmen sie anschließend über die Nahrung auf. Gewöhnt sich der Körper also an die Antibiotika? Ich habe Zweifel, ob diese Argumentation wasserdicht ist. Zwar werden immer mal Spuren von Antibiotika in Schweine-, Kalb- und Geflügelfleisch nachgewiesen. Aber ob das schon die Resistenzen bei Erregern im Menschen auslöst, ist umstritten. Wenn es so einfach wäre, dann hätten die Niederländer ein genauso großes Problem wie wir. Denn das Land ist dicht besiedelt und es gibt eine intensive Viehwirtschaft mit riesigen Mastställen. Trotzdem haben unsere Nachbarn weniger multiresistente Bakterien in ihren Krankenhäusern. Die testen aber eben auch schon bei der Patientenaufnahme auf problematische Erreger und behandeln da sofort. Welche Alternative zu Antibiotika gibt es? Es gab Überlegungen, bestimmte Viren gegen Bakterien einzusetzen, sogenannte Bakteriophagen. Die Idee hatte der französische Mediziner Félix d'Hérelle zwischen den beiden Weltkriegen, fand aber damals im Westen wenig Unterstützung. Anfang der 1930er Jahre kam er auf Einladung Stalins nach Tbilissi, wo er gemeinsam mit dem befreundeten Georgier Georgi Eliava ein Institut für die Phagentherapie gründete. Eliava fiel 1937 den Stalinschen »Säuberungen« zum Opfer, doch die Forschungsarbeit seines Instituts stößt heute auch im Westen auf Interesse.
Steffen, zwei Fragen zu Beginn: Was sind Krankenhauskeime? Und welche Folgen können sie haben? »Krankenhauskeim« ist ein typisches Medienwort. In der Regel ist damit ein Bakterium gemeint. Ein Krankenhaus mit vielen Patienten auf engstem Raum ist ein ideales Gebiet für die Evolution von veränderten Bakterienstämmen. Übel ist vor allem, dass sie dabei auch gegen gängige Antibiotika resistent werden können. Und dann treffen sie auf Leute mit geschwächtem Immunsystem, in dem sich Bakterien und Viren verhältnismäßig leicht durchsetzen können. Das kann schwere Folgen haben: eine Sepsis zum Beispiel. Da führt die Infektion dazu, dass das Immunsystem gewissermaßen »durchdreht«. So stark, dass man daran sterben kann. Können diese Bakterien auch gesunde Menschen schädigen, beispielsweise Krankenhausbesucher? Wenn dein Immunsystem intakt ist, wird es wahrscheinlich mit den Bakterien fertig. Bedrohlich sind die »multiresistenten Keime« vor allem für Patienten selbst. Welche Rolle spielt der Einsatz von Antibiotika? Eine große. Es müsste eigentlich vor der Behandlung einer Infektion geprüft werden, ob es sich um eine bakterielle Infektion handelt und es deswegen sinnvoll ist, ein Antibiotikum einzusetzen. Denn ein inflationärer Einsatz verursacht Resistenzen, die inzwischen ein großes Problem darstellen. Die Behandlung der »Krankenhauskeime« ist dadurch schwieriger geworden. Was kann man in der aktuellen Situation tun? Mehr in Krankenhäusern putzen? Hygiene ist ohne Frage wichtig. Nur ist Gesundheit in Deutschland ein Geschäft mit knallharten Profitinteressen. Reinigungsarbeiten werden da oft an externe Unternehmen ausgelagert. Damit hat ein Krankenhaus kaum noch die Kontrolle, ob bestimmte Hygienevorgaben umgesetzt werden. Das ist in anderen Einrichtungen auch so, in Schulen beispielsweise. Wenn du die Probleme mit Schultoiletten meinst, so sind die wohl nicht erst mit dem Outsourcing dort aufgetreten – zumindest in den Großstädten nicht. Ich kann mich erinnern, dass auch in der DDR Berliner Schultoiletten gelegentlich, sagen wir: »speziell« waren. Und die DDR hatte kein kommerzialisiertes Bildungs- und Gesundheitssystem. Antibiotika werden bei uns nicht nur in der Medizin eingesetzt, sondern auch in der Tiermast. Und wir nehmen sie anschließend über die Nahrung auf. Gewöhnt sich der Körper also an die Antibiotika? Ich habe Zweifel, ob diese Argumentation wasserdicht ist. Zwar werden immer mal Spuren von Antibiotika in Schweine-, Kalb- und Geflügelfleisch nachgewiesen. Aber ob das schon die Resistenzen bei Erregern im Menschen auslöst, ist umstritten. Wenn es so einfach wäre, dann hätten die Niederländer ein genauso großes Problem wie wir. Denn das Land ist dicht besiedelt und es gibt eine intensive Viehwirtschaft mit riesigen Mastställen. Trotzdem haben unsere Nachbarn weniger multiresistente Bakterien in ihren Krankenhäusern. Die testen aber eben auch schon bei der Patientenaufnahme auf problematische Erreger und behandeln da sofort. Welche Alternative zu Antibiotika gibt es? Es gab Überlegungen, bestimmte Viren gegen Bakterien einzusetzen, sogenannte Bakteriophagen. Die Idee hatte der französische Mediziner Félix d'Hérelle zwischen den beiden Weltkriegen, fand aber damals im Westen wenig Unterstützung. Anfang der 1930er Jahre kam er auf Einladung Stalins nach Tbilissi, wo er gemeinsam mit dem befreundeten Georgier Georgi Eliava ein Institut für die Phagentherapie gründete. Eliava fiel 1937 den Stalinschen »Säuberungen« zum Opfer, doch die Forschungsarbeit seines Instituts stößt heute auch im Westen auf Interesse.
Steffen, hast du in diesem Jahr einen Maikäfer oder Junikäfer gesehen? Nee, keines von beiden. Könnte aber daran liegen, dass ich im Mai und Juni nicht in geeignetem Gelände war. Das letzte Mal sind mir solche Käfer wohl bei einer Radwanderung an der Neiße begegnet, das ist mindestens zehn Jahre her. Ich finde immerhin beim Kompostumgraben im Frühjahr diese dicken Larven. Wobei da auch andere Tiere draus werden können; das ist für den Nicht-Entomologen gar nicht so leicht zu unterscheiden. Es gibt jetzt eine Studie von der Uni Würzburg, in der es um Gründe für den Insektenschwund geht. Demnach liegt es vor allem an einer »Häufung ungünstiger Witterungsbedingungen« – also kurz gesagt am Klimawandel. Das könnte man natürlich so sehen. Allerdings denke ich, dass es eine einseitige Sicht ist. Selten ist ein Faktor allein bestimmend. Tatsächlich ist die Masse an Insekten in den letzten Jahrzehnten spürbar gesunken. Autofahrer wissen, dass sie ihre Frontscheiben kaum noch von Insekten säubern müssen. Ähnlich sieht es bei der Front von ICE-Zügen aus. Man kann aus der neuen Würzburger Studie sehr schön rauslesen, dass die Landnutzung – also intensive Landwirtschaft, Flächenversiegelung – mindestens so stark den Insektenbestand beeinflusst wie Wetterveränderungen. Sind bestimmte Arten besonders betroffen? Darüber erfährt man leider nicht viel, was auch daran liegen mag, dass Forschungsbudgets für den Bereich Biologie oft in Richtung Biochemie und Genetik umgeleitet worden sind. Es gibt ja kaum noch Entomologen an den Unis. Sind Aktionen von Naturschützern zum Insektenzählen eine echte Hilfe? Sie sind manchmal sogar die einzige Quelle. Das Tagfalter-Monitoring vom Umweltforschungszentrum Leipzig beispielsweise stützt sich auf ganz viele Hobbyentomologen. Also Leute, die auf festgelegten Gebieten ganz einfach zählen. Was bedeutet der massive Rückgang an Insektenmenge für die Nahrungskette? Einige Vogelarten sind nicht mehr so oft zu sehen. Amseln zum Beispiel, oder Finken. Und dann fehlen viele Insekten nicht nur als Futter, sondern auch als Bestäuber. Ob Klima oder Landnutzung – vor allem sind es menschengemachte Ursachen. Definitiv. Wenn man bedenkt, dass sich diese Entwicklung schon unter den anderthalb Grad Klimaerwärmung abspielt, die eigentlich nicht überschritten werden sollen, ist das sicher keine Stellschraube für schnelle Korrekturen. Eher die Art, wie wir Landwirtschaft betreiben, das Land versiegeln und die Parks pflegen. Also ob neben dem Rasen auch Platz ist für eine bunte Wiese. Von Schottergärten ganz abgesehen. An jedem Straßenrand kann es blühen. Da gibt es eine Untersuchung aus Berlin über begrünte Mittelstreifen auf Hauptstraßen. Man sollte denken, das ist ein miserabler Lebensraum. Aber es gibt dort eine ungewöhnliche Insektenvielfalt. Die sind da ziemlich unbehelligt von Tier und Mensch. Dazu kann jeder beitragen: Bauern am Feldrand, Mieter auf dem Balkon, Kleingärtner sowieso. Im Garten einer Freundin, die viele Pflanzen einfach wachsen lässt, habe ich mehr Hummeln verschiedener Arten gesehen als sonst in den letzten Jahren. Da muss man auch die Verwaltung des nd-Gebäudes FMP1 am Berliner Franz-Mehring-Platz loben. Auf dem neuen Vorplatz gibt es eine schöne Blühwiese. Ja, wenn auch mit Beton kombiniert. Aber die Wiese ist wirklich quietschbunt, das ist sehr erfreulich anzusehen. Und wenn man eine Weile hinschaut, sieht man, dass da auch allerhand Leben drin ist, was die Insekten betrifft.
Flüsse haben Niedrigwasser und in Seen bilden sich neue Inseln – der Osten Deutschlands scheint auszutrocknen. Was ist da los? Das ist nicht nur im Osten so. Auch der Rhein hat mitunter ziemlich wenig Wasser. Auf der Elbe ist das Problem ähnlich. Insgesamt ändern sich offenkundig mit dem Klimawandel auch die Niederschlagsmuster in Europa. Das bedeutet: weniger Wasser in Flüssen und Seen. Und das Problem ist im Osten schwerwiegender als in anderen Teilen Deutschlands. Für die Trinkwasserversorgung in Berlin ist der Müggelsee wichtig. Er wird bekanntlich durch die Spree mit Wasser versorgt. Jetzt sagen Experten, dass die Hauptstadt bald ein Trinkwasserproblem bekommt. Ist das Panikmache? Nein, das ist ein ernstes Problem. Es ist ja schon seit vielen Jahren bekannt, dass die Spree in ihrem Lauf massiv gestört wird durch den Braunkohleabbau in der Lausitz. Dort wurden riesige Löcher gegraben. Und um die nicht dauernd absaufen zu lassen, werden dort Unmengen Grundwasser abgepumpt. Das hat natürlich ein großes Grundwasserdefizit in der Region zur Folge. Wir haben davon in Berlin bisher nicht so viel gemerkt, weil das Grundwasser aus den Tagebauen in die Spree gepumpt wird. Inzwischen ist es eben so, dass im Sommer ohne diese Wasserpumpen der Fluss kaum noch Wasser führt. Das heißt also, der Klimakiller Braunkohle hat auch seine guten Seiten? Nein. Ein Kohlegroßkraftwerk verbraucht mehr Wasser als viele tausend Haushalte – vor allem für die Kühlung. Das dafür verwendete Wasser ist zwar nicht weg, weil es verdunstet. Aber es regnet Gott weiß wo ab. Und eben nicht unbedingt da, wo wir es brauchen. Es gibt den Plan, nach Ende der Tagebaue Wasser aus der Elbe zu pumpen und damit die Spree-Einleitungen zu ersetzen. Eigentlich nur dann, wenn die Elbe zuviel Wasser führt. Dann soll der Überschuss in die Tagebaurestlöcher gepumpt werden. Dort könnte es gewissermaßen als Reserve dienen und den Grundwasserspiegel anheben. Ein kluger Plan: Den Überschuss an der Stelle einleiten, wo das Wasser fehlt. Das wäre, wenn es so liefe, eine gute Idee. Man darf aber nicht übersehen, dass der Betrieb der vorgesehenen Pumpen sehr energieaufwändig wäre. Mir scheint, als ob das Problem ein anderes wäre: unser Pro-Kopf-Verbrauch an Wasser... … der übrigens in Dresden und selbst Berlin geringer als in Hamburg ist. Verstehe, der sparsame Ossi. Aber warum benutzt man beispielsweise kein Regenwasser für die Toilettenspülung? Gute Idee mit nur einem gravierenden Nachteil: Gerade in Großstädten wohnen die meisten Menschen in Mehrfamilienhäusern, zum Teil in ziemlich alten. Das heißt, du müsstest dort komplett neue Wasserleitungsnetze installieren. Der Aufwand ist erheblich. Was allerdings einfacher wäre: Bei vielen dieser älteren Häuser müssen die Dächer gemacht werden. Man könnte gerade da, wo die Besiedlung nicht ganz so dicht ist, die unsinnige Praxis, das Regenwasser von den Dächern in die Kanalisation zu leiten, beenden. Dafür müsste aber die ganze Kanalisation umgestellt werden. Das dauert vermutlich eine halbe Ewigkeit. Nicht unbedingt. Der Bau unserer jetzigen Kanalisation in Berlin hat keine 30 Jahre gedauert. Und bis dahin schränken wir uns drastisch ein: Am Sonntag ist Badetag. Dass man jeden Tag zweimal duschen muss, halte ich sowieso für Blödsinn. Schon aus dermatologischer Sicht.
Steffen, hast du den Kometen Nishimura schon gesehen? Nee, habe ich nicht. Da hätte ich in der Früh aufstehen und aufs Land fahren müssen, weil er nur ganz kurz vor Sonnenaufgang über dem Horizont zu sehen war. Der soll so grünlich sein. Ist das normal? Das ist offenbar die Spektralfarbe, die emittiert wird, wenn der Komet Dikohlenstoff abgibt, eine auf der Erde eher instabile, aber im Weltraum ziemlich häufige Variante von Kohlenstoff. Wenn er da so rumrast. Wenn er von energiereicher Strahlung bestrahlt wird. Die Sonne bietet ja so was. Mich hat irritiert, dass der Komet erst am 12. August entdeckt wurde. Der fliegt ungünstig für uns. Er wird die meiste Zeit von der Sonne überstrahlt und ist auch auf seinem erdnächsten Punkt ziemlich weit weg – rund 140 Millionen Kilometer – also ein schwaches Licht in der Nähe von einem sehr hellen. Es war wohl reiner Zufall, dass ein Mensch in Japan seinen Fotoapparat kurz vor Sonnenaufgang auf den Horizont gerichtet und dort einen Punkt gesehen hat, der da vorher nicht war. Steht nicht der ganze Himmel ständig unter Beobachtung? Der Himmel wird schon an vielen Stellen ständig beobachtet. Vor allem wegen sogenannter erdnaher Objekte aus der Asteroidengruppe, die gelegentlich in der Nähe vorbeifliegen. Und natürlich besteht die Gefahr, dass einer von denen hier unten aufschlägt. Offenbar kann uns einiges drohen, irgendwo hinter der Sonne. Ja, zumal die Beobachtungsprogramme nicht lückenlos sind. Auf der Südhalbkugel ist schon mal weniger geeignetes Festland, und es gibt weniger Länder, die das finanziell stemmen können. Dafür kann man etwa in der Atacama-Wüste sehr gut kucken. Ja, die liegt sehr hoch und sehr trocken. Aber auch auf der Nordhalbkugel gibt es gute Stellen, wie die Hawaii-Inseln, auf deren Gipfeln etliche Teleskope stehen. Wobei es beim letzten Krach gab, weil die indigene Bevölkerung reklamierte, der Berg sei heilig. Bei meiner tiefen Abneigung gegen alle Religionen für mich kein begeisterndes Argument. Aber du wirst nicht gefragt. Das ist zu erwarten. (lacht) Kann denn ein Komet der Erde so gefährlich werden wie ein Asteroid? Grundsätzlich ja. Er müsste hinreichend groß sein, was bei Kometen vergleichsweise selten ist. Vor Jahren hat man mal modellhaft durchgerechnet, was passieren würde, wenn ein wirklich großer Komet in einen Ozean stürzen würde. Das war doch ziemlich verheerend, wegen der großen Mengen an Wasserdampf und Wasser, die dann gleichzeitig in die Hochatmosphäre gestoßen würden. In Kometen ist ja alles Mögliche an gefrorenem Zeug drin. Die werden gern als »schmutzige Schneebälle« bezeichnet, weil sie aus vereisten Gasen und kleinteiligem Baumaterial aus der Urzeit des Sonnensystems bestehen. Könnte man sie denn auch aus der Bahn schubsen, so wie man es mit einem Asteroiden gemacht hat? Wahrscheinlich müsste man nicht mal schubsen. Es könnte reichen, wenn man sie mit irgendetwas Energiereichem beschießt. Sie sind ja wesentlich weniger massereich als die Asteroiden. Irgendwo las ich mal, sie hätten die Dichte von Kaffeeschaum. Man muss den Kometen nur früh genug entdecken. Je größer einer ist, desto früher ist er zu sehen. Übrigens hat man spät erkannt, dass es sich um eigenständige Himmelskörper auf mehr oder minder verlässlichen Bahnen handelt. Wobei Nishimura der Sonne sehr nahe kommt, vielleicht wird er durch die Gravitationskraft zerrissen und verschwindet auf Nimmerwiedersehen.
Ich bin über eine Schlagzeile gestolpert: Das Sonnenaktivitätsmaximum wird früher erreicht als erwartet. Wovon zum Teufel ist da die Rede? Die Sonnenaktivität sieht man – das heißt, mit bloßem Auge sieht man sie eher nicht, und mit Fernrohr sollte man sie sich auch nur mit entsprechenden Schutzmaßnahmen wie bei der Beobachtung von Sonnenfinsternissen in der Vergangenheit angucken, sonst sieht man hinterher gar nichts mehr – also die Sonnenaktivität zeigt sich daran, dass die Sonne Flecken kriegt. So was wie Pigmentflecken? Auf den ersten Blick ja. Nur dass der Grund und die Auswirkungen anders sind und die Flecken riesig. Da die Sonne ja ein paar hundert Mal größer ist als die Erde, sind die Flecken, die man von hier aus mit dem Fernrohr sieht, dann doch im Bereich etlicher tausend Kilometer. Okay, aber muss mich das interessieren? Weniger die Flecken als die Tatsache, dass mit den Flecken starke Veränderungen des Magnetfelds an der Sonnenoberfläche verbunden sind, die dann dazu führen, dass die Sonne größere Mengen an geladenen Teilchen in den Weltraum katapultiert, was man dann so freundlich Sonnensturm nennt. Und wenn uns so eine Welle von geladenen, hoch beschleunigten, hochenergetischen Teilchen auf der Erde erreicht, dann hat das durchaus Auswirkungen auf das Leben auf der Erde. Sonnenlicht kann stürmen? Nee, nee, das Licht nicht. Die Sonne kann einen Teil ihres Materials ausstoßen. Die Sonne ist ja, wie wir alle wissen, ziemlich heiß. So heiß, dass von den Molekülen – pardon: Atomen, Moleküle bilden sich noch nicht unter diesen Verhältnissen –, dass also die Atome, die sich bei dem Brennprozess in der Sonne, bei der Kernfusion, bilden, elektrisch geladen sind. Und wenn sich Ströme geladener Teilchen bewegen, dann ist das faktisch ein elektrischer Strom. Und wo ein elektrischer Strom fließt, entstehen. Im Falle der Sonne sehr starke Magnetfelder. Diese Magnetfelder können die geladenen Teilchen beschleunigen. Und wenn eine Unstetigkeit in der Magnetfeldverteilung auf der Sonnenoberfläche eintritt, wie sie ein Sonnenfleck darstellt, dann kann das dazu führen, dass Abermillionen solcher geladenen Teilchen ins All geschossen werden. Und wenn die Erde gerade dort ist, wo dieser Materiestrom hinschießt, was in vielen Fällen glücklicherweise nicht der Fall ist, dann passiert folgendes: Das Magnetfeld der Erde fängt die meisten geladenen Teilchen, die aus dem Weltall auf uns zuschießen, ein und macht sie damit in der Regel unschädlich. Wir haben also ein Schutzschild um uns rum? Das Magnetfeld ist unser wichtigster Schutz gegen die kosmische Strahlung. Wenn aber so ein massiver Materiestrom aus der Sonne auf das Magnetfeld trifft, dann kriegt dieser Schutzschild eine Delle. Das hat dann eine sichtbare Auswirkung, die Polarlichter, die sonst nur in der Nähe des Pols, also vielleicht bis Island, zu sehen sind. In extremen Fällen wie 1989 waren die in den USA sogar noch in Texas und in Florida sichtbar. Schön. Wo ist das Problem? Das ist ganz hübsch anzusehen, ja. Aber diese gleichen Teilchen treffen auch unsere Satelliten. 1989, bei dem letzten größeren Sonnensturm, mussten einige den Funkverkehr einstellen. Andere haben auch Schaden an der Elektronik genommen. Und was noch viel ärgerlicher ist: Diese Störungen im Erdmagnetfeld, das eingedellt wird und sich damit ändert, führen dazu, dass auf der Erde in Stromleitungen Spannungen induziert werden, die dort nicht hingehören. Mit dem Ergebnis, dass in Kanada, in Quebec, ein Teil des Stromnetzes neun Stunden lang ausfiel. Beim nächsten Sonnensturm könnte also richtig viel wichtige Infrastruktur ausfallen? Wenn uns ein größerer Strom wieder träfe, wäre der Schaden wahrscheinlich größer als 1989. Weil heute einfach viel mehr Elektronik an lebenswichtigen Stellen installiert ist und viel mehr vom Strom abhängt. Schon vor 150 Jahren sprühten in den USA infolge eines Sonnensturms die damals üblichen Drahttelegrafen Funken; teilweise wurden sogar die Papierstreifen in Brand gesteckt, auf denen die Telegramme getippt wurden. Können wir irgendwas tun, damit die Sonnenstürme nicht entstehen oder dass die uns nicht treffen? Nee, gegen Sonnenstürme können wir erst mal gar nichts machen. Wir müssen eher was dafür tun, dass unsere Infrastruktur robuster wird. Wenn sie – siehe das Stromnetz der USA, das haben wir ja gerade in Hawaii gesehen –, so vorsintflutlich ist, dass es noch nicht mal mit Bränden klarkommt, dann ist das schon übel. Und wenn es dann so wenig vernetzt ist, wie es in den USA zum Teil ist, oder in Kanada, dann ist das zumindest im Norden des Kontinents immer ein Problem. Je weiter südlicher, also näher an den Äquator wir kommen, desto weniger problematisch ist es. Dort ist der Schutz durch das Magnetfeld wesentlich effektiver. Wann war der stärkste Sonnensturm, der die Erde getroffen hat? Das kann man nur mithilfe von Methoden ähnlich der C14-Methode in der Archäologie feststellen. Das heißt, man kann gucken, ob bestimmte radioaktive Isotope, die sich typischerweise beim Eintreffen solcher Sonnenstürme auf der Erde bilden, ob die a) vorhanden sind, in einer bestimmten Eisschicht zum Beispiel, und b) wie hoch die Konzentration ist. Nach Daten aus dem Polareis traf wohl vor über 9000 Jahren der stärkste Sonnensturm die Erde. Da war mit Elektrizität noch gar nichts. Insofern wird es wahrscheinlich die eine oder andere Mutation bei Tieren und Pflanzen gegeben haben, die dann möglicherweise krankhaft, möglicherweise auch evolutionär effektiv war. Aber der Schaden hielt sich in Grenzen. Außer dass die Leute sich wahrscheinlich gewundert haben, wo sie überall Polarlichter sehen, die sie noch nie gesehen haben.
Steffen, in den Berichten neulich zu den Waldbränden in Griechenland war manchmal von Brandstiftung die Rede, manchmal nicht. Kann sich der Wald denn ohne menschliche Brandstiftung, sei sie absichtlich oder fahrlässig, entzünden? Kann er. In den Weiten Sibiriens und Kanadas brennen hin und wieder Wälder fernab jeder Siedlung. Und vor einigen Jahren hat eine Untersuchung zum Brandgeschehen weltweit gezeigt, dass in Afrika viel mehr Brandherde existierten als etwa in Südamerika. Ein Großteil lag in den Trocken- und Feuchtsavannen, wo es reicht, wenn in der Trockenzeit ein Blitz einschlägt. Ich dachte, eine Entzündung durch Blitze ist trotzdem nicht sehr wahrscheinlich, weil es bei Gewittern meistens regnet. Bei uns schon. Im trocken-heißen Klima sind Trockengewitter aber häufiger. Es gab ja auch schon Waldbrände, als die Menschheit noch nicht die ganze Erde bevölkert hat. Die wurden im Wesentlichen durch Blitze und durch Vulkanismus ausgelöst. Wenn irgendwo Lava runterläuft, fackelt zuverlässig ab, was im Weg steht. Dagegen wird selbst in der Wüste zur Mittagszeit die Entzündungstemperatur von Holz eher nicht erreichbar sein, die liegt bei 230 Grad Celsius. In Ray Bradburys »Fahrenheit 451«, was knapp 233 Grad Celsius sind, geht es zwar um Papier, aber Holz ist offenbar dicht dran. Dann brauche ich kein Feuer zum Entzünden? Weder Flamme noch Funken. Das mussten die Portugiesen lernen, als sie für schnellen Gewinn bei der Holzverarbeitung auf Eukalyptus aus Australien setzten: Ätherische Öle, die manche Bäume bei großer Hitze ausdünsten, bilden mit Luftsauerstoff eine ziemlich explosive Mischung. Ein weiterer Grund, den Klimawandel in Schach zu halten. Auch wenn wir bei solchen Temperaturen noch nicht ganz sind. Da werden wir so schnell auch nicht hinkommen. Da müssten wir schon Verhältnisse wie auf der Venus haben – und dann sind uns Waldbrände egal, weil wir eh schon lange verkocht sind. Bei den Bränden hieß es aber auch, es gebe Hoffnung auf niedrigere Temperaturen und deswegen ein Nachlassen des Feuers. Brennt ein Wald bei 40 Grad schneller als bei 25 Grad? Nee, im Kern geht es um die Trockenheit. In der Schweiz zum Beispiel gab es in den letzten Jahren relativ viele Winterbrände auf Südhängen, also an Stellen, wo es durch Wind und Sonne besonders trocken ist. Und im Winter haben die meisten Leute eine Waldbrandgefahr nicht auf dem Schirm ... Die berühmte Kippe, die jemand aus dem Autofenster schmeißt, ist immer noch der Klassiker. Im Sommer oder an stark besonnten Stellen macht sich auch eine brennspiegelförmige Glasscherbe exzellent. Das berühmte Brennglas gibt es also auch. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass dadurch Brände entstehen? Na, Flaschenscherben haben schon gute Voraussetzungen, wenn sie entsprechend liegen. Der Flaschenboden, zum Beispiel bei Sektflaschen, kann auch direkt als Linse dienen mit der starken Krümmung und dem dicken Glas. Da ist auch brennglasmäßig was zu holen. Schon vor 300 Jahren haben Leute mit großen Brennglaslinsen Metallschmelzen entwickelt. Heutzutage arbeiten solarthermische Kraftwerke damit, dass sie durch Brennspiegel an einem Punkt ein geeignetes Medium entsprechend erhitzen. Und die Wälder schützt man am effektivsten, indem man keine Menschen reinlässt? Wenn sie sich vernünftig verhielten, ginge es auch mit. Wir behaupten ja, vernünftige oder gar weise Menschen zu sein, Homo sapiens. Aber das halte ich für eine Übertreibung. Fantasy-Autor Terry Pratchett hat mal vorgeschlagen, den Menschen als Pan narrans zu bezeichnen, als Geschichten erzählenden Affen. Das trifft es genauer.
Bei mir im Schlafzimmer ist es ziemlich laut. Und zwar liegt das vor allen Dingen daran, dass ich schnarche. Warum ist das so? Wenn man schläft, entspannt man sich – und dummerweise entspannen sich dann auch die Zunge und das »Gaumensegel« im Mund. Schläfst du auf dem Rücken, dann fallen Zunge und Gaumensegel nach hinten und blockieren den Luftweg. Was im Luftweg rumliegt, wird von dem Luftstrom bewegt. Das verursacht dann diesen sägenden Ton. Wer ist betroffen? Es scheint so, dass vor allem Männer schnarchen. Denn Frauen haben bis zu den Wechseljahren durch die Hormonsituation eine höhere Grundspannung in den Muskeln im Mund. Außerdem begünstigt Übergewicht das Schnarchen. Denn durch mehr Fettgewebe verengt sich der Halsbereich. Auch übermäßiger Alkoholkonsum macht Schnarchen wahrscheinlicher. Denn der Alkohol lässt ebenso wie Schlaf- und Beruhigungsmittel Zunge und Muskulatur im Rachen erschlaffen. Und die Schlafposition ist mitentscheidend? Wenn du auf der Seite liegst und nicht auf dem Rücken, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass du schnarchst. Ausgeschlossen aber ist es nicht. Und auf dem Bauch? In der Theorie sollte man glauben, dass du dann kaum schnarchst. Allerdings kenne ich aus der eigenen Familie einen Fall, bei dem tatsächlich jemand besonders laut schnarcht, wenn er auf dem Bauch liegt. Das Schnarchen ist vor allem für den Partner lästig. Ist es auch gefährlich? Wenn man gleichmäßig schnarcht, dann ist das zwar nervig, aber ungefährlich. Anders ist das bei der sogenannten Schlafapnoe. Sprich: Wenn du immer mal Aussetzer im Schnarchen hast, plötzlich Ruhe ist und du anschließend hechelst wie ein Hund, der gerade gerannt ist, dann ist eine Untersuchung im Schlaflabor zu empfehlen. Wer diese Atemaussetzer im Schlaf hat, der ist in der Regel auch nach acht Stunden Schlaf noch müde. Weil er durch diese Atemaussetzer erstens eine verringerte Sauerstoffversorgung während des Schlafs hat. Und weil er zweitens – ohne dass man es unbedingt merkt – regelmäßig aufwacht. Was kann ich gegen mein Schnarchen tun? Belastbare Studien, was tatsächlich hilft, gibt es meines Wissens nicht. Interessanterweise scheint es zu helfen, ein Blasinstrument wie Trompete, Oboe oder Klarinette zu lernen. Denn dadurch bekommen die Muskeln, die im Schlaf erschlaffen, eine höhere Grundspannung. Ich will aber kein Instrument lernen. Ist dann eine Operation das letzte Mittel für mich? Nicht unbedingt. Da stehen Risiko und Nutzen meist nicht in einem allzu günstigen Verhältnis. Du kannst dir aber beispielsweise von einem Kieferorthopäden individuell eine Schiene anpassen lassen, die den Unterkiefer nach vorne zieht, während du schläfst. Dadurch verändern sich die Raumverhältnisse im Rachen. Das kann helfen. Von der Stange sollte die im Interesse der Zähne aber nicht sein. Kommt das Schnarchen nur bei Menschen vor? Wie ist es mit unseren nächsten Verwandten, den Affen? Ich habe noch nie etwas von einem schnarchenden Affen gehört. Es gibt sogar eine Theorie, wonach das Schnarchen der Preis des Menschen für die Fähigkeit der differenzierten Lautbildung beim Sprechen ist. Bei Hunden aber gibt es einige Rassen, die häufiger schnarchen. Das liegt vor allem an der Züchtung. Weil bei ihnen Nase und Mund verwachsen sind? Richtig. Die Möpse zum Beispiel haben sehr häufig Atemprobleme. Bei denen wurde das Schnarchen gewissermaßen eingebaut.
Es passiert immer mal wieder, dass man sich verletzt und plötzlich eine Wunde hat. Und es fasziniert mich, wie schnell Wunden heilen beziehungsweise dass sie überhaupt heilen. Was sind das für Superkräfte der Haut? Das kommt auf die Wunde an. Die ideale Wunde zum schnellen Heilen ist, wenn der Schnitt glatt und nicht zu lang ist. Da ist nämlich kein Gewebe verloren gegangen. Wenn der Schnitt auch noch frei von Keimen ist, dann infiziert sich da auch nichts. Und wenn dann gleich ein Pflaster draufkommt, dann heilt das relativ gut ab. Schlechter sieht es zum Beispiel bei Brandwunden aus. Aber das sind eigentlich keine offenen Wunden, oder? Ich denke da vor allem an Brandblasen. Das ist die nettere Variante. Ich habe mal als Jugendlicher den Fehler gemacht, mit Blei vermischtes Zinn in Gipsformen zu gießen und die Gipsformen vorher nicht ganz austrocknen lassen. Das Zinn ist dann auf dem feuchten Gips weggespritzt, und ein ganzer Flatschen ist mir auf den Finger geflogen. Das ist schlecht geheilt, und da habe ich jahrzehntelang eine Narbe gehabt. Das sind ja Wahnsinns-Experimente. Hast du damals etwas mit der Wunde gemacht? Ich habe das einfach verpflastert. Irgendwer hat mir sicherlich auch noch eingeredet, man soll irgendeine Brandsalbe draufmachen. Aber das ist meines Wissens Blödsinn. Doch kommen wir auf den Schnitt zurück: Wenn die Haut relativ nah zusammenbleibt, dann kommen da einfach Hautzellen zum Nachwachsen; die teilen sich an der Schnittkante, und das Ganze wächst relativ zügig wieder zu. Wenn es eine blutende Wunde ist, sieht die Sache noch ein bisschen anders aus. Dann gibt es eine Zwischenstufe, dass die Wunde erst mal durch gerinnendes Blut geschlossen wird. Um Bakterien fernzuhalten. Das Blut spült Fremdkörper aus und schließt dann mithilfe der Blutplättchen sukzessive die Wunde. Das ist ein Typ von Blutkörperchen – Thrombozyten heißen die –, die für die Blutgerinnung zuständig sind. Die einzelnen Hautzellen, die dann die Wunde schließen, können allerdings auch zur sichtbaren Narbenbildung führen. Das ist insbesondere dann das Problem, wenn die Wunde etwas größer ist. Da kommen Hautzelltypen zum Zuge, die sogenannten Fibroblasten, deren Name nicht ganz zufällig mit Fiber, im Sinne von Faser anfängt. Weil die nämlich ganz viele Bindegewebsfädchen oder -fasern produzieren, um die Wunde zu schließen. Die sogenannten Collagenfasern. Bei größeren Wunden wandern diese Fibroblasten in die Wunde ein und produzieren dort einerseits neue Hautzellen, andererseits eben diese Collagenfasern. Und das kann dann im ungünstigen Fall auch zu so einer überschießenden Reaktion führen. Und dann gibt es eben sukzessive einen Narbenaufbau, der nicht mehr so erfreulich ist, weil sich die ganze Narbe deutlich über die umgebende Haut erhebt. Könnte man sagen, bei Narben haben die Zellen zu viel gearbeitet? Bei großen Narben, ja. Sind sozusagen eine übertriebene Reaktion. Aber der Kern der ganzen Sache ist, dass das Narbengewebe nicht ganz dasselbe ist wie das, was die Haut vorher ausgemacht hat. Weil die Zusammensetzung der Zellen und ihre Struktur in den einzelnen Schichten anders sind. Eine Narbe schließt erst mal die Wunde, ist aber für längere Zeit kein gleichwertiger Ersatz für das, was da vorher war. Lässt sich denn der Heilungsprozess beschleunigen? Auf jeden Fall dient das Pflaster dem Schutz vor Dreck und Ähnlichem. In vielen Fällen hat es auch noch den Vorteil, dass es die Wunde zusammenzieht und damit durch besseren Kontakt der Wundränder das Zusammenwachsen befördern kann.
Immer mehr Rucola wächst am Straßenrand. Wo kommt der denn plötzlich her? Die ganze Geschichte mit Rucola als Salat hat eigentlich erst vor 20, 30 Jahren so richtig angefangen. Vorher war das nur ein Wege-Unkraut. Auch in Deutschland? Wir haben nicht grundlos einen einheimischen Namen für das Zeug: Rauke. Der am Straßenrand sieht aber mehr wie der scharf gezackte aus Italien aus. Das wäre kein Wunder. Schließlich und endlich wandern Pflanzen mit menschlicher Hilfe schon seit vielen Jahrhunderten durch die Welt. Du wirst die Rosskastanie sicherlich nicht für etwas Fremdes halten, aber die ist erst im 17. Jahrhundert, wahrscheinlich vom Balkan, eingeschleppt worden, von Diplomaten oder Händlern, die für ihre Parks zum Angeben mitgebracht haben, was sie schön fanden. Die Kehrseite der Botanischen Gärten in Europa. Was hast du gegen Botanische Gärten? Solange das dort bliebe, wäre alles unproblematisch. Aber es gibt Pflanzenarten, die sich mühelos weiterverbreiten, und das sind oftmals welche, die einheimische Arten verdrängen. Das kann zu erheblichen Störungen im Ökosystem führen. Sag mal ein Beispiel. Götterbäume. Die scheinen einerseits andere Pflanzen zu verdrängen, andererseits sind sie möglicherweise Träger von Pilzkrankheiten, die wiederum entfernt verwandte Bäume wie die Esche umbringen. Was wäre das Problem, wenn Rucola andere Straßenunkräuter verdrängen würde? Tja, da sind wir dann bei der ernsten Frage: Was ist ein Unkraut? Unkraut ist eine Pflanze nur für Leute, die Nutzpflanzen anbauen und denen eine andere Pflanze im Wege ist. Was dem einen sein Unkraut ist, ist dem anderen sein Nutzkraut. Löwenzahn kannst du als Unkraut betrachten, wird aber auch für Salate verwendet. Insgesamt ist die Vielfalt der Unkräuter rückläufig, wie überhaupt die Artenvielfalt. Es könnte ein Problem werden, dass künftig Arten dominant sind, die mit den gängigen Mitteln nicht mehr wegzubekommen sind. Kann ich Rucola vom Straßenrand essen? Jein. Die Pflanze selbst schon. Aber so wie sie am Straßenrand wächst, eher nicht. Die Straße ist nun mal der Platz, wo allerlei Fahrzeuge des Wegs kommen, die einen Haufen Dreck bringen. Und dazu kommt noch das eine oder andere Tier, das da draufpinkelt. Dreck kann man abwaschen und im Garten düngt man ja auch mit Pflanzenjauchen und Rinderdung. Gibt es Untersuchungen, wie belastet solche Pflanzen tatsächlich sind? Halb verbrannte Kohlenwasserstoffe aus dem Auspuff waschen sich ja nicht so leicht ab. Aber flächendeckende Untersuchungen dazu gibt es wahrscheinlich nicht. Die müsste irgendwer bezahlen, frei wachsende Kräuter fallen ja nicht unter die Lebensmittelüberwachung. Und dass bei der allgemeinen Begutachtung unserer Umweltbedingungen ausgerechnet die Straßenrandkräuter betrachtet werden, bezweifle ich. Pflanzen wachsen jedenfalls dort vermehrt, wo der Stickstoffanteil im Boden und in der Luft größer geworden ist. Und der Autoverkehr ist ja auch eine Quelle von Stickstoffüberdüngung. Das hat man meist nicht im Kopf. Meistens denkt man nur an Gülle und die sonstige Düngung in der Landwirtschaft. Ich denke da eher an Pinkelecken im Park, wo Brennnesseln besonders gut wachsen. Nicht zu vergessen die. Aber der Autoverkehr trägt maßgeblich zur Stickstoffüberdüngung bei, wie der VW-Skandal gezeigt hat. Das heißt, die Umstellung auf Elektromotoren wird auch das Straßenunkraut verändern? Es wird mit Sicherheit Veränderungen geben, wenn der Anteil an Stickoxide abgebenden Fahrzeugen stark rückläufig ist.
Welches Brot kaufst du am liebsten? Ein spezielles Mischbrot, 70 Prozent Roggen und 30 Prozent Weizen, also ein etwas dunkleres. Dafür kutsche ich durch halb Berlin bis zum Alex, weil bei mir in der Nähe praktisch kein Bäcker mehr existiert. Ist dir wichtig, ob Sauerteig drin ist? Eigentlich nicht. Es gibt aber Leute mit einer Hefe- oder Histamin-Unverträglichkeit. Für die ist reines Hefebrot nicht das Gelbe vom Ei. Was bei Roggen ohnehin nicht trivial ist, denn Roggen braucht Säure, sonst kommt die Hefe nicht richtig zum Zuge. Deshalb heißt der Sauerteig Sauerteig? Ja. Das hat damit zu tun, dass neben Hefen darin etliche Bakterien ihr Zuhause haben, die allen angebotenen Zucker zu Milchsäure verarbeiten. Woraus kann man Sauerteig herstellen? Aus allen möglichen Sachen. Neulich gab es einen Artikel über ein Sauerteig-Archiv, dort haben sie unter mehr als 100 Sorten auch ziemlich exotische Sachen. Zum Beispiel einen Sauerteig aus dem Libanon auf Grundlage von Kichererbsen und einen japanischen, der mit Reismehl angesetzt wurde. Schmeckt das Endprodukt danach? Das ist auch bei den verschiedenen Hefen zu vermuten. Entstanden ist die ganze Hefe-Backerei erst vor ein paar Hundert Jahren, weil vor allem in Deutschland die Bierbrauer ihre Hefen, die beim Brauen abfallen, den Bäckern gegeben haben. Alkoholismus hat also auch sein Gutes. Was heißt Alkoholismus? Das Bier hatte ja ursprünglich noch andere Funktionen. Es war dank Alkohol halbwegs keimfrei und führte nicht wie Flusswasser, in das alle Abfälle gekippt wurden, zu Infektionen. Warum braucht Roggenmehl Säure? Damit das Brot locker wird und nicht klumpig. Beim industriellen Backen hat man Säuren zugesetzt, aber nicht immer mit Erfolg. Mit den Säuren müssen sich die Hefen vertragen, was nicht so einfach ist. Beim klassischen Bäcker gehen Brotteige sehr lange, im Backautomaten zu Hause dauert das Backen zwei, drei Stunden. Was ist der Unterschied? In den Backmischungen für die Automaten hast du meist nur Hefe und verschiedene Enzyme. Das geht recht fix. Während der Teig beim Bäcker längere Ruhezeiten braucht, für das Fermentieren durch Bakterien und Hefen im Teig. Die Fachleute nennen das Teigführung. Schmeckt Sauerteigbrot besser – oder ist es nur anders? Ich meine, dass man das schmeckt. Beim Kaufhallenbrot musst du schon Glück haben, wenn es herzhaft und locker und auch nach zwei, drei Tagen gut essbar sein soll. Und nicht gleich austrocknet? Ja. Es gab mal eine Umfrage bei Sterneköchen nach ihrem Lieblingsbrot, und da waren mehrere dabei, deren Lieblingsbrot auch nach fünf, sechs Tagen gut, teils sogar besser schmeckte, selbst wenn es etwas hart wurde. Das kannst du bei den meisten Industriebroten vergessen. Stichwort Fermentieren: Ist das eine Frage des Geschmacks, der Haltbarkeit, oder ist es auch gesünder? Kommt drauf an. Ich meine, eine frische Gurke ist mit den Bitterstoffen in Schale und Kernen schlechter verdaulich als eine sauer eingelegte. Da hat auch Fermentierung mit Bakterien stattgefunden. Wie beim Wein gibt es auch Sommeliers fürs Brot. Wie beschreibst du ein Brot, das deinen Vorstellungen entspricht? Ach, du grüne Neune! Mir fällt es total schwer, Geschmacks- und Geruchswahrnehmungen in Worte zu fassen. Ich kann auch Weine ganz gut unterscheiden, aber das nicht auf den Begriff bringen. Es ist wie im Arbeiterlied: Es macht mich ein Geschwätz nicht satt, das schafft kein Essen her.
Ich kann mich nie entscheiden zwischen den Duschgels »High Vitality« und »Happy Freshness«. Was empfiehlst du? Da bin ich genauso ratlos, weil die im Prinzip, was die Waschfähigkeit angeht, das Gleiche enthalten. Was sie unterschiedlich macht, ist die Beimischung an Duftstoffen. Die Ratlosigkeit versuche ich dadurch zu bekämpfen, dass ich daran rieche. Aber auch das ist oftmals nicht von Erfolg gekrönt, offenbar ist meine Vorstellung von einem angenehmen Duft nicht massentauglich. Dass Badezusätze für die Wanne entspannen oder sonst was, kann ich mir noch vorstellen. Aber in den zwei, drei Minuten, die unser Wirtschaftsminister zum Duschen empfohlen hat ... Das Vollbad selber tut entspannungstechnisch nur einen Teil. Dazu kommen die Duftstoffe. Es gibt Gerüche, die uns anregen, solche, die uns beruhigen – und solche, die uns aufregen, natürlich auch. Inzwischen habe ich den Verdacht, es gibt von letzteren die meisten. Die Haut selber wird nur eingeweicht. Und von waschaktiven Komponenten entfettet. Also kommt der Effekt bei einem Vollbad durch den Geruch zustande? Ich dachte, das ist eher so wie Einreiben. Nee. Wenn du zum Beispiel ein Erkältungsbad nimmst, dann ist da mit ziemlicher Zuverlässigkeit Thymian drin, im Wesentlichen als ätherisches Öl, und damit sind wir in der Duftstoffecke. Wobei einige der ätherischen Öle eben auch antibakteriell wirken. Und beim Duschen? Duschgel ist doch an sich auch nur Seife. Jein. Du hast im Duschgel waschaktive Substanzen, aber das sind meist keine Seifen. Seife ist ja eine spezielle Chemie. Das sind Verbindungen von Fettsäuren mit Alkalimetallen. Steht auch häufig drauf, dass das Zeug seifenfrei ist oder nicht alkalisch. Offenkundig hat es unsere Haut lieber, wenn es etwas Richtung Säure geht. Oder pH-neutral, so wie Wasser. Wie reines Wasser. Wenn Salze drin gelöst sind, kann es auch in die eine oder andere Richtung tendieren. Unser Trinkwasser in Berlin ist zwischen neutral und leicht basisch, denke ich, weil wir viel Kalzium drin haben. Aber da, wo ich herkomme, in Bad Elster, gibt es eine Mineralquelle, die sich Elstersäuerling nennt. Deren Wasser schmeckt leicht säuerlich, was im Wesentlichen auf Kohlensäure zurückgeht. Das gibt es bei therapeutischen Bädern häufig auch, dass CO2 dazukommt. Ob das allerdings durch Säure oder die Bläschen belebt, weiß ich nicht. Übrigens, die Idee, sich mit Öl zu reinigen, ist nicht so neu. Was wir an Schmutz auf der Haut haben, ist in der Regel im Hautfett. Das kriegst du auch mit Öl ab, weil alle Fette in Fett löslich sind. Aber wenn man so ein Duschöl nimmt, schäumt es trotzdem ein bisschen. Dann hast du Tenside drin, also waschaktive Substanzen. Und die trocknen die Haut wieder aus. Dann ist ein Entfettungseffekt zu gewärtigen. Gemeint ist ja nicht, dass der Haut das Wasser entzogen wird, sondern dass Fett entzogen wird, was dann das Austrocknen begünstigt. Die normale Haut ist von einer dünnen Schicht Hautfett, das aus den Talgdrüsen kommt, und abgestorbenen Hautschuppen überzogen, die eine Art Schutzschicht darstellen. Und darin ist dummerweise auch der Dreck. Wogegen schützt die Schutzschicht? Gegen Stoffe, Gase aus der Luft und natürlich gegen Wasser. Die Haut ist nicht nur unser größtes Organ, sie ist gewissermaßen der äußere Schutzmantel des Körpers. Nur der Wärmeschutz fehlt, weil uns das Fell im Verlaufe der Evolution verloren gegangen ist, das die näheren Verwandten im Dschungel noch haben. Die Haut hat vielfältige Funktionen, die man mit zu viel, zu heiß und zu seifig duschen beschädigen kann. Wie ist es mit gar nicht duschen? Für die Haut nicht unbedingt schädlich. Es wird nur auf die Dauer etwas geruchsintensiv. Und diese Gerüche gelten nicht als angenehm. In früheren Jahrhunderten war man da weniger empfindlich.
Ein nd-Leser fragte, warum die Kräne heute oft anders aussehen als zu DDR-Zeiten. Damals habe es vertikal schwenkbare Ausleger gegeben, heute fast nur noch starre Ausleger mit Laufkatze, einem fahrbaren Seilzug. Stimmt das? Partiell. In meiner Kindheit, in den 60er Jahren, würde ich sagen ja, auch noch in den 70ern. Aber beispielsweise am früheren »Hotel Stadt Berlin« am Alexanderplatz war ein Kran mit starrem Ausleger und Laufkatze im Einsatz. Weil die Erinnerung täuschen kann, habe ich befreundete Architekten gefragt. Die meinen, dass schon in den 70ern überwiegend die starren Ausleger üblich gewesen seien. Auf alten Fotos im Internet finde ich beim Bau der Hochhäuser in der Leipziger Straße solche mit starren Auslegern, beim Palast der Republik dagegen die Kräne, von denen unser Leser sprach. Also ist es weniger eine Ost-West- als eine Frage der technischen Entwicklung? Teils, teils. Kräne mit starren Auslegern gibt es schon ewig. Auf dem berühmten Gemälde »Der Turmbau zu Babel« von Breughel sind Kräne zu sehen. Ein Wimmelbild, aber das Original im Kunsthistorischen Museum Wien ist ziemlich groß. Diese Kräne sind starr und wurden mit Menschenkraft bewegt. Da war ein Laufrad drin und ein Flaschenzug. Die beweglichen Ausleger kamen, soweit ich weiß, erst im 20. Jahrhundert auf. Und die starren Ausleger mit Laufkatze sogar erst in den 60er Jahren. Anscheinend zuerst bei den Franzosen. Was kann der eine Typ, was der andere nicht kann? Mit dem beweglichen Ausleger braucht man in der Regel viel mehr Zeit, um mit einer Last einen beliebigen Punkt im Raum zu erreichen. Wenn du den Ausleger jedes Mal hochleiern musst und wieder runter, dauert das viel länger als mit der Laufkatze am waagerechten Ausleger. Die kriegt die Last auch einfacher nahe am Mast unter. Vorteile haben beide, es kommt auf den Zweck an. Die schrägen Ausleger können beispielsweise Hindernisse leichter umgehen. Beliebte Frage: Was tut ein Kranführer oben in der Kanzel, wenn er mal muss? Das muss er gut planen. Bei den hohen Kranen muss man ein ganzes Stück klettern. Oder eine starke Blase haben. Ich fürchte schon. Es gab aber auch Kräne, deren Kanzel hoch- und runterfahren kann. Kräne sind eine alte Erfindung, schon in der Antike gab es Vorläufer. Jein. Das Wort Kran leitet sich von Kranich ab, wohl wegen dessen Hals. Diesen Wortzusammenhang gab es schon bei den alten Griechen. In der Antike spielte zunächst der Flaschenzug eine Rolle, wenn es um große Lasten ging. Immerhin haben sie damals schon imponierende Gebäude errichtet. Ich war neulich im Pergamonmuseum, vor der nächsten langen Schließung. Da stehen zwei Säulen des Jupiter-Tempels von Baalbek. Noch gewaltiger sind in Baalbek die Fundamente des Tempels mit den drei größten je verbauten Steinen. Größer als alles, was bei den Pyramiden war. Keine Ahnung, wie sie die damals bewegt haben. Für den Schweizer Ufologen Erich von Däniken war das ja Beweis dafür, dass das Außerirdische gewesen sind. Die Säulen sind aus rotem ägyptischen Granit. Unglaublich, wie sie die ohne Schwerlasttransporter aus Ägypten bis ins Landesinnere des heutigen Libanon gekriegt haben. Leonardo da Vinci hat im 15. Jahrhundert einen Doppeldrehkran entworfen. Ziemlich revolutionär. Der hat sich auch Flugmaschinen ausgedacht, Fallschirme und einen Vorläufer des Hubschraubers – alles Sachen, die man damals gar nicht bauen konnte. Beim Doppeldrehkran mit Auslegern nach beiden Seiten hat er gleich noch elegant das Problem des nötigen Gegengewichts gelöst. Wie heißt es richtig: Kräne oder Krane? Der Duden erlaubt beides. Die Fachsprache legt sich auf Krane fest, die Alltagssprache tendiert zu Kräne.
Steffen, wie spät ist es? Drei viertel sieben. Heißt also Viertel vor sieben. Genau, 18.45 Uhr. Das ist wie beim Glas: Wenn das drei viertel voll ist, sagt man auch nicht, es ist Viertel vor voll. Insofern ist das von einer gewissen Logik. Ich habe mich gefragt – so wie Leserinnen und Leser dieser Rubrik –, ob das eigentlich so ein Ost-West-Ding ist. Ich bilde mir ein, ich habe deine Variante auch schon von Süddeutschen gehört. Da bildest du dir nichts Falsches ein. Aber ich habe mal von einer Untersuchung gehört, da haben sie Ost- und Westdeutsche befragt über sprachliche Eigenheiten der jeweils anderen. Und da gab es tatsächlich die Vorstellung, dass diese Drei-Viertel-Variante eine ostdeutsche wäre. Aber es gibt sie auch in Süddeutschland. Genau. Ebenso meinten viele Ostdeutsche, »Grüß Gott!« wäre was typisch Westdeutsches. Aber das ist auch was Süddeutsches. Das verläuft wohl nicht entlang der gleichen Sprachgrenze wie der zwischen viertel sieben und Viertel nach sechs. Offenbar nicht. Wobei ich auf eine interessante Frage auch keine Antwort gefunden habe: ob das auf Einflüsse unserer westlichen Nachbarn zurückgeht. Die tendieren ja eher zu der Variante, die in Norddeutschland gebräuchlich ist. Also ist eher »viertel voll« ein Alleinstellungsmerkmal bestimmter Regionen. Das hat wahrscheinlich was mit der jahrhundertelangen Kleinstaaterei hierzulande zu schaffen; bestimmte Sachen waren ja bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf Landesebene geregelt. Da war der Fürst Gesetz. Wobei verblüffend ist, dass es in Mecklenburg und Vorpommern eben auch diese Drei-Viertel-Variante gibt, obwohl die Regionen ansonsten sprachlich mehr mit den Norddeutschen weiter westlich verwandt sind. In einem meiner Lieblingsbücher, »Das Büro« von J. J. Voskuil, geht es zwar um Volksbräuche. Aber da haut es auch nie so ganz hin, wenn die Forscher versuchen, danach Karten zu zeichnen. Wahrscheinlich gab es doch immer zu viel Austausch zwischen den einzelnen Gebieten, sodass es irgendwie durcheinanderging. Bestimmte Veränderungen zeichnen eine lebendige Sprache halt aus. Nur tote Sprachen ändern sich nicht mehr. Aber gibt es denn im Osten das Gefühl, dass sich die Westvarianten durchsetzen? Ich habe den Eindruck, dass manche ein bisschen empfindlich reagieren bei bestimmten Formulierungen. Sonnabend oder Samstag ist auch so etwas. Und bei »Weihnachten« wird's richtig knifflig: an oder zu? Da teilt sich die Bevölkerung ganz offensichtlich. Für mich sind das ja zwei verschiedene Bedeutungen. Ich würde sagen, ich fahre zu Weihnachten weg, aber ich bin an Weihnachten bei meinen Eltern. Das eine ist eher draufzu und das andere währenddessen. Im Duden steht wahrscheinlich jeweils beides, oder? Ich nehme an, dass es da kein Richtig oder Falsch gibt. Aber um noch mal auf die Uhrzeit zurückzukommen: Wir hatten es ja schon mit den Gläsern, und das ist wahrscheinlich ein Relikt aus der Sanduhrzeit. Die wurde ja stündlich gedreht, die alte Sanduhr, und war dann eben viertel, halb und drei viertel voll. Aber die Sanduhr wurde ja überall irgendwann durch die Kirchenuhr ersetzt. Das kann damit zusammenhängen, wo sich genauere Uhren zuerst durchgesetzt haben. Im 18. Jahrhundert bauten die Engländer bessere Uhren als die Kontinentaleuropäer, und dann die Franzosen. Bis das mit den Schwarzwälder Uhren so toll wurde, hat es noch ein bisschen gedauert.
Steffen, sprechen wir einmal über TV-Effekte. Du hast mir von deiner Fernsehjugend in den frühen 70er Jahren berichtet. Bei Rock- und Jazzkonzerten gab es ein merkwürdiges technisches Problem: Die Schlagzeuger trommelten offenbar schneller, als man ihre Trommelschläge sehen konnte. Hast du für dieses Phänomen inzwischen eine Erklärung? Das hängt wohl damit zusammen, dass die Bildaufnahmefrequenz der damaligen Kameras und die Frequenz, mit der die Leute da teilweise trommelten, nicht zusammengepasst haben. Wenn manche Schlagzeuger mit 240 Beats per Minute trommeln, aber Filmbilder mit 24, Fernsehbilder mit 25 Bildern pro Sekunde aufgenommen werden, dann erklärt diese Diskrepanz vermutlich meine Beobachtung. Man kennt ja auch den filmischen Effekt bei sich drehenden Speichenrädern oder Propellern – den Eindruck, dass sie sich rückwärts drehen. Wo ist dir das bei der Musik zuerst aufgefallen? Mitte der 70er lief mal ein Konzert von Doldingers Passport zu einem Bandjubiläum. Der hatte zu der Zeit zwei ausgesprochen fixe Schlagzeuger: Pete York und Curt Cress. Die trommelten da unglaublich raffiniertes Zeug. Noch unglaublicher war nur, dass ich überhaupt nicht sah, was ich da hörte. Selbst wenn die Kamera mal auf das Schlagzeug hielt. Theoretisch müsste das für die anderen Instrumente auch gelten. Ja, aber kein Mensch spielt so schnell Gitarre. Noch nicht mal John McLaughlin oder Alvin Lee. Da ist ein anderer Bewegungsablauf. Und dann sind die Töne natürlich länger. Der Ton einer Trommel ist sehr kurz. Kannst du dich denn bei diesen alten Sendungen noch an Effekte erinnern, die wie eine Art optisches Echo wirkten? Ich kann mich erinnern, dass bei einem Johnny-Winter-Auftritt im »Beat-Club« Schatten entstanden, die seinen Bewegungen hinterherzulaufen schienen. Und an Effekte wie Pseudo-Solarisation: Wenn du etwas heller machst, als es eigentlich sein soll, und das dann mit dem Originalbild überblendest – so ein Effekt wie bei einer Sonnenfinsternis am Rand. Haben die das mit Farbfiltern hinbekommen? Filter vielleicht auch. Aber hauptsächlich haben die wohl Bilder überlagert mit Bildern, die vom Studiomonitor abgefilmt wurden. Zu der Zeit spielten die Bands in der Sendung zwar kaum noch Playback, aber ich bin nicht sicher, ob die damals immer live gesendet haben oder noch Zeit für Nachbearbeitungen war. Der »Beat-Club« war dein Schlüssel zur Popmusik, oder? Zur Rockmusik. Die Sendung hat mich erfolgreich vom Mainstream-Pop abgebracht. Durch welche Bands beispielsweise? Da spielten Frank Zappa and the Mothers of Invention. Oder MC5, die man als eine der Urmütter des Punk betrachten kann. Und Chicago war damals noch nicht diese weichgespülte Popband, die sie dann Mitte der 70er wurden. Um noch mal auf diesen Verzögerungseffekt zurückzukommen: Den hat man zu Hause beim WLAN ja auch, wenn man den Raum wechselt. Das ist wieder was anderes. In Netzwerken hast du gewisse Latenzen, wie man so schön im Techniker-Deutsch sagt. Da sieht man bei einem Fußballspiel das Tor über Satellit, noch bevor es über DVB-T2, Breitbandkabel oder im Internet-Livestream kommt. Was sich im Fernsehen enorm verbessert hat, ist die Bildauflösung. Du kannst jetzt die Gesichtsfurchen des Schlagzeugers bestens erkennen. Ja, und der Zustand von Jagger und Richards ist heutzutage viel besser zu beurteilen. Die hatten damals allerdings auch noch nicht ihre ganzen Falten.
Ich habe eine neue Armbanduhr, die mich etwas verwirrt: Sie leuchtet an sich nicht im Dunkeln, beziehungsweise nur dann, wenn durch einen Türspalt noch etwas Licht fällt. Mach ich die Tür ganz zu, leuchtet nichts. Kann das sein? Wenn deine Uhr Leuchtmarkierungen trägt, brauchen die helles Licht, damit sie später im Dunkeln noch leuchten. Wie trägst du deine Uhr? Unter dem Hemdsärmel? Ja. Wenn, wie es im Winterhalbjahr der Fall ist, die Uhr die meiste lichte Zeit unterm Ärmel verbringt, dann passiert da natürlich nichts. Du meinst, die Ziffern würden sich andernfalls mit Licht aufladen? So könnte man das formulieren. Diese sogenannten Leuchtfarben, genauer Nachleuchtfarben, nutzen einen Effekt, der schon ziemlich lange bekannt ist, wenn auch, als er entdeckt worden ist, wahrscheinlich noch kein Mensch verstanden hat, wie er funktioniert. Es gibt Berichte aus dem 17. Jahrhundert, wonach ein Mensch in Bologna einen Leuchtstein gefunden haben, besser gesagt, hergestellt haben soll. Der war Zauberer oder Chemiker oder was? Wahrscheinlich Alchimist. Und wie Alchimisten das gemacht haben, hat er wohl verschiedenste Sachen zusammen erhitzt und bei einer Kombination kam eben Bariumsulfid heraus, eine Verbindung aus dem Schwermetall Barium und dem Element Schwefel. Viele Sulfide besitzen die Fähigkeit zu leuchten, wenn sie in helles Licht kommen. Zinksulfid kann so was auch, Calciumsulfid und eben auch Sulfide von Barium und Strontium. Und das ist in meiner Uhr drin? Etwas in der Art. Inzwischen nimmt man eher Verbindungen mit Seltenerdmetallen. Früher verwendete man auch Mischungen aus luminiszierenden Substanzen und Radium. Dann war die Uhr radioaktiv. Sie strahlte und leuchtete immer. Als Universalgelehrter der nd.Redaktion weiß der Wissenschaftsredakteur Dr. Steffen Schmidt auf fast jede Frage eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eben eine andere. Alle Folgen zum Nachhören auf: dasnd.de/schmidt Als Universalgelehrter der nd.Redaktion weiß der Wissenschaftsredakteur Dr. Steffen Schmidt auf fast jede Frage eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eben eine andere. Alle Folgen zum Nachhören auf: dasnd.de/schmidt Als Universalgelehrter der nd.Redaktion weiß der Wissenschaftsredakteur Dr. Steffen Schmidt auf fast jede Frage eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eben eine andere. Alle Folgen zum Nachhören auf: dasnd.de/schmidt Wie kommt heute Leuchtfarbe aufs Zifferblatt? Maschinell und ohne Radioaktivität. Es gibt aber auch einen Schweizer Hersteller, der Tritium, das radioaktive schwerste Isotop des Wasserstoffs, in winzigen Glasröhrchen unterbringt, die mit Leuchtstoff beschichtet sind. Und der leuchtet durch die Bestrahlung des Tritiums auch ohne Anregung durch Sonnenlicht. Für Taucheruhren ist das ganz sinnvoll. Und deine Uhr, kann die leuchten? Nee, meine leuchtet gar nicht. Du brauchst nachts keine Uhrzeitinformation? Dafür habe ich ja den Wecker. Und wenn ich bei dem auf den Knopf drücke, dann wird das Zifferblatt beleuchtet. Und noch eine Spezialfrage: Glaubst du, Linkshänder tragen die Uhr links oder rechts? Linkshänder werden die wohl eher rechts tragen. Wenn du schon mal versucht hast, die Uhr mit einer Hand am Arm festzumachen – das macht sich mit der Leithand immer besser.
Kürzlich habe ich gelesen, dass weltweit die Hälfte aller Seen von Austrocknung bedroht wäre. Das ist schlimm. Aber was wird aus ihrem Wasser? Bleibt dessen Menge nicht immer gleich auf der Erde? Die Menge des H2O bleibt zweifelsohne gleich, bis auf kleine Verluste, die aus der Atmosphäre ins Weltall abgehen. Aber die Süßwassermenge, und das ist ja das, was die meisten dieser Seen auszeichnet, sieht man jetzt mal vom Großen Salzsee in Utah ab oder dem Toten Meer, die auch schrumpfen, die ist keineswegs so konstant. Was ins Meer gelaufen ist, das ist erst mal buchstäblich versalzen. Wird es jemals wieder süß? Wenn Wasser über dem Meer verdunstet, dann regnet es in Wolken über dem Land wieder als Süßwasser ab, das Salz bleibt im Meer. In der Schule haben wir das so in Geografie gelernt: Aber so schlicht ist es nicht. Erstens geht ein Großteil dieses Wassers als Regen auch wieder über dem Meer nieder und zweitens kommt der Regen natürlich nicht überallhin, wie wir gerade in Nordostdeutschland sehen: Östlich der Elbe sieht es ja momentan wieder staubtrocken aus. Natürlich schrumpfen nicht alle Seen, nur weil das Wasser verdunstet. Manche schrumpfen einfach deswegen, weil nicht so viel Wasser nachläuft, wie abgepumpt wird. Das kann man hier im Berliner Umland sehen, wo immer mehr neue Eigenheimsiedlungen gebaut worden sind und folglich mehr Grundwasser für die Trinkwasserversorgung abgepumpt wird. Da die Masse der Eiszeitseen im norddeutschen Flachland grundwassergespeist sind, macht sich ein sinkender Grundwasserspiegel in den Seen nach einiger Zeit bemerkbar. Was passiert mit dem Wasser beim Austrocknen? Wenn das Wasser verdunstet, dann ist es in der Luft, als Wasserdampf, der ist gasförmig. Und je wärmer die Luft ist – damit sind wir dann wieder beim Klimawandel – desto mehr Wasserdampf kann die Luft für sich behalten, ohne dass der wieder auskondensiert. Aber irgendwann wird es doch zur Wolke und regnet ab? Wenn die warme Luft mit dem Wasserdampf aufsteigt in kältere Luftschichten, wird eine Wolke daraus und dann kommt das Wasser wieder runter. Allerdings oft eben nicht dort, wo es herkommt. Welche Seen sind hinüber? Ein krasses Beispiel ist der Aralsee in Mittelasien, der sechs- oder siebenmal so groß war wie die beiden Reste, die es heute noch gibt. Weil die beiden größten Zuflüsse für die Bewässerung in der Landwirtschaft angezapft wurden. Dem Tschadsee in Afrika geht es seit den 1970er Jahren ähnlich. Dessen Wasserstand schwankte allerdings seit jeher stark. Und in Deutschland? Bei uns hat in der Vergangenheit eher die Verlandung durch Eutrophierung, also durch Überdüngung, eine Rolle gespielt. Dass also immer mehr Pflanzen im See wachsen, sodass flache Seen zum Sumpf werden. Den Prozess gibt es zwar schon ewig. Aber mit den größeren Stickstoffmengen aus Landwirtschaft und Verkehr im 20. Jahrhundert wurde er beschleunigt. Eine Fantasie wäre das Umleiten der Wolken. Man kann sie gezielt abregnen lassen, indem man Silberjodid oder ähnliche Substanzen als Kondensationskeime in die Wolken schießt. Das ist keine Hexerei und wurde früher vor den Militärparaden auf dem Roten Platz in Moskau so gemacht. Wolken verschieben wäre besser. Theoretisch ja. Allerdings, wenn ich sehe, wie unsere Naturbeeinflussungsmaßnahmen in den vergangenen Jahrhunderten gelaufen sind, habe ich den unguten Verdacht, dass wir irgendeine unerwartete und ganz gewiss unerwünschte Nebenwirkung bekommen und dann entweder im Regen stehen oder gänzlich auf dem Trockenen sitzen. Deshalb haben auch viele Klimaforscher starke Vorbehalte gegen derartige Wetterbeeinflussung.
Die neueste Geschäftsidee des berühmt-berüchtigten Elon Musk ist eine Firma namens Neuralink, die Chips ins Gehirn implantieren will, um Menschen zu helfen, die sich nicht oder nur wenig bewegen können. Was hältst du davon? Der gute Herr Musk ist vor allem ziemlich gut darin ist, Krach zu schlagen. Ein Ankündigungsweltmeister eigentlich. Ja, da ist er ganz super. Wobei er natürlich mit zwei Ideen zu Erfolgen kam: Mit seiner Raketenfirma SpaceX hat er einen Großteil der staatlich geförderten Raketenhersteller ziemlich erbarmungslos abgehängt. Und mit seiner E-Autofirma Tesla hat er die weltweite Autoindustrie ziemlich düpiert. Das sind sozusagen die Vorschusslorbeeren für Investoren. Er hat allerdings auch schon Ideen erst aufgeblasen und dann wieder fallen gelassen, wie zum Beispiel »Hyperloop«, diese hübsche Rohrpost für den Personentransport. Ein Geistesblitz am Rande. Da hatte er auch eine bereits ältere Idee aufgegriffen. Ebenso die mit den Implantaten. Mit dem Konzept, direkt etwas Elektronik an die Nerven anzukoppeln, wenn irgendeine Körperfunktion eben tatsächlich nicht mehr funktioniert, ist er nicht der Erste. Das fing schon mit den sogenannten Cochlea-Implantaten an. Cochlea? Das ist ein anderes Wort für die Hörschnecke. Wenn dieser Teil des Innenohrs kaputt ist, durch Unfälle oder schon von Geburt an, dann gibt's die Möglichkeit – vorausgesetzt, der Hörnerv ist intakt –, einen Chip einzubringen, der die Nervenfasern anregt, das Hörsignal zu verarbeiten. Das gibt es seit den 80er Jahren. Komplizierter ist es aber, wenn bei Querschnittslähmung die gesamte Verbindung zwischen dem Gehirn und dem Rest des Körpers abgerissen ist. Es gab mal einen Mediziner, der hatte die hochgradig schräge Idee, man könnte doch einfach den Kopf eines kranken Körpers auf den eines toten, aber intakten Körpers transplantieren. Klingt nach Gruselfilm. Das ist zum Glück bislang reine Theorie geblieben. Was eben auch damit zusammenhängt, dass das Rückenmark, das bei Querschnittslähmungen ja beschädigt ist und das bei so einer Kopftransplantation verbunden werden müsste, aus Millionen Nervenfasern besteht, die zusammenzuflicken bislang noch alle Chirurgie überfordert hat. Insofern ist die Idee von Musk schon interessant. Man könnte das Ganze dann überbrücken, indem man die Anregungssignale aus dem Hirn am Rückenmark vorbei zu anderen Chips in den Gliedmaßen bringt und sie dort direkt an die Muskeln weitergibt. Und woher kommt der Strom? Bei den Cochlea-Implantaten haben sie es ganz einfach gemacht: Da ist das Mikrofon wie beim Hörgerät außen und die Stromversorgung ebenfalls. Das dürfte bei der Variante Querschnittslähmung ein bisschen schwieriger sein. Es gibt aber auch einige ganz gute Ideen, die zumindest schon im Labormaßstab realisierbar sind: zum Beispiel die Nutzung von Körperwärme als Energiequelle. Nehmen wir mal an, der Chip im Gehirn würde funktionieren. Muss man da nicht befürchten, dass damit irgendwie Gedanken gelesen werden könnten? Oder der ferngesteuerte Mensch? Denkbar ist gar vieles. Fragt sich, was wahrscheinlich ist. In den 1960er Jahren reisten in dem DDR-Science-Fiction-Roman »Titanus« Menschen zu einem Planeten, auf dem eine Elite den Rest der Bevölkerung über ein Implantat fernsteuerte. Eine elektronische Versklavung. Für Sigmund Freud war der Mensch ein »Prothesengott«. Die Idee hinter der Prothetik kommt schon aus der Aufklärung: La Mettries »Der Mensch als Maschine«. Und für eine Maschine kann man beliebige Ersatzteile produzieren und einsetzen, und dann läuft sie wieder. Das ist wohl eine etwas unterkomplexe Denkweise.
Die Deutsche Umwelthilfe hat die Fleischpreise in Deutschland analysiert. Da fehlen die Umweltkosten, meint die DUH. Realistisch wären 10 Euro für ein Kilo Rindfleisch. Dass Fleisch zu billig ist, ist nicht neu. Die spannende Frage ist nur, wie viel zu billig und warum zu billig? Da gibt es die, die meinen, wir essen zu viel davon, dass es unserer Gesundheit schadet. Mit einem höheren Preis würde der Verbrauch wahrscheinlich zurückgehen. Aber der Fleischkonsum nimmt schon ab. Ja, jüngere Leute tendieren häufiger zu veganen Produkten. Allerdings ist die Frage, ob das nicht eine etwas klassistische Sicht ist. Dass das eher für die jüngere Generation der Mittelschicht gilt, als für die Leute, die sich am unteren Rand der Einkommen durchschlagen. So wie das Geißeln der billigen Flugreise. Das ist auch so ein Problem. Auch da spielen die Mittelschicht-Jugendlichen, die Rundreisen zu den angesagten Klubs machen, eine nennenswerte Rolle. Und was ist jetzt so gesundheitsschädlich am Fleisch? Na ja, Fleisch an sich ist erst mal nicht gesundheitsschädlich – die Riesenmengen, die wir essen, aber schon. Wenn du in einem Steakhouse ein Steak unter 150 Gramm haben willst, wird das schon schwierig. Aber ein Pfund kriegst du locker. Was tun? Es gab immer mal die Idee, man möge doch vielleicht bei Fleisch den vollen Mehrwertsteuersatz erheben und bei Gemüse die Mehrwertsteuer wegfallen lassen. Je mehr Fleisch du isst, desto weniger Ballaststoffe hast du in deiner Ernährung. Wenn du vom Fleisch schon satt bist, bleibt das Gemüse auf der Strecke. Doch das Gemüse brauchst du schon, weil unser Allesfresser-Verdauungstrakt darauf angewiesen ist, dass eine gewisse Menge an Ballaststoffen da ist, damit das Ganze vernünftig durchläuft. Schlimmer als nur Fleisch sind hochverarbeitete Kohlenhydrate. Zum Beispiel Chips? Oder Kekse. Nicht zu vergessen das pappige Toastbrot, weil es dich eben nicht satt macht, sodass du davon noch mehr isst. Aber das belastet die Umwelt nicht so wie die Fleischproduktion. Die Menge macht's. Einmal, weil Rinder wie alle Wiederkäuer große Mengen an Methan in die Luft entlassen und zum anderen, weil bei der Haltung im Stall, die in Deutschland dominiert, Ammoniak freigesetzt wird. Besonders bei der Haltung auf Spaltböden, wo dann die ganze Scheiße nach unten abläuft, sodass man nicht so viel räumen muss. Aber wenn die Bakterien aus dem Darm der Kühe auf den Urin und den enthaltenen Harnstoff treffen, wird Ammoniak frei, ein ziemlich aggressives und giftiges Gas. Dessen Zerfallsprodukte den Treibhauseffekt verstärken. Bleiben die Rinder auf der Weide, dann versickert der Urin auf der Wiese. Gut, aber in Südamerika roden sie dafür den Regenwald. Das ist der Knackpunkt Nummer zwei. Das kommt komischerweise bei dieser Studie, die jetzt die Umwelthilfe anbringt, erst an hinterer Stelle: Landnutzungsänderungen. Das gilt auch für die Schweinemast: deren größter Umwelteinfluss sind Landnutzungsänderungen. Ob Bio oder nicht, ist egal? Richtig gute Ökobilanzen, die gewissermaßen vom ersten Grashalm bis zum verpackten Fleisch auf der Ladentheke alle Faktoren präzise berücksichtigen, sind so komplex, dass sie wahrscheinlich auf absehbare Zeit nicht zu machen sind. Und insofern ist vieles auf diesem Sektor mehr oder minder plausible Schätzung. Veggie-Day – ja oder nein? Pfff, nichts dagegen. Man kann aber nicht nur einen Tag in der Woche vegetarisch essen, das geht auch an mehreren Tagen.
Wissenschaftler schlagen Alarm: Bei DNA-Proben, die sie in der Umwelt vornehmen, gibt es auch Menschen-DNA. Man könnte also rein theoretisch damit den Überwachungsstaat ausbauen. Das ist mal was Neues, dass Wissenschaftler sich selbst infrage stellen. Das sind also praktisch politisch korrekte Wissenschaftler. Gerade im Gentechnikbereich ist das bisher nicht so verbreitet. Das Grundverfahren, um die Zusammensetzung der Tierwelt eines bestimmten Areals aus solcher Umwelt-DNA zu erkunden, ist nicht neu. Neu ist eben nur, dass man bei der Gelegenheit eben auch auf menschliche DNA stößt und dass man auf diese Weise natürlich auch der kriminalistischen Spurensuche neue Möglichkeiten eröffnet, die keiner so richtig auf dem Schirm hatte. Und das kann dann unter Umständen auch nach hinten losgehen. Aber wie muss man sich das vorstellen? Wenn du zum Beispiel wissen willst, welche Fischarten in einem See sind, dann nimmst du eine Wasserprobe und hast darin sowohl biologisches Material von den Fischen, die dort leben, als auch von Tieren, die den See als Tränke nutzen. Meist ist da auch DNA enthalten. Dabei muss man natürlich immer berücksichtigen, wie lange DNA halbwegs stabil bleibt – unter den wässrigen Bedingungen nicht ganz so lange. Und wenn da Menschen baden gegangen sind und dort vielleicht auch ein paar Hautschuppen und ein paar Haare eingebüßt haben, dann verteilt sich da auch eine gewisse Menge an DNA. Problematisch wird das in Ländern, die jetzt schon sehr große Datenbanken mit menschlicher DNA haben. Welche sind das? In den USA und in England werden bei polizeilichen Ermittlungen gerne Proben genommen. Und es es gibt ein paar Firmen, die überwiegend in den USA ansässig sind, die sich der Genealogie verschrieben haben. Mit deren Hilfe Menschen rauskriegen wollen, wo sie auf der Welt noch Verwandte haben und wo ihre Vorfahren überall schon gewesen sind. Wenn Behörden die nutzen können, ergibt das zusammen mit der Umgebungs-DNA schon ein bedenkliches Szenario. Wären Science-Fiction-Vorstellungen naheliegend, dass irgendwelche Mad Scientists in der Zukunft aus DNA-Resten Badender, um bei deinem Beispiel zu bleiben, einen neuen Menschen erschaffen? Das halte ich für unwahrscheinlich. Es sind ja in der Regel nur Fragmente des Genoms, die eben nur hinreichend groß sind, um Rückschlüsse auf die Person zu geben. Und ist es denn deiner Meinung nach gut, dass man jetzt DNA entschlüsseln kann? Es ist natürlich erst mal durchaus interessant, rauszukriegen, ob bestimmte Krankheiten, die in bestimmten Bevölkerungsgruppen häufiger auftreten, nun tatsächlich per Vererbung zustande kommen, oder ob die Lebensumstände die Krankheiten hervorrufen. Denn an den Lebensumständen kann man natürlich leichter drehen als an der Vererbung. Im Grunde wissen wir eigentlich immer noch nicht genau genug, was die einzelnen Genschnipselchen in uns tatsächlich alles tun. Dass jetzt Frankensteins Monster entstehen, das halte ich vorderhand für eher unwahrscheinlich. Wie weit man allerdings auf diese Weise erfahren kann, wer wann wo gewesen ist und welche Krankheiten der möglicherweise noch kriegen wird, das wäre dann schon spannender. Zumal Datenschutz ja nicht unbedingt überall ein besonders hoch gehängter Wert ist. Ich werde es in meinem künftigen Sommerurlaub berücksichtigen. Wie willst du das machen? Nur noch im Ganzkörper-Gummianzug baden? Das muss mir noch überlegen.
Soll man eigentlich Lotto spielen? Es spricht doch alles dagegen. Man hat nur eine Chance von 1:140 000 000, dass man sechs Richtige plus Zusatzzahl bekommt. Dass dich der Blitz trifft, ist wahrscheinlicher. Ich hab mal gehört: Eher stürzt du dreimal mit dem Flugzeug ab, bevor du den Hauptgewinn schaffst. Nichtsdestotrotz glauben viele Lottospieler, eines Tages sind ihre schon seit Ewigkeiten getippten Zahlen dran. Dabei ist es bei jeder Ziehung dieselbe Unwahrscheinlichkeit, oder? Ja, klar. Die Wahrscheinlichkeit ändert sich ja nicht dadurch, dass du eine neue Ziehung machst. Wenn die Ziehungsapparatur wirklich zuverlässig funktioniert, dann ist die Wahrscheinlichkeit jedes Mal dieselbe. Also ist es egal, welche Zahlen ich nehme. So ist es. Auch wenn es in den Lottoannahmestellen solche schönen Übersichten gibt, welche Zahlen besonders häufig gezogen worden sind. Da gibt es welche, die seit 1955 eben doch tatsächlich über 600-mal gezogen wurden. Aber zähle mal die Jahre seit 1955, wie oft dann tatsächlich so was passiert ist – also vergiss es! Leider habe ich schon wieder vergessen, wie viele Millionen Jahre du spielen müsstest, damit du einmal zuverlässig gewinnst. Es ist einfach witzlos. Nicht zu schaffen. Trotzdem spielen 40 Prozent aller erwachsenen Deutschen mindestens einmal im Jahr Lotto. Und jeder Fünfte sogar einmal im Monat und davon wiederum ein Großteil wöchentlich. Ja, ich zum Beispiel. Das Geld kannst du auch ins Sparschwein stecken, da hast du mehr von. Andererseits ist der Glaube an einen Lottogewinn uralt. Er nutzt nur den Lottogesellschaften: Schon die alten Chinesen haben 200 Jahre vor unserer Zeitrechnung Teile des Baues der Großen Mauer mit einer Lotterie finanziert. Ob das beim DDR-Lotto auch so war? Was passiert, wenn ich nicht einen, sondern zehn oder zwölf Tipps abgebe? Das erhöht die Gewinnwahrscheinlichkeit, klar. Aber wenn du 140 000 000 durch zehn teilst, ist das ja immer noch extrem viel. Andererseits kannst du rein theoretisch mit sehr wenig Geld sehr viel Geld gewinnen. Das ist bei praktisch allen anderen Glücksspielarten nicht der Fall. Und du brauchst von nüscht Ahnung zu haben. Anders als bei den Sportwetten. Na ja, was heißt Ahnung? Wenn du die Fußball-Unentschieden 6 aus 45 tippst, kannst du eigentlich auch wahllos ankreuzen. Allerdings ist da die Wahrscheinlichkeit 1: 8 000 000. Das einzig Gute daran ist, dass ein recht großer Teil des Gewinns der Lottogesellschaft in gemeinnützige Zwecke gesteckt wird. Das hat durchaus Tradition. Schon im 16. Jahrhundert haben die Holländer zum Beispiel Waisenhäuser und Kirchtürme mit Lotterien finanziert. In London wurde im 16. Jahrhundert eine Wasserleitung damit finanziert. Dass das als Geschäft funktioniert, basiert natürlich darauf, dass sich irgendjemand mal irgendwann mit Wahrscheinlichkeitstheorie beschäftigt hat. Wie die Chinesen das damals gemacht haben, weiß ich nicht. Aber hier in Europa hat sich der bekannte Mathematiker Leonhard Euler wie auch der Physiker Christiaan Huygens damit auseinandergesetzt. Allerdings nicht nur mit Blick auf die Lotterie, sondern natürlich auch mit Blick auf die Lebens-, Feuer- und Rentenversicherungen. Wie haben sie das gemacht? Die haben Sterbetafeln aufgestellt – also wer wie lange lebt, von welcher Alterskohorte üblicherweise. Und auf der Basis haben sie dann entsprechende Versicherungstarife entwickelt. Und da brauchst du natürlich Wahrscheinlichkeitsrechnung. Mathematik hat oftmals doch sehr unmathematische Triebkräfte gehabt. Zum Beispiel die Schusskurve von Kanonen ausrechnen. Artilleristen waren deshalb häufig mathematisch begabte Leute.
Wer Schmerzen hat, kann sich aus einer großen Auswahl an Medikamenten Abhilfe suchen. Wie kommt eigentlich der Wirkstoff in diese kleinen Pillen? Das eigentlich Spannende ist weniger, wie der Wirkstoff in kleine Pillen kommt, sondern wie so wenig Wirkstoff in zum Teil so große Tabletten kommt. Wenn du dir eine vergleichsweise große ASS-Tablette nimmst, sind da nur ein paar Milligramm Wirkstoff drin. Und das hat gewissermaßen eine lange Geschichte im Medizin- und Apothekenwesen. Tatsächlich? Früher ging es darum, Sachen, die man für medizinisch wirksam hielt, die aber absolut scheußlich schmeckten, gut zu verstecken. Deswegen sind Kräuterbonbons und -liköre auch meistens Erfindungen von geschäftstüchtigen Apothekern vergangener Jahrhunderte. Selbst die berüchtigte Coca Cola war das Werk eines Apothekers. Diese Verfahren nannte man nach dem antiken Mediziner Galenos von Pergamon Galenik. Inzwischen ist man von dieser Bezeichnung etwas abgekommen, aber das Prinzip ist eigentlich das gleiche geblieben: Du hast eine bestimmte Menge Wirkstoff, den du möglichst homogen mit verschiedenen Hilfsstoffen wie Stärke und Milchzucker so vermengst, dass eine pressfähige und gut einnehmbare Tablette entsteht. Oder im Falle von Flüssigmedikamenten ein gut dosierbares Medikament in Form von Tropfen oder Hustensaft. Dabei gibt es natürlich viele Sachen zu beachten, etwa sobald Wasser mit im Spiel ist. In Wasser werden manche Wirkstoffe instabil, sodass sie dann entweder gar nicht mehr wirken oder eben anders wirken würden. Zuweilen sind auch chemische Veränderungen an den Wirkstoffen selber vonnöten, damit sie stabil bleiben. Oder die Medikamente werden erst kurz vor der Nutzung mit Wasser angerührt. Und warum müssen Tabletten nun so groß sein? In meinen Heuschnupfentabletten sind gerade mal fünf Milligramm Wirkstoff. Hast du mal fünf Milligramm auf einer Waage gesehen? Das ist winzig, und es gibt ja Wirkstoffe, die noch geringer dosiert sind. Das wäre sehr ungünstig zu handhaben, und deswegen hat man das in diese Tablettenform gebracht. Früher wurden viele Medikamente auch als Pulver verabreicht. Selbst bei Schlafmitteln, die durchaus schon bei kleinen Überdosierungen echt gefährlich sind. Und genau das ist der Punkt – in der Tablette hast du eine genauere Dosierung. Manche Substanzen packt man auch in Tabletten mit Schutzüberzug, damit sie nicht im Magen zersetzt, sondern erst im Darm aufgenommen werden. Was entscheidet eigentlich über die Form des Medikaments? Ob Pille, Creme oder Tropfen? Das hat damit zu tun, ob man eine Wirkung auf den gesamten Körper anstrebt, etwa über den Blutkreislauf. Dann wird der Wirkstoff sinnvollerweise entweder über Tabletten oder Tropfen über den Verdauungstrakt aufgenommen. Gegebenenfalls auch als Spritze. Oder ob man möchte, dass es nur lokal wirksam wird, wie beispielsweise bestimmte Pilzmittel oder Cortison-Derivate, die man bei entzündlichen Krankheiten von Haut und Schleimhäuten einsetzt. Die setzt man wegen der Nebenwirkungen gerne nur lokal ein, zum Beispiel als Augentropfen, Hautcremes oder Spray. Die Wirkstoffforschung ist der eine Teil der medizinischen Forschung; die Art und Weise, wie dann der Wirkstoff für die optimale Wirkung in das Fertigarzneimittel verpackt wird, ist eine separate Wissenschaft, die durchaus nicht unwichtig ist. Ich habe irgendwann mal für eine Darmgeschichte Filmtabletten von einem anderen Hersteller bekommen – wirkstoffgleich, Größe, Form, selbst die Farbe war so ziemlich gleich. Aber irgendwie hatte ich den Eindruck, ich brauche davon das Doppelte, um die gleiche Wirkung zu haben. Da ist dann möglicherweise an der Rezeptur mit den Hilfsstoffen etwas anders gemacht worden, was der Verdauungstrakt offenbar auch anders aufgenommen hat.
Seit einiger Zeit begeistert und beunruhigt viele der KI-Chatbot »Chat GPT«. Elon Musk will nun in Konkurrenz dazu »Truth GPT« entwickeln lassen. Diese Künstliche Intelligenz soll nicht weniger als die absolute Wahrheit suchen. Geht das überhaupt? Da stoßen mir gleich mehrere Sachen auf: Einerseits das Grundproblem aller Künstlichen Intelligenzen, dass wir eigentlich bis heute keine allgemein akzeptierte Definition von Intelligenz haben. Dann natürlich die Frage nach dem Wahrheitsbegriff. Da sitzen Philosophen schon seit Jahrtausenden dran, mit eher mäßigem Erfolg. Der Marxismus-Leninismus hatte sich dann unter Berufung auf Lenin überlegt, dass es zwar eine absolute Wahrheit gäbe, wir uns der aber nur schrittweise über relative Wahrheiten annähern könnten. Alles ist höchstens die Interpretation eines Zustands. Und wenn sich die KI von Musk mit dem Universum beschäftigen will, klingt das nach exakter Wissenschaft. Da hat man ja – siehe Physik – noch einigermaßen klare Vorstellungen davon, wie Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden können. Das ist in den Geistes- und Sozialwissenschaften schon umstrittener. Aber selbst bei der Astrophysik ist es nicht ganz so trivial. Wenn wir uns Theorien etwa über die Entstehung von Sternen ausdenken, lassen sich die experimentell schon nicht mehr so einfach überprüfen. Was also wäre das Wahrheitskriterium? Ich habe die ungute Befürchtung, es läuft auf die Wahrheiten hinaus, die man auch aus Diktaturen und Theokratien kennt. Wer die Macht hat, in dem Falle über diese KI, entscheidet dann, was die Wahrheit ist. Elon Musk kritisiert an »Chat GPT« insbesondere die Berücksichtigung politischer Korrektheit. Ist die nicht gerade ein Weg, lange fälschlicherweise als wahr geltende Aspekte wie Hierarchien und Ausbeutungsverhältnisse zu korrigieren? Mit der politischen Korrektheit ist das Problem: Sobald sie zum Dogma erhoben wird und dahinter Macht steht, wird auch die Korrektur von alten Ungerechtigkeiten leicht wieder zu einer neuen Ungerechtigkeit. Mit Algorithmen lässt sich dieses Problem nicht lösen. Und da kommt dann auch ein Problem dazu, das bei der Debatte über KI aus dem Blick gerät: Die menschliche Intelligenz verdankt viel der Tatsache, dass sie in einem Körper steckt, der mit der Umwelt in physische Wechselwirkung tritt. Ein Computersystem kann diese Welt nur indirekt verändern. Das Werkzeug dazu können natürlich Menschen sein, die glauben, dass diese Intelligenz bessere Ideen liefert als ihr eigener Kopf. Das haben wir schon in bestimmten bürokratischen Akten wie bei der Schufa, wo wir auch einem Algorithmus Macht über Menschen und deren Leben einräumen. Und da ist der unangenehme Punkt: Wenn jemand wie Elon Musk oder andere Superreiche Verantwortliche in Staat und Gesellschaft davon überzeugen, dass die KI-Ergebnisse nützlich sind, dann besteht die Gefahr, dass Dinge, die wir nur ansatzweise verstehen, Macht über unser Leben haben. Was können denn Sicherheitsstandards sein bei der Entwicklung von KI? Vielleicht, dass nicht nur Milliardäre da mitmischen dürfen? Das ist die spannende Frage, KI-Forschung ist schließlich teuer. Amerikaner und Deutsche verkörpern da im Schnitt diametral entgegengesetzte Positionen: Die Amerikaner glauben, dass es am schlimmsten wäre, wenn so was der Staat macht, weil der sie alle unterjochen würde. Europäer glauben eher – zumindest Deutsche –, dass es besser wäre, der Staat würde es machen, weil Milliardären nicht zu trauen ist. Beide Positionen haben gute Gründe. Der deutsche Staat hat mit viel Geld schon viel Schaden angerichtet in der Geschichte. Milliardäre desgleichen. Aber wenn du Innovationen blockierst, ist das auch tückisch. Unsere bisherige Geschichte ist vor allem die Geschichte von erfolgreichen und weniger erfolgreichen Innovationen. Wir wären heute nicht da, wo wir sind, sowohl bei den schlechten als auch bei den guten Sachen, wenn das alles immer von irgendjemandem reguliert worden wäre.
Wenn ich im Sommer in der Stadt unterwegs bin, fällt mir auf, dass es deutlich mehr stinkt als zu anderen Jahreszeiten. Nach Essen, Abfällen, Urin. Woran liegt das? Da gibt es zwei Gründe, beide hängen mit der höheren Temperatur zusammen. Je höher die Temperatur ist, desto mehr bewegen sich auch kleine Moleküle zur Nase. Wenn du zum Beispiel ein Parfum auf einen Eisblock sprühen würdest, würdest du erst mal nicht viel davon riechen, außer das, was danebengegangen ist. Gerüche nehmen wir im Wesentlichen über kleine Moleküle wahr, die dann in die entsprechenden Riechrezeptoren in der Nase kommen. Die kommen da natürlich nur mit der Luft hin und bei Kälte bewegen die sich nicht so gut. Und der zweite Grund? Der zweite, mindestens genauso wichtige Grund ist, dass die meisten biochemischen Prozesse – Zersetzung zum Beispiel durch Bakterien – bei Wärme wesentlich besser funktionieren. Viele organische Abfälle in der Umwelt werden von Bakterien zersetzt und die Zersetzungsprodukte sind dann meistens das, was so übel riecht. Etwa schwefelhaltige organische Substanzen oder stickstoffhaltige. Der berüchtigte Fischgeruch hängt meistens mit sogenannten Aminen zusammen, organischen Verbindungen, wo ein NH2-Rest dranhängt, so etwas ähnliches wie Ammoniak. Und dann gibt es Ammoniak selber auch als Zersetzungsprodukt – wahrscheinlich nicht selten bei Urin. Das sind oft sehr stechende und unangenehme Gerüche. Das bekannteste sehr kleine Molekül, das übel riecht, wo wir schon einige Moleküle gut wahrnehmen, ist Schwefelwasserstoff: der berühmt-berüchtigte Faule-Eier-Geruch. Ich habe mal gehört, dass Leute, die einmal den Tod gerochen haben, diesen wohl spezifischen Geruch wiedererkennen können, etwa wenn sie an einem toten Vogel vorbeilaufen. Kann das sein? Das habe ich noch nicht gehört. Ich kann mir das auch nicht gut vorstellen, obwohl ich eigentlich für Sachen, die ich nicht leiden kann, eine feine Nase habe. Meine Erfahrungen mit dem Geruch von Tod liegen lange zurück und sind begrenzt auf ein paar Tiere: Irgendwann musste ich mal eine tote Katze aus dem Keller entfernen. Das hing mir noch lange in der Nase. Aber ich glaube nicht, dass ich deswegen leichter einen toten Vogel auf der Straße erspürt hätte. Und dann war mal vor sehr langer Zeit beim »nd« eine tote Maus hinter dem Kühlschrank. Da habe ich erst lange gedacht, irgendwie riecht das hier komisch, bis ich dann den Kühlschrank weggerückt hatte und dann war die Sache klar. Zurück zu den Gerüchen in der Stadt. Natürlich findet im Sommer mehr Leben draußen statt. Spielt das auch eine Rolle? Was Essensgerüche angeht, ganz sicher. Picknicks und Grill-Abende macht man ja nicht unbedingt im Winter. Aber all die anderen Sachen, die hängen eben auch mit der Biochemie zusammen und mit der Art und Weise, wie wir Gerüche aufnehmen. Sollte ich dann meinen Bio-Müll zur warmen Jahreszeit lieber draußen auf dem Balkon abstellen als unter der Spüle? Das hängt davon ab, wie lange es bei dir immer dauert, bis du ihn leeren musst. Bei uns steht der drinnen und riecht auch in der Regel nicht. Es sei denn, es sind mal Fleischreste drin, dann werden sie sofort weggebracht. Fleisch fängt schnell an, sehr unangenehm zu riechen. Selbst die Verpackungen von Fisch- oder Fleisch-Produkten für die Gelbe Tonne kann man nicht lange liegen lassen. Es gibt auch Würmerkisten, in die man den Bio-Abfall reinwerfen kann, und das wird dann kompostiert. Am Ende hat man frische Erde in der Kiste. Wobei ich jetzt nicht weiß, ob man diese Kisten innen aufstellt oder draußen. Wahrscheinlich im Winter besser nicht draußen wegen der Kälte. Und mit den Würmern und überhaupt dem kleineren Kriechzeug habe ich auch so meine Schwierigkeiten.
Kürzlich wollte ich eine Hose waschen und musste feststellen, dass ich das laut Etikett gar nicht darf. Das Symbol zum Waschen, so ein Bottich, war durchgestrichen. Stattdessen hat mir ein Kreis angezeigt, dass ich die Hose in die chemische Reinigung geben soll. Muss das wirklich sein? Das kommt drauf an. Das ist ein Hinweis darauf, dass es entweder ein Woll- oder ein Seidenstoff ist. Bei einer Hose tendiere ich eher dazu, dass es ein Wollstoff gewesen ist. Und Wolle reagiert auf Wasser durchaus manchmal unerfreulich, zum Beispiel, dass sich die Fasern verkrunkeln und das Ganze verfilzt. Ich weiß nicht, ob du schon mal versehentlich einen Wollpullover mit in die Waschmaschine gesteckt hast bei einem normalen Waschgang. Den kannst du hinterher einem Kleinkind anziehen. Meine Pullover sind meistens aus Baumwolle. Das ist dann etwas anderes, oder? Da ist das anders, Baumwolle tut das nicht. Baumwolle wärmt allerdings auch nicht annähernd so gut wie Schafwolle oder Ähnliches. Da könnte man den Sinn des Pullovers infrage stellen. Aber zurück zur Hose: Die ist in der Tat zu 45 Prozent aus Wolle und zu 52 Prozent Polyester. Da sollte das eigentlich nicht so kritisch sein, aber wie gesagt, das Problem ist das Bewegen bei der Wäsche. Eine Handwäsche wäre sicherer. Wenn ich die jetzt in die chemische Reinigung gebe, was wird da anders gemacht? Da trifft das Kleidungsstück eben nicht mit Wasser zusammen, sondern mit verschiedenen organischen Lösungsmitteln. Das hat sich im Laufe der Jahrzehnte immer mal gewandelt, welche verwendet werden. So in den 70ern und auch noch in den 80ern dominierten Chlor- und Fluorchloralkane, also Kohlenwasserstoffe, die chloriert und zum Teil auch fluoridiert waren. Die berühmt-berüchtigten FCKW waren auch in der chemischen Reinigung recht gebräuchlich. Inzwischen sind die bei uns allerdings alle verboten oder nur mit besonderen Genehmigungen erlaubt. Diese organischen Lösungsmittel lösen Fett und damit alles, was an Schmutz am Fett hängt. In der Waschanleitung von Kleidung finden sich noch weitere Symbole, am selbsterklärendsten ist da noch das Bügeleisen. Das ist nun wirklich der Klassiker. Das Symbol gibt es schon ewig, und zwar seit dem Moment, in dem Kunstfasern in Hemden und Kleidern auftauchten. Weil die meisten davon etwas hitzeempfindlich sind. Ich nehme an, die Waschsymbole sind auch eine rechtliche Absicherung der Hersteller. Das ist wie mit den Verfallsdaten auf Lebensmitteln, selbst auf Mineralwasser. Man möchte sich vor Haftungsklagen schützen. Es gibt wiederum auch ein paar Sachen, die man nicht chemisch reinigen darf. Vermutlich einige Kunstfasern. Ich habe sogar schon mal eine Jacke gesehen, da war Waschen und chemisch Reinigen verboten. Ich weiß nicht, was man da machen sollte. In den Regen hängen vielleicht oder lüften. Oder gar nicht erst kaufen. Nur ist das ja auch nicht im Sinne der Hersteller. Ich muss gestehen, ich habe dann im Fall meiner Hose den Schongang meiner Waschmaschine zu Hause gewählt, und es ist nichts passiert. Bei dem hohen Anteil an Kunstfasern hätte mich das auch gewundert. Also war es nicht nur einmaliges Glück? Bei dieser Hose ist der Schongang unkritisch, denke ich mal. Wenn du ein Kleidungsstück aus 100 Prozent Wolle hast, würde ich schon skeptisch sein. Abgesehen davon, dass es manchmal auch eine Frage des Preises ist, wie teuer das Kleidungsstück war, und ob man das Risiko eingeht.
Nach dem katastrophalen Erdbeben in der Türkei und in Syrien hört man immer wieder den Vorwurf, die lokalen Behörden und auch die Menschen seien zu schlecht darauf vorbereitet gewesen. Kann man sich auf ein Erdbeben überhaupt vorbereiten? Jein. Eine brauchbare Erdbebenvorhersage ist bislang nicht zu haben. Wenn man Vorwarnzeiten von mehr als ein paar Sekunden hat, ist das schon selten. Für Mexiko-Stadt waren es 2017 rund 20 Sekunden. Aber man kann so bauen, dass die Häuser weniger leicht einstürzen. Das ist die einzige Weise, sich auf ein Erdbeben vorzubereiten. Die kritische Infrastruktur – Wasserleitungen, Stromnetz und natürlich die Gebäude selbst – so zu bauen, dass sie möglichst den zu erwartenden Erdstößen besser standhalten. So wie in Japan. Die Häuser sollten dann besonders elastisch sein, oder was? In gewisser Hinsicht, ja. In Japan oder Taiwan, wo es auch etliche Wolkenkratzer in von Erdbeben gefährdeten Gebieten gibt, fallen bei einem Beben lange nicht so viele Häuser ein wie jetzt in der Türkei und in Syrien oder früher in Pakistan, Afghanistan oder selbst in Italien. Wenn man sich die Bilder anschaut von den eingestürzen Gebäuden in Nordsyrien und in der Türkei, sieht man etwas, was eigentlich ein absolutes No-Go in einem Erdbebengebiet sein müsste. Nämlich? Häuser, die ganz offensichtlich aus gemauerten Wänden mit Betonplatten als Decken bestehen. Wenn es bebt, sind es ja in der Regel seitliche Bewegungen. Und wenn dann die gemauerten Wände auseinanderfallen, werden die Leute, wenn sie nicht rechtzeitig draußen sind, zwischen den Betondecken eingequetscht. Das überlebt natürlich kein Mensch. Wenn nicht zufälligerweise etwas sehr Stabiles dazwischen steckenbleibt, sodass man vielleicht noch rauskommt. Vier der Erdbeben der letzten 50 Jahre in der Türkei waren jeweils die tödlichsten des Jahres, obwohl es nicht die stärksten Erdbeben jener Jahre waren. Das liegt daran, dass selbst viele neuere Bauten in der Türkei nicht erdbebensicher konzipiert wurden. Der Standard ist nicht so hoch wie in Japan, was allerdings auch ein reiches Land ist – und die Türkei ein vergleichsweise armes. Wobei man dazusagen muss: Das jetzige Erdbeben war mit einer Stärke von 7,8 schon ziemlich heftig. Ein Erdbeben dauert nicht lang, vielleicht ein, zwei Minuten. Eher einige Sekunden. Aber die reichen auch. Und oftmals kommt, wie jetzt in der Türkei, gleich noch ein Erdstoß hinterher, der den angeschlagenen Objekten der ersten Welle den Rest gibt. Und ich habe gelesen, dass die Spannung, die sich in diesem Erdbeben entladen hat, sich über Hunderte von Jahren aufgebaut hat. Nehmen wir zum Beispiel mal an, du hättest zwei Holzplatten, die du gegeneinander verschieben willst an der Kante. Dann bewegst sich erst mal lange Zeit gar nichts, weil die Reibung so groß ist. Wenn du aber dann genug Kraft angewendet hast, dann rutscht das alles auf einen Schlag. Das heißt, die aufgestaute Kraft von vorher schlägt auf einmal aus. Und genau so ist es, wenn sich zwei Platten der Erdkruste aneinander vorbeischieben. Da kommt es dann zum Beben. Und in Deutschland gibt es auch Erdbeben, aber nur ganz kleine, die man gar nicht merkt? Meistens sind die zu schwach. Aber in den aktiveren Gebieten merkt man schon was. So gab es 1978 auf der Schwäbischen Alb eins, das hatte eine Stärke von 5,7. Und im Vogtland erreichten 1985 Schwarmbeben schon mal 4,6 auf der Richterskala. Und die Fernwirkungen damals waren immerhin so, dass in den 18-Stöckern auf der Berliner Fischerinsel noch ein paar Hängelampen schaukelten.
Eine beliebte Antwort auf die Wohnungskrise ist die Forderung, mehr zu bauen. Andererseits ist die Bauwirtschaft ein großer Klimakiller, oder? Ist sie. Aber man muss natürlich sagen, dass die Klimabelastungen durch die Gebäude, die schon da sind, noch eine Nummer größer sind. Einfach deswegen, weil die Häuser ja temperiert werden, auch wenn die Winter immer milder werden. Vom Treibhausgas-Fußabdruck im Gebäudebereich gehen 74,6 Prozent auf die Nutzung und den Betrieb. Ist das nicht eine Frage der besseren Isolierung? Schon. Aber wenn mehr gebaut wird, gibt es auch mehr Gebäude, die Energie verbrauchen, auch wenn Isolierung und Heiztechnik in neueren Gebäuden effizienter sind. Die meisten sind nur geringfügig über den gesetzlichen Vorgaben – kaum ein Gebäude ist geeignet, den Klimazielen, die wir uns gestellt haben, tatsächlich gerecht zu werden. Ist nicht der gängige Baustoff Beton besonders übel für das Klima? Auf jeden Fall ein echtes Problem. Denn erstens steckt im Beton Zement. Und dessen Herstellung setzt ordentlich Kohlendioxid frei. Einmal weil die Hitze in den Drehrohröfen der Zementfabriken mit fossilen Brennstoffen erzeugt wird. Und zudem wird aus dem dort gebrannten Kalkstein selbst noch eine nennenswerte Menge CO2 frei. Ein Teil davon wird allerdings beim Abbinden des Betons wieder aus der Luft geholt. Aber lange nicht so viel wie bei der Herstellung frei wird. Und zweitens musst du die ganzen Zuschlagstoffe, Kies oder Sand oder beides, irgendwo ausgraben und hintransportieren. Insbesondere wenn Kiesgruben in Feuchtgebieten entstehen. Ja, wenn man die trockenlegt, dann wird Methan und Kohlendioxid frei. Ich denke, das ist in den Berechnungen der Baustoffwirtschaft nirgends mit eingepreist. Warum nicht einfach Wüstensand? Der ist zu wenig betontauglich. Und für uns auch etwas weit weg. Und was ist mit dem märkischen Sand unter unseren Füßen? Da wir ja bekanntermaßen mehrmals von Gletschern der Eiszeit überrollt worden sind und die eine Menge an Gestein mehr oder minder fein gemahlen haben, liegt im norddeutschen bis mitteldeutschen Raum ziemlich viel davon, teilweise gleich kurz unter der dünnen Mutterbodenschicht. Und anders als bei Windkraftwerken gibt es bei Kiesgruben offenbar keine allzu ernste Abstandsregelung zu Wohngebieten. In der Zeitung las ich, dass bei Leipzig eine Grube 70 Meter vom nächsten Wohngebäude entfernt entsteht. Da gilt das Bergrecht, und das ist ziemlich industriefreundlich. Aber zunehmend gibt es Widerstand bei Anwohnern. Kann man nicht statt Beton Ziegel oder Backsteine nehmen? Wenn man sich die Kirchen aus dem Mittelalter im norddeutschen Raum anguckt, sieht man, das ist ein extrem haltbarer Baustoff. Aber auch deren Herstellung braucht viel Energie. Außerdem muss auch der Ton dafür aus der Erde geholt werden. Was ist also dein Vorschlag? Weniger abreißen und weniger neu bauen. Man müsste sich viel mehr darum kümmern, dass die existierenden Räume vernünftig genutzt werden. Dass man also statt einem den Preis regulierenden Büro-Leerstand lieber Büros in Wohnraum umwandelt. Im Zeitalter der offenkundig funktionierenden Homeoffice-Technik sind all die Büroneubauten ohnehin eine seltsame Sache. Ebenso, dass Leute, die aus zu großen Wohnungen in kleinere wollen, durch die höhere Miete der kleineren Wohnung abgeschreckt werden. Also mehr planwirtschaftliche Elemente? Wenn sie wirklich als Planwirtschaft funktionieren und nicht bloß als dysfunktionale Ideologie.
In Spanien gibt es ein neues Gesetz: Pro landwirtschaftlichen Betrieb sind nur noch 850 »Großvieheinheiten« erlaubt. Man spricht von einer wichtigen Maßnahme gegen die Klimakatastrophe. Siehst du das auch so? Das ist sicher hilfreich. Aber ob das jetzt die Rettung ist, das sehe ich noch nicht ganz. Na ja, Rettung ist vielleicht etwas zu hoch gegriffen, aber eine wichtige Initiative ist es schon, oder? Ein Einstieg, ja. Spanien ist ja nicht das EU-Land mit dem größten Milchviehbestand. So richtig groß sind sie inzwischen bei Schweinen. Die haben zumindest den Vorteil, dass sie als Nichtwiederkäuer keine größeren Mengen an Methan abgeben. Die Güllemengen sind allerdings bei Großbetrieben ein gravierendes Problem für Luft und Grundwasser. »Großvieheinheit«, da denkt man doch in erster Linie an Kühe. Und die gelten als die Klimakiller, kraft ihrer Fürze. Auch das Rülpsen dürfte wahrscheinlich mitwirken. Aber das ist zu relativieren. Wenn die Tiere hauptsächlich auf Weiden gehalten und im Wesentlichen von Gras leben würden, was in Spanien in weiten Teilen des Landes eher schwierig wird, dann wäre der Nachteil des Ausscheidens von Methan durchaus kompensierbar mit dem Kohlenstoffspeichervermögen der Weideflächen. In der Regel ist das bei diesen Großbetrieben aber nicht der Fall. Ist so eine einzelne Kuh so schlimm wie ein Auto? Pfff, kann man das überhaupt vergleichen? Ich finde, das führt eher in die Irre. Weil wir das ganze System Tierhaltung im Ganzen betrachten müssen. Die Kuh selber kann gar nichts dafür, dass das Klima ruiniert wird. Sie wird ja auch nur gezwungen, Milch zu geben beziehungsweise sich Fleisch anzufressen, um später zerlegt auf den Tisch zu kommen. Andererseits ist eine Senkung des Bestandes begrüßenswert. Konkreter Anlass war allerdings wohl ein Betrieb, der in einer ziemlich wasserarmen Gegend Spaniens gebaut werden sollte – dort ging es mehr um Grundwasserbelastung als ums Klima. Du hast zu wenig Wasser, und dann wird es auch noch verdreckt. In Spanien ist die verfügbare Wassermenge ohnehin im Schwinden, und ein Teil der Landwirtschaft pumpt auch noch Unmengen davon ab: für die Viehzucht oder um Erdbeeren oder Tomaten zum Beispiel nach Deutschland zu exportieren. Die industrialisierte Landwirtschaft ist eine Frage des Preises. Ein spanischer Schweinehalter hatte vor etlichen Jahren noch mit 30 Schweinen sein Auskommen, heute ist das selbst mit 1000 Schweinen schwierig. Die neue Verordnung scheint mir dann doch nur ein kleines Pflaster auf einer zu großen Wunde. Denn selbst wenn die Rechengröße Großvieheinheit auch auf Schweine und Hühner anwendbar ist, sind es da mehrfach so viele Tiere pro Betrieb. EU-weit gibt es nur Mindestforderungen für die Größe des Stallplatzes. Spanischer Schinken war früher durchaus bei uns ein gehobenes Produkt, mittlerweile ist er doch ziemlich in den Billigbereich abgerutscht. So wie auch die Schweineproduktion aus dem Norden Europas in Richtung Spanien gerutscht ist. Das heißt: All das, was wir hier mit irgendwelchen Umweltauflagen in der Landwirtschaft zu beheben versuchen, das verschieben wir einfach nur. Wie auch viele umweltbelastende Industrien dorthin verschoben werden, wo die Vorschriften nicht so streng sind. Global gesehen ist Umweltschutz ein Verschiebebahnhof. Ja, ein Großteil der Umweltmaßnahmen, die jetzt Industrie und Landwirtschaft einschränken, machen eigentlich nur Sinn, wenn sie tatsächlich global gelten würden, was aber mangels Weltregierung eher unwahrscheinlich ist. Stattdessen gibt es nicht nur einen Wettbewerb der Länder um die besten Bedingungen für Steuerbetrüger, sondern auch einen Wettbewerb um die besten Bedingungen für Umweltverschmutzer.
Das Dosenpfand der ersten rot-grünen Bundesregierung wird 20 Jahre alt. Ein Erfolg? Kommt drauf an, was man als Maß des Erfolgs nehmen will. Zuerst sind die Dosen verschwunden, sie schienen den Menschen zu teuer. Doch in den letzten Jahren tauchen wieder vermehrt Dosen auf. Und wenn man als Maßstab die Erhöhung der Mehrwegquote nimmt, dann war es ein Schlag ins Wasser. Tatsächlich? Ja, die Mehrwegquote ist seitdem kontinuierlich gesunken. Denn die meisten Menschen kaufen Erfrischungsgetränke in Zwangspfand-Plastikflaschen. Die werden dann nachher sowieso vernichtet? Vernichtet ist etwas hart. Das Material wird wiederverwendet. Denn der Kunststoff, aus dem die gemacht sind, das PET, also Polyethylenterephthalat, ist ja der gleiche Stoff, der auch in Fliesjacken und anderen Polyester-Textilien steckt. Die PET-Flaschen werden relativ problemlos sortenrein erfasst und sind damit einigermaßen recyclingfreundlich. Aber wird denn aus einer Dose wieder eine neue Dose? Teilweise. Bei den Alu-Dosen ist eine gewisse Quote an Recycling-Aluminium aus Dosen dabei. Voriges Jahr brauchten wir eine neue Pfanne. Und dann sahen wir bei Aldi eine, die aus Getränkedosen hergestellt wurde. Und die hast du auch gekauft? Ja, sie hatte die richtige Größe. Und es ist besser, als wenn sie aus frischem Aluminium gemacht wird. Die Herstellung von Aluminium aus Bauxit ist um einiges energieintensiver als das Einschmelzen und Neuformen von Aluminium. Und noch mehr Energie benötigt das Einschmelzen von Weißblech. Der Erfolg hängt eben vom Maßstab ab: Früher verstanden die Leute unter Umweltverschmutzung, dass Dreck auf der Straße liegt. Und heutzutage liegen da zumindest keine Dosen mehr rum. Das ist doch schon mal was, das freut den deutschen Bürger. Die werden weggesammelt. Diese Umweltverschmutzung ist tatsächlich zurückgegangen durch das Zwangspfandsystem. Aber wie man das Ziel einer 70-prozentigen Mehrwegquote erreichen will, dazu steht auch in der teilweise verschärften Verpackungsverordnung von 2019 nichts Überzeugendes. Was weniger wird: die zwiebeltürmige Standardflasche für Wasser aus Glas. Die gibt es zwar inzwischen auch als PET-Flasche, aber auch die nutzen nicht so viele Brunnen, habe ich den Eindruck, wenn ich in die Getränkeabteilung der Supermärkte gehe. Und individuelle Flaschen musst du leer wieder zurückfahren zum Abfüller, sagen wir mal von Berlin in die Eifel. Und dann kann der Transportaufwand durchaus den Vorteil des Pfandsystems unterminieren. Das zentrale Kriterium bei Mehrweg ist die Transportentfernung. Ich dachte, das Hauptproblem wäre, Plastik verdrängt Glas. Nö, Plastik an sich wäre nicht das Problem. Zwar lassen sich – rein theoretisch, wenn du keinen Bruch hast – Glaspfandflaschen deutlich häufiger befüllen: 50-mal, während es so eine PET-Mehrwegflasche wohl im Optimum auf 25 Befüllungen bringt. Aber auch in Glas steckt bislang fossile Energie. Ist das Dosenpfand der größte Erfolg der Grünen? Für Jürgen Trittin, damals Umweltminister, ist das wohl eher der Atomausstieg. Das Zwangspfand war schon eine Idee seines Vor-Vorgängers Klaus Töpfer von der CDU. Und bei Trittins Vorgängerin Angela Merkel entstand die Verordnung, in der stand, wenn die Mehrweg-Quote auf weniger als 72 Prozent fällt, dann kommt das Pfand. Und Trittin hat das dann umgesetzt – per Kabinettsbeschluss. Also ein Erfolg. Ein Pyrrhussieg. Die Mehrwegquote ist immer noch im Keller und der Materialaufwand eher gestiegen.
Ich habe gelesen, dass jetzt in einem iranischen Dorf ein Mann gestorben ist, der sich jahrzehntelang nicht gewaschen hat. Er wurde 94 Jahre alt. Er habe daran geglaubt, dass Sauberkeit ihn krank mache, sagte er. Wird das Duschen überschätzt? In manchen Gegenden der Welt ist es nicht ohne Tücke. Wenn du kein sauberes Wasser hast, was einen nennenswerten Teil der Menschen ja immer noch betrifft, hast du natürlich beim Kontakt mit Wasser auch Kontakt mit allen möglichen Keimen und Parasiten. Und da kann Waschen unter bestimmten Umständen durchaus gefährlich sein. Aber wer sich nicht wäscht, beginnt zu stinken. Immer stärker – oder ist irgendwann ein Pegel erreicht, der nicht mehr zu toppen ist? Ich könnte mir vorstellen, dass der Geruch ab einem gewissen Punkt nicht mehr zu steigern ist. Was bleibt, sind die Bakterien, die sich auf der Haut angesiedelt haben. Also doch besser waschen? Klar. Du spülst dabei erst mal wasserlösliche Substanzen von der Haut, zum Beispiel Schweiß. Und wenn du dann noch Seife nimmst, also eine Substanz, die auf der einen Seite Fettmoleküle und auf der anderen Seite Wassermoleküle anzieht, dann ziehst du mit dem Fett der Haut den Schmutz ab, der im Fett gelöst ist. Und dann ist er weg. Das Dumme an der Sache ist, dass natürlich bei der Gelegenheit das Hautfett auch weggeht. Die traditionellen Seifen sind alkalisch, haben also einen pH-Wert, der dem der Haut im Normalzustand etwas entgegengesetzt ist. Die Hautoberfläche hat einen leicht sauren pH-Wert. Und wenn sie den verliert, verliert sie auch einen Teil ihrer Schutzfunktion gegen außen. Wie oft soll man duschen? Mehrmals am Tag ist meistens Unsinn. Einmal am Tag im Sommer, wenn man viel schwitzt. Aber im Winterhalbjahr halte ich auch das für Overkill. Mehrmals täglich scheint mir zwanghaft zu sein. Ich habe den starken Verdacht, dass der Ruch des Übelriechenden, den die Europäer bei US-Amerikanern haben, vor allen Dingen daher rührt, dass sie nicht so oft duschen wie die US-Amerikaner. Aber das ist auch nur eine Spekulation. Es gibt einen grünen Ministerpräsidenten, der fordert: Zurück zum Waschlappen. Um Energie zu sparen. Wenn man noch einen hat. Denn es ist gar nicht so einfach, Waschlappen zu finden, wenn man zum Beispiel im Urlaub seine vergessen hat. Und spart man so Energie? Tja, ob das jetzt alleine reicht? Man braucht weniger Wasser. Zehn Minuten duschen, was jetzt nicht unbedingt sein muss, aber nicht unüblich sein dürfte, schlägt mit sechs Kilowattstunden Energieverbrauch zu Buche. Das ist schon ziemlich ordentlich. Eine sparsame Kombi von Kühlschrank und Gefrierteil braucht im Jahr 150 Kilowattstunden. Die Größenordnung vom Duschen erreichst du höchstens mit der Waschmaschine, dem Herd und mit der Heizung. Man könnte die Temperatur senken. Die Temperatur des Heißwassers im Haushalt zu verringern, das mag in einem Einfamilienhaus ein probates Mittel sein, weil da die Netze überschaubar sind. Aber in einer größeren Wohnanlage, wie sie typisch ist für die Städte, gibt es dann das Problem, dass du Bakterien im Warmwasser bekommst, wenn du die Temperatur unter 70 Grad senkst. Und du dann womöglich Legionellen einatmest, weil der Duschkopf das Wasser leicht versprüht. Also woanders sparen. Was auch viel Energie frisst: der Router für das WLAN, weil der immer an ist. Da gibt es einen Zielkonflikt: Bequemlichkeit kostet fast immer Energie. Und Sicherheit kostet meistens Bequemlichkeit.
In Niederfinow bei Eberswalde hat kürzlich ein neues Schiffshebewerk aufgemacht. Mit siebenjähriger Verspätung. Als der Bau angekündigt wurde, war mein Sohn noch ein Kind, jetzt ist er erwachsen. Wart ihr da? Ja. Gebaut hat man es direkt neben das alte. Fahren da überhaupt so viele Schiffe? Das hat man bei der Planung jedenfalls angenommen. Und so was spart Zeit. Da das Wasser blöderweise nicht über den Berg läuft, braucht man etwas, um den Höhenunterschied von 36 Metern zwischen Havel und Oder zu überbrücken. Und weil die Schiffe größer wurden, als man sich das 1934, als das alte Hebewerk eröffnet wurde, vorgestellt hat. Der Panamakanal überwindet einen Höhenunterschied von 26 Metern, muss aber wegen der Größe der Hochseeschiffe auf ein Hebewerk verzichten. Stattdessen gibt es Schleusen? Ja. Die sind zwar langsamer, aber bei Schiffsgrößen bis 366 Meter Länge und 49 Meter Breite wäre ein Hebewerk unbezahlbar. Je nach dem Ausmaß des Höhenunterschieds braucht man dann eben dafür mehrere Schleusenstufen. Das dauert doch Ewigkeiten. Ganz genau. Und das war am Oder-Havel-Kanal vor 1934 eben auch so. Die hatten eine vierstufige Schleuse, und dafür brauchte ein Schiff anderthalb Stunden. Das ist wie bei den Menschen: Auf einer Treppe dauert es auch meist länger als mit dem Lift. Also ein Lift für Schiffe. Genau das, nur eben viel größer. Der wassergefüllte Trog ist immerhin 6000 Tonnen schwer. Und wie beim Lift im Haus helfen Gegengewichte, Strom zu sparen. Allerdings müssen die Motoren wegen der Wasserverdrängung nur die Reibungsverluste ausgleichen. Also sehr ökologisch. Die reine Benutzung ist energetisch recht effizient und spart Wasser. Über den Bau kann man natürlich verschieden denken. So was ist ein Eingriff in die Landschaft, aber es war eh schon eins da. Im Ganzen gesehen muss man schon damit rechnen, dass mehr Handel mehr Verkehr produziert. Auch wenn auf dem Wasserweg in der Regel nur Schüttgüter verbracht werden, also relativ große Mengen von einer Sache, die von A nach B sollen. Der typische Industriebetrieb, der just in time 50 Karosserieteile und 50 Getriebe anliefern soll, wird eher nicht den Wasserweg wählen. Aber nun gibt es im Sommer zu wenig Wasser. Ein akutes Problem. Der Oder-Havel-Kanal ist ja letztlich ein Oder-Havel-Elbe-Kanal, denn über die Havel geht dann der Weg weiter Richtung Elbe. Und auf der Elbe hatten in diesem Sommer größere Lastkähne ihre Schwierigkeiten. Das wird sicherlich zunehmen. Und dann ist der ganze Fahrstuhl für die Katz. Aber schön ist es trotzdem, vor allem das alte Schiffshebewerk. Es sieht ein bisschen aus wie der Eiffelturm. Ja, das sind vernietete Stahlträger. Früher hat man Stahl eben nicht verschweißt, sondern genietet. Ist das besser? Es ist auf jeden Fall materialaufwendiger. Im Bauwesen gibt's das kaum noch, aber im Flugzeugbau. Allerdings sind das dann Hightech-Nieten, nicht zu vergleichen mit den dicken Stahlstöpseln von damals. Das Schiffshebewerk ist eine Attraktion. Ich glaube, da kommen pro Jahr 150 000 Leute hin, in einen Ort mit vielleicht 500 Einwohnern. Aber du warst bislang nicht dort? Leider. Wir haben mal einen Familienausflug dorthin machen wollen und uns dann leider im Gelände vollständig verfranzt. Wir sind praktisch am Hebewerk vorbeigewandert. Irgendwo falsch abgebogen.
Kürzlich hat Nordkorea wieder Raketen getestet. Die haben japanisches Festland überquert und stürzten dann ins Meer. Wie groß ist die Gefahr, dass da zufällig etwas getroffen wird? In der Regel gibt es vorher eine Ansage, dass in einem bestimmten Gebiet zu einer bestimmten Zeit der Flug- und Schiffsverkehr zu unterbleiben habe. Und man sucht sich möglichst Regionen abseits der gängigen Schifffahrtsrouten aus. Insofern besteht da wohl nur ein geringes Risiko. Was man natürlich nicht weiß: Wie zuverlässig funktionieren Raketen, die in einem relativ frühen Entwicklungsstadium getestet werden? Das Meer dient auch der Raumfahrt als Müllhalde. Große Objekte wie die frühere Raumstation »Mir« werden im südlichen Pazifik am sogenannten Point Nemo gezielt zum Absturz gebracht. Zwischen 1971 und 2016 waren das insgesamt gut 260 Raumfahrtobjekte. Raketenschrott am Meeresboden – ist das ökologisch eine Lappalie? Ein paar Raketen werden kein großes Problem sein, wenn der Treibstoff verbrannt ist. Der Rest ist im Wesentlichen Metall und ein bisschen Kunststoff. Das Metall wird im Salzwasser korrodieren. Oder es wird von Korallen besiedelt. Die USA haben mal einen Flugzeugträger genau mit dieser Absicht versenkt. Im Vergleich zu den Raketen sind die vielen Schiffs- und Flugzeugwracks in den Meeren eine ganz andere Größenordnung. Übrigens enden nicht alle Raketentests im Wasser. Russland zum Beispiel testet strategische Raketen mit einem Zielgebiet auf der Halbinsel Kamtschatka. Wo verrotten die Reste der Tests schneller – im Wasser oder an Land? Im Meerwasser, vermute ich. An Land wird das wohl eingesammelt. Alleine um zu sehen, ob es tatsächlich dort gelandet ist, wo es landen sollte. Also nicht Fans, sondern Militärs? Bei militärischen Tests ganz sicher. Die zufälligen Schrottsammler hat man eher bei den Trägerraketenüberresten in Kasachstan, wo die Russen den Weltraumbahnhof Baikonur nutzen. Bei den Starts dort fallen in der Regel die Teile der ersten Stufe runter, über dünn besiedelten Steppen, und diese Teile werden von Schrottsammlern sehr geschätzt. Aber viele Raketenstartplätze sind an Küsten. Das ist so bei der Esa-Startplattform in Französisch-Guayana, auch bei Cape Canaveral in den USA. Wenn es da beim Start Probleme gibt und die das Ding sprengen müssen, fällt alles ins Meer. Vielleicht sind ja Raketen-, Schiffs- und Flugzeugtrümmer am Meeresboden für künftige Generationen von Archäologen interessant. Bestimmt. Allerdings müssen sie aufpassen, denn es gibt da unten einen Haufen Sachen, die auch längerfristig gefährlich sind. Da sind Kriegsschiffe mit voller Bewaffnung und tonnenweise Munition untergegangen, davon bleiben durchaus giftige Stoffe. Nicht zu vergessen, etliche Atom-U-Boote nach Havarien. Und dann wurden beispielsweise in der Nord- und Ostsee nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg chemische Kampfstoffe versenkt. Manche davon zersetzen sich schnell, andere sind recht haltbar. Auch Phosphor-Brandbomben sind immer noch gefährlich. Wenn man ein Stück Phosphor am Strand findet, könnte man es für einen etwas hell geratenen Bernstein halten. Das wäre eine ganz dumme Sache, denn die können zu schweren Verbrennungen führen. Ein riesiges Problem ist der Plastikmüll in den Meeren. Bis 2024 soll es ein internationales Abkommen zur Reduzierung dieses Mülls geben. Kann man das überhaupt zuverlässig kontrollieren? Es gibt immer ungeordnete Entsorgung, die schwer zu verhindern ist. Es sei denn, du schaffst ein rabiates Kontrollregime wie in Singapur. Aber ob Schiffe mit Müll aus Häfen auslaufen, lässt sich schon kontrollieren. Am Ende bleibt nichts anderes übrig, als möglichst viel Müll gar nicht erst zu produzieren. Mehr Recycling ist gut, weniger Müll zu verursachen, wäre besser.
Neulich wurden die Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 durch vermutliche Sabotageakte schwer beschädigt. Tagelang strömte Gas aus. Was genau ist da in die Atmosphäre entwichen? Nord Stream 2 war noch gar nicht in Betrieb, da ist wahrscheinlich ein technisches Gas drin. Falls das, wie üblich, Stickstoff ist, wäre das für die Umwelt kein großes Problem, denn unsere Atmosphäre besteht sowieso hauptsächlich aus Stickstoff. In Nord Stream 1 ist Erdgas, also hauptsächlich Methan. Was bedeutet das für die Umwelt und das Klima? Da kommt es drauf an, ob ein Teil des Methans schon beim Kontakt mit Wasser oxidiert und dann als aufsteigendes bzw. im Wasser gelöstes Gas CO2 anfällt. Es gab vor Jahren mal eine Untersuchung im Zusammenhang mit einem Methanausbruch an einem Bohrloch in der Nordsee. Da wurde festgestellt, dass ein Teil im Wasser zu CO2 oxidiert ist. Das hat sich zum Teil im Wasser gelöst und dieses saurer gemacht. Das ist der Vorgang, den wir mit unserer massiven Treibhausgasproduktion sowieso in allen Weltmeeren auslösen. Der größere Teil steigt aber auf und geht in die Atmosphäre. Aber die Menge bei den Nord-Stream-Leitungen soll geringer sein als das, was wir beispielsweise mit der Landwirtschaft in Deutschland in einem Jahr erzeugen. Und außerdem wird wegen der Stilllegung von Nord Stream 1 auf der russischen Seite Gas abgefackelt. Dabei wird einer Untersuchung zufolge längst nicht so viel Methan vernichtet, wie man eigentlich dachte, weil die Flammen immer mal sporadisch ausgehen. Bis das wieder zündet, geht Methan raus. Sie fackeln dort Gas ab, das eigentlich geliefert werden sollte. Ja, es sind ja in Russland ewig lange Leitungen. Allein in der Ostsee unter Wasser sind es über 1000 Kilometer. Selbst wenn man am Förderort den Hahn zudreht, sind erst mal Unmengen Gas in der Leitung. Mittlerweile strömt kein Gas mehr aus. Wie wurde das gestoppt? Der Austritt endet spätestens, wenn ein Gleichgewicht zwischen Wasserdruck im Meer und Gasdruck in der Leitung eintritt. Warum war in Nord Stream 2 überhaupt Gas, wenn die noch nicht in Betrieb war? Um die Leitung unter Druck zu halten, denn von außen herrscht ja Wasserdruck. Und auch, um zu prüfen, ob alle Schweißnähte und Anschlüsse dicht sind. Von was für Wassertiefen in der Ostsee reden wir? Bis zu 300 Meter. Das ist dann immerhin schon das 30-Fache des Atmosphärendrucks. Die Leitung geht immer am Meeresboden lang, und an manchen Stellen, wo Löcher waren, hat man auch etwas aufgeschüttet. Wie kann man so eine Leitung in solchen Tiefen reparieren? Am Ort der Lecks sind es nur 30 Meter. Man müsste wohl den beschädigten Abschnitt auswechseln. Diese Rohre sind ja für jahrzehntelangen Gebrauch gedacht und Defekte sind immer möglich. Und sei es durch einen ungünstig abgeworfenen Schiffsanker. Bei Datenleitungen unter Wasser ist das schon wiederholt vorgekommen. Gibt es auch Unter-Wasser-Ölpipelines? Ja, beispielsweise an Bohrplattformen bis zur nächsten Anlegestelle für Tanker. Wenn da eine leckt, kann das schlimmer ausgehen. Das hat man 2010 bei der Havarie der Bohrinsel »Deepwater Horizon« im Golf von Mexiko sehr gut gesehen. Gas soll nur eine Brückentechnologie sein, künftig könnte Wasserstoff durch die Pipelines fließen. Was passiert, wenn eine Wasserstoffleitung beschädigt wird? Falls etwas in die Atmosphäre austritt, solltest du auf keinen Fall mit einem Feuerzeug vorbeikommen. Aber bis durch Nord Stream Wasserstoff fließen kann, müsste viel mehr passieren als das Ende dieses Krieges.
Sag mal Steffen, wie willst du eigentlich mal bestattet werden? Aller Wahrscheinlichkeit nach in einem Urnengrab. Die einzige Frage ist noch, ob und wie es beschriftet wird. Ich dachte auch immer, Feuerbestattung ist das Beste, weil platzsparend. Aber ökologisch ist das eigentlich Quatsch, oder? Ach, ich weiß nicht, ob sich die verschiedenen Beerdigungsformen viel nehmen. Man weiß nicht, welche Teile aus nicht verrottbaren Materialien wir hinterlassen, die im Boden nicht so erwünscht sind. Ich habe sogar noch ein paar Amalgamplomben, was dann eher in die Richtung Giftmüll tendieren würde. Und insofern ist das wahrscheinlich im Krematorium mit entsprechender Rauchgasfilterung sogar besser. Was die Energiebilanz angeht, da ist natürlich eine Feuerbestattung eher schlecht. Besonders jetzt mit den hohen Gaspreisen! Das kommt noch hinzu. Also meinst du, eine muslimische Bestattung, bei der man keinen Sarg braucht, wäre gar nicht ökologisch sinnvoller? Jein. Natürlich spart es eine ganze Menge, weil du keinen Sarg brauchst. Andererseits, rein theoretisch bräuchtest du bei uns auch keinen. Einige christliche Orden lassen ihre Toten ja nach wie vor nicht im Sarg begraben und auch nicht feuerbestatten. Stimmt. Die christlichen Kirchen haben sich dem lange verweigert, was mir widersinnig vorkommt. Denn es gibt ja zumindest bei evangelischen Beisetzungen im Gebet die Formulierung »Asche zu Asche … … Staub zu Staub«. Genau. Aber von Asche wollten sie lange nichts wissen. Warum eigentlich nicht? Ich glaube, das liegt an der Vorstellung, dass am Ende aller Tage die Toten auferstehen und vor das Jüngste Gericht treten. Und da sollten sie sozusagen vollständig erscheinen. Meine Oma hatte immer Angst, von Mäusen angeknabbert zu werden, dann ist man auch nicht mehr vollständig. Tja, die Würmer hatte wahrscheinlich keiner auf dem Schirm. Aber wenn ich mir einen allmächtigen Gott vorstelle, dann sollte es dem eigentlich keine Schwierigkeiten bereiten, aus beliebigen Bestandteilen wieder das Original zusammenzuheften. Und wieso darf man in Deutschland die Asche nicht einfach verstreuen, wie man das in amerikanischen Filmen immer sieht? Das weiß der Geier. Also, einen vernünftigen Grund konnte ich dafür noch nicht erkennen. Apropos Geier: Bei den Parsen in Indien gibt es sogenannte Himmelsbestattungen, da werden die Toten letztlich den Geiern überlassen. Die können das Amalgam wahrscheinlich auch nicht verwerten. Nee, das wäre noch ein Gift mehr. Denn die Geier dort sind eh schon dezimiert: Über den Umweg von mit Gelenkschmerzen kämpfenden Kühen hat ein gängiges Schmerzmittel seinen Weg in die Geier gefunden und behindert bei denen ganz massiv die Vermehrung. Damit ist diese Bestattungsform dann auch ziemlich passé.
Steffen, kannst du eigentlich deine eigene Handschrift lesen? Das kommt drauf an. Auf was? Wie schnell ich habe schreiben müssen. Wenn ich zum Beispiel bei einer Konferenz mitgeschrieben habe, dann gibt es insbesondere bei Namen öfters mal größere Lücken, wo ich dann noch mal nachgucken muss. Also, ich kann von meinen Notizen höchstens die Hälfte lesen. Und je später ich sie angucke, desto weniger. Zwei Wochen später sehe ich kaum noch durch. Das ist normal, geht mir auch so. Wenn der Kontext schwindet, fängt das Rätselraten an. Bei mir liegt es daran, dass ich in der vierten Klasse aus Langeweile begonnen habe, Schreibschrift und Druckschrift zu mischen. Ich glaube nicht, dass das das Problem ist. Die Schreibschrift ist ja nicht etwa wegen der größeren Lesbarkeit erfunden worden, sondern weil sie sich wegen der Verbindungen und der Rundungen besser hintereinanderweg schreiben lässt. Das geht schneller. Ja, und wenn man noch schneller sein will, bleiben viele der Bögen und Rundungen auf der Strecke. Früher war es im Journalismus ja normal, dass man Steno konnte. Kannst du? Nein. Aber als ich beim »nd« anfing, gab es noch Kollegen, die haben so gearbeitet. Macht das noch jemand? Im Bundestag für die Sitzungsprotokolle. Die schaffen wohl 500 Silben pro Minute. Steno lebt. Der Handschrift dagegen ist das Schreiben abhandengekommen. Die Leute tippen auf den Smartphones oder senden gleich eine Sprachnachricht. Und Stadtpläne können sie auch nicht mehr lesen. Du siehst sie öfters vor dem Stadtplan an Bushaltestellen, ratlos. Sie laufen einfach nach den Vorgaben von Google Maps und verlaufen sich dennoch, weil ihnen das große Bild, die Übersichtskarte im Kopf fehlt. Und es gibt noch eine weitere Kulturtechnik, die ziemlich aus der Mode gekommen ist: das Auswendiglernen. Die habe ich nie besonders gut beherrscht. Oh je. Da findet sich schon bei Platon der Hinweis, dass sein Lehrer Sokrates meinte, Lesen und Schreiben seien ein Verlust. Man sollte die alten Epen von Homer auswendig können, um sie besser zu verstehen. Wenn ich meine Schrift besser lesen könnte, wäre mir schon geholfen. Das setzt sich bei mir bis ins Smartphone fort, mit dem ich mir Notizen mache, weil ich meiner Schrift misstraue. Da vertippe ich mich, weil ich zu schnell bin, und dann habe ich wieder den Salat. Ist das ein psychopathologisches Problem meinerseits? Glaube ich nicht. Das ist einfach mangelndes motorisches Training. Sicherlich schreibt man, wenn man schnell schreibt, nicht sauber. Aber: Mitschreiben hilft, um sich etwas zu merken – und zwar handschriftlich besser als getippt. Dazu habe ich mal eine Studie gelesen. Handschrift hat also eine Zukunft.
In den USA will ein Software-Ingenieur von Google bei einer Künstlichen Intelligenz eine »Seele« entdeckt haben, und zwar im Dialog-Programm »Lambda«. Ist das Nonsens oder Ideologie? Na ja, Letzteres könnte man schon annehmen, denn der gute Mann ist – wie ich gelesen habe – nicht nur gelernter IT-Ingenieur, sondern auch Geistlicher. Er ist also theologisch vorgebildet. Und da sieht man schnell so etwas wie eine »Seele«? Möglicherweise hat ihn diese theologische Ausbildung besonders empfänglich gemacht für die Empfindsamkeiten des Computerprogramms. Ich habe mir den Dialog, den er mit dem Programm geführt hat, im Netz durchgelesen. Es ist verblüffend, wie überzeugend dieses Programm aus einer gigantischen Halde von Textbausteinen Antworten zusammenbaut, die völlig verständig wirken. Aber die Kernfrage ist eine andere: Wie will man überhaupt definieren, was Bewusstsein ist? Und was ist denn, bitte schön, eine »Seele«? Was ist eine Person und was eine Intelligenz? Und? Für all diese schicken Sachen gibt es, so weit ich das übersehe, bis heute keine Definitionen, die alle, die in irgendeiner Weise damit wissenschaftlich oder praktisch befasst sind, befriedigen würden. Ich glaube, Stanisław Lem hat das in seinem Roman »Solaris« gut gezeigt: Wenn wir eine andere Intelligenz als die unsere antreffen, würden wir es wahrscheinlich nicht merken. Es sei denn, wir sind Astronauten und sitzen im Raumschiff unterwegs zum Jupiter, und der Bordcomputer »HAL 9000« übernimmt das Kommando – so wie in Stanley Kubricks Film »A Space Odyssey« von 1968. Was übrigens auch ein deutliches Wortspiel war: Wenn man bei »HAL« nämlich jeweils einen Buchstaben im Alphabet vorgeht, dann kommt IBM raus. Das war damals der größte Computerkonzern. Damals gab es ja noch keine PCs, es dominierten noch die Großrechner. Und haben die eine Seele? Nee, ein Programm. In dem Falle die Aufgabe, den Forschungsflug störungsfrei durchzuführen. Und wenn der Computer zu dem Schluss kommt, dass die Menschen dabei stören, dann hält er sie von der Steuerung des ganzen Unternehmens fern. Also, einen Willen hat er. Es gibt aber ein Problem: Wo bleibt der Wille, wenn man ihn einfach abschaltet – was dann in dem Film auch passiert. Davor müssten die Rechner doch Angst haben? Wenn sie denn ein Bewusstsein ihrer selbst hätten. Wenn ich diesen Google-Dialog durchlese, kann ich nicht erkennen, dass der Rechner schon so weit ist. Besteht er denn den Turing-Test? Dass der Mensch nicht mehr merkt, dass er es mit einem Rechner zu tun hat? Ja, das scheint das Programm Lambda geschafft zu haben. Das ist nah am Gottesbeweis. Gott lässt sich weder beweisen noch widerlegen. An den kann man nur glauben oder es sein lassen. Ich halte es da mit Peter Ustinov. Der sagte einmal: Der Glaube entzweit und der Zweifel verbindet.
Es wird heißer, doch es regnet kaum. Dafür gießt man sich endlos Mineralwasser in den Schlund. Und dann gibt es immer wieder Stimmen, die sagen: Nimm doch Leitungswasser, das ist genauso gut, vielleicht sogar besser. Hat erst jetzt wieder die Stiftung Warentest festgestellt. Was hältst du davon? Das kommt, wie so oft, darauf an! Es ist natürlich nicht schön, wenn schwach mineralisierte Wasser über erhebliche Entfernungen, beispielsweise aus dem französischen Zentralmassiv, nach Deutschland herangekarrt werden. Oder sogar von den Fidschi-Inseln. Noch unschöner. Wenn man diese irren Wege in Rechnung stellt und sich dann die Analysen von Leitungswasser beispielsweise hier in Berlin anschaut, dann gibt es keinen vernünftigen Grund, das Flaschenwasser aus der Ferne zu trinken statt Wasser aus dem Hahn, höchstens einen geschmacklichen. Schmeckt nicht jedes Wasser gleich? Nein, da kann man schon Unterschiede schmecken. Selbst bei den sogenannten schwach mineralisierten, die in der DDR wegen der geringen Mineralienanteile gar nicht Mineralwasser heißen durften. Die meisten heute verkauften Mineralwasser enthalten ja kaum nennenswerte Mineralienkonzentrationen, weil es den meisten Leuten sonst zu salzig wäre. Und nicht nur beim Kalziumanteil ist das Berliner Leitungswasser da voll konkurrenzfähig. Und was trinkst du? Da ich aus einem Kurort im Vogtland komme, der sechs oder sieben Mineralquellen hat, die als Heilwasser Kurgästen verabreicht wurden, mag ich Wasser, die etwas salzig schmecken. Also solche, die stark mineralisiert sind. Die sind auch besser zum Durstlöschen, finde ich. Beim Schwitzen verliert man ja eine ganze Menge Elektrolyte, also Kalium- und Natriumsalze. Die bietet Leitungswasser nicht. Zum Kochen und für Babynahrung wäre das auch nicht gut. Aber viele Mineralwässer sind eben auch kaum anders. Und seit die Stiftung Warentest auch Mineralwasser testet, gibt es noch einen zusätzlichen Streitpunkt. Die stellten gelegentlich Verunreinigungen in den Flaschen fest, manchmal aus dem Kunststoff der Flaschen. Den Vergleich fanden die Hersteller nicht gerecht, weil Mineralwasser so geprüft wird, wie es in der Flasche ist, als Endprodukt – das Leitungswasser aber nur ab Wasserwerk. Die Rohre, durch die es bis zum Wasserhahn fließen muss, spielen da keine Rolle. Im Altbau kannst du aber immer noch irgendwo ein Stück Bleirohr dazwischen haben, und schon ist das Wasser versaut. Oder du hast schlecht gepflegte Armaturen, die dann irgendwelche Keime ins Glas bringen. Also: Das Wasser aus dem Hahn kann genauso gut sein wie das aus der Flasche, muss es aber nicht. Und warum schleppen jetzt alle Leute Flaschen mit sich rum? Ist der Durst größer? Da wirkt sich etwas positiv aus, was man Aufklärung nennen könnte: dass nämlich die Leute inzwischen doch wissen, dass viel Trinken der Verdauung hilft. Früher wurden viel mehr Abführmittel verkauft. Das merkt man ja noch bei manchen älteren Leuten, die sagen, sie wollen nicht so viel trinken, weil sie dann dauernd auf Toilette müssen.
Es gibt eine neue Studie aus den USA, die behauptet, bestimmte Krankheiten der jeweiligen Körpergröße zuordnen zu können. Ist das vorstellbar? Ach, vorstellen kann man sich viel. Bei dieser Art von Studien ist immer die interessante Frage: Kausalität oder Koinzidenz? Gibt es einen ursächlichen Zusammenhang oder nur ein Zusammentreffen von Umständen? Wenn Sachen nacheinander passieren, dann schlussfolgert das menschliche Denken in der Regel, dass es wegeneinander passiert, aber das ist natürlich nicht immer der Fall. Schaut man sich die Entwicklung der Sitzabstände in öffentlichen Verkehrsmitteln in Deutschland an, könnte man meinen, dass die Menschen immer kleiner geworden sind, obwohl es doch ganz genau umgedreht ist. Die Leute werden größer? Ja, aber weniger aus genetischen Gründen, sondern wegen der Ernährung und anderen Lebensumständen. Zum Beispiel in China: Dort werden jetzt viel mehr Milchprodukte konsumiert, was anscheinend Gene aktiviert, die das Wachstum steuern. Man wird größer, bekommt aber auch leichter Krebs. Und schon früher hatte man in den USA beobachtet, dass die dort aufgewachsenen Kinder der Einwanderer meist deutlich größer wurden als ihre Eltern. Und auch da war wohl der entscheidende Unterschied die Ernährung. Und Herzinfarkt, ist das denn genetisch? Teils, teils. Du hast ja immer die berühmten Beispiele, wo der Typ eben seit 70 Jahren raucht und trotzdem kerngesund ist. Genetisch dürfte bei solchen Leuten wahrscheinlich wirklich etwas anders sein. Aber bei den meisten Menschen klappt das nicht. Laut der Studie sind Menschen, die nicht so groß sind, eher herzinfarktgefährdet. Allgemein ist das Problem, dass sich die Menschen zu wenig bewegen. Und die kleineren haben offenbar genetisch bedingt eine bessere Futterverwertung. Sie verbrennen relativ zur Größe weniger Kalorien. Es sind ja nicht viele Leute, die über 1,90 Meter sind, so dick geworden wie Helmut Kohl. Du hast auf jeden Fall eine andere Figur als er. Ich habe etwa dieselbe Größe wie er, bin aber doch von deutlich schmächtigerer Gestalt. Bestimmte Sachen hängen aber schon mit der Körpergröße zusammen. Angeblich Krampfadern. Die bekommen eher die Größeren. Also meine Oma hatte welche, und die ging bei mir unter dem ausgestreckten Arm durch. Fakt ist aber: Wenn du größer bist, hast du längere Beine. Und wenn die Leitungen länger sind, dann gibt's natürlich auch leichter irgendwelche Leitungsschäden. Und das scheint, so die Autoren der erwähnten Studie, auch bei den Nerven in den Beinen der Fall zu sein. Was man sagen kann: Es wird zu viel gesessen, und da fangen die Probleme an. Sitzen ist eigentlich von der Natur nicht vorgesehen. Stehen ist auch nicht unbedingt gesund. Rumlaufen ist auf jeden Fall gesünder, und es ist angeblich auch gut für den Einfallsreichtum. Der olle Nietzsche jedenfalls meinte mal, man solle keinem Gedanken trauen, der im Sessel erdacht ist.
In den Supermarkt-Regalen gibt es immer mehr Kesselchips. Sie scheinen mir knuspriger zu sein als die anderen Chips. Was ist der Trick? Ich glaube nicht, dass sie knuspriger sind. Aber sie sind in der Regel etwas dicker, manchmal enthalten sie auch noch die Schale, sodass man wirklich überzeugt sein darf, dass es sich um geschnittene Kartoffeln handelt. Und glaubst du das auch? Davon gehe ich inzwischen aus. Ich war ja lange der Meinung, dass ein Großteil der bekannten Chips-Sorten aus obskuren Ersatzsachen besteht. Wie bei den sogenannten Stapelchips, wo die Kartoffeln alle durchgematscht werden und dann der Kartoffelbrei in Scheibchen aus dem Extruder kommt, bevor die frittiert werden. Na ja, wenn man so im Kleingedruckten von diesen Sachen liest, dann frage ich mich: Wozu braucht ein Chip Hefeextrakt? Und was ist deine Vermutung? Das ist einfach nur ein netteres Wort für Geschmacksverstärker. Und da ja ein Großteil der Chips-Varianten mit allen möglichen Gewürzmischungen zum Teil recht exotischer Art gemacht wird … zum Beispiel Hühnchen-Thymian. Hühnchen-Thymian? Aha. Keine Ahnung, was das soll. Ich frage mich auch, wie Hühnchen-Aroma hergestellt wird. Insofern hatte ich eigentlich immer den Eindruck, dass Chips ziemlich synthetisch sind. Das ist einer der Gründe, warum ich relativ frühzeitig auf … … warum du Biochips umgestellt hast? Ja, genau. Aber die Biochips schmecken tatsächlich nach Kartoffeln. Ich bin auch kein Anhänger dieser Gewürz-Chips. Schon die Paprika-Dinger, die schmecken ja nach allem Möglichem, nur nicht unbedingt nach Paprika. Welche isst du dann? Nur die mit Salz, weiter nix. Glaubst du, dass die Kesselchips tatsächlich aus dem Kessel kommen? In vielen Fällen schon. Zumindest bei der einen Bio-Variante, die ich als Erstes wahrgenommen habe. Denn die gaben sogar an, wer gerade den Kessel bedient hat. Wie? Der Name oder was? Ja, das stand auf der Tüte. Da stand, das war von Sowieso gekocht. »Gekocht« ist in dem Falle allerdings ein recht eigentümliches Wort. Zwar handelt es sich um einen Kessel, in dem man ja durchaus kochen könnte. Aber wenn die Chips in 150 Grad heißem Fett schwimmen – kochen würde ich das nicht mehr nennen. Weißt du, warum man einen Chip isst und dann die halbe Packung essen muss? Als würde der eine die anderen in den Mund befehlen. Also, ich denke mal, dafür bräuchtest du noch nicht mal die Geschmacksverstärker, das tut in der Regel schon das Salz. Es gibt auch die Hypothese, es läge am Verhältnis von Fett und Kohlehydraten. Für meinen Geschmack ist »Salt & Vinegar« sowieso am besten. Das ist eine der furchtbaren Geschmacksrichtungen, wo ich ganz gewiss sofort würgen würde.
In Darmstadt wurde ein »Zentrum für Weltraumsicherheit« eingeweiht. Es soll insbesondere Sonnenwinde abwehren. Von denen habe ich noch nie etwas gehört, aber du doch bestimmt, oder? Also, abgewehrt, das wäre wahrscheinlich ein bisschen viel verlangt. Dazu bräuchte man schon die Technologie aus »Star Trek«. Daraus wird wohl in diesem Leben nichts mehr. Und was sind Sonnenwinde? Ein freundliches Wort für ein unfreundliches Phänomen. Es geht dabei nicht um Wind, denn im Weltall gibt es keine Luft für Wind. Stattdessen geht es um Strahlung, um elektromagnetische Wellen, die bei Explosionen von Gasen in der Atmosphäre der Sonne entstehen, die komischerweise viel heißer ist als die Sonne selbst. Bei solchen Ausbrüchen, auch Flairs genannt, fliegen hochenergetische Teilchen bis zur Erde und noch weiter und beeinflussen das Erdmagnetfeld. Dabei kommt es zu elektrischer Induktion auch auf der Erde. Die kann durchaus auch Stromleitungen lahmlegen. Kann man die Flairs sehen? Ja, bei einer Sonnenfinsternis, dann sieht man am Rand des Mondschattens so helle Fahnen, die da rausragen, als Lichtblitze. Das sind solche Ausbrüche. Der erste wurde 1859 von einem englischen Astronomen namens Carrington mit dem Teleskop beobachtet, angeblich einer der zehn intensivsten je gemessenen. Die Häufigkeit solcher Ausbrüche ändert sich. Bekannt ist der Elf-Jahres-Zyklus der Sonnenaktivität. Warum ist die Atmosphäre der Sonne heißer als die Sonne selbst? Das versuchen die Astrophysiker noch herauszubekommen. Aber vermutlich würden sich aus der Antwort auf diese Frage gleich wieder neue Fragen ergeben. Meistens führen ja beantwortete Fragen in der Wissenschaft nur dazu, dass man neue Fragen hat. Die Gefahr von Stromausfall besteht tatsächlich? Bei uns weniger. Eher in polnahen Gebieten wie Kanada. Aber dazu kommt, dass der Sonnenwind - das erklärt dann auch den Begriff Wind - das Erdmagnetfeld ein bisschen eindellt. Es rückt näher an die Erde ran und damit laufen auch diese hochenergetischen Teilchenströme näher an der Erde. Das kann die Elektronik von Satelliten beschädigen. Und darüber wacht so ein Zentrum für Weltraumsicherheit? Das kümmert sich auch noch um andere bedrohliche Sachen, nämlich unseren eigenen Dreck, den wir da oben angesammelt haben durch Trümmer von Satelliten und ähnlichem Kram. Davon müsste mittelfristig mal etwas einsammelt werden. Das kostet halt viel Geld. Und deshalb will irgendwie keiner so recht. Man bräuchte einen Weltraum-Subbotnik? Das wäre nicht schlecht. Aber dazu müsste sich eine größere Zahl von Beteiligten zusammengefunden haben. Momentan sieht es ja mit dem Zusammenfinden im Weltraum eher mies aus.
Ich kaufe Ökomilch aus der Region. Aber die schäumt so schlecht für den Kaffee. Was hast du denn da für eine Milch, um Himmelswillen? So eine mit 3,8 Prozent Fett, die auch noch Schlieren obendrauf hat. Das ist interessant. An sich hängt die Fähigkeit, das Zeug aufzuschäumen, hauptsächlich vom Eiweißanteil ab. Nun kann es sein, dass in der Biomilch weniger Eiweiß ist, weil die Kühe weniger Kraftfutter bekommen, zumal im Winterhalbjahr. Das heißt, die Milch schäumt im Herbst besser als im Frühjahr? Gute Frage. Bei den Tieren, die auf der Weide gehalten werden, wird der Eiweißgehalt sicherlich schwanken, je nachdem, ob sie Sachen mit höherem Eiweißanteil fressen, also Samen zum Beispiel. Aber ob sich das in den Jahreszeiten niederschlägt, ist fraglich. Ich hatte bisher den Eindruck, dass die billigste H-Milch mit 1,5 Prozent Fett am besten schäumt. Ist das Fett vielleicht kontraproduktiv beim Schäumen? Wenn nicht genug Eiweiß drin ist, ist viel Fett wahrscheinlich nicht so optimal. Mein Sohn, der ist großer Anhänger von Latte macchiato, schwört auch auf H-Milch. Was wahrscheinlich tatsächlich daran liegt, dass der Eiweißanteil darin stabiler ist. Aber dass man Schlagsahne gut schäumen kann, liegt doch vor allem am Fett, nicht am Eiweiß, oder? Da muss auch Eiweiß drin sein. Wenn es das Fett alleine wäre, würden wir wahrscheinlich immer nur Butter daraus kriegen. Und im Sahnefestiger ist dann wahrscheinlich vor allem Eiweiß? Nö, das ist Stärke. Sahnesteif machst du ja deswegen rein, damit die aufgeschäumte Sahne in diesem Zustand verbleibt. Deswegen keine Sahnetorte ohne Sahnesteif. Der Schaum an sich, das ist eigentlich nur Luft, die eingeschlossen wird ... ... in kleine Bläschen aus Eiweiß und Fett, ja. Milch ist eigentlich höchst eigentümlich. Sie ist zwar eine Flüssigkeit, aber keine Lösung von irgendwas, so wie Kaffee eine Lösung von Koffein und Gerbstoffen ist. Milch ist eine Fett-Wasser-Emulsion, weswegen man das Wort im Deutschen auch in ganz anderen Zusammenhängen verwendet. Ich kann mich erinnern, bei dem zu DDR-Zeiten existierendem Unterrichtstag in der Produktion, wenn man irgendwo in einer Fabrik war, wo gebohrt wurde, da gab es eine Kühlflüssigkeit, und die wurde »Bohrmilch« genannt. Weil, da ist Öl mit Wasser emulgiert gewesen, also ähnlich wie bei Milch. Du als Teetrinker hast diese Schaumprobleme gar nicht. Ich beneide dich. Ich nicht, nee. Meine Frau, die nimmt manchmal Milch rein. Aber auf Tee schäumt ja kein Mensch. Warum eigentlich? Keine Ahnung. Wahrscheinlich, weil die Engländer auf die Idee nie gekommen sind.
Die bundesweiten Corona-Maßnahmen sind mehr oder weniger aufgehoben. Das ist jetzt alles den Ländern überlassen. Mir scheint, es wird nun auf die Politik der Durchseuchung gesetzt, oder? Der Eindruck drängt sich mir auch auf. Weil die verschiedenen Versionen von Omikron für nicht so schlimme Krankheitsverläufe sorgen, scheint die Idee zu sein, dass es alle mal gehabt haben sollen und dann relativ immun seien gegen weitere Wellen. Aber darüber kann man streiten. Es gibt Untersuchungen, die besagen, dass Leute, die mit Omikron infiziert waren, eher wenig Immunität gegen andere Varianten des Covid-19-Erregers erwerben. So dass die Impfung gegen Omikron nichts nützt? Die schon eher. Schon deshalb, weil Geimpfte weniger ansteckend sind und es weniger schwere Verläufe gibt. Neun von zehn Leuten, die wegen Covid-19 auf Intensivstationen landen, sind tatsächlich ungeimpft. Die Frage ist allerdings: Was sind leichte Verläufe? Auch sie können Beeinträchtigungen sowohl von Herz, Lunge als auch Niere nach sich ziehen und erhöhen das Risiko von Venenthrombosen in den Beinen. Hast du jetzt schon mal Corona gehabt? Nee, ich bin komischerweise bislang gut weggekommen bei alldem. Ich habe das Glück, samt meiner Familie Blutgruppe 0 zu haben. Ah ja, die berühmte Blutgruppe 0. Und die hat - so jedenfalls mehrere Studien - ein geringeres Ansteckungsrisiko. Und die Gefahr schwerer Verläufe soll damit etwas geringer sein. Ich habe Blutgruppe A. A ist wohl die riskanteste vom Anstecken her. Angeblich auch für schwere Verläufe. Tatsächlich? Ich hatte Corona, war drei Tage unangenehm, aber nicht bedrohlich, wie eine schwere Erkältung. Du bist ja auch geimpft. Weiß man, wie viele Menschen in Deutschland Corona hatten, vielleicht 20 Millionen? Ich habe nicht die geringste Vorstellung, was die reale Zahl ist. Und ich fürchte angesichts der nicht sehr planvollen Teststrategie vor allem am Anfang der Pandemie, dass es auch die Leute, die die Entscheidungen treffen, nicht wissen. Also wird uns die Durchseuchung nicht viel helfen? Ich bin da sehr sehr skeptisch. Anthony Fauci, der Chefberater für die Infektionskrankheiten in den USA, ist der festen Überzeugung, dass eine Herdenimmunität bei diesem Virus nicht zu erreichen ist, weil es zu veränderlich ist. Worauf man hoffen kann, ist ein besserer Impfstoff, der nicht nur auf das Spike-Protein, sondern auch auf irgendeinen anderen weniger variablen Bestandteil des Virus' zielt. Daran wird ja auch geforscht, aber keiner weiß, wie lange es dauert, bis da was auf den Markt kommt, so lange die anderen sich gut verkaufen.
Das war lange überfällig: die Pille für den Mann. Nun verkünden Chemiker der Universität von Minnesota, sie hätten eine Lösung. Ist das nicht ein altes Vorhaben? Ja, die Idee ist schon etwas älter. Allerdings sind frühere Versuche alle mehr oder minder im Sande verlaufen. Ein Problem bestand darin, dass man bei älteren Versuchen ebenso wie bei der Pille für die Frau auf Hormone setzte, in dem Falle auf Testosteron. Und das ließ sich nicht oral verabreichen, sondern musste man(n) sich spritzen lassen. Und du weißt ja, wie das mit Männern und Spritzen ist. Dazu kam in einer zweiten Spritze Gestagen; Letzteres ist das Hormon, das auch in der Pille für die Frauen drinsteckt. Wo wird denn da die Spritze angesetzt? Intramuskulär. Beispielsweise in den Hintern. Und wie bei Hormonpräparaten für die Frauen traten auch hier bei Zulassungsstudien Nebenwirkungen auf. Hormone haben inzwischen einen eher schlechten Ruf. Mit gutem Grund. Deshalb auch die Frage, ob das mit der Pille bei den Frauen tatsächlich die beste Lösung ist. Da wird von manchen Ärzten abgeraten. Die Nebenwirkungen sind nicht unerheblich. Auch bei den Spritzen für Männer, die machten anscheinend einige Männer depressiv. Und die neue Pille? Die geht nicht über Hormone, sondern greift einen Stoff an, der für die Spermienbildung nötig ist - Retinsäure, eine mit Vitamin A verwandte Substanz. Da gab es schon mal 2011 einen Wirkstoff, der Retinsäure hemmte. Der wurde eigentlich für etwas ganz anderes ursprünglich entwickelt - ich glaube, es ging um Hautkrankheiten. Da trat bei den Tests eine verringerte Fruchtbarkeit auf - bei männlichen Tieren. Auch die neue Pille ist erst mal nur an Mäusen erprobt. Und ob diese Substanz tatsächlich bis in die Apotheke findet, hängt auch davon ab, ob ein Pharmaunternehmen die Pille für den Mann tatsächlich für profitabel genug hält, um die ganzen Zulassungsstudien zu finanzieren. Bisher war das anscheinend nicht so. Sagt man nicht, dass die Umwelteinflüsse in den letzten 150 Jahren die Fruchtbarkeit allgemein verringert haben? Das ist nicht ganz so klar. Eine finnische Studie über abnehmende Spermienqualität ist nicht unumstritten. Ich denke, dass die zurückgehende Fruchtbarkeit in den reichen Ländern eher damit zu tun hat, dass der erste Zeugungsversuch oftmals später unternommen wird - wegen der Planbarkeit. Aber global gesehen ist immer noch jede zweite Schwangerschaft ungewollt. Und die Hälfte aller Eltern trennt sich im ersten Jahr nach der Geburt. Aber es gibt immer noch Kulturen, wo die Männlichkeit sich an der Zahl der Kinder bemisst. Und wo schon die Mär Erfolg hat, dass Impfungen von Europäern und Amerikanern nur in die Welt gesetzt wurden, um arme Menschen an der Fortpflanzung zu hindern, kommt Verhütung wohl auch schlecht an.